Geschichten:Das Leben geht weiter - Abschied: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 8. März 2021, 17:32 Uhr
Burg Scharfenstein, 7. Peraine 1043
Unswin hatte, nachdem er Meara sicher nach Scharfenstein gebracht hatte, die Erlaubnis erhalten die große Schildmauer der Burg zu betreten. Der Ausblick war beeindruckend. In Richtung Westen konnte man den gesamten Burghof überblicken, und darüber hinaus bis weit nach Waldstein hinein zu den Seen von Schwanenbruch, während im Südwesten einige Meilen entfernt die Stadt Schwarztannen zu sehen war.
Seit drei Tagen war der Greifenfurter nun auf Burg Scharfenstein zu Gast. Meara hatte er in der Zeit kaum zu Gesicht bekommen, doch hatte er sie einmal beobachtet, wie sie mit einer Zofe am Ufer der Raller spazieren ging. Selbst aus der Entfernung hatte sie bedrückt und niedergeschlagen gewirkt. Sie hatte in sehr kurzer Zeit ihren Mann und ihre Kinder verloren. Er vermutete, dass es mehr als ein paar Tage Ruhe und belanglose Gespräche mit den Bediensteten brauchen würde, bis sie wieder zu glücklichen Gefühlen fähig wäre.
Der Ritter hatte die Zeit genutzt die Rüstung in der Burgschmiede ausbessern und sein Schwert schleifen zu lassen. Sein Ross hatte frische Hufeisen bekommen und nach ein paar Nächten in einem richtigen Bett, fühlte er sich so erfrischt wie seit Wochen nicht mehr. Auch hatte er die Stunden der Ruhe genutzt, um über seine Situation nachzudenken und sich darüber klar zu werden, wo ihn sein Weg als nächstes hinführen sollte. Morgen würde er Scharfenstein verlassen. Es ziemte sich nicht, die in Travias Namen gewährte Gastfreundschaft länger in Anspruch zu nehmen. Zuvor jedoch wollte sich Unswin von Meara verabschieden. Er sah sie auf Höhe der Stallungen auf der niedrigen Wehrmauer zur Raller stehen. Sie schien in Gedanken versunken zu sein, während sich eine Zofe respektvoll mit Abstand hinter ihr hielt. Kurzentschlossen verließ er die Schildmauer über den nördlichen Turm und stieg die steile Wendeltreppe fünfzehn Schritt hinab, bis er die Wehrmauer erreichte. Die Edeldame stand noch immer dort, wo er sie zuvor gesehen hatte. Mit einem Blick gebot er der Zofe zurückzubleiben. Seine Worte waren nur für die trauernde Rian bestimmt.
„Herrin Meara?“ Die Angesprochene zuckte leicht zusammen. „Verzeiht, wenn ich Euch erschreckt habe.“ Er machte eine kurze Pause und suchte nach den richtigen Worten. „Ich bin gekommen, um Euch mitzuteilen, dass für mich die Zeit des Abschieds gekommen ist.“ Ihr Körper bewegte sich leicht, als ob sie sich zu ihm umdrehen wollte, doch dann hielt sie wieder inne und blickte weiter in die Raller.
„Ich wünschte, ich hätte mehr für Euch tun können. Doch Ihr seid nun im Schoß Eurer Familie und mehr zu tun übersteigt meine Macht. Mögen die Götter geben, dass Ihr Eure Kinder in nicht allzu ferner Zeit wieder in Eure Arme schließen könnt.“ Sie schwieg, doch machte sie auch keine Anstalten ihn fortzuschicken.
Also sprach er weiter. „Indes hat mich Euer und Bolzers Schicksal etwas Wichtiges gelehrt. Nämlich, dass ich meinen eigenen Kindern ein besserer Vater sein sollte, solange mir dies möglich ist. Solltet Ihr meine Hilfe noch einmal benötigen, zögert nicht zu schreiben oder mich aufzusuchen.“ Wenn sie ihn verstand oder auch nur zuhörte, so ließ sie es nicht erkennen. Trotzdem hoffte Unswin, dass seine Worte sie erreichen mochten.
„Ich werde von hier aus nach Perricum in die Baronie Gnitzenkuhl reisen. Dort sind meine Kinder in der Obhut der Familie meiner seligen Frau. Wenn ich dafür gesorgt habe, dass ihrer aller Zukunft geregelt ist, kehre ich zurück auf mein Gut in Kressenburg. Beim Turnier meines Vetters will ich endlich wieder in Rondras Namen streiten, denn ich bin dem Dienst an ihrem Sohne überdrüssig.“
Er wartete einige Augenblicke. Aus dem Augenwinkel sah er, dass sich die Zofe unruhig bewegte. Es wurde Zeit für ihn sich zurückzuziehen. Unswin verbeugte sich leicht vor der Edeldame.
„Lebt wohl, Meara.“