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== Ein Vogt ==
 
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Inzwischen waren die beiden großen weißen Hunde zu [[Garetien:Nella Rosna|Nella]] geeilt. Erst hatten sie interessiert an ihr geschnuppert, wollten dann aber sogleich mit ihr spielen oder zumindest ausgiebig von ihr gestreichelt und gekrault werden. Das Mädchen kicherte und gluckste ganz aufgeregt, ließ ihre kleinen Hände durch das weiche weiße Fell der Hunde gleiten, kuschelte und schmuste mit ihnen und schien in diesem Augenblick so voller Glück und Zufriedenheit. Da wussten die drei Schwestern, dass es so sein musste. Dass diese Hunde für Nella bestimmt waren. So wie Praiosborn für sie bestimmt gewesen war.
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Nella blieb zum Essen. Das tat sie die letzte Zeit öfter. Ihre Schafe waren ja schon im Stall. Die Hunde lagen zu ihren Füßen unter dem Tisch und dösten. Erst da fragte das Mädchen: „Frau Reichsritterin, was sind das denn für Hunde?“
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„Herdenschutzhunde“, erwiderte [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]].
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„Herdenschutzhunde? Aber... aber Ihr habt doch gar kein Vieh? Und... und... Ihr habt Beißi! Wer einen Beißi hat, der braucht keine Hunde zum Schutz mehr.“
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„Stimmt. Wir haben kein Vieh.“
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Das Mädchen stutzte einen Augenblick. Sagte dazu aber nichts.
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„Wie heißen die beiden denn?“
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„Es sind zwei Brüder. Baduar ist der mit der dunklen Maske, der andere heißt Blasius. Sofern, dir diese Namen gefallen?“
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„Warum denn mir?“
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„Weil sie dir gehören!“
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Da bekam das Mädchen ganz große Augen: „Mir?“
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„Ja, dir! Sie werden fortan deine Schafe beschützen.“
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„Aber... aber...“, stammelte das Mädchen und begann entsetzlich zu weinen.
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„Da ziehen die drei von dannen“, die [[Garetien:Scanlail ni Rian|Skaldin]] zeigte auf die beiden kleiner werdenden weißen Punkte in der Ferne, „Unglaublich wie Nella sich gefreut hat.“
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„Das Leben verlangt den Menschen hier viel ab“, erwiderte [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]], „Zu viel, wenn ihr mich fragt.“
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„Ein Herz und eine Seele“, fuhr Scanlail fort, „Als würden die drei sich schon ewig kennen. Immerhin müssen wir jetzt keine Ponykacke wegmachen...“
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„Da können wir echt froh sein...“
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„Und damit hätten wir fast alle unsere Probleme gelöst“, meinte Ailsa.
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Ihr Schwestern schauten sie fragend an.
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„Na, wie müssen wir unseren [[kos:Darian von Trottweiher|Vater]] denn jetzt eigentlich nennen?“, wollte die Ritterin da wissen, „Jetzt, da er Vogt vom Greifenpass ist.“
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„Euer Hochgeboren?“, schlug Nurinai vor.
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„Wie wäre es mit Vater?“, mischte sich nun die Skaldin ein, „Ganz einfach Vater. So wie bisher auch.“
  
 
== Iwo und Iwana ==
 
== Iwo und Iwana ==

Version vom 19. April 2019, 13:04 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.

Drei Krähen und ein Räblein

Das, was war

Fürstentum Kosch, Baronie Birnbrosch, 24. Rahja 1041 [fertig]

Das, was ist

25. Rahja 1041

Da durchbrach der Schrei einer Krähe die Finsternis. Und mit ihr kam das Licht. Der Schatten erzitterte, bäumte sich auf. Die Krähe verharrte einen Augenblick über ihm. Dann stürzte sie sich auf ihn herab. Zerschmetterte ihn. Zerbarst ihn. Tausende funkelnde Splitter prasselten wie Hagelkörner auf Ailsa herab. Einen winzigen Augenblick noch schwebte die Gespensterkrähe über allem. Erhaben, mutig, stark. Dann stand da plötzlich ihre Schwester.

„Nurinai!“, entfuhr es ihr da, „Nurinai! Du?“

Sie half ihr auf die Beine.

„Lauf Ailsa!“, erwiderte diese nur, nahm sie bei der Hand und lief los, „Lauf!“

Sie liefen. Liefen durch die Finsternis. Nurinai vor ihr, sie dahinter. Die Geweihte lief um eine Ecke, Ailsa hinterher und...

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Sie fand sich in der Ruine wieder. Noch immer hörte sie den Knaben weinen, noch immer lief sie, bis sie in der großen Halle ankam. Dort stand eine Wiege. Es war die Wiege des Erben der Baronie Greifenpass. Sie erkannte die Schnitzereien des Boltansrodener Rabens, der Leuin und des Greifen auf ihr.

„Hast Du schlecht geträumt?“, fragte die Baronin mit weicher Stimme und nahm ihren Sohn aus der Wiege heraus. Der Knabe verstummte in ihren Armen augenblicklich. Sanft wiegte die Mutter ihr Kind in den Schlaf, summte ihm ein Schlaflied vor, bevor sie ihn zurück in sein Bettchen legte. Dann wandte sie sich Ailsa zu: „Oh Ailsa, meine Ailsa. Du bist mir so lieb und teuer wie eine Schwester, bist meine Freundin, meine Vertraute und daher sorge ich mich um Dich, um Deine Zukunft, um Dein Wohlergehen.“

„Du brauchst Dich nicht zu sorgen“, versuchte Ailsa sie zu beruhigen.

„Doch!“, erwiderte sie da nur und senkte geradezu resignierend ihren Kopf, „Doch, das muss ich, Ailsa, das muss ich, denn dieser Mann... dieser Mann, Ailsa, er kann Dein Aufstieg oder aber Dein Verderben sein. Er kann Dich alles kosten, Ailsa, einfach alles. Er kann Dich in das größte Unglück stürzen, das Du Dir vorstellen kannst, Dir alles nehmen, was Du hast, was Du bist und je sein wirst, vielleicht verlierst Du sogar Deinen Kopf.“

Sie hielt einen Moment inne.

„Doch er kann Dir auch zu Ehre und Macht verhelfen. Er kann Dir eine Welt eröffnen...“

[...]

Das, was sein wird

26. Rahja 1041 [folgt noch]

Das, was bleibt

[fertig, greift die Träume auf]

Totgeboren

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042, am Morgen

Totenruhe

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Totenwacht

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Götterdienst

[...]

Warnung

„Du hättest wirklich zu Hause bleiben sollen“, hob Nurinai tadelnd an, als Mirya etwas zurückfiel, „In deinem Bett. So wie ich es dir gesagt habe.“

„Ich weiß“, erwiderte sie atemlos und ziemlich blass um die Nase, „aber ich konnte es meiner Tochter nicht abschlagen. Sie hat so viel durchgemacht. Sie hat es verdient, dass ich auch mal etwas für sie tue...“

Darauf wusste Nurinai nichts zu sagen. Braucht sie auch nicht, Mirya wollte reden, dass spürte sie.

„Sie hält sehr viel von Euch, Euer Gnaden, überaus viel. Ihr solltest sie mal reden hören!“, sie rang sich ein Lächeln ab, „Ihr wisst alles. Ihr könnt alles. Ihr helft jedem, egal ob Mensch oder Tier. Ihr seid immer da, wenn man Euch braucht. Ihr verurteilt nicht. Ihr nehmt die Menschen, so wie sie sind - Unvollkommen. Ihr...“

„Nella ist noch jung“, relativierte Nurinai, „Wenn man jung ist, erscheinen einem Menschen manchmal größer als sie sind, weil man selbst so klein und unbedeutend ist.“

„Ja“, sie nickte und ihre Stimme wurde plötzlich ganz leise, „Ihr seid ein guter Mensch. Ein sehr Guter. Ihr habt das alles hier... einfach nicht verdient!“

„Es geht nicht darum, was man verdient hat oder was nicht. Es geht darum, dass mein Herr mich aus einem bestimmten Grund hierher geschickt hat. Ich frage nicht aus welchem, er kennt ihn und das genügt mir.“

„Euer Herr, Euer Gnaden, hat uns hier genauso im Stich gelassen, wie alle seine zwölfgöttlichen Geschwister. Sie alle haben uns verlassen und uns dem ausgesetzt, was aus der...“, ihre Stimme brach, „Wir haben so lange nach ihnen gerufen. Wir haben gebetet und gefleht. So lange. So unglaublich lange.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. „Aber wir wurden nicht erhört. Wir blieben allein. Sie haben uns verlassen.“

Nurinai nickte verständnisvoll.

„Wir mussten uns irgendwie... irgendwie selber helfen“, sie zuckte etwas hilflos mit ihren Schultern, „Das versteht Ihr doch...?“

Erneut nickte sie.

„Was hätten wir auch sonst tun sollen? Es war ja niemand da. Es hat doch niemanden gekümmert, solange wir unseren Verpflichtungen gegenüber unseren Herren nachgekommen sind. Und die hohen Herren in Gareth...“ Sie lachte. „Die interessieren sich doch nicht für Leute wie uns, für normale Leute. Da muss man schon adelig sein...“

„Glaub mir, auch das reicht nicht aus. Adelige gibt es so viele wie Vögel am Himmel“, hob nun Nurinai an, „Und das meine Schwester nun Reichsritterin zu Praiosborn ist, das hat nichts damit zu tun, das sie es verdient hat oder das sie hier gebraucht wird oder das ihr hier jemand braucht, der sich diesem Schrecken annimmt, sondern damit, das man etwas zwischen diesen Hohen Herren und der Finsternis hat. Etwas, dass sie einem vom Hals hält. Das sich um die Probleme kümmert und deswegen und nur deswegen hat man diese Lehen an Menschen gegeben, die entbehrlich für die da oben sind. Um es kurz zu machen: Von denen interessiert sich keiner für uns!“

„Dann haben wir ja etwas gemeinsam“, stellte Mirya nüchtern fest. Dann wandte sie erneut an und flehte: „Euer Gnaden, Ihr müsst gehen! Bitte! Geht so lange Ihr es noch könnt!“

„Ich kann nicht. Ihr braucht mich. Ihr alle!“, erwiderte diese nur, „Wer soll sich um euch kümmern, euch beistehen, euch zuhören oder euch die zwölf Götter wieder nahe bringen, wenn nicht ich?“

Sie schüttelte nur den Kopf: „Warum begreift Ihr das denn nicht? Die Götter haben diesen Ort verlassen. Endgültig verlassen. Sie kehren nicht zurück.“

„Sie können nicht zurückkehren“, stimmte die Geweihte da zu, „Denn sie waren nie fort. Sie waren immer da. Doch du blickst nur zurück und sieht nur die eine einzige Fußspur in der Erde hinter dir. Nur eine einzige und da fragst du dich, wo sie da waren, die Götter. Und du fragst zurecht. Doch schau dir deine Fußsohlen an! Schau sie dir ganz genau an! Kein Krümel Erde hängt daran, denn es waren die Götter und die Götter allein, die dich diesen langen und entbehrungsreichen Weg getragen haben.“

Einen Augenblick herrschte schweigen zwischen den beiden Frauen. Dann schüttelte Mirya langsam ihren Kopf: „Ihr versteht nicht. Ihr müsst gehen. Ihr müsst!“ Sie biss sich auf die Lippen, ließ ihren Blick zur Seite schweifen und erklärte: „Es beginnt alles damit, dass man nachts immer wieder erwacht. Man weiß nicht warum. Es gibt keinen Grund. Man erwacht dann immer häufiger. Irgendwann kommen die Träume. Schreckliche Träume. Träume von Tod und Verderben. Von verwesenden Leichen. Man hört sie rufen, schreien, obwohl sie tot sind. Zu Beginn sind es Fremde, doch dann werden es Freunde und irgendwann sind es die Eltern, Geschwister, die eigenen Kinder, diejenigen die man am meisten liebt. Man kann nicht mehr schlafen.“ Sie holte Atem. „Und dann, dann sieht man sie bei Tag. Sieht wie die Maden in ihnen krabbeln, wie sie in ihnen wühlen, wie sie sie auffressen. Bei den Augen, da fangen sie an.“ Sie deutete auf ihre eigenen Augen. „Und langsam, ganz langsam zehrt die Brache den eigenen Verstand auf und man fällt immer mehr und mehr dem Wahnsinn anheim, bis man nur noch einen einzigen Ausweg kennt - den Tod!“

Nurinai hörte aufmerksam zu.

„Ihr wärt nicht die Erste, der das widerfährt! Wärt nicht die Erste, die in den Praiosborn geht und dort für immer bleibt.“

„Ist das...“, hob Nurinai zaghaft an, „... schon einmal passiert? Hier passiert?“

Darauf gab Mirya keine Antwort, stattdessen sagte sie: „Ihr könnt mir noch so oft sagen, dass Ihr nicht unter diesen Träumen leidet. Ich glaube Euch nicht. Ich sehe es Euch an. Damals habe ich es ihr auch angesehen.“

„Ihr?“, fragte die Geweihte und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass es sehr wohl stimmte, was sie sagte. Zuerst war sie immer wieder nachts erwacht, dann waren die Träume gekommen. „Wovon sprichst du? Von wem sprichst du?“

„Wisst Ihr was mit der letzten Geweihten hier passiert ist?“

Nurinai wartete auf die Antwort.

„Eines nachts hat sie es nicht mehr ertragen und ist in den Praiosborn gegangen. Dort hat sie ihr Leben gelassen.“

Nun schüttelte die Geweihte ihren Kopf: „Man hätte nach ihr gesucht. Geweihte verschwinden nicht so einfach, schon gar nicht unbemerkt!“

„Hier an der Brache?“, Mirya lachte, „Hier sucht keiner nach einem! Wenn man verschwindet, dann hat sich die Brache denjenigen einverleibt. Und wer ist schon so lebensmüde und geht in die Brache um nach jemanden zu suche, der sehr wahrscheinlich bereits nicht mehr am Leben ist?“ Fragend sah sie die Geweihte an.

Eine Krähe ruft

An die Prätorin des Tempels unserer gütigen Etilia in Kammhütten, Greifenpass

Werte Líadáin,
 
 
 
 
als Du mir Marbhán geschenkt hast, da dachte ich, dass ich sie nie brauchen würde. Damals glaubte ich, dass sie nur eine Geste Deines Vertrauens in mich und eine Anerkennung meiner Fähigkeiten sei. Heute frage ich mich manchmal, ob Du nicht etwas geahnt hast.

Wie dem auch sei: Ich habe Marbhán einsetzen müsse. Es war eine schwere Geburt. Die Mutter lag seit Tagen in den Wehen, das Ungeborene jedoch steckte fest. Als ich eintraf, war es bereits nicht mehr am Leben. Es war schrecklich, Líadáin! So schrecklich! Genauso schrecklich wie damals. Doch die heilige Etilia stand mir bei und die göttliche Kraft unseres Herren hat mich die ganze Zeit erfüllt.

Das Schrecklichste war jedoch nicht, dass ich das Ungeborene auf diese Art und Weise habe holen müssen, sondern das es kein normal geartetes menschliches Wesen zu sein schien: Seine Gliedmaßen waren miteinander und ineinander verwachsen, dazu noch verkrüppelt, deren Anzahl lag ohnehin über denen gewöhnlicher menschlicher Wesen, Finger- und Fußnägel erinnerten eher an Krallen, die Augen an die einer Raubkatze, die Zähne waren bereits alle vollständig durchgebrochen, standen in zwei Reihen und waren messerscharf, der Rücken war eröffnet, sodass die Lunge zu sehen war, das Herz lag außerhalb der Brust. Allgemein erschien es mir mehr Tier als Mensch zu sein, nicht zuletzt, weil seine Haut mit einem dichten, dunklen Flaum überzogen war. So etwas, habe ich noch nie gesehen.

Es war auch nicht das einzige Kind, dass missgestaltet war. Ich war noch bei einer weiteren Geburt zugegen. Auch dieses Ungeborene war bei meiner Ankunft bereits tot. Da es aber noch Zeit gehabt hätte, dadurch noch nicht voll entwickelt war und deswegen noch recht klein, konnte es auf normalen Wege geboren werden. Die Unreifezeichen waren deutlich, die der Missbildung jedoch auch.

An einen Zufall glaube ich nicht, da auch der Praiosborn immer wieder missgebildete Fische hervorbringt, bin ich überzeugt, dass es etwas mit der Brache zu tun hat, mit der sich die Menschen hier auf eine seltsame Art und Weise arrangiert zu haben scheinen. Man hütet hier ein Geheimnis, dass man bisher nicht einmal mir anvertraut hat und was sollte das für eines sein, wenn nicht ein niederhöllisches?

Das Schlimmste jedoch, das Allerschlimmste ist, dass jemand das erste Ungeborene ausgegraben hat, nachdem ich es auf dem Boronanger begraben hatte. Líadáin, hast Du das schon einmal erlebt? Jemand ist des Nachts auf den Boronanger geschlichen, hat dort das eingesegnete Grab geöffnet und alle Einzelteile ausgegraben und mitgenommen. Ailsa hat mit der Inquisition gedroht, falls die Überreste nicht binnen Tagesfrist wieder da sind. Sie sind wieder aufgetaucht. Seitdem überantworte ich die Toten dem Feuer.

Die Ereignisse haben mich ratlos gemacht. Die Menschen reden einfach nicht und egal was ich versuche, ich kann ihr Schweigen nicht brechen. All die Geduld und das Verständnis, das ich ihnen versucht habe entgegenzubringen, haben mich bisher nicht weiter gebracht. Ich weiß einfach nicht, wie ich dem Ganzen hier noch begegnen soll. Was würdest Du tun?

Ich möchte Dich auch noch um einen weiteren Rat bitten, denn eine Frage quält mich ganz besonders: Wenn ein solches Kind jemals lebend zur Welt kommen sollte, was soll ich tun?
 
 
 
 
Hochachtungsvoll

Nurinai ni Rían

Eine Krähe antwortet

An die Dienerin des Raben Nurinai ni Rían in Praiosborn, Kaiserlich Brachenwacht, Garetien

Werte Nurinai,
 
 
 
 
unser Herr hatte einen Grund Dich und Deine Schwestern nach Praiosborn zu führen. Nun scheinst Du auf den Grund gestoßen zu sein und auch auf Deine Aufgabe, denn das es eine geben wird, das hat Bishdariel Dir in Deinen Träumen eröffnet. Und so wie er Dir einen Traum schickte, hat er auch mir einen geschickt und da wusste ich, dass es an der Zeit war Dir das geeignete Werkzeug an die Hand zu geben. Über das Wissen verfügst Du schon lange, dass Du auch kundig in der Anwendung bist, hast Du als meine Schülerin unter Beweis gestellt, nur das Instrument an sich, hat Dir gefehlt. Marbhán wird Dir treue Dienste leisten.

Die von Dir beschriebenen Ereignisse sind höchst besorgniserregend. Auf der einen Seite, weil ich vermute, dass Fälle von missgebildeten oder nicht lebensfähigen Kindern nicht neu sind, gleiches gilt für Fehl-, Früh- und Totgeburten. Auf der anderen Seite, weil es mir höchstes Unbehagen bereitet, dass es dort Personen gibt, die eingesegnete Gräber öffnen und die Begrabenen aus der geweihten Erde entnehmen. Das ist ein Frevel wider unseres Herrn!

Was Dein weiteres Vorgehen betrifft, so rate ich Dir: Halte Dich an die Frauen! Sie werden der Schlüssel sein. Denn die Frauen sind es, die missgebildete Kinder zur Welt bringen. Sie sind es, die tote Kinder zur Welt bringen. Sie sind es, die Fehlgeburten erleiden. Sie sind es, die besonders unter der Situation zu leiden haben und so werden sie es sein, die zuerst reden werden. Gedulde Dich noch ein wenig, Nurinai, doch sei unnachgiebig. Wenn sie Dir vertrauen, weil Du ihnen in ihren schwersten Stunden beigestanden hast, dann werden sie zuerst Rat bei Dir suchen und sich schlussendlich Dir offenbaren. So lange musst Du die Zeit nutzen: Höre zu, beobachte, damit Du ihnen, wenn sie sich Dir mitteilen, einen echten Ausweg bieten kannst. Hast Du sie überzeugt, werden die Frauen die Männer überzeugen.

Ich möchte Dir auch noch Deine letzte Frage beantworten: Der Rabe erhält, was des Rabens ist. Vergiss das nicht.
 
 
 
 
Hochachtungsvoll Líadáin ni Rían

Hüterin des Rabens im Tempel unserer gütigen Etilia

Fronschweine

„Moment“, warf Scanlail ein, „War Nale nicht im Travia noch auf dieser Hochzeit?“

„Welcher rechte Koscher würde bei einem Bankett schon fehlen?“, witzelte Nurinai.

Und Ailsa fügte verschmitzt nickend hinzu: „Unsere Eltern waren schließlich auch dabei.“

„Und dann reist sie nach Hause und bekommt einfach so...“, die Skaldin zuckte ziemlich hilflos mit den Schultern, „... mal eben... Zwillinge?“

„Nicht einfach so!“, korrigierte Ailsa heftig nickend, „Nein, nein. Also es war so: Nale ritt auf ihrem Pferd – schließlich ist sie Ritterin – nach Grauensee. Dort tanzte sie die ganze Nacht durch und wenn ich sage, die ganze Nacht, dann meine ich das auch so. Sie war die letzte die zu Bett ging und die erste, die am Morgen wieder auf den Beinen war – schließlich musste sie ihre Gebete verrichten. Anschließend, also nach der Hochzeit, ritt sie aber nicht etwa zurück auf den Greifenpass, nein, nein. Sie machte noch einen Abstecher zu ihrem Vetter nach Rohalssteg, schließlich würden ihre Kinder ja erst im Boron kommen und bis dahin war ja noch...“ Ailsa winkte ab. „... viel Zeit!“ Sie hielt einen Moment inne. „Schließlich brach sie dann doch in Richtung Greifenpass auf, vermutlich weil ihr Vetter sie dazu gedrängt hatte. Ihr war zwar danach einen Oger zu erschlagen, bedauerlicherweise konnte sie aber nur einen Drachen...“ Die Schwestern lachten herzlich. „... finden. Also erschlug sie halt den Drachen. Dann – kaum im Schloss angekommen – hat sie kurz mal eben, vor dem gemeinsamen Abendmahl versteht sich, ihre beiden Zwillinge geboren.“

Alle drei lachten. Lachten lang und herzlich. So war sie, die Baronin vom Greifenpass, immer für eine Überraschung gut und deswegen mochte man sie, weil sie eben nicht so war, wie man es von ihr erwartete.

„Manchmal beneide ich sie“, hob Ailsa merkwürdig nachdenklich an, „Sie und ihren Gatten.“

„Liebe, wahre Liebe ist immer beneidenswert“, fügte Scanlail hinzu, „Immer.“

„Er hat mir vorgeschlagen, ich solle einen reichen Mann ehelichen...“, platzte es da aus Ailsa heraus.

„Der Síofra?“, wollte Nurinai wissen.

„Ich wusste, ich hätte ihm die Augen auskratzen sollen! Ich wusste es ganz genau! Dieser…“, tobte Scanlail, „Dieser Bastard! Dieser Halunke! Dieser… dieser… Wie er mich anwidert! Wie er... Aber... aber Du hast doch nicht...?“

Ailsa lachte kehlig: „Was bringt mir das Geld eines Gatten, wenn der seine Hose nicht anbehalten kann?“

„Und das hast Du ihm so gesagt?“, fragte nun Nurinai.

„So ähnlich“, gestand die Ritterin.

Da nickte die Geweihte verständnisvoll: „Und wie geht es jetzt weiter? Würde er Dir trotzdem helfen? Auch ohne Gatten?“

„Würde er“, antwortete Ailsa knapp.

„Und was will er dafür?

„Uns als seine Fronschweine.“

Fragend schaute der Golgarit, der den Brief der Baronin überbracht hatte, sie alle an.

Blasius und Baduar

„Und was machen wir jetzt mit den beiden da?“, wechselte Ailsa seufzend das Thema und deutete zu den beiden großen, weißen Hunden hinüber, die gerade ausgiebig von Lorine und Boronian, dem Novizen des Golgariten, gestreichelt und gekuschelt wurden, „Was Nale sich dabei nur wieder gedacht hat...“

„Was hat sie Dir denn gesagt?“, wandte sich nun die Geweihte an den Golgariten, der die Hunde mitgebracht hatte.

Über das Gesicht des Geweihten legte sich ein verschmitztes Lächeln: „Nur, dass sie genug davon habe und ihr sie hier gewiss gut gebrauchen könnt. An der Brache. Zum Schutz. Und da man ihr im Augenblick besser nicht widerspricht...“

„... hast Du ihr nicht widersprochen“, schloss Nurinai nickend.

Er lachte: „Ich bin doch nicht des Wahnsinns!“

„Da hat wohl jemand Angst vor seiner kleinen Schwester, was?“, foppte die Geweihte den Golgariten.

„Keine Ahnung, wie der Rhodensteiner das aushält...“

„Wahre Liebe!“, seufzte die Geweihte.

„Vielleicht hat aber die gute Palina von Pul ihre Abgaben auch mal wieder mit ihren süßen, kleinen Hundewelpen beglichen?“, vermutete nun Scanlail, „Wäre ja nicht das erste Mal.“

„Und wer kann schon zu süßen, kleinen Hundewelpen Nein sagen?“, führte Nurinai lachend weiter aus, „Eine unter Schwangerschaftswahnsinn leidende Baronin ganz sicher nicht.“

„Süß und klein...“, wiederholte Ailsa und blickte die Hunde aufmerksam an, „Süß und klein... Reden wir eigentlich von den gleichen Hunden? Die da drüben sind auf jeden Fall ganz sicher nicht klein, süß vielleicht, aber klein? Die wiegen doch bestimmt jetzt schon...“ Sie überlegte einen Moment. „... 20 Stein!“

„Könnt wohl hinkommen“, stimmte die Geweihte zu, „Was die wohl den Tag über verputzen?“

„Na, Gras werden die ganz sicher nicht fressen!“, mischte sich nun Lonán ein, „Und alles was vorne reingeht, kommt auch hinten wieder raus...“

„Pferdehaufen...“, war alles, was Ailsa dazu zu sagen hatte, „Riesen große Pferdehaufen.“

„Also ich“, hob der Waffenknecht an, „Ich mach die Ponykacke bestimmt nicht auch noch weg!“

Ailsa sah ihn mit einem bösen Blick an.

„Ich bin freier Albernier und nicht zuständig für Ponykacke! Reicht schon, wenn ich den hohen Damen jeden Tag das Essen auf den Tisch bringen muss... Oder wollen die Herrschaften den Rest ihrer Tage ausschließlich Grütze speisen? Morgens, mittags UND abends?“

Keine der drei Schwester erwiderte etwas darauf.

„Ich habe ehrlich gesagt keine Zeit mich um die Biester zu kümmern“, stellte die Geweihte kurz darauf klar, „Sind ja nette Kerlchen, aber...“

„Ich auch nicht. Muss mich um mein Lehen kümmern...“, erklärte nun Ailsa.

Alle Blicke lagen nun auf Scanlail. „Also ich werde ganz sicher keine Ponykacke wegräumen! Ganz sicher nicht! Ich bin Skaldin und keine... Tierbändigerin!“

„Und jetzt?“, fragte Ailsa in die Runde.

„Keine Ahnung!“

„Ich auch nicht!“

Da rief eine Kinderstimme: „Den Zwölfen zum Gruße!“

„Die Götter auch mit dir, Nella!“, erwiderten die drei Schwestern im Chor.

„Nella?“, entfuhr es der Ritterin.

„Nella“, wiederholte die Geweihte.

„Nella!“, stimmte die Skaldin zu.

„Warum sind wir nicht früher darauf gekommen?“, ärgerte sich Ailsa.

„Warum haben wir uns nur so schrecklich dumm angestellt?“, fügte Nurinai hinzu.

„Wir? Ihr vielleicht“, frotzelte Scanlail, „Ich jedoch hab es gleich gewusst! Aber auf mich hört hier ja keiner!“

Ein Vogt

Inzwischen waren die beiden großen weißen Hunde zu Nella geeilt. Erst hatten sie interessiert an ihr geschnuppert, wollten dann aber sogleich mit ihr spielen oder zumindest ausgiebig von ihr gestreichelt und gekrault werden. Das Mädchen kicherte und gluckste ganz aufgeregt, ließ ihre kleinen Hände durch das weiche weiße Fell der Hunde gleiten, kuschelte und schmuste mit ihnen und schien in diesem Augenblick so voller Glück und Zufriedenheit. Da wussten die drei Schwestern, dass es so sein musste. Dass diese Hunde für Nella bestimmt waren. So wie Praiosborn für sie bestimmt gewesen war.

Trenner Garetien.svg

Nella blieb zum Essen. Das tat sie die letzte Zeit öfter. Ihre Schafe waren ja schon im Stall. Die Hunde lagen zu ihren Füßen unter dem Tisch und dösten. Erst da fragte das Mädchen: „Frau Reichsritterin, was sind das denn für Hunde?“

„Herdenschutzhunde“, erwiderte Ailsa.

„Herdenschutzhunde? Aber... aber Ihr habt doch gar kein Vieh? Und... und... Ihr habt Beißi! Wer einen Beißi hat, der braucht keine Hunde zum Schutz mehr.“

„Stimmt. Wir haben kein Vieh.“

Das Mädchen stutzte einen Augenblick. Sagte dazu aber nichts.

„Wie heißen die beiden denn?“

„Es sind zwei Brüder. Baduar ist der mit der dunklen Maske, der andere heißt Blasius. Sofern, dir diese Namen gefallen?“

„Warum denn mir?“

„Weil sie dir gehören!“

Da bekam das Mädchen ganz große Augen: „Mir?“

„Ja, dir! Sie werden fortan deine Schafe beschützen.“

„Aber... aber...“, stammelte das Mädchen und begann entsetzlich zu weinen.

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„Da ziehen die drei von dannen“, die Skaldin zeigte auf die beiden kleiner werdenden weißen Punkte in der Ferne, „Unglaublich wie Nella sich gefreut hat.“

„Das Leben verlangt den Menschen hier viel ab“, erwiderte Nurinai, „Zu viel, wenn ihr mich fragt.“

„Ein Herz und eine Seele“, fuhr Scanlail fort, „Als würden die drei sich schon ewig kennen. Immerhin müssen wir jetzt keine Ponykacke wegmachen...“

„Da können wir echt froh sein...“

„Und damit hätten wir fast alle unsere Probleme gelöst“, meinte Ailsa.

Ihr Schwestern schauten sie fragend an.

„Na, wie müssen wir unseren Vater denn jetzt eigentlich nennen?“, wollte die Ritterin da wissen, „Jetzt, da er Vogt vom Greifenpass ist.“

„Euer Hochgeboren?“, schlug Nurinai vor.

„Wie wäre es mit Vater?“, mischte sich nun die Skaldin ein, „Ganz einfach Vater. So wie bisher auch.“

Iwo und Iwana

Krähen im Maul des Greifen

Das eiserne Band