Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Schwester Theria schickte mich zu den Waldsteinern. Ich glaube sie tat es, weil sie sich das nicht selbst zutraute, denn als sie den toten Schwarztannener sah, da huschte etwas über ihr Gesicht, etwas das ich noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Ob es das Grauen war? So war ich es, die sich um die Verwundungen der Waldsteiner kümmerte. Es verlangte mir einiges ab. Diese Fehde bringt Elend über uns, über uns alle und sie verlangt von uns, die wir Geweihte der Herrin Peraine sind, dass wir helfen, wem wir helfen können, ganz gleich auf welcher Seite. Es hört sich so leicht an, doch das ist es nicht. Die Waldsteiner hatten ihre eigene Interpretation zu den Vorkommnissen...
 
Schwester Theria schickte mich zu den Waldsteinern. Ich glaube sie tat es, weil sie sich das nicht selbst zutraute, denn als sie den toten Schwarztannener sah, da huschte etwas über ihr Gesicht, etwas das ich noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Ob es das Grauen war? So war ich es, die sich um die Verwundungen der Waldsteiner kümmerte. Es verlangte mir einiges ab. Diese Fehde bringt Elend über uns, über uns alle und sie verlangt von uns, die wir Geweihte der Herrin Peraine sind, dass wir helfen, wem wir helfen können, ganz gleich auf welcher Seite. Es hört sich so leicht an, doch das ist es nicht. Die Waldsteiner hatten ihre eigene Interpretation zu den Vorkommnissen...
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Wenn unsere Arbeit hier getan ist, werden Schwester Theria und ich nach [[Garetien:Dorf Steinhude|Steinhude]] aufbrechen. Es ist anzunehmen, dass sich die Waldsteiner nicht an [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] oder [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] herantrauen, sowohl Stadt als auch Burg sind zwar nicht uneinnehmbar, aber durch ihre Mauern gut geschützt und nur schwer direkt anzugreifen. Wir glauben, wir können hier mehr tun. Die [[Garetien:Familie Dachshag|Familie Dachshag]] wird uns aufnehmen.
  
 
Wir werden uns erst einmal nicht wieder sehen, Lindegard. Doch wenn wir beide in die Sterne blicken, so wie du es bei deiner Geburt getan hast, dann werden wir uns nahe sein, Sternguckerin. So werden wir die Zeit überstehen und der anderen immer nahe sein, so lange bis wir uns wieder in die Arme schließen werden.
 
Wir werden uns erst einmal nicht wieder sehen, Lindegard. Doch wenn wir beide in die Sterne blicken, so wie du es bei deiner Geburt getan hast, dann werden wir uns nahe sein, Sternguckerin. So werden wir die Zeit überstehen und der anderen immer nahe sein, so lange bis wir uns wieder in die Arme schließen werden.

Version vom 21. März 2021, 11:09 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.


Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen

(...)

Gerbachsroth, Firun 1044

Alderan stand etwas ratlos am Grab seiner Frau. Er hatte sie aus politischen Gründen geheiratet und sie eigentlich auch kaum gekannt, aber er fühlte sich dennoch für ihren Tod verantwortlich, war sie doch bei der Geburt ihrer Kinder gestorben. Er war ehrlich traurig und verfluchte sich nicht an ihrer Seite gewesen zu sein. Gut es war langweilig in Gerbachsroth, aber er hatte ihr gegenüber eine Verantwortung gehabt. Es war wohl eine äußerst schwere Geburt gewesen. Das erste Kind war gesund und munter gewesen, aber das zweite war nur noch todgeboren worden und hatte bald darauf seine Mutter mit sich auf die Reise über das Nirgendmeer genommen. Er hätte wohl nichts daran ändern können, aber er hätte wenigstens an ihrer Seite sein sollen.

Er hatte sie während ihrer Schwangerschaft nur einmal besucht, ein Umstand der ihn nicht gerade mit Stolz erfüllte. Auch wenn er dafür von seinen Freunden aufgezogen worden war hatte er sich am Hof des Markvogtes stets an die Gebote der Travia gehalten. Andere mochten ihn als lebenslustig und feierfreudig einstufen, aber er war doch immer noch aus altem Koscher Adel. Freilich hatte er bis auf Kindertage nie im Kosch gelebt, aber eine gewisse Verantwortung brachte der Name „von Nadoret“ doch mit sich.

Nun war er nach nicht einmal einen Jahr Ehe bereits Witwer und für ein Kleinkind verantwortlich, darüber hinaus auch noch für Stordan, Sigmundes Sohn aus erster Ehe. Der Bursche war auch erst sieben Jahre alt. Immerhin war Stordan bereits in Pagendiensten und damit außer Hause. Seine sonstige Familie bestand nur aus Kindern, aber er war bei seiner Pagenmutter in guten Händen. Sie würde sich schon um den Vollwaisen kümmern.

Alderan hielt es ganze acht Tage auf Gerbachsroth aus, dann nahm er seine Tochter Brinhild, genannt nach dem Zweitnamen ihrer Mutter, mit sich und ritt nach Scharfenstein um bei Baron Drego vorzusprechen. Das Gespräch währte nicht sehr lange. Weder Baron, noch die vielen Rians an seinem Hof schienen seiner Gattin eine Träne nachzuweinen und hatten ihn kurzerhand zum neuen Edlen ernannt, konnte ein Kind doch in Zeiten von schweren Fehden kein Lehen führen.

Am Rande traf er sogar kurz auf Meara ni Rían, die Gattin seines gefallenen Bruders. Er hatte sie vorher noch nie kennengelernt und war durchaus daran interessiert die zurückgezogene Frau etwas näher kennenzulernen, aber Meara schien auf seine Familie nicht gut zu sprechen zu sein und fand bald einen Grund das Gespräch abzubrechen. Die nächsten zwei Tage ging sie ihm dann aus dem Weg.

Also brach Alderan schließlich mit Klein-Birnhild auf. Er wusste nicht so recht was er mit einem Kleinkind anfangen sollte, drum entschied er sich sie zu seiner Mutter bringen. Sie würde seine Tochter sicher gerne aufziehen. Er wusste ja auch gar nicht wie man so etwas machte und außerdem war der Hof des Marktvogtes nichts für kleine Kinder. Er würde sie auch bitten ihm einen Vogt zu empfehlen, der die Amtsgeschäfte vor Ort erledigen konnte und Alderan die Rendite des Lehens direkt an den Hof schickte. Am besten ein Koscher aus altem Adel, der seiner Familie gegenüber loyal war und nicht in seine eigene Tasche wirtschaften würde.

Autor: Sindelsaum

Weiß wie Schnee

Schicksal bleibt Schicksal

Hexenwald

[...]

Sterngucker

Eine Peraine-Novizin erhält ihre Weihe und muss sich kurz darauf in der Fehde beweisen, dabei muss sie sich nicht nur den den menschlichen Abgründen der Fehdeparteien stellen, sondern auch sich selbst.

Hebamme

Stadt Schwarztannen, im Hesinde 1043 BF

Der Sterngucker hatte lange gedauert. Während ich an der Seite der Gebärenden ausgeharrt und sie nach besten Kräften unterstützt hatte, war meine Lehrmeisterin zu anderen Geburten gerufen worden. Sie war nur gegangen, weil ich bleiben konnte. Inzwischen, nach den vielen Götterläufen, die ich bereits bei ihr hatte lernen dürfen, vertraute sie mir auch schon mal allein ihre Frauen an, auch wenn sie es nicht gerne tat, was allerdings nicht an meinem Können lag, sondern einfach nur an dem Umstand, dass sie einfach gerne selbst bei ihren Frauen war. Zu Beginn hatte ich Hild oft begleitet, war fast permanent bei ihr gewesen und nur ganz selten im Tempel, doch inzwischen hatte sich das geändert. Inzwischen war ich wieder mehr im Tempel und nur noch gelegentlich bei ihr. Meist dann, wenn es zu viel zu tun gab und sie nicht überall gleichzeitig sein konnte oder aber, wenn die Geburt eine besondere war. Diese hier, die war eine. Es war ein Sterngucker.

Ich soll auch eine gewesen sein. Eine Sternguckerin. Dabei schaut das Kind die Mutter bei der Geburt an. Oft kam das nicht vor. Die Geburten waren schwerer und dauerten länger. Bei meiner Mutter soll das auch so gewesen sein. Kurz nach meiner Geburt starb sie und die alte Hebamme Hild, die damals bei meiner Geburt dabei gewesen war, hatte mich in den Tempel der Peraine gebracht. Ich sei klein gewesen, ein winziges Kind, hatte Hild mir erzählt. Keiner habe damals gewusst, ob ich nicht meiner Mutter nachfolge. Man gab mir den Namen Lindegard, weil ich irgendwie wie eine Lindegard aussah. Damals war die Heilige Lindegard, die zur Zeit der Magierkriege gelebt hatte, noch gar keine Heilige. Und weil meine Mutter ihren Namen nie genannt hatte, wobei niemand mit Sicherheit hatte sagen können, ob sie es nicht hatte wollen oder nicht hatte können, wurde ich eine Tempeltreu. Die Familie Tempeltreu war die Familie der Findelkinder und irgendwie war ich ja eines, ein Findelkind. Seit dem lebte ich im Tempel. Meine Familie waren die Bewohner des Peraine-Tempels. Die Geweihten waren meine Mütter und Väter und die Novizen meine Geschwister. Ich vermisste nie etwas. Der Tempel war mein Heim. Und wenn ich mich nach meiner Mutter sehnte, jener Frau, die mich geboren hatte, ging ich zum Boronanger draußen vor der Stadt. Da lag sie. Seltsam war es schon, ich hatte so gar keine Beziehung zu ihr Sie war eine Fremde für mich, eine – und dafür schämte ich mich sogar ein wenig – die mich nicht wirklich interessierte.

Als das Kind das Licht Deres erblickte, war Hild gerade wiedergekommen. Später, auf dem Weg zum Tempel, lobte sie mich: „Du hast wirklich schon viel gelernt. Bald brauchst du mich nicht mehr.“ Einen Moment schwieg sie. „Damals, bei meiner ersten Geburt, bei der ich alleine war, habe ich dem Kind den Arm gebrochen. Es musste plötzlich schnell gehen und ich war nicht zimperlich… Das ärgert mich zwar noch heute, allerdings ist der Bruch gut verheilt und Mutter und Kind waren wohl auf.“

Ich nickte erschöpft. Die letzten beiden Nächte hatte ich nicht geschlafen und so sehnte ich mich nach meinem Bett, auch wenn die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Meine Gedanken wurden zunehmend fahriger und dann, dann kam mir plötzlich diese Fehde in den Sinne: „Was glaubst du, bedeutet die Fehde für uns?“

„Für uns Hebammen oder für euch Geweihte?“, hakte sie nach. Auch sie hatte nicht geschlafen, aber sie wirkte hellwach.

„Für beide“, erwiderte ich nickend.

„Viel Arbeit“, sie nickte ernst, „Sehr viel.“

„Dann glaubst du, es werden mehr Kinder geboren?“, wollte ich verunsichert wissen, weil ich mir das kaum vorstellen konnte.

„Habe ich das etwa gesagt?“

„Ähm“, begann ich zu stammeln, „Hast du... hast du denn nicht?“

„Du wirst viel Elend sehen, Lindegard“, sie legte sanft ihre Hand auf meine Schulter, „Elend, das nicht hätte sein müssen. Elend, das...“ Abrupt verstummte sie. Wir waren inzwischen beim Tempel angekommen. Vorne vor dem Tempel wartete Baldur von Immenhort, der Prätor des Tempels. Verunsichert blickte ich ihn an.

Schneeglöckchen

Tempel der eingebrachten Früchte, Stadt Schwarztannen, im Hesinde 1043 BF

„Es hat...“, meine Stimme zitterte, „... hat ein wenig länger gedauert.“

Baldur von Immenhort nickte: „Ich weiß, ich habe mit deiner Lehrmeisterin gesprochen.“

Verunsichert blickte ich zu Hild, die mir ein freundliches Lächeln schenkte, dann wandte ich mich wieder Hochwürden zu. Dass er da gerade Hild als meine Lehrmeisterin bezeichnet hatte, kam einem Ritterschlag gleich. Aus irgendeinem Grund gab es Differenzen zwischen den Peraine-Geweihten und den Hebammen was die Geburtshilfe betraf. Zwar hatte Hild mich das nie spüren lassen, aber über das geredet, was zwischen ihr und meiner Kirche stand, hatte sie nie. Auch im Tempel hat nie jemand darüber gesprochen. Kaum verwunderlich, wurde meine Wunsch damals, auch bei einer profanen Hebamme zu lernen, abgelehnt. Ich ging trotzdem. Hild war nicht begeistert. Sie schickte mich in den Tempel, aber ich ging nicht. Hochwürden bestellte erst mich ein, ich erschien auch und erklärte, dass ich nicht beabsichtige mich zu fügen. Ich blieb stur. Ich hatte das Gefühl, dass es einfach die richtige Entscheidung war, dass die Herrin Peraine von mir verlangte, dass ich mich dafür einsetzte. Ich hatte das Hochwürden nie so gesagt, weil… weil ich fürchtete, dass er mir nicht so recht glaubte. Er bestellte dann auch Hild ein. Erst sah es so aus, als ob sie nicht käme. Dann kam sie doch, auch wenn viel zu spät, eine Geburt hatte sie aufgehalten. Die beiden stritten miteinander. Sie hatten sich ins Tempelinnere zurückgezogen, aber man konnte ihre aufgewühlten Stimmen hören, obgleich ich kein Wort verstand. Nie wieder habe ich die beiden so erlebt. Am Ende einigten sie sich, worauf, dass erfuhr ich nicht. Ich bekam jedoch meinen Willen und das war mir genug.

Ich schluckte, wollte etwas erwidern, aber ich brachte kein Wort heraus. Irgendetwas ging hier vor sich.

„Komm, Lindegard“, sagte er, „Lass uns hineingehen.“

Mit klopfendem Herzen stieg ich die wenigen Stufen zu ihm hinauf. Ich warf meiner Lehrmeisterin einen letzten Blick zu, dann ging ich an der Seite von Hochwürden in den Tempel hinein. Es war seltsam, wie wir da Seite an Seite durch den Tempel schritten. Er schwieg. Es war ein angespanntes Schweigen. Blicke folgten uns, manche schenkten mir ein aufmunterndes Lächeln, manche betrachteten mich lediglich äußerst nachdenklich. Ich fühlte mich zunehmend seltsamer.

„Habe ich… ich etwas falsch gemacht?“, wollte ich mit brüchiger Stimme wissen und wagte es nicht Baldur von Immenhort anzusehen.

„Wie kommst du darauf?“, gab er die Frage zurück.

„Weil... weil...“, konnte ich nur stammeln, während wir weiter in das Tempelinnere gingen. Immer weiter und weiter gingen wir, immer tiefer und tiefer, bis wir in einen Raum kamen, in dem ich noch nie gewesen war und bei dem ich wusste, das ich dort nichts zu suchen hatte. Hier zog sich Hochwürden zurück, wenn er mit unserer Herrin allein in Zwiesprache treten wollte. Es störte ihn dabei nie jemanden. Und nun war ich hier und ich sollte nicht hier sein...

Der Raum war nicht sonderlich groß, wirkte gemütlich und irgendwie einladend. Ich spürte, dass unsere Herrin hier besonders präsent war, obgleich ich nicht so recht wusste warum. Auf einem runden Tisch mit vier Stühlen lag eine Garbe güldener Ähren und ein Stück grünes Tuch mit einer Ährenstickerei, beides erinnerte mich an die Roben der Geweihten der Herrin Peraine. Daneben gab es eine Sitzecke mit vielerlei grünen Kissen. Es gab auch einen kleinen Schrein unserer Herrin. Dort lagen Storchenfedern. Durch ein Fenster konnte man in einen kleinen Garten blicken. Der Prätor bemerkte meinen interessierten Blick und erklärte: „Ich habe gedacht, ich hätte zumindest noch Zeit, bis die Herrin Tsa den Herrn Firun so langsam zu vertreiben beginnt. Dort draußen fühlt man sich unserer Herrin noch viel näher. Wenn alles grünt dann...“ Er verstummte. „Aber schau, dort! Dort reckt sich ein Schneeglöckchen keck hervor.“

Ich sah es nicht gleich, ich stand noch immer am Tisch, doch dann nickte ich und erwiderte: „Ja, das stimmt.“

Baldur von Immenhort blickte noch immer nach draußen, während mein Blick erneut auf den Tisch fiel und ich wieder feststellte, dass das Stück Tuch, vielmehr sogar ein Stoffbündel, wirklich an eine Robe der Geweihten erinnerte. Unweigerlich glitten meine Finger über die Ährenstickerei. Und dann, ganz plötzlich, begriff ich: Ich hatte nichts falsch gemacht, ich sollte…

„Ich… ich bin doch noch viel zu jung!“, meine Stimme zitterte, „Das ist... ist viel zu früh!“ Auch meine Finger zitterten. Ich war geschockt, denn das... das hatte ich nicht erwartet. Alles hatte ich erwartet, wirklich alles, aber... aber das?

„Nein, Lindegard“, Baldur von Immenhort bedachte mich mit einem sanften Blick, „Damals, als deine Lehrmeisterin dich zu uns in den Tempel brachte, stand es schlecht um dich. Keiner von uns glaubte aufrichtig daran, dass du es schaffen könntest. Eine Nacht verging. Es war bitterkalt, es war Winter. Und am nächsten Morgen, sah ich das zarte, helle Grün dort draußen zwischen dem Schnee hervorblitzen. Ein zartes Schneeglöckchen kämpfte sich ins Leben. Da keimte in mir die Hoffnung, dass du es ihm gleich tun würdest. Und so war es auch.“ Einen Moment schwieg er. „Dies ist der richtige Zeitpunkt. Unsere Herrin braucht uns. Ein jeden von uns. Sie braucht dich, Lindegard!“

Storchenbiss

Stadt Schwarztannen, im Tsa 1043 BF

In der Abgeschiedenheit dieses Raumes und meiner Göttin so nahe, erhielt ich meine Weihe. Ein Moment dem ich entgegengefiebert, aber der mich dann doch recht kalt erwischt hatte. Später erfuhr ich, dass Hochwürden zuvor Perainidane die Weihe erteilt hatte. Danach sah man ihn geraume Zeit erst einmal nicht mehr. Er war sehr erschöpft, hieß es nur. Zwei Novizen die Weihe kurz nacheinander zu erteilen, das sei in der Regel gar nicht möglich, doch die Herrin Peraine habe es so gewollte und nur weil es ihr Wille gewesen war, habe Hochwürden dies überhaupt vollbringen können.

Viel änderte sich durch meine Weihe nicht. Ich tat noch immer dieselben Dinge, die ich auch als Novizin getan hatte, ich ging noch immer denselben Aufgaben nach, denen ich auch als Novizin nachgegangen war. Und doch gab es Veränderungen. Ich hatte die einfache grüne Kutte der Novizen gegen eine Robe der Geweihten getauscht. Mir gebührte nun die Anrede Euer Gnaden, auch wenn alle lediglich Schwester Lindegard sagten. Doch eines, eines das änderte sich dann doch: Die Kraft meiner Herrin war in mir geweckt worden. Sie war, da war ich überzeugt, schon immer in mir gewesen, doch erst die Weihe hatte sie erweckt und nun, nun konnte ich sie auch nutzen. Bisher hatte ich das jedoch noch nicht getan, ihre Kraft sollte nur dann eingesetzt werden, wenn es ihrer wirklich bedurfte.

Es war inzwischen Tsa geworden und ich war gerade auf dem Rückweg von einer sehr schweren Geburt zurück in den Tempel, die Mutter hatte ich zusammen mit der alten Hebamme Hild, die ich noch immer als meine Lehrmeisterin bezeichnete, retten können, für das Ungeborene war es bereits zu spät gewesen, als in der Ferne ein feiner, heller Ton erklang. Er wehte von Burg Scharfenstein herüber. Wenige Augenblicke darauf stimmte die Feuerglocke der Stadt mit ein. Doch der klassische Ausruf „Feuer“ fehlte, stattdessen riefen die Büttel: „Zu den Waffen! Bürger, zu den Waffen!“ Da wusste ich, dass es passiert war.

Seit Hesinde belauerten sich Waldsteiner und Reichsforster an den Grenzen der beiden Grafschaften. Von der Stadtmauer aus wollten die Stadtwachen, die man im letzten Mond bereits verdoppelt hatte, immer wieder die Waldsteiner erspäht haben, wie sie sich an der Grenze der Grafschaften herumtrieben und wohl auskundschafteten, wo sie am Besten einfallen konnten. Man hatte in Schwarztannen jene Kräfte zusammengezogen, die nicht in die Kämpfe mit der Kaisermark oder Hartsteen verwickelt waren, das waren allerdings nicht viele, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass man am anderen Ende der Grafschaft auch noch Eslamsgrund im Nacken sitzen hatte. Verschärft wurde das ganze in Schwarztannen noch durch den Umstand, dass im Hesinde der Baron Raulfried Haltreu von Schwarztannen – Boron sei seiner Seele gnädig – bei der Vertreibung der Kaisermärker aus Gräflich Rubreth und der Baronie Syrrenholt gefallen war. Sein Tod war so unerwartet gekommen, dass seine Nachfolge noch nicht einmal geregelt war. Aber wer dachte auch schon daran, dass Golgari einen bald holen kam? Es war sein Bruder Raulbrin Reto von Schwarztannen, der seit diesem Tag zusammen mit seiner Mutter Enria von Schwarztannen Scharfenstein hielt.

Wenig später, da war ich gerade im Tempel angekommen, verbreitet sich die Kunde, das etwas zu Füßen der Waldsteiner Weidburg, aber im Gebiet des Reichsforstes, vorgefallen war. Hochwürden Immenhort schickte Perainidane von Erlenfall zusammen mit Schwester Theria um dort jene Leben zu retten, die es noch zu retten gab, ganz gleich auf welcher Seite. Zum Abschied schloss ich meine Glaubensschwester in die Arme und raunte ihr mit Tränen in den Augen ins Ohr: „Halt dich bloß von Golgari fern, Perainidane!“

Sie lachte und erwiderte: „Der Storchenbiss in meinem Nacken reicht mir, Lindegard, einen von Golgari brauche ich nicht auch noch.“

Luringan

Gegeben im Hesinde 1043, zu Füßen der Weidburg

An Ihre Gnaden Lindegard Tempeltreu, Tempel der eingebrachten Früchte, Schwarztannen

Liebste Schwester,
 
 
 
 
es war, wie wir vermutet hatten: Die Waldsteiner haben versucht in Schwarztannen einzufallen, dass es ihnen nicht recht gelungen ist, ist einzig und allein den wenigen, aber tapferen Reichsforstern geschuldet, die die Waldsteiner so lange beschäftigt haben, bis das Auftauchen des Greifen Luringan die Kämpfe zum Erliegen brachte, obgleich keiner von ihnen wissen konnte, dass er kommen und ihnen Beistehen würde.

Es ist nicht so, dass ich ihn selbst gesehen habe, aber die Schilderungen der Reichsforster und Waldsteiner waren diesbezüglich eindeutig und stimmten so sehr überein, dass es keinen Zweifel gab. Er war es gewesen, Lindegard. Der Greif Luringan hat ihnen beigestanden. Was für ein Zeichen!

Das Aufeinandertreffen hier zu Füßen der Weidburg war kurz, aber heftig gewesen. Die Reichsforster wurden von Raulward Sigwulf von Schwarztannen angeführt, der – vielleicht hast du es bereits gehört – gleich in den ersten Augenblicken so schwer verwundet wurde, das wir nichts mehr für ihn tun konnten. Es ist bereits der zweite Tote in seiner Familie und mein erster Toter, der in einem solchen Gefecht starb. Freilich habe ich schon Tote gesehen, so wie auch du, doch unsere Toten starben meist aufgrund von Krankheit oder ihres hohen Alters, dieser hier jedoch wurde umgebracht. Ja, Lindegard, es war Mord. In einem Kampf zu sterben ist immer Mord, zumal die Reichsforster in der Unterzahl waren.

Schwester Theria schickte mich zu den Waldsteinern. Ich glaube sie tat es, weil sie sich das nicht selbst zutraute, denn als sie den toten Schwarztannener sah, da huschte etwas über ihr Gesicht, etwas das ich noch nie zuvor bei ihr gesehen hatte. Ob es das Grauen war? So war ich es, die sich um die Verwundungen der Waldsteiner kümmerte. Es verlangte mir einiges ab. Diese Fehde bringt Elend über uns, über uns alle und sie verlangt von uns, die wir Geweihte der Herrin Peraine sind, dass wir helfen, wem wir helfen können, ganz gleich auf welcher Seite. Es hört sich so leicht an, doch das ist es nicht. Die Waldsteiner hatten ihre eigene Interpretation zu den Vorkommnissen...

Wenn unsere Arbeit hier getan ist, werden Schwester Theria und ich nach Steinhude aufbrechen. Es ist anzunehmen, dass sich die Waldsteiner nicht an Schwarztannen oder Scharfenstein herantrauen, sowohl Stadt als auch Burg sind zwar nicht uneinnehmbar, aber durch ihre Mauern gut geschützt und nur schwer direkt anzugreifen. Wir glauben, wir können hier mehr tun. Die Familie Dachshag wird uns aufnehmen.

Wir werden uns erst einmal nicht wieder sehen, Lindegard. Doch wenn wir beide in die Sterne blicken, so wie du es bei deiner Geburt getan hast, dann werden wir uns nahe sein, Sternguckerin. So werden wir die Zeit überstehen und der anderen immer nahe sein, so lange bis wir uns wieder in die Arme schließen werden.
 
 
 
 
Deine Schwester

Perainidane

(...)

Weitere Ideen

  • Drei Krähen und zwei Räblein
  • Krähen im Maul des Greifen
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