Benutzer:VolkoV/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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==Der Herr auf Ox – Streithammel==
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==Einführung==
[[Garetien:Burg Ox|Burg Ox]] in der [[Garetien:Baronie Viehwiesen|Baronie Viehwiesen]], Travia 1033 BF
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*Vorstellung des Charakters
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*Vorstellung des jeweiligen "Inneren Antriebs", der in dieser Queste auf die Probe gestellt wird
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===Irmhelde===
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===Alderan===
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[[Garetien:Alderan von Nadoret|Alderan von Nadoret]] schüttelte sich. Dieses Höllenwall behagte ihm gar nicht. Der Auftrag unter dem er hier hergekommen war hatte recht mondan geklungen. Er sollte herausfinden ob in den Jahren vor dem Fall der Helburg Gefangenen aus dem Staatsgefängnis verschwunden waren. Alderan kam es reichlich merküwrdig vor, dass er das ausgerechnet jetzt herausfinden sollte, wo die Helburg doch vollkommen zerstört worden war. Vielleicht ging es ja darum sicherzustellen, dass ein bestimmter Gefangener auf jeden Fall beim Fall der Helburg ums Leben gekommen war und nicht bereits im Vorfeld verschwunden war. In einer verwüsteten Baronie herumzustöbern war seine Sache eigentlich nicht, aber andererseits war es ihm ganz recht den Neckereien seiner Kameraden zu entkommen, hatte er, der Lebemann schlechthin doch kürzlich geheiratet und dazu auch noch eine Reichsforsterin. Und das mitten im Fehdejahr. Jetzt war er, der Koscher aus Eslamsgrund auch noch Reichsforster und dass obwohl seine Wahlheimat, die Kaisermark mit "seiner" Grafschaft in Fehde stand. So war Alderan also nach Höllenwall gereist und hatte auch seinen [[Garetien:Anshold von Salzmarken|Vater]] besucht, der sich ja seit eingier Zeit in Kämpfe mit anderen rauflustigen Adligen verwickelt hatte. Alderan erkannte seinen Vater kaum wieder, war dieser doch deutlich von den vergangenen Kämpfen gezeichnet und schien vor allem darauf aus zu sein seinen Konkurrenten [[Garetien:Lucian von Malagant|Lucian Malagant]] auszulöschen.
  
'''Dramatis Personae'''
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Anshold war sein Vater fast schon ein wenig unheimlich geworden, also hatte er sich bereits am nächsten Tag aufgemacht um sich im Umland der zerstörten Stadt Höllenwall nach Gerüchten um den Verbleib der Gefangenen zu erkundigen. Vielleicht ließe sich ja ein ehemaliger Kerkersoldat, oder Dienstbote auftreiben der ein wenig Licht ins Dunkle bringen konnte. Jetzt wo der Baron von Höllenwall, mit seiner gesamten Sippschaft draufgegangen war würde der ein oder andere sicher bereit sein ein wenig zu plaudern, so denn einige Geldstücke den Besitzer wechselten.
*[[Garetien:Giselda von Ochs|Giselda von Ochs]], Kronvögtin von Mardershöh
 
*[[Perricum:Leobrecht von Ochs|Leobrecht von Ochs]], Reichsvogt von Kaiserlich Efferdsträne
 
*[[Garetien:Anaxios Illosos von Ochs|Anaxios Illosos von Ochs]], Baron von Viehwiesen
 
*[[Garetien:Wolfaran von Mardrabrück|Wolfaran von Mardrabrück]], Sohn Leobrechts, Ritter zu [[Garetien:Reichsstadt Wandleth|Wandleth]]
 
  
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===[https://www.garetien.de/index.php/Garetien:Ucuriel_Delo_von_Eychgras Ucuriel Delo von Eychgras]===
  
Genug war genug! Mit einem lauten Knall donnerte der Zinnbecher gegen die Wand neben dem Kamin. Ein recht scharfer, beißender Geruch stieg aus den herumliegenden Tonflaschen empor. Viel des gut gebrannten Viehwiesener Schnapses floss hier die Kehlen hinunter.
 
  
Genug war genug! Der junge [[Garetien:Wolfaran von Mardrabrück|Wolfaran]] schwankte aus der Tür hinaus, geradewegs in den Gang. Er stolperte laut fluchend durch das Treppenhaus. Er würde ihr die Meinung sagen, wenn sein Vater schon zu feige war, würde er das Zepter in die Hand nehmen und eine Lanze für seine [[Perricum:Korhilda von Hartwalden-Sturmfels|Mutter]] brechen.  Genug Mut hierzu hatte er sich zumindest angetrunken.
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Nun starre ich in die Sonne!
  
Wolfaran war bereits im Erdgeschoss angekommen als sich über ihm mehrere Türen öffneten. Einige Bedienstete, wie auch sein Vater [[Perricum:Leobrecht von Ochs|Leobrecht]] und sein Cousin [[Garetien:Anaxios Illosos von Ochs|Anaxios]] blickten auf ihn herunter. Die beiden letzteren nahmen ihre Füße in die Hand und liefen dem jungen Ritter nach. Er würde noch mehr Porzellan zerbrechen, sollte er mit seinen wüsten Beschimpfungen den Weg bis zu [[Garetien:Giselda von Ochs|Giseldas]] Unterkunft erreichen.  
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[[Garetien:Fiana_von_Dachsen|Fiana]] sah so bezaubernd aus, als ich das letzte mal mit ihr zu Tisch saß und sie mir, wie so oft beim abendlichen Mahle, eifrig über ihre Rechtsfälle referierte. Ich halte mich zu gern an dieser Erinnerung fest, wie Sie mir gegenüber sitzend, mit der silbernen Gabel auf der ein Stück Brot saß, verspielt in der Luft herum wirbelte, während aus ihrem bezaubernden Mund all diese Theorien und Paragraphen sprudelten. Hin und wieder schob sie sich dann ihre Brille mit dem Zeigefinger wieder auf ihrer süßen Nase zurecht und tunkte ihr Brot in das Schlunder Fondue-Töpfchen, um es dann, beim ausführen ihrer Theoreme, lange Fäden ziehend wieder  heraus zu ziehen und langsam drehend das Brot einsponn, wie ihre feuriger Enthusiasmus meinen Geist. Seit Helon sie zur neuen Landrichterin von Nettersquell berufen hatte, war ihr brillantes Köpfchen eifrig mit der Aufklärung all der Ereignisse dort beschäftigt und ich durfte an ihrer Hingabe und Leidenschaft teilhaben.
  
Wie gut, dass der „junge Ochs“ nicht mehr so standsicher auf den Beinen war. Der hochprozentige Schnaps brachte ihn doch ziemlich ins Wanken. So konnte sein Vater ihn einholen und legte seine Arme kraftvoll um ihn, um Wolfaran auf irgendeine Weise aufzuhalten. Dieses brachte den Hitzkopf nur noch mehr in Rage. Wolfaran schmetterte seinem Vater Hasstriaden und Unmutsbekundungen entgegen. Dennoch stemmte sich Leobrecht gegen seinen Sohn und versuchte ihn zu besänftigen. Wolfaran wusste nicht mehr, was er tat. Auch Anaxios versuchte ihn zu beruhigen, doch jedes weitere Wort machte ihn nur noch wütender. Waren denn alle hier zu feige sich der alten Giselda zu stellen? Einer musste doch mal die Wahrheit aussprechen. Bei Praios!
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Meine Fälle im gräflichen Ingerimmsschlund verstopften zu jener Zeit nur noch plump meinen Kopf wie zähe Käsemasse die langsam erkaltete. Die spontane Selbstentzündung der Kutsche meines Amtsvorgängers aufzuklären, erwies sich als recht schleppend. Die Überreste der verkohlten Kutsche wurde nun seit Jahren ohne Ergebnisse in der Stellmacherei Posche untersucht. Auch beim Brückenfall an der Natter wurde nur gemauert. Das Silber des Grafen war nie mehr aufgetaucht und die klammen Hartsteener ließen niemanden mehr an die Unglücksstelle. Das Rohalsche Brückenprivileg verfolgte mich bis in meine Träume. Die Fehde und der Verrat der Familie Hartweil hatte neue juristische Fragen aufgeworfen, die sich auf meinem Schreibtisch stapelten. Ich brauchte zu jener Zeit wirklich eine Auszeit.  
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Scheiß auf den Schlund, scheiß auf die Fehde, scheiß auf meine kostbare Zeit.  
  
„Was ist das hier für ein Gebrüll?“. Aus dem vor ihnen liegenden Gang hörten sie die Stimme Giseldas und ihre tapsenden Schritte, die sich ihnen näherte. Leobrecht zog seinen Sohn mit all seiner Kraft in einen Nebenraum, drückte ihn zu Boden und versuchte ihm seinen Mund zu zuhalten, leider mit mäßigem Erfolg, war sein Sohn doch mittlerweile zu einem stattlichen Mann herangewachsen, der mit seinen Kräften seinem Vater durchaus Paroli bieten konnte.
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Der Brief meiner [[Garetien:Coris_von_Gryffen|Mutter]] war so eindringlich gewesen, das ich ihre Bitte nach so vielen Jahren nicht ausschlagen wollte. Mit dem Studium der Juristerei in Punin, hatte ich mich damals, nach meiner Knappschaft von Ihr und dem Orden lösen können. Von meiner Hochzeit mit meiner brillanten, wie bezaubernden Kommilitonin, hatte ich meine Eltern nur nach Vollzug in Kenntnis gesetzt. So war mein Bruch mit der Familie perfekt. Nach Jahren in der Kanzlei, waren die Kontakte Fianas und die daraus resultierende Anstellung im Schlund, ein Glücksfall gewesen um eine Grafschaftsgrenze und mehrere Täler des Raschtulswalls zwischen Uns und meiner Familie zu bringen. Wir hatten uns im Schlund etwas aufgebaut. Und an jenem Abend am Fondue war es an mir Fianas Bann zu lösen und ihr zu sagen das ich zurück gehen werde.
  
Anaxios konzentrierte sich und sprach die Formel „Silentium Schweigekreis“. Danach prustete er durch und zog sein Schlafgewand gerade. „Meine liebste Tante es freut mich euch zu so später Stunde sehen. Und gleichfalls entschuldige ich mich für die Unannehmlichkeiten. Ich hatte eine Auseinandersetzung mit einem meiner Bediensteten und dabei habe ich ein wenig meine Contenance verloren. Entschuldigt, dass ich euren geruhsamen Schlaf unterbrochen habe. Es wird nicht wieder vorkommen.
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Als ich das Praiostal erreichte und [[Garetien:Burg_Lichterneck|Burg Lichterneck]] nach so vielen Jahren wieder betrat, kamen schwermütige Erinnerungen hoch. Ich hatte meiner Mutter zum Gefallen, meine Knappschaft in der Ordensburg geleistet. Ich hatte ihren Zeremonien beigewohnt, ihre Ausrüstung gepflegt, die Reittiere und die Gefangenen versorgt und ihre verrohte Ideologie aufgesogen und zu meiner gemacht, um zu verdrängen welches Blutes ich bin. Tag für Tag in diesem Kerker um zu sühnen, das die Schande meines Partus ihren reinen Leib befleckt hatte. So war ich weniger Kerkerknecht, den selbst Gefangener in diesem Fels. Bis ich Ihn traf.
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Meine Mutter hatte ein Händchen für die subtilsten Torturen entwickelt, die einen Mann brechen konnten. Wohl eine Art Revanche für das was ihr mein Erzeuger tat. Und so fand ich Ihn eines Abends bei meinem Gang mit dem Breitopf am Felssims liegend. Ich schätze er wäre noch an jenem Abend gesprungen, wenn ich mich nicht zu ihm gesetzt hätte. „Mit welchem Recht...?“ Mehr hatte er nicht in den tiefen Abgrund gestammelt. Doch bei mir lösten diese Frage etwas aus. Ich kann es nicht erklären. Aber ich setzte mich an jenem Abend zu jenem geschundenen Gefangenen mit seiner merkwürdigen Haarsträhne und grübelte über mein Leben nach.
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Ich brachte Ihm noch oft seinen abendlichen Brei und wir philosophierten über Recht, Willkür und Wille der Götter. Und wir nährten uns gegenseitig so in diesem Loch, in dem wir Beiden zum geistigen verrotten festgesetzt waren. Ich kann nicht ganz bestreiten, das diese Gespräche den Grundstein meines Entschlusses bildeten, nach Punin zu gehen und mit dem Orden zu brechen. Der immer noch brillante Geist dieses Mannes, hatte meinen kindlich, naiven Verstand, wie ein Wetzstein das Messer, über die Monate geschärft. Und so traf es mich doch bitter, als ich nach ein paar Monaten meines Studiums hörte, das er doch noch in die Klamm gesprungen war.
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Als ich meine Mutter also in ihrer Klausur auf Lichterneck aufsuchte, in die sie sich geflüchtet hatte, nach dem sie auf Halhof in das Auge des Morgens geschaut hatte, wollte ich sogleich wissen, was so Eindringliches geschehen war, das sie ausgerechnet mein Kommen nach all der Enttäuschung und so vielen Jahren erflehte. Als meine Mutter mich einweihte, das ihr das Auge einen Todgeglaubten auf dem Ferkinastieg offenbart hatte, der uns beiden wohl vertraut war, wurde mir einiges klar.
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Dieser Mann war nicht in seinem Kerker verreckt. Er hatte es irgendwie geschafft uns alle hinter das Licht zu führen. Und irgend jemand im Orden hatte es vertuscht und seinen tödlichen Sprung gemeldet. Wäre doch die Schande der Flucht dieses vermeintlichen Mörders, dem Grafen nicht zu erklären gewesen, nun da der Orden seine ungeteilte Gunst hatte. So war es an ihr, dieses Versagen im Orden aufzuklären und an mir die erkaltende Spur dieses Mannes, dem ich so viel zu verdanken hatte aufzunehmen. Wenn der Höllenfall nicht schon alles hin fortgerissen habe.
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Da stand ich nun. Wo sollte ich anfangen? Das was in Höllenwall geschehen war, hatte die halbe Grafschaft in Aufregung gesetzt und sogar die Aufmerksamkeit des ganzen Reiches und seiner Kaiserin auf sich gezogen. Die Sache gebot schon eine gewisse Vertraulichkeit, um keine Schande über den Orden oder gar meine Familie zu bringen. Und so musste ich subtil in den Trümmern der Baronie die einst Höllenwall genannt wurde schnüffeln. Hatte das Auge des Morgens doch eindeutig gezeigt, das mein alter Mentor von dort floh. Ich bereiste das verwüstete Tal. Fand jedoch keinen Anhalt. Alles war durch die Lawine unter Trümmern begraben. Zeugen, Akten, alles perdue.
  
Grummelnd und Praios sei Dank müde genug um nicht mehr viele Fragen zu stellen, stapfte Giselda zurück in ihr Schlafgemach, während Anaxios und Leobrecht anschließend unter größten Mühen den angetrunkenen Wolfaran beruhigten und mit einen Schlafzauber außer Gefecht setzten.  
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Es waren alte Gerüchte aus meiner Kanzleizeit, die sich hartnäckig hielten und denen ich letztendlich nachging. Niemand konnte sagen, wer dort oben noch einsaß. Der Baron war stetes bemüht seine Zellen zu füllen und es war schon auffällig wie viele Gefangene dort oben einsitzen sollten. Allein die Lebensmittel die geliefert wurden hätten nie gereicht. Und so verbreiteten sich Märchen von unterirdischen Höhlen und Gärten, Horrorgeschichten von unheiligen Experimenten oder aber die Vermutung, das der Hellburger die Gefangenen anderweitig los wird. Dem wollte ich nach gehen und so suchte ich.
  
Zumindest für heute war die Gefahr eines erneuten Wutanfalls des Jünglings gebannt.
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Und dann hörte ich von diesen Garethern, die die gleichen Fragen stellten. Ein Grund sich über Sie zu erkundigen. Zwei Brachenwächter wie sich schnell herausstellte. Die mussten scheinbar im ganzen Reich Klinken putzen und in so manchen Arsch kriechen um ein paar Almosen für ihre Brachen zu bekommen. Mir soll es recht sein. So vereinbarte ich ein Treffen mit ihnen in den Resten der Stadt Höllenwall.
  
==Der Herr auf Ox – Stur wie ein Ochse==  
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===Nurinai===
[[Garetien:Burg Ox|Burg Ox]] in der [[Garetien:Baronie Viehwiesen|Baronie Viehwiesen]], Travia 1033 BF
 
  
'''Dramatis Personae'''
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Dass es in [[Garetien:Baronie Höllenwall|Höllenwall]] nicht mit rechten Dingen zuging, war allzu offensichtlich, dafür brauchte man kein besonderes Gespür, sondern nur einen unverstellten Blick. Was es allerdings genau war, das war wesentlich schwerer zu ergründen. Und doch beschäftigte es [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]] oft. Nicht wegen den bloßen Vorkommnissen an sich – die selbstredend bereits erschütternd genug waren – sondern wegen jenen, die ihr Leben hatten lassen müssen. Ob ihre Seelen Erlösung gefunden hatten? Oder ob sie noch immer dort draußen ruhelos derer harrten oder gar... noch schlimmer?
*[[Perricum:Leobrecht von Ochs|Leobrecht von Ochs]], Reichsvogt von Kaiserlich Efferdsträne
 
*[[Garetien:Wolfaran von Mardrabrück|Wolfaran von Mardrabrück]], Sohn Leobrechts, Ritter zu [[Garetien:Reichsstadt Wandleth|Wandleth]]
 
  
Leobrecht saß im Stuhl neben dem Bett seines Sohnes Wolfaran, in der Hoffnung er würde sich, wenn er wieder zu sich kommen würde, abgeregt haben. Knapp war es gewesen, fast hätte der Draufgänger  eine derbe Auseinandersetzung mit seiner Tante heraufbeschworen.  
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Es war ihr Herr, der sie hierher geführt hatte. Dazu hatte er allerdings keinen Fingerzeig gebraucht, es hatte nur ihrer tiefen Verbundenheit zum Schweigsamen bedurft. Mit hauchzartem Flügelschlag schien er ihr vorgeeilt zu sein und sie hatte lediglich dem leisen Schlagen seiner Schwingen folgen müssen. So hatte sie es zumindest ihrer Liebsten erklärt und [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande]] hatte begriffen, dass sie nun gehen musste. Und so war Nurinai ausgezogen. Immer dem Flügelschlag hinterher. Er hatte sie nach Höllenwall geführt. Er hatte ihr hier eine Aufgabe zugedacht...
  
Die Mittagssonne schien mittlerweise schon hoch über Burg Ox als Leobrechts Sohn mit starken Kopfschmerzen und großer Übelkeit erwachte. Er trank zwar gerne hier und da mal ein Bierchen, das gehörte im Schlund einfach dazu, aber an viel, viel Schnaps war er nicht gewöhnt.
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Es war auch ihr Gefühl – das leise Schlagen der Schwingen ihres Herren – dass sie zum [[Geschichten:Orakel des Einhorns|Orakel des Einhorns]] geführt hatte. Nach der Verkündung der Orakelsprüche hatte Nurinai sich seltsam leer und unendliche erschöpft gefühlt, ganz so als habe sie das Orakel gesprochen, dabei hatte sie nur aufmerksam gelauscht. Auf direktem Wege begab sie sich zum [[Garetien:Tempel der Ewigen Ruh|Tempel der Ewigen Ruh]], bis nach [[Garetien:Burg Halhof|Halhof]] hätten ihre Kräfte an diesem Tag einfach nicht mehr gereicht. Dort fiel sie auf ihr karges Lager und glitt augenblicklich in die Arme ihres Herrn.
  
„Was hast Du Dir dabei gedacht?“ raunzte Leobrecht seinen Sohn scharf an.
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Fast hellwach, fühlte sich Wolfaran gerade nahezu angegriffen, entgegnete er: „Gedacht… Gedacht. Ich kann nicht zuschauen, wie meine Tante meine Mutter ins Unglück stürzt und mein Vater, ja genau Du, alles untätig und feige wie ein Wiesel hinnehmt.“
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''Das Orakel schlich sich bis in ihre Träume. Immer wieder und wieder hörte sie den Geweihten die Sprüche verkünden oder viel mehr verkündete er immerzu nur einen einzigen Spruch:''
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''„Im Kerker erbleicht, da tot und am Leben und lebend schon tot,''
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''kann einer bezeugen die höllischen Schmerzen,''
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''die Ränke und Frevel, schändlich gewoben aus Schwarz und aus Rot:''
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''der Herold im Hause der Reinen Herzen.“''
  
Leobrecht: „Du nennst mich feige. Das ist eine Frechheit. Giselda ist wie eine Mutter für mich und Deine Mutter liebe ich über alles. Es ist nicht im Entferntesten meine Absicht Deine Mutter in Unglück zu stürzen, denn ich wünsche mir mehr als alles andere, dass sie glücklich ist.“
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Wolfaran: „Und dazu gehört es eine andere Frau zu ehelichen?“
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Schreiend erwachte sie. Kalter Schweiß auf der Stirn. Wenige, aber einige heftige Herzschläge später klopfte es dumpf an die Tür zu ihrer kleinen Kammer.
  
Leobrecht: „ Nein gewiss nicht. Dennoch muss ich Giselda in gewisser Weise recht geben, dass unser Familienzweig vom Aussterben bedroht ist. Was soll ich denn deiner Meinung nach tun?“
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„Schwester?“, fragte eine schläfrige Stimme.
  
Wolfaran: „Vorm Aussterben sagst Du. Und wer sind Leonora, Alecha und ich? Setzte Dich zu wehr, heirate nicht, biete Deiner Schwester die Stirn. Das kann doch nicht so schwer sein.“
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„Ich... ich...“, stammelte die Geweihte noch immer um Atem ringend, „Ich habe nur... nur... geträumt. Ja, nur... geträumt.“
  
Leobrecht: „Ihr seid meine Kinder, aber auch Du weisst, dass ich mit Deiner Mutter nicht verheiratet bin und euch leider nicht der Status ehelicher Kinder zu teil kommen wird. Leider. Nun zu Giselda, sie ist unser Familienoberhaupt und ich habe ihren Wunsch, auch wenn er mir missfällt und schmerzt zu respektieren und zu erfüllen. So ist es nun mal.
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„Dann hat unser Herr Euch durch seinen Boten heute eine besondere Gnade zuteil werden lassen“, erwiderte die Stimme weiter.
  
Wolfaran: „Wenn dem so ist, habe ich das Recht Dich feige zu nennen. Hast Du gehört… Du bist ein feiger Hund.“
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„Es ist nur... ich...“, sie wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn, „Sagt, die [[Garetien:Helburg|Helburg]], hatte sie einen... Kerker?
  
Leobrecht: „Wolfaran, zügele dich!
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Einen Moment war es still: „So ist es, Schwester. Sie ist... war königliche Kerkerfeste.
  
Wolfaran schrie: „FEIGER HUND!
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Nurinai schluckte schwer: „Und... und... es saßen immer Gefangene ein? In diesem Kerker?
  
Leobrecht sprang aus seinem Stuhl und pfefferte Wolfaran eine Ohrfeige die gesessen hatte und schrie wutentbrannt zurück: „Raus, raus hier! Verschwinde und komm erst wieder, wenn Du wieder bei Verstand bist.
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„So wird es erzählt“, kam die Antwort prompt, „Und was wäre eine königliche Kerkerfeste ohne Eingekerkerte?
  
Leobrecht drehte sich auf dem Absatz um, ging aus der Tür hinaus. Er knallte diese zu, dass sie fast aus den Angeln sprang. Sein hitzköpfiger Sohn stand ihm in Nichts nach und drosch den Holzstuhl eben gegen jene Tür, so dass der Stuhl zersplitterte.
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Die Geweihte nickte, angesichts dieser bestechenden Logik zu solch nächtlicher Zeit: „Und... und waren auch die letzte Zeit Gefangene dort?“
  
==Der Herr auf Ox – Giseldas Geheimnis==
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„Da ist anzunehmen, Schwester, warum auch nicht?“
[[Garetien:Schlunder Grafenhof|Schlunder Grafenhof]], Boron 1033 BF
 
  
'''Dramatis Personae'''
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„Und was ist mit ihnen passiert?“
*[[Garetien:Ingramm, Sohn des Ilkor|Ingramm, Sohn des Ilkor]], Graf von Schlund
 
*[[Garetien:Wolfaran von Mardrabrück|Wolfaran von Mardrabrück]], Sohn Leobrechts, Ritter zu [[Garetien:Reichsstadt Wandleth|Wandleth]]
 
  
Ein Pfiff ertönte durch die Halle, was den jungen Mann am anderen Ende des Tisches zusammenzucken ließ.
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„Ich schätze dasselbe, wie mit allen anderen dort...“
  
„Hört ihr mir überhaupt zu?“ brummelte Graf Ingramm vom Schlund ungehalten.
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„Ja, dasselbe. Und... und...“, stammelte Nurinai weiter, „... der Herold? War er auch dort?“
  
„Oh Euer Hochwohlgeboren, ich war wohl abwesend. Würdet ihr mir erneut Euer Anliegen vortragen, bitte?“ entschuldigte sich Wolfaran von Madrabrück kleinlaut.
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Der Geweihte stutzte: „Der... Herold?“
  
Ingramm: „Nun gut (seine Worte klangen ein wenig missmutig)…. Wie ich bereits vor einigen Minuten erzählte, wurde ich auf einen antiken Jagdspeer, wahrscheinlich novadischer Herkunft hingewiesen. In gewisser Art und Weise habe ich Interesse an dem guten Stück. Da ihr bisher viel Geschick bei der Beschaffung besonderer Gegenstände erwiesen habt, bitte ich euch nach Fasar zu reisen und einen guten Preis für mich auszuhandeln. Ihr wisst ja ich liebe es mein Gold zusammenzuhalten und ich bin nicht bereit Wucherpreise zu akzeptieren.
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„Ja, der Herold“, versuchte sie so bestimmt zu bestätigen wie sie nur konnte und dennoch war ihre Verunsicherung deutlich zu hören, denn Nurinai hatte keine Ahnung wer damit eigentlich gemeint war.
  
Wolfaran: „Es ist mir eine Ehre, ich werde Euch nicht enttäuschen.“ Wolfaran war mehr als erfreut erst mal auf andere Gedanken zu kommen und nicht mehr an den Familienzwist zu denken.
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„Ja“, hörte sie ihn seufzen, „Der Herold. Nun, der Herold [[Garetien:Gerding von Plötzbogen|Gerding von Plötzbogen]] war gewiss auch auf der Helburg.
  
Ingramm: „Dann haben wir das Geschäftliche geklärt. Ihr seid mir noch eine Erklärung schuldig, warum ihr meinen Worten nicht mehr folgen könnt und auch ansonsten so abwesend seid. Ich musste mich erst an Eure „Hummeln im Hintern“, wie es die Hügelzwerge zu sagen pflegen,  gewöhnen und nun seid ihr phlegmatisch.  Menschen sind launisch und unstet, das ist mir bewusst aber bei Euch, mein junger Ochs, ist es ein Wellental aus himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.“  
+
„Im Kerker?
  
Wolfaran: „Euer Hochwohlgeboren, es mag an den geänderten Familienvoraussetzungen nach dem Tode [[Garetien:Tabur von Ochs|Taburs]] liegen. Die hochgeborene Dame [[Garetien:Giselda von Ochs|Giselda]] befürchtet ein Aussterben unseres Familienzweiges und betreibt seit der Bestattung des Barons eine rigorose Heiratspolitik. Sehr zum Leidwesen [[Garetien:Anaxios Illosos von Ochs|Anaxios]] und [[Perricum:Leobrecht von Ochs|Leobrechts]], wie ihr wisst mein Vater.Erklärte Wolfaran, in der Hoffnung nun nicht zu viel der Familienprobleme an den Grafen durchgestellt zu haben.
+
„Wohin sonst hätte man ihn bringen sollen angesichts seiner wohl begangenen Tat?
  
Ingramm: „Ach ich habe doch wieder verdrängt, dass Eure Eltern junger Ochs gar nicht den Traviabund geschlossen haben. Und nun gedenkt die junge Giselda eine andere Dame für Euren Vater zu finden?“
+
„Und wart Ihr schon einmal dort? Im Kerker auf der Helburg? Oder einer unserer Brüder und Schwestern?“
  
Wolfaran: „Sie gedenkt es nicht nur, sie ist bereits fündig geworden. Eine [[Perricum:Chaliba von Brendiltal|Dame]] aus dem Hause Brendiltal, doch mein Vater ist darüber nicht sonders erfreut. Aber Giselda bleibt stur bei ihrer Haltung.“
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„Dazu kann ich Euch nichts sagen, Euer Gnaden. Dazu kann ich Euch wirklich nichts sagen.“
  
Ingramm: „Ich denke, er sollte mit der guten Giselda offen reden. Sie wird ihn mit an Sicherheit grenzender  Wahrscheinlichkeit verstehen. Wenn ich mich recht erinnere, hat sie doch auch erst vor kurzem ihre Verlobung gelöst. Wann war das gleich noch mal? … Ach ja Euer [[Garetien:Leobur von Ochs|Großvater]], der den Gatten für sie erwählt hatte, war gerade verstorben. Das muss im Götterlauf 984 BF gewesen sein, wenn ich mich recht erinnere.
+
Offen blieb, ob der Geweihte dazu nichts sagen konnte oder durfte. Es war zwar nur ein kleiner, aber dennoch entscheidender Unterschied. Und Nurinais Frage, nach dem Seelenheil der Gefangenen blieb: Was war mit ihnen geschehen? Sie musste zumindest versuchen, ihre Seelen zu retten oder gar zu erlösen. Sie musste es versuchen. Warum sonst hätte ihr Herr sie hierher schicken sollen? Aber wie passte dieser Herold in diese ganze Angelegenheit? Ging es etwa auch um seine Seele?
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===Gruppenfindung===
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*Odilbert fragt in Halhof nach der Person
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*Irmhelde kennt den Herold aus der Vergangenheit
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*Die anderen sehen, dass ihre Spuren passen
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==Im Wall==
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Am Fuß des Walls hatten sich drei seltsame Gefährten gefunden. Die Boron-Geweihte [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rian]], der Ritter [[Garetien:Alderan von Nadoret|Alderan von Nadoret]], sowie der Jurist  [[Garetien:Ucuriel Delo von Eychgras|Ucuriel Delo von Eychgras]]. Sie alle hatten ein gemeinsamen Ziel und das war den Verbleib der Gefangenen auf der Helburg zu klären. Sie alle hatten Gerüchte darüber gehört, dass unter dem verstorbenen Baron Gefangene in die Tulamidenlande verkauft worden waren. Diese Gerüchte schienen sich erhärtet zu haben, denn so mancher ehemaliger Dienstbote, oder ehemaheliger Kerkersoldat hatten diese Gerüchte, zumindest teilweise bestätigt.
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Die drei ungleichen Gefährten hatten sich also auf den Weg über den Wall gemacht und zwar über den berüchtigten Ferkinapass. Die namensgebenden Ferkinas hatten sie dann jedoch den ganzen Weg über nicht gesehen. Dafür hatten sie aber einen Händler, oder war es doch ein Schmuggler, getroffen der ihnen bestätigte, dass hier früher des öfteren Sklaven verkauft worden waren. Auf dem beschwerlichen Weg über den Pass begegneten wir dann auch so manches Mal Gebeinen, oder anderen Überresten, oftmals waren die Hände der Unglücklichen noch gefesselt. Wir mühten uns redlich ihnen ein ordentliches Grab zu bereiten, wähend Nurinai den Grabsegen sprach.
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Alderan war nicht der einzige der aufatmete, als sie den Pass schließlich verliesen und in Muchabad ankamen, hier gab es sicher eine gute Unterkunft und etwas ordentliches zu essen.
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*Entdeckungen
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**Sklavenhandel
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**Unbestattete
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**Qualität des Weges
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==Muchabad==
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*Entdeckungen
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**Sahib Chardin Fajaqus Zhumanya passt auf die Beschreibung Gerdings von Plötzbogen
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**Alcazaba Zhumanya wurde verkauft
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**Drinnen findet sich das verborgene Tagebuch
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Der Wall lag hinter uns. Die ganzen unbestatteten Toten so zu sehen, das hatte mich zutiefst geschmerzt und noch unerträglicher war der Umstand, dass es unmöglich war sie all zu bestatten. Ich hatte wohl einen Grabsegen gesprochen, aber ein Grab hatten sie nicht. Ein kläglicher Versuch, vielleicht auch ein dummer Versuch. Getan hatte ich es trotzdem. Oh Schweigsamer, was ging hier nur vor sich? Welche abgrundtiefe Bösartigkeit liegt in uns Menschen nur verborgen? Und warum kommt sie in manchen von uns zum Vorschein und in manchen von uns nicht?
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Mehr oder weniger erschöpft, aber eigentlich unbeschadet ließen wir also den Wall hinter uns und gönnten uns anschließend ein paar Tage Ruhe in Muchabad. Ich zumindest hatte eine Pause auch dringend nötig. Ich war unfassbar müde und abgekämpft. Abgesehen davon, waren wir uns auch nicht sicher, wohin wir uns als nächsten wenden sollten. Uns fehlte ein Hinweis. So tranken wir die ein oder andere Tasse Tee und aßen dazu aranisches Gebäck und dachten darüber nach, was nun zu tun sei. Das ging einige Tage so, am dritten Tag – meine Gefährten hatten natürlich tagsüber stets fleißig Erkundigungen eingezogen, während ich mich von den Strapazen erholt hatte – erhielten wir eine Nachricht. In hochgestochenem Tulamidya stand dort: „Reisende, ich kenne jenen, den Ihr sucht. Kommt heute Abend in die Alcazaba Zhumanya. Gezeichnet Sahib Chardin Fajaqus Zhumanya.“
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Den Nachmittag zogen wir Erkundigungen über jenen Mann ein, der uns gegen Abend eingeladen hatte. Natürlich versprach dieses Treffen eine Spur, aber wir waren in der Fremde. Wir mussten vorsichtig sein. Sahib Chardin war eine respektable Person hier in Muchabad. Er hatte vor geraumer Zeit die Witwe Zhumanya geehelicht und war so in Besitz des Gestütes Alcazaba gekommen. Irgendwann war sie dann gestorben und er hatte es geerbt. Er habe sich stets gut um sie gekümmert, vor allem als es dann zu Ende ging. Es war schnell gegangen. Dann, es war schon einige Götterläufe her, hatte er das Gestüt verkauft. Wohl an einen Nebachoten. Für welchen Preis, das wusste niemand auch nur zu schätzen, aber es musste eine erhebliche Summe gewesen sein. Die Geschichte erschien uns nicht verdächtig und dennoch gab es da etwas Besorgniserregendes: Die Beschreibung seines Äußeren erinnerte uns doch an jene des Heroldes. Ein Zufall? Vermutlich nicht. Aber… konnte es denn sein? Konnte es wirklich sein, dass er noch am Leben war? Zuzutrauen war es ihm und dennoch so recht glauben wollte ich es nicht.
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Am Abend machten wir uns auf. Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch oder war es nur das Kind, dass sich da wieder einmal bemerkbar machte? Sicher war ich mir nicht. Man hatte uns schon erwartet und bat uns herein. Man brachte uns Tee und Gebäck, aber keiner von uns nahm etwas davon. Wir waren vorsichtig. Und dann stand er plötzlich vor uns. Ich war mir nur sicher, dass er es war, weil die anderen sich sicher waren. Mit einem unverschämten Grinsen auf den Lippen stellte er sich uns vor: „Ich bin Sahib Chardin Fajaqus Zhumanya.“ Dann wechselte er ins Garethi und schien sich ziemlich sicher, dass seine Begleiter – vier große, kräftige Männer – kein Wort davon verstanden oder aber es vollkommen gleichgültig war, was er sagte, weil er ihnen genug bezahlte. „Entsetzlich, wie lange ihr gebraucht habt, um mich zu finden.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Und eigentlich habt ihr mich auch nur gefunden, weil ich mich euch offenbart habe...“
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Was dann folgte war ebenso bizarr wie unfassbar. Ein Mann, der ein gesuchter Verräter war, den man in Garetien für tot hielt, saß vor uns und erklärte uns so ganz nebenbei, dass er nicht im Traum daran dachte, sich von uns zur Strecke bringen zu lassen. Was hatten wir auch anderes erwartet? Seine Begleiter blickten uns mit finsteren, aber vielsagenden Minen an. Das beste jedoch an ihnen sei, dass sie nichts ausplauderten – ohne Zunge sei das eben nicht möglich. Die besten Beschützer, die es weit und breit gab, die viel von ihrem Handwerk verstünden und denen es ein leichtes sei uns auf immer verschwinden zu lassen, doch daran habe er kein Interesse. Nein, sein Interesse galt etwas anderem: Der Gerechtigkeit. Dabei entfremdete er dieses Wort so sehr, dass ich es nicht mehr wiedererkannte, denn auch wenn er von der Gerechtigkeit des Geknechteten sprach, meinte er doch eines – Rache. Gute, althergebrachte Rache. Dabei war er beherrscht und gefasst. Vielleicht war das, das besorgniserregendste an diesem ganzen Aufeinandertreffen, denn seine Wut war nicht hitzig und überschäumend, sondern wohlbedacht. Ihm war – da war ich mir sicher – alles zuzutrauen. Daran ließ er auch keinen Zweifel. Er habe in den letzten Götterläufen mehr angehäuft als ein schier endloses Vermögen. Weitaus mehr. Dabei zierte ein krudes Lächeln sein Gesicht. Und nun sei die Zeit der Gerechtigkeit gekommen. Vielleicht würde er noch den einen oder anderen Götterlauf warten, was kümmert ihn denn noch die Zeit? Inzwischen habe er sich von ihr unabhängig gemacht. Satinav kümmerte ihn nicht mehr. Aber der Gerechtigkeit musste nun einmal genüge getan werden. Und ja, es sei in seinem Sinne, dass jene, die ihm dieses Unrecht angetan haben, sich fürchteten, dass sie sich ängstigten. Wir sollten ihnen ruhig von ihm erzählen. Sie sollten wissen, dass er hinter ihnen her wahr. Sie sollten keinen einzigen ruhigen Moment mehr haben. Denn kommen würde er, das war gewiss, aber wann und wie, das behielte er für sich. Das sei sein Geheimnis oder vielmehr seine Überraschung. Ja, so nannte er es. Eine Überraschung. Aber nein, wir sollten nicht fürchten, dass er ihnen nach dem Leben trachtete, für jene, die ihm seine Gerechtigkeit verwehrt hatten, war er noch viel zu milde. Und dort draußen, in der weite Aventuriens gäbe es viel zu entdecken, weitaus mehr als wir uns vorstellen können und das würde ihm gewiss helfen. Was er damit meinte? Ob er einen Pakt eingegangen war? Ob er sich sonstiges verbotenes Wissen angeeignet hatte? Natürlich sprach er darüber nicht. Natürlich nicht.
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Ob es wahr war? Ob er wirklich die Wahrheit sprach? Welche perfiden Pläne verfolgte er? Oder war das alles nur ein Trick? Eine Täuschung? Um Angst und Schrecken zu verbreiten?
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Zum Abschied sagte dann noch: „Wenn ihr geht, schaut unter der Fuchsstatue nach. Dort werdet ihr den Beweis finden, dass ich es bin. Ein Beweis, der auch noch beim Letzten alle Zweifel ausräumen wird.“ Perplex schauten wir ihn an. Umringt von seinen Begleitern. Für uns unerreichbar. „Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja bald wieder? Ich würde nur zu gerne Euer Kind sehen, Euer Gnaden. Ob es wohl schon mit einer schwarzen Robe geboren wird?“
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Unter der Fuchsstatue fanden wir tatsächlich etwas: Sein Tagebuch. Es bestätigte das ein oder andere, was wir wussten oder inzwischen vermutet hatten. Und doch blieb eine Frage offen, sollten wir alle vor ihm warnen oder war das alles nur... Scharade?
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==Chardans Notizen==
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''Tagebuch, ehemals verborgen unter einer Fuchsstatue im Alcazaba Zhumanya in Muchabad (Aranien)''
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'''verm. Tsa 1033 BF'''
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Die Praioten hielten es wohl für Gerechtigkeit, einem Mann des Wortes über Monate jegliche Möglichkeit zum Schreiben zu nehmen, für mich hat es eher den Wunsch auf Rache genährt. Erst der Besuch der Lichtbringerin Elea aus dem Eychgraser Tempel in der letzten Woche ermöglichte mir einen Richtspruch zu meinen Gunsten. Ach, wie habe ich es genossen, einerseits einmal wieder mit dem Wort zu streiten und andererseits meinen eingerosteten Charme an einer jungen Frau auszuprobieren.
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Jetzt also darf ich mir wieder Notizen machen, auch wenn das Leben in meiner Zelle recht eintönig ist. Die Priesterin hofft wohl, dass ich ein Geständnig meiner Missetaten anfertige und dabei möglichst wichtige Leute belaste, deren Ergreifung ihre Kirchenkarriere fördern könnte.
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(...)
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'''17. Firun 1036 BF'''
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Was für eine Erleichterung es bedeutet, endlich einmal das Datum zu wissen. Fünf Jahre in der Zelle und fast jeder Tag war der gleiche. Manchmal konnte ich die großen Feste an den Chorälen der Bannsträhler erahnen und Praiostags wurde auch die große Glocke geläutet, aber erst heute, fünf Tage nach meiner Flucht, konnte ich in der Stadt Höllenwall vorsichtig das Datum erfragen.
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Mit ein wenig Verstand und noch mehr Fleiß hätte wohl jeder die Flucht in fünf Jahren hinbekommen. Ich kenne heute die Tagesabläufe und Gewohnheiten aller Bewohner von Lichterntal, wusste also um den perfekten Zeitpunkt. Der kalte Firun half mir, ausreichend Nahrung im Schnee vor der Zelle zu kühlen. Und selbst mit der kleinen Klinge zum Schärfen des Federkiels kann man über diese lange Zeit das Material an der richtigen Stelle ermüden.
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Heute also konnte ich - mit ausreichend rasiertem Haar und ohne den langen Bart und die verräterische Strähne - eine Arbeit in der Stadt Höllenwall annehmen. An guten Schreibern scheint es in jeder Stadt zu fehlen. Ich muss nur aufpassen, dass der Baron mich nicht zufällig erkennt.
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(...)
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'''9. Phex 1036 BF'''
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Ich habe genug Silbertaler beisammen, um über den Ferkinapfad zu fliehen. In Aranien werde ich hoffentlich meine Ruhe vor den Häschern finden - und vielleicht eines Tages zurückkehren. Es gibt noch so einige offene Rechnungen zu begleichen. Nennen wir es nicht Rache, nennen wir es Gerechtigkeit des Geknechteten.
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(...)
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'''17. Rahja 1039 BF'''
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Wenn Baron Malepartus wüsste, dass jener Sahib Chardin Fajaqus, mit dem er mehrmals im Jahr "Verstorbene" gegen Schmuggelgut und Dukaten austauscht, jener Gefangene ist, der vor Jahren nie in seiner Kerkefeste angekommen ist. Wenn ich jedenfalls gewusst hätte, wie viel Geld es jenseits von Recht und Ordnung zu verdienen gibt, ich hätte viel früher damit angefangen. Ich scheine ein Talent für Verhandlungen zu haben, und man schätzt mich wegen meines Wissens und der Kenntnis Garetiens. Und nicht zuletzt besitze ich die Skrupellosigkeit, störende Konkurrenz loszuwerden. Die Klüfte des Raschtulswalls sind tief und der Schnee verbirgt solche Taten lange genug.
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(...)
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'''4. Ingerimm 1042 BF'''
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Ich weiß nicht wie, vielleicht habe ich die Haare mit der verräterischen Strähne zu lange wachsen lassen, aber er hat mich erkannt! Er hat versucht, es zu verbergen, aber er hat mich erkannt!
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Andererseits, die Strähne ist ein wichtiger Teil meiner Ausstrahlung, gerade auf das weibliche Geschlecht. Die alte Witwe Zhumanya - Boron habe sie selig - hätte mir wohl nicht so schnell das Jawort gegeben - und mich damit zum Erben ihres nicht unerheblichen Vermögens gemacht...
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Und eben dieses Vermögen muss ich jetzt so schnell wie möglich versilbern. Ich habe bereits einen Käufer für das Alcazaba finden können und ich denke ich werde das Gestüt auch bald für einen guten Preis an einen dieser verrückten Nebachoten verschachern, auch wenn die dem dämlichen Aberglauben anhängen, dass man gute Zuchtstuten nur im Rahja kaufen darf.
  
==Der Herr auf Ox - Familienzuwachs==
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(...)
(Verlautbarung des Hauses Ochs)
 
  
Das [[Garetien:Haus Ochs|Haus Ochs]] zu [[Garetien:Burg Ox|Burg Ox]] tut kund und zu wissen:
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'''17. Ingerimm 1042 BF'''
  
Nach dem tragischen aber heldenhaften Tode des Barons [[Garetien:Tabur von Ochs|Tabur von Ochs]] auf der [[Garetien:Baronie Viehwiesen|Viehwiesen]] bei der winterlichen Inspektion seiner Wehranlagen, haben Königin und Graf seinen Bruder [[Garetien:Anaxios Illosos von Ochs|Anaxios]] zum neuen Baron auf der Viehwiesen ernannt. Wegen seines madaverfluchten Blutes wird die treue Burgvögtin von Mardrabrück, [[Garetien:Helmine von Hartwalden-Hartsteen|Helmine von Hartwalden-Hartsteen]] als Vögtin an seiner statt die Baronie regieren.
+
Jetzt ist es passiert: Der erste Bluthund des Helburgers hat "unauffällig" Fragen in Muchabad gestellt. Meine Leute konnten ihn beseitigen, aber das wird den Kerkermeister nur noch neugieriger machen. Wollen wir hoffen, dass ich am 1. Rahja alles mit dem Verkauf glatt geht, dann bin ich so schnell es geht über die Grenze und zurück im Königreich. Das Kapital sollte für meine Rache ausreichen.
  
Die Praiostreue eines alten Hauses verbietet es, einen Madaverfluchten zu seinem Oberhaupt zu machen, weshalb abweichend von der Tradition nicht der Herr auf Burg Ox, sondern seine Muhme, die Kronvögtin [[Garetien:Giselda von Ochs|Giselda von Ochs]] auf der [[Garetien:Königlich Mardershöh|Mardershöh]] die Familie führen wird.
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==Der Heimweg und Rapporte==
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Unsere Erkenntnisse aus Muchabad hatten uns alle nachdenklich gestimmt. Gerding von Plötzbogen hatte sicherlich das ein oder andere vor, aber was genau wussten wir freilich nicht zu sagen. Wir waren uns aber alle einig, dass wir in Zukunft sicher von ihm hören würden. Den Plan ihn in Muchabad zur Strecke zu bringen hatten wir verwerfen müssen, denn wir waren deutlich in der Unterzahl und kannten die Gegend nicht. Gerding war derweil reich, ortskundig und hatte sicherlich eine große Zahl an Schergen, die uns zahlenmäßig deutlich überlegen waren.
  
Um den tragischen Verlust eines Familienmitglieds zu verschmerzen, hat Ihro Hochgeboren deshalb sofort zwei neue Familienmitglieder willkommen geheißen. [[Perricum:Chaliba von Brendiltal|Chaliba von Brendiltal]]  wird im nächsten Travia den ehemaligen Wehrvogt, jetzigen Reichsvogt und Bruder Giseldas, [[Perricum:Leobrecht von Ochs|Leobrecht von Ochs]] ehelichen und [[Perricum:Ayana von Sturmfels|Ayana von Sturmfels]] am gleichen Tage den neuen Baron auf der Viehwiesen.
+
So machten wir uns in gedämpfter Stimmung daran den Ferkinapass erneut zu überqueren. Glücklicherweise traffen wir erneut keine Ferkinas. Die waren wohl andernorts beschäftigt. So trenten wir uns dann in Höllenwall und gingen jeweils unserer Wege um unseren Obrigkeiten Bericht zu erstatten.
  
==Der Herr auf Ox - Spenden==
+
==Ideen Sammlung==  
Giselda seufzte, langsam wurde ihr klar, warum ihr Gast Tsa- und nicht Hesinde-Geweihter geworden war. "Nein, nochmal: Das Haus Ochs finanziert den Bau eines bedeutenden Tempels und nicht irgendeine wunderschöne neue Idee. Wir wollen ein Zeichen setzen und erwarten, dass in diesem neuen Tempel für den Erhalt des Hauses Ochs gebetet wird."
 
  
Viel zu übertrieben verdrehte der Geweihte die Augen. "Könnten wir nicht wenigstens etwas neues, außergewöhnliches bauen?"
+
Soll unser Gerding von Plötzbogen einfach nur durch erworbenen Reichtum und sein intrigantes Geschick wieder mitmischen? Oder soll er in Aranien auch übernatürliche Mächte erworben haben? Pakt oder magisches Wissen?
 +
* Eine Kombination mehrerer Faktoren fände ich gut, z. B. könnte er durch sein intrigantes Geschickt zu Reichtum und auch Einfluss gekommen sein, aufgrund seiner (möglichen) Rachegedanken (oder einer anderen passenden Motivation) aber auch zu übernatürlichem Wissen (ein (un)wissentlicher Pakt wäre zwar durchaus passend, aber schon etwas klischeehaft, vielleicht gibt es da ja noch etwas anderes?) [[Benutzer:Orknase|Orknase]]

Aktuelle Version vom 15. März 2021, 13:52 Uhr

Einführung

  • Vorstellung des Charakters
  • Vorstellung des jeweiligen "Inneren Antriebs", der in dieser Queste auf die Probe gestellt wird

Irmhelde

Alderan

Alderan von Nadoret schüttelte sich. Dieses Höllenwall behagte ihm gar nicht. Der Auftrag unter dem er hier hergekommen war hatte recht mondan geklungen. Er sollte herausfinden ob in den Jahren vor dem Fall der Helburg Gefangenen aus dem Staatsgefängnis verschwunden waren. Alderan kam es reichlich merküwrdig vor, dass er das ausgerechnet jetzt herausfinden sollte, wo die Helburg doch vollkommen zerstört worden war. Vielleicht ging es ja darum sicherzustellen, dass ein bestimmter Gefangener auf jeden Fall beim Fall der Helburg ums Leben gekommen war und nicht bereits im Vorfeld verschwunden war. In einer verwüsteten Baronie herumzustöbern war seine Sache eigentlich nicht, aber andererseits war es ihm ganz recht den Neckereien seiner Kameraden zu entkommen, hatte er, der Lebemann schlechthin doch kürzlich geheiratet und dazu auch noch eine Reichsforsterin. Und das mitten im Fehdejahr. Jetzt war er, der Koscher aus Eslamsgrund auch noch Reichsforster und dass obwohl seine Wahlheimat, die Kaisermark mit "seiner" Grafschaft in Fehde stand. So war Alderan also nach Höllenwall gereist und hatte auch seinen Vater besucht, der sich ja seit eingier Zeit in Kämpfe mit anderen rauflustigen Adligen verwickelt hatte. Alderan erkannte seinen Vater kaum wieder, war dieser doch deutlich von den vergangenen Kämpfen gezeichnet und schien vor allem darauf aus zu sein seinen Konkurrenten Lucian Malagant auszulöschen.

Anshold war sein Vater fast schon ein wenig unheimlich geworden, also hatte er sich bereits am nächsten Tag aufgemacht um sich im Umland der zerstörten Stadt Höllenwall nach Gerüchten um den Verbleib der Gefangenen zu erkundigen. Vielleicht ließe sich ja ein ehemaliger Kerkersoldat, oder Dienstbote auftreiben der ein wenig Licht ins Dunkle bringen konnte. Jetzt wo der Baron von Höllenwall, mit seiner gesamten Sippschaft draufgegangen war würde der ein oder andere sicher bereit sein ein wenig zu plaudern, so denn einige Geldstücke den Besitzer wechselten.

Ucuriel Delo von Eychgras

Nun starre ich in die Sonne!

Fiana sah so bezaubernd aus, als ich das letzte mal mit ihr zu Tisch saß und sie mir, wie so oft beim abendlichen Mahle, eifrig über ihre Rechtsfälle referierte. Ich halte mich zu gern an dieser Erinnerung fest, wie Sie mir gegenüber sitzend, mit der silbernen Gabel auf der ein Stück Brot saß, verspielt in der Luft herum wirbelte, während aus ihrem bezaubernden Mund all diese Theorien und Paragraphen sprudelten. Hin und wieder schob sie sich dann ihre Brille mit dem Zeigefinger wieder auf ihrer süßen Nase zurecht und tunkte ihr Brot in das Schlunder Fondue-Töpfchen, um es dann, beim ausführen ihrer Theoreme, lange Fäden ziehend wieder heraus zu ziehen und langsam drehend das Brot einsponn, wie ihre feuriger Enthusiasmus meinen Geist. Seit Helon sie zur neuen Landrichterin von Nettersquell berufen hatte, war ihr brillantes Köpfchen eifrig mit der Aufklärung all der Ereignisse dort beschäftigt und ich durfte an ihrer Hingabe und Leidenschaft teilhaben.

Meine Fälle im gräflichen Ingerimmsschlund verstopften zu jener Zeit nur noch plump meinen Kopf wie zähe Käsemasse die langsam erkaltete. Die spontane Selbstentzündung der Kutsche meines Amtsvorgängers aufzuklären, erwies sich als recht schleppend. Die Überreste der verkohlten Kutsche wurde nun seit Jahren ohne Ergebnisse in der Stellmacherei Posche untersucht. Auch beim Brückenfall an der Natter wurde nur gemauert. Das Silber des Grafen war nie mehr aufgetaucht und die klammen Hartsteener ließen niemanden mehr an die Unglücksstelle. Das Rohalsche Brückenprivileg verfolgte mich bis in meine Träume. Die Fehde und der Verrat der Familie Hartweil hatte neue juristische Fragen aufgeworfen, die sich auf meinem Schreibtisch stapelten. Ich brauchte zu jener Zeit wirklich eine Auszeit. Scheiß auf den Schlund, scheiß auf die Fehde, scheiß auf meine kostbare Zeit.

Der Brief meiner Mutter war so eindringlich gewesen, das ich ihre Bitte nach so vielen Jahren nicht ausschlagen wollte. Mit dem Studium der Juristerei in Punin, hatte ich mich damals, nach meiner Knappschaft von Ihr und dem Orden lösen können. Von meiner Hochzeit mit meiner brillanten, wie bezaubernden Kommilitonin, hatte ich meine Eltern nur nach Vollzug in Kenntnis gesetzt. So war mein Bruch mit der Familie perfekt. Nach Jahren in der Kanzlei, waren die Kontakte Fianas und die daraus resultierende Anstellung im Schlund, ein Glücksfall gewesen um eine Grafschaftsgrenze und mehrere Täler des Raschtulswalls zwischen Uns und meiner Familie zu bringen. Wir hatten uns im Schlund etwas aufgebaut. Und an jenem Abend am Fondue war es an mir Fianas Bann zu lösen und ihr zu sagen das ich zurück gehen werde.

Als ich das Praiostal erreichte und Burg Lichterneck nach so vielen Jahren wieder betrat, kamen schwermütige Erinnerungen hoch. Ich hatte meiner Mutter zum Gefallen, meine Knappschaft in der Ordensburg geleistet. Ich hatte ihren Zeremonien beigewohnt, ihre Ausrüstung gepflegt, die Reittiere und die Gefangenen versorgt und ihre verrohte Ideologie aufgesogen und zu meiner gemacht, um zu verdrängen welches Blutes ich bin. Tag für Tag in diesem Kerker um zu sühnen, das die Schande meines Partus ihren reinen Leib befleckt hatte. So war ich weniger Kerkerknecht, den selbst Gefangener in diesem Fels. Bis ich Ihn traf.

Meine Mutter hatte ein Händchen für die subtilsten Torturen entwickelt, die einen Mann brechen konnten. Wohl eine Art Revanche für das was ihr mein Erzeuger tat. Und so fand ich Ihn eines Abends bei meinem Gang mit dem Breitopf am Felssims liegend. Ich schätze er wäre noch an jenem Abend gesprungen, wenn ich mich nicht zu ihm gesetzt hätte. „Mit welchem Recht...?“ Mehr hatte er nicht in den tiefen Abgrund gestammelt. Doch bei mir lösten diese Frage etwas aus. Ich kann es nicht erklären. Aber ich setzte mich an jenem Abend zu jenem geschundenen Gefangenen mit seiner merkwürdigen Haarsträhne und grübelte über mein Leben nach.

Ich brachte Ihm noch oft seinen abendlichen Brei und wir philosophierten über Recht, Willkür und Wille der Götter. Und wir nährten uns gegenseitig so in diesem Loch, in dem wir Beiden zum geistigen verrotten festgesetzt waren. Ich kann nicht ganz bestreiten, das diese Gespräche den Grundstein meines Entschlusses bildeten, nach Punin zu gehen und mit dem Orden zu brechen. Der immer noch brillante Geist dieses Mannes, hatte meinen kindlich, naiven Verstand, wie ein Wetzstein das Messer, über die Monate geschärft. Und so traf es mich doch bitter, als ich nach ein paar Monaten meines Studiums hörte, das er doch noch in die Klamm gesprungen war.

Als ich meine Mutter also in ihrer Klausur auf Lichterneck aufsuchte, in die sie sich geflüchtet hatte, nach dem sie auf Halhof in das Auge des Morgens geschaut hatte, wollte ich sogleich wissen, was so Eindringliches geschehen war, das sie ausgerechnet mein Kommen nach all der Enttäuschung und so vielen Jahren erflehte. Als meine Mutter mich einweihte, das ihr das Auge einen Todgeglaubten auf dem Ferkinastieg offenbart hatte, der uns beiden wohl vertraut war, wurde mir einiges klar. Dieser Mann war nicht in seinem Kerker verreckt. Er hatte es irgendwie geschafft uns alle hinter das Licht zu führen. Und irgend jemand im Orden hatte es vertuscht und seinen tödlichen Sprung gemeldet. Wäre doch die Schande der Flucht dieses vermeintlichen Mörders, dem Grafen nicht zu erklären gewesen, nun da der Orden seine ungeteilte Gunst hatte. So war es an ihr, dieses Versagen im Orden aufzuklären und an mir die erkaltende Spur dieses Mannes, dem ich so viel zu verdanken hatte aufzunehmen. Wenn der Höllenfall nicht schon alles hin fortgerissen habe.

Da stand ich nun. Wo sollte ich anfangen? Das was in Höllenwall geschehen war, hatte die halbe Grafschaft in Aufregung gesetzt und sogar die Aufmerksamkeit des ganzen Reiches und seiner Kaiserin auf sich gezogen. Die Sache gebot schon eine gewisse Vertraulichkeit, um keine Schande über den Orden oder gar meine Familie zu bringen. Und so musste ich subtil in den Trümmern der Baronie die einst Höllenwall genannt wurde schnüffeln. Hatte das Auge des Morgens doch eindeutig gezeigt, das mein alter Mentor von dort floh. Ich bereiste das verwüstete Tal. Fand jedoch keinen Anhalt. Alles war durch die Lawine unter Trümmern begraben. Zeugen, Akten, alles perdue.

Es waren alte Gerüchte aus meiner Kanzleizeit, die sich hartnäckig hielten und denen ich letztendlich nachging. Niemand konnte sagen, wer dort oben noch einsaß. Der Baron war stetes bemüht seine Zellen zu füllen und es war schon auffällig wie viele Gefangene dort oben einsitzen sollten. Allein die Lebensmittel die geliefert wurden hätten nie gereicht. Und so verbreiteten sich Märchen von unterirdischen Höhlen und Gärten, Horrorgeschichten von unheiligen Experimenten oder aber die Vermutung, das der Hellburger die Gefangenen anderweitig los wird. Dem wollte ich nach gehen und so suchte ich.

Und dann hörte ich von diesen Garethern, die die gleichen Fragen stellten. Ein Grund sich über Sie zu erkundigen. Zwei Brachenwächter wie sich schnell herausstellte. Die mussten scheinbar im ganzen Reich Klinken putzen und in so manchen Arsch kriechen um ein paar Almosen für ihre Brachen zu bekommen. Mir soll es recht sein. So vereinbarte ich ein Treffen mit ihnen in den Resten der Stadt Höllenwall.

Nurinai

Dass es in Höllenwall nicht mit rechten Dingen zuging, war allzu offensichtlich, dafür brauchte man kein besonderes Gespür, sondern nur einen unverstellten Blick. Was es allerdings genau war, das war wesentlich schwerer zu ergründen. Und doch beschäftigte es Nurinai ni Rían oft. Nicht wegen den bloßen Vorkommnissen an sich – die selbstredend bereits erschütternd genug waren – sondern wegen jenen, die ihr Leben hatten lassen müssen. Ob ihre Seelen Erlösung gefunden hatten? Oder ob sie noch immer dort draußen ruhelos derer harrten oder gar... noch schlimmer?

Es war ihr Herr, der sie hierher geführt hatte. Dazu hatte er allerdings keinen Fingerzeig gebraucht, es hatte nur ihrer tiefen Verbundenheit zum Schweigsamen bedurft. Mit hauchzartem Flügelschlag schien er ihr vorgeeilt zu sein und sie hatte lediglich dem leisen Schlagen seiner Schwingen folgen müssen. So hatte sie es zumindest ihrer Liebsten erklärt und Yolande hatte begriffen, dass sie nun gehen musste. Und so war Nurinai ausgezogen. Immer dem Flügelschlag hinterher. Er hatte sie nach Höllenwall geführt. Er hatte ihr hier eine Aufgabe zugedacht...

Es war auch ihr Gefühl – das leise Schlagen der Schwingen ihres Herren – dass sie zum Orakel des Einhorns geführt hatte. Nach der Verkündung der Orakelsprüche hatte Nurinai sich seltsam leer und unendliche erschöpft gefühlt, ganz so als habe sie das Orakel gesprochen, dabei hatte sie nur aufmerksam gelauscht. Auf direktem Wege begab sie sich zum Tempel der Ewigen Ruh, bis nach Halhof hätten ihre Kräfte an diesem Tag einfach nicht mehr gereicht. Dort fiel sie auf ihr karges Lager und glitt augenblicklich in die Arme ihres Herrn.

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Das Orakel schlich sich bis in ihre Träume. Immer wieder und wieder hörte sie den Geweihten die Sprüche verkünden oder viel mehr verkündete er immerzu nur einen einzigen Spruch: „Im Kerker erbleicht, da tot und am Leben und lebend schon tot, kann einer bezeugen die höllischen Schmerzen, die Ränke und Frevel, schändlich gewoben aus Schwarz und aus Rot: der Herold im Hause der Reinen Herzen.“

Trenner Garetien.svg

Schreiend erwachte sie. Kalter Schweiß auf der Stirn. Wenige, aber einige heftige Herzschläge später klopfte es dumpf an die Tür zu ihrer kleinen Kammer.

„Schwester?“, fragte eine schläfrige Stimme.

„Ich... ich...“, stammelte die Geweihte noch immer um Atem ringend, „Ich habe nur... nur... geträumt. Ja, nur... geträumt.“

„Dann hat unser Herr Euch durch seinen Boten heute eine besondere Gnade zuteil werden lassen“, erwiderte die Stimme weiter.

„Es ist nur... ich...“, sie wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn, „Sagt, die Helburg, hatte sie einen... Kerker?“

Einen Moment war es still: „So ist es, Schwester. Sie ist... war königliche Kerkerfeste.“

Nurinai schluckte schwer: „Und... und... es saßen immer Gefangene ein? In diesem Kerker?“

„So wird es erzählt“, kam die Antwort prompt, „Und was wäre eine königliche Kerkerfeste ohne Eingekerkerte?“

Die Geweihte nickte, angesichts dieser bestechenden Logik zu solch nächtlicher Zeit: „Und... und waren auch die letzte Zeit Gefangene dort?“

„Da ist anzunehmen, Schwester, warum auch nicht?“

„Und was ist mit ihnen passiert?“

„Ich schätze dasselbe, wie mit allen anderen dort...“

„Ja, dasselbe. Und... und...“, stammelte Nurinai weiter, „... der Herold? War er auch dort?“

Der Geweihte stutzte: „Der... Herold?“

„Ja, der Herold“, versuchte sie so bestimmt zu bestätigen wie sie nur konnte und dennoch war ihre Verunsicherung deutlich zu hören, denn Nurinai hatte keine Ahnung wer damit eigentlich gemeint war.

„Ja“, hörte sie ihn seufzen, „Der Herold. Nun, der Herold Gerding von Plötzbogen war gewiss auch auf der Helburg.“

„Im Kerker?“

„Wohin sonst hätte man ihn bringen sollen angesichts seiner wohl begangenen Tat?“

„Und wart Ihr schon einmal dort? Im Kerker auf der Helburg? Oder einer unserer Brüder und Schwestern?“

„Dazu kann ich Euch nichts sagen, Euer Gnaden. Dazu kann ich Euch wirklich nichts sagen.“

Offen blieb, ob der Geweihte dazu nichts sagen konnte oder durfte. Es war zwar nur ein kleiner, aber dennoch entscheidender Unterschied. Und Nurinais Frage, nach dem Seelenheil der Gefangenen blieb: Was war mit ihnen geschehen? Sie musste zumindest versuchen, ihre Seelen zu retten oder gar zu erlösen. Sie musste es versuchen. Warum sonst hätte ihr Herr sie hierher schicken sollen? Aber wie passte dieser Herold in diese ganze Angelegenheit? Ging es etwa auch um seine Seele?

Gruppenfindung

  • Odilbert fragt in Halhof nach der Person
  • Irmhelde kennt den Herold aus der Vergangenheit
  • Die anderen sehen, dass ihre Spuren passen

Im Wall

Am Fuß des Walls hatten sich drei seltsame Gefährten gefunden. Die Boron-Geweihte Nurinai ni Rian, der Ritter Alderan von Nadoret, sowie der Jurist Ucuriel Delo von Eychgras. Sie alle hatten ein gemeinsamen Ziel und das war den Verbleib der Gefangenen auf der Helburg zu klären. Sie alle hatten Gerüchte darüber gehört, dass unter dem verstorbenen Baron Gefangene in die Tulamidenlande verkauft worden waren. Diese Gerüchte schienen sich erhärtet zu haben, denn so mancher ehemaliger Dienstbote, oder ehemaheliger Kerkersoldat hatten diese Gerüchte, zumindest teilweise bestätigt.

Die drei ungleichen Gefährten hatten sich also auf den Weg über den Wall gemacht und zwar über den berüchtigten Ferkinapass. Die namensgebenden Ferkinas hatten sie dann jedoch den ganzen Weg über nicht gesehen. Dafür hatten sie aber einen Händler, oder war es doch ein Schmuggler, getroffen der ihnen bestätigte, dass hier früher des öfteren Sklaven verkauft worden waren. Auf dem beschwerlichen Weg über den Pass begegneten wir dann auch so manches Mal Gebeinen, oder anderen Überresten, oftmals waren die Hände der Unglücklichen noch gefesselt. Wir mühten uns redlich ihnen ein ordentliches Grab zu bereiten, wähend Nurinai den Grabsegen sprach.

Alderan war nicht der einzige der aufatmete, als sie den Pass schließlich verliesen und in Muchabad ankamen, hier gab es sicher eine gute Unterkunft und etwas ordentliches zu essen.

  • Entdeckungen
    • Sklavenhandel
    • Unbestattete
    • Qualität des Weges

Muchabad

  • Entdeckungen
    • Sahib Chardin Fajaqus Zhumanya passt auf die Beschreibung Gerdings von Plötzbogen
    • Alcazaba Zhumanya wurde verkauft
    • Drinnen findet sich das verborgene Tagebuch


Der Wall lag hinter uns. Die ganzen unbestatteten Toten so zu sehen, das hatte mich zutiefst geschmerzt und noch unerträglicher war der Umstand, dass es unmöglich war sie all zu bestatten. Ich hatte wohl einen Grabsegen gesprochen, aber ein Grab hatten sie nicht. Ein kläglicher Versuch, vielleicht auch ein dummer Versuch. Getan hatte ich es trotzdem. Oh Schweigsamer, was ging hier nur vor sich? Welche abgrundtiefe Bösartigkeit liegt in uns Menschen nur verborgen? Und warum kommt sie in manchen von uns zum Vorschein und in manchen von uns nicht?

Mehr oder weniger erschöpft, aber eigentlich unbeschadet ließen wir also den Wall hinter uns und gönnten uns anschließend ein paar Tage Ruhe in Muchabad. Ich zumindest hatte eine Pause auch dringend nötig. Ich war unfassbar müde und abgekämpft. Abgesehen davon, waren wir uns auch nicht sicher, wohin wir uns als nächsten wenden sollten. Uns fehlte ein Hinweis. So tranken wir die ein oder andere Tasse Tee und aßen dazu aranisches Gebäck und dachten darüber nach, was nun zu tun sei. Das ging einige Tage so, am dritten Tag – meine Gefährten hatten natürlich tagsüber stets fleißig Erkundigungen eingezogen, während ich mich von den Strapazen erholt hatte – erhielten wir eine Nachricht. In hochgestochenem Tulamidya stand dort: „Reisende, ich kenne jenen, den Ihr sucht. Kommt heute Abend in die Alcazaba Zhumanya. Gezeichnet Sahib Chardin Fajaqus Zhumanya.“

Den Nachmittag zogen wir Erkundigungen über jenen Mann ein, der uns gegen Abend eingeladen hatte. Natürlich versprach dieses Treffen eine Spur, aber wir waren in der Fremde. Wir mussten vorsichtig sein. Sahib Chardin war eine respektable Person hier in Muchabad. Er hatte vor geraumer Zeit die Witwe Zhumanya geehelicht und war so in Besitz des Gestütes Alcazaba gekommen. Irgendwann war sie dann gestorben und er hatte es geerbt. Er habe sich stets gut um sie gekümmert, vor allem als es dann zu Ende ging. Es war schnell gegangen. Dann, es war schon einige Götterläufe her, hatte er das Gestüt verkauft. Wohl an einen Nebachoten. Für welchen Preis, das wusste niemand auch nur zu schätzen, aber es musste eine erhebliche Summe gewesen sein. Die Geschichte erschien uns nicht verdächtig und dennoch gab es da etwas Besorgniserregendes: Die Beschreibung seines Äußeren erinnerte uns doch an jene des Heroldes. Ein Zufall? Vermutlich nicht. Aber… konnte es denn sein? Konnte es wirklich sein, dass er noch am Leben war? Zuzutrauen war es ihm und dennoch so recht glauben wollte ich es nicht.

Am Abend machten wir uns auf. Ich hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch oder war es nur das Kind, dass sich da wieder einmal bemerkbar machte? Sicher war ich mir nicht. Man hatte uns schon erwartet und bat uns herein. Man brachte uns Tee und Gebäck, aber keiner von uns nahm etwas davon. Wir waren vorsichtig. Und dann stand er plötzlich vor uns. Ich war mir nur sicher, dass er es war, weil die anderen sich sicher waren. Mit einem unverschämten Grinsen auf den Lippen stellte er sich uns vor: „Ich bin Sahib Chardin Fajaqus Zhumanya.“ Dann wechselte er ins Garethi und schien sich ziemlich sicher, dass seine Begleiter – vier große, kräftige Männer – kein Wort davon verstanden oder aber es vollkommen gleichgültig war, was er sagte, weil er ihnen genug bezahlte. „Entsetzlich, wie lange ihr gebraucht habt, um mich zu finden.“ Sein Grinsen wurde breiter. „Und eigentlich habt ihr mich auch nur gefunden, weil ich mich euch offenbart habe...“

Was dann folgte war ebenso bizarr wie unfassbar. Ein Mann, der ein gesuchter Verräter war, den man in Garetien für tot hielt, saß vor uns und erklärte uns so ganz nebenbei, dass er nicht im Traum daran dachte, sich von uns zur Strecke bringen zu lassen. Was hatten wir auch anderes erwartet? Seine Begleiter blickten uns mit finsteren, aber vielsagenden Minen an. Das beste jedoch an ihnen sei, dass sie nichts ausplauderten – ohne Zunge sei das eben nicht möglich. Die besten Beschützer, die es weit und breit gab, die viel von ihrem Handwerk verstünden und denen es ein leichtes sei uns auf immer verschwinden zu lassen, doch daran habe er kein Interesse. Nein, sein Interesse galt etwas anderem: Der Gerechtigkeit. Dabei entfremdete er dieses Wort so sehr, dass ich es nicht mehr wiedererkannte, denn auch wenn er von der Gerechtigkeit des Geknechteten sprach, meinte er doch eines – Rache. Gute, althergebrachte Rache. Dabei war er beherrscht und gefasst. Vielleicht war das, das besorgniserregendste an diesem ganzen Aufeinandertreffen, denn seine Wut war nicht hitzig und überschäumend, sondern wohlbedacht. Ihm war – da war ich mir sicher – alles zuzutrauen. Daran ließ er auch keinen Zweifel. Er habe in den letzten Götterläufen mehr angehäuft als ein schier endloses Vermögen. Weitaus mehr. Dabei zierte ein krudes Lächeln sein Gesicht. Und nun sei die Zeit der Gerechtigkeit gekommen. Vielleicht würde er noch den einen oder anderen Götterlauf warten, was kümmert ihn denn noch die Zeit? Inzwischen habe er sich von ihr unabhängig gemacht. Satinav kümmerte ihn nicht mehr. Aber der Gerechtigkeit musste nun einmal genüge getan werden. Und ja, es sei in seinem Sinne, dass jene, die ihm dieses Unrecht angetan haben, sich fürchteten, dass sie sich ängstigten. Wir sollten ihnen ruhig von ihm erzählen. Sie sollten wissen, dass er hinter ihnen her wahr. Sie sollten keinen einzigen ruhigen Moment mehr haben. Denn kommen würde er, das war gewiss, aber wann und wie, das behielte er für sich. Das sei sein Geheimnis oder vielmehr seine Überraschung. Ja, so nannte er es. Eine Überraschung. Aber nein, wir sollten nicht fürchten, dass er ihnen nach dem Leben trachtete, für jene, die ihm seine Gerechtigkeit verwehrt hatten, war er noch viel zu milde. Und dort draußen, in der weite Aventuriens gäbe es viel zu entdecken, weitaus mehr als wir uns vorstellen können und das würde ihm gewiss helfen. Was er damit meinte? Ob er einen Pakt eingegangen war? Ob er sich sonstiges verbotenes Wissen angeeignet hatte? Natürlich sprach er darüber nicht. Natürlich nicht.

Ob es wahr war? Ob er wirklich die Wahrheit sprach? Welche perfiden Pläne verfolgte er? Oder war das alles nur ein Trick? Eine Täuschung? Um Angst und Schrecken zu verbreiten?

Zum Abschied sagte dann noch: „Wenn ihr geht, schaut unter der Fuchsstatue nach. Dort werdet ihr den Beweis finden, dass ich es bin. Ein Beweis, der auch noch beim Letzten alle Zweifel ausräumen wird.“ Perplex schauten wir ihn an. Umringt von seinen Begleitern. Für uns unerreichbar. „Und wer weiß, vielleicht sehen wir uns ja bald wieder? Ich würde nur zu gerne Euer Kind sehen, Euer Gnaden. Ob es wohl schon mit einer schwarzen Robe geboren wird?“

Unter der Fuchsstatue fanden wir tatsächlich etwas: Sein Tagebuch. Es bestätigte das ein oder andere, was wir wussten oder inzwischen vermutet hatten. Und doch blieb eine Frage offen, sollten wir alle vor ihm warnen oder war das alles nur... Scharade?

Chardans Notizen

Tagebuch, ehemals verborgen unter einer Fuchsstatue im Alcazaba Zhumanya in Muchabad (Aranien)


verm. Tsa 1033 BF

Die Praioten hielten es wohl für Gerechtigkeit, einem Mann des Wortes über Monate jegliche Möglichkeit zum Schreiben zu nehmen, für mich hat es eher den Wunsch auf Rache genährt. Erst der Besuch der Lichtbringerin Elea aus dem Eychgraser Tempel in der letzten Woche ermöglichte mir einen Richtspruch zu meinen Gunsten. Ach, wie habe ich es genossen, einerseits einmal wieder mit dem Wort zu streiten und andererseits meinen eingerosteten Charme an einer jungen Frau auszuprobieren.

Jetzt also darf ich mir wieder Notizen machen, auch wenn das Leben in meiner Zelle recht eintönig ist. Die Priesterin hofft wohl, dass ich ein Geständnig meiner Missetaten anfertige und dabei möglichst wichtige Leute belaste, deren Ergreifung ihre Kirchenkarriere fördern könnte.

(...)

17. Firun 1036 BF

Was für eine Erleichterung es bedeutet, endlich einmal das Datum zu wissen. Fünf Jahre in der Zelle und fast jeder Tag war der gleiche. Manchmal konnte ich die großen Feste an den Chorälen der Bannsträhler erahnen und Praiostags wurde auch die große Glocke geläutet, aber erst heute, fünf Tage nach meiner Flucht, konnte ich in der Stadt Höllenwall vorsichtig das Datum erfragen.

Mit ein wenig Verstand und noch mehr Fleiß hätte wohl jeder die Flucht in fünf Jahren hinbekommen. Ich kenne heute die Tagesabläufe und Gewohnheiten aller Bewohner von Lichterntal, wusste also um den perfekten Zeitpunkt. Der kalte Firun half mir, ausreichend Nahrung im Schnee vor der Zelle zu kühlen. Und selbst mit der kleinen Klinge zum Schärfen des Federkiels kann man über diese lange Zeit das Material an der richtigen Stelle ermüden.

Heute also konnte ich - mit ausreichend rasiertem Haar und ohne den langen Bart und die verräterische Strähne - eine Arbeit in der Stadt Höllenwall annehmen. An guten Schreibern scheint es in jeder Stadt zu fehlen. Ich muss nur aufpassen, dass der Baron mich nicht zufällig erkennt.

(...)

9. Phex 1036 BF

Ich habe genug Silbertaler beisammen, um über den Ferkinapfad zu fliehen. In Aranien werde ich hoffentlich meine Ruhe vor den Häschern finden - und vielleicht eines Tages zurückkehren. Es gibt noch so einige offene Rechnungen zu begleichen. Nennen wir es nicht Rache, nennen wir es Gerechtigkeit des Geknechteten.

(...)

17. Rahja 1039 BF

Wenn Baron Malepartus wüsste, dass jener Sahib Chardin Fajaqus, mit dem er mehrmals im Jahr "Verstorbene" gegen Schmuggelgut und Dukaten austauscht, jener Gefangene ist, der vor Jahren nie in seiner Kerkefeste angekommen ist. Wenn ich jedenfalls gewusst hätte, wie viel Geld es jenseits von Recht und Ordnung zu verdienen gibt, ich hätte viel früher damit angefangen. Ich scheine ein Talent für Verhandlungen zu haben, und man schätzt mich wegen meines Wissens und der Kenntnis Garetiens. Und nicht zuletzt besitze ich die Skrupellosigkeit, störende Konkurrenz loszuwerden. Die Klüfte des Raschtulswalls sind tief und der Schnee verbirgt solche Taten lange genug.

(...)

4. Ingerimm 1042 BF

Ich weiß nicht wie, vielleicht habe ich die Haare mit der verräterischen Strähne zu lange wachsen lassen, aber er hat mich erkannt! Er hat versucht, es zu verbergen, aber er hat mich erkannt!

Andererseits, die Strähne ist ein wichtiger Teil meiner Ausstrahlung, gerade auf das weibliche Geschlecht. Die alte Witwe Zhumanya - Boron habe sie selig - hätte mir wohl nicht so schnell das Jawort gegeben - und mich damit zum Erben ihres nicht unerheblichen Vermögens gemacht...

Und eben dieses Vermögen muss ich jetzt so schnell wie möglich versilbern. Ich habe bereits einen Käufer für das Alcazaba finden können und ich denke ich werde das Gestüt auch bald für einen guten Preis an einen dieser verrückten Nebachoten verschachern, auch wenn die dem dämlichen Aberglauben anhängen, dass man gute Zuchtstuten nur im Rahja kaufen darf.

(...)

17. Ingerimm 1042 BF

Jetzt ist es passiert: Der erste Bluthund des Helburgers hat "unauffällig" Fragen in Muchabad gestellt. Meine Leute konnten ihn beseitigen, aber das wird den Kerkermeister nur noch neugieriger machen. Wollen wir hoffen, dass ich am 1. Rahja alles mit dem Verkauf glatt geht, dann bin ich so schnell es geht über die Grenze und zurück im Königreich. Das Kapital sollte für meine Rache ausreichen.

Der Heimweg und Rapporte

Unsere Erkenntnisse aus Muchabad hatten uns alle nachdenklich gestimmt. Gerding von Plötzbogen hatte sicherlich das ein oder andere vor, aber was genau wussten wir freilich nicht zu sagen. Wir waren uns aber alle einig, dass wir in Zukunft sicher von ihm hören würden. Den Plan ihn in Muchabad zur Strecke zu bringen hatten wir verwerfen müssen, denn wir waren deutlich in der Unterzahl und kannten die Gegend nicht. Gerding war derweil reich, ortskundig und hatte sicherlich eine große Zahl an Schergen, die uns zahlenmäßig deutlich überlegen waren.

So machten wir uns in gedämpfter Stimmung daran den Ferkinapass erneut zu überqueren. Glücklicherweise traffen wir erneut keine Ferkinas. Die waren wohl andernorts beschäftigt. So trenten wir uns dann in Höllenwall und gingen jeweils unserer Wege um unseren Obrigkeiten Bericht zu erstatten.

Ideen Sammlung

Soll unser Gerding von Plötzbogen einfach nur durch erworbenen Reichtum und sein intrigantes Geschick wieder mitmischen? Oder soll er in Aranien auch übernatürliche Mächte erworben haben? Pakt oder magisches Wissen?

  • Eine Kombination mehrerer Faktoren fände ich gut, z. B. könnte er durch sein intrigantes Geschickt zu Reichtum und auch Einfluss gekommen sein, aufgrund seiner (möglichen) Rachegedanken (oder einer anderen passenden Motivation) aber auch zu übernatürlichem Wissen (ein (un)wissentlicher Pakt wäre zwar durchaus passend, aber schon etwas klischeehaft, vielleicht gibt es da ja noch etwas anderes?) Orknase