Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.
 
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.
  
= [[Drei Krähen und ein Räblein — Briefspielreihe|Drei Krähen und ein Räblein]] =
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<!--
== Totgeboren ==
+
[[Garetien:Esmeria_Darando_della_Tenna|Esmeria Darando della Tenna]]
Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042, am Morgen
+
-->
<!--Zfs: Begräbnis-->
 
 
 
== Totenruhe ==
 
Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042
 
<!--Zfs: Das Grab wurde geöffnet-->
 
  
== Totenwacht ==
+
= Ein Ende und ein Anfang =
Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042
+
Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.
<!--Zfs: Rückgabe des Leichnams, Begräbnis-->
 
  
 +
== Schwester ==
 
<!--
 
<!--
== Götterdienst ==
+
Zsfg: Gerlinde von Altjachtern sucht ihren Bruder Drego in einer dringenden Angelegenheit auf.
[...]
 
== Warnung ==
 
 
 
„Du hättest wirklich zu Hause bleiben sollen“, hob [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]] tadelnd an, als [[Garetien:Mirya Rosna|Mirya]] etwas zurückfiel, „In deinem Bett. So wie ich es dir gesagt habe.“
 
 
 
„Ich weiß“, erwiderte sie atemlos und ziemlich blass um die Nase, „aber ich konnte es meiner [[Garetien:Nella Rosna|Tochter]] nicht abschlagen. Sie hat so viel durchgemacht. Sie hat es verdient, dass ich auch mal etwas für sie tue...“
 
 
 
Darauf wusste Nurinai nichts zu sagen. Braucht sie auch nicht, Mirya wollte reden, dass spürte sie.
 
 
 
„Sie hält sehr viel von Euch, Euer Gnaden, überaus viel. Ihr solltest sie mal reden hören!“, sie rang sich ein Lächeln ab, „Ihr wisst alles. Ihr könnt alles. Ihr helft jedem, egal ob Mensch oder Tier. Ihr seid immer da, wenn man Euch braucht. Ihr verurteilt nicht. Ihr nehmt die Menschen, so wie sie sind - Unvollkommen. Ihr...“
 
 
 
„Nella ist noch jung“, relativierte Nurinai, „Wenn man jung ist, erscheinen einem Menschen manchmal größer als sie sind, weil man selbst so klein und unbedeutend ist.“
 
 
 
„Ja“, sie nickte und ihre Stimme wurde plötzlich ganz leise, „Ihr seid ein guter Mensch. Ein sehr Guter. Ihr habt das alles hier... einfach nicht verdient!“
 
 
 
„Es geht nicht darum, was man verdient hat oder was nicht. Es geht darum, dass mein Herr mich aus einem bestimmten Grund hierher geschickt hat. Ich frage nicht aus welchem, er kennt ihn und das genügt mir.“
 
 
 
„Euer Herr, Euer Gnaden, hat uns hier genauso im Stich gelassen, wie alle seine zwölfgöttlichen Geschwister. Sie alle haben uns verlassen und uns dem ausgesetzt, was aus der...“, ihre Stimme brach, „Wir haben so lange nach ihnen gerufen. Wir haben gebetet und gefleht. So lange. So unglaublich lange.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. „Aber wir wurden nicht erhört. Wir blieben allein. Sie haben uns verlassen.“
 
 
 
Nurinai nickte verständnisvoll.
 
 
 
„Wir mussten uns irgendwie... irgendwie selber helfen“, sie zuckte etwas hilflos mit ihren Schultern, „Das versteht Ihr doch...?“
 
 
 
Erneut nickte sie.
 
 
 
„Was hätten wir auch sonst tun sollen? Es war ja niemand da. Es hat doch niemanden gekümmert, solange wir unseren Verpflichtungen gegenüber unseren Herren nachgekommen sind. Und die hohen Herren in Gareth...“ Sie lachte. „Die interessieren sich doch nicht für Leute wie uns, für normale Leute. Da muss man schon adelig sein...“
 
 
 
„Glaub mir, auch das reicht nicht aus. Adelige gibt es so viele wie Vögel am Himmel“, hob nun Nurinai an, „Und das meine Schwester nun Reichsritterin zu Praiosborn ist, das hat nichts damit zu tun, das sie es verdient hat oder das sie hier gebraucht wird oder das ihr hier jemand braucht, der sich diesem Schrecken annimmt, sondern damit, das man etwas zwischen diesen Hohen Herren und der Finsternis hat. Etwas, dass sie einem vom Hals hält. Das sich um die Probleme kümmert und deswegen und nur deswegen hat man diese Lehen an Menschen gegeben, die entbehrlich für die da oben sind. Um es kurz zu machen: Von denen interessiert sich keiner für uns!“
 
 
 
„Dann haben wir ja etwas gemeinsam“, stellte Mirya nüchtern fest. Dann wandte sie erneut an und flehte: „Euer Gnaden, Ihr müsst gehen! Bitte! Geht so lange Ihr es noch könnt!“
 
 
 
„Ich kann nicht. Ihr braucht mich. Ihr alle!“, erwiderte diese nur, „Wer soll sich um euch kümmern, euch beistehen, euch zuhören oder euch die zwölf Götter wieder nahe bringen, wenn nicht ich?“
 
 
 
Sie schüttelte nur den Kopf: „Warum begreift Ihr das denn nicht? Die Götter haben diesen Ort verlassen. Endgültig verlassen. Sie kehren nicht zurück.“
 
 
 
„Sie können nicht zurückkehren“, stimmte die Geweihte da zu, „Denn sie waren nie fort. Sie waren immer da. Doch du blickst nur zurück und sieht nur die eine einzige Fußspur in der Erde hinter dir. Nur eine einzige und da fragst du dich, wo sie da waren, die Götter. Und du fragst zurecht. Doch schau dir deine Fußsohlen an! Schau sie dir ganz genau an! Kein Krümel Erde hängt daran, denn es waren die Götter und die Götter allein, die dich diesen langen und entbehrungsreichen Weg getragen haben.“
 
 
 
Einen Augenblick herrschte schweigen zwischen den beiden Frauen. Dann schüttelte Mirya langsam ihren Kopf: „Ihr versteht nicht. Ihr müsst gehen. Ihr müsst!“ Sie biss sich auf die Lippen, ließ ihren Blick zur Seite schweifen und erklärte: „Es beginnt alles damit, dass man nachts immer wieder erwacht. Man weiß nicht warum. Es gibt keinen Grund. Man erwacht dann immer häufiger. Irgendwann kommen die Träume. Schreckliche Träume. Träume von Tod und Verderben. Von verwesenden Leichen. Man hört sie rufen, schreien, obwohl sie tot sind. Zu Beginn sind es Fremde, doch dann werden es Freunde und irgendwann sind es die Eltern, Geschwister, die eigenen Kinder, diejenigen die man am meisten liebt. Man kann nicht mehr schlafen.“ Sie holte Atem. „Und dann, dann sieht man sie bei Tag. Sieht wie die Maden in ihnen krabbeln, wie sie in ihnen wühlen, wie sie sie auffressen. Bei den Augen, da fangen sie an.“ Sie deutete auf ihre eigenen Augen. „Und langsam, ganz langsam zehrt die Brache den eigenen Verstand auf und man fällt immer mehr und mehr dem Wahnsinn anheim, bis man nur noch einen einzigen Ausweg kennt - den Tod!“
 
  
Nurinai hörte aufmerksam zu.
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[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 13. Rahja 1046 BF
  
„Ihr wärt nicht die Erste, der das widerfährt! Wärt nicht die Erste, die in den Praiosborn geht und dort für immer bleibt.
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„Ah, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]“, entfuhr es mir beinahe etwas atemlos. Ganz unvermittelt blieb ich auf der großen Treppe stehen. „Hier bist du also.“ Mein Bruder stand wenige Schritte über mir, hielt seinen [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Sohn]] in den Armen. Der Knabe, der so sehr meinem Bruder glich, schaute mich aus den großen Augen seines Vaters neugierig an. Umringt waren beide von Mitgliedern seines Hofstaates, darunter seine Pagen und Knappe, einige seiner Hausritter, die Hofkaplanin [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]] und die Vögtin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]].
  
„Ist das...“, hob Nurinai zaghaft an, „... schon einmal passiert? Hier passiert?
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„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er an und zog die Stirn kraus, „Der Leuin zum Gruße.“
  
Darauf gab Mirya keine Antwort, stattdessen sagte sie: „Ihr könnt mir noch so oft sagen, dass Ihr nicht unter diesen Träumen leidet. Ich glaube Euch nicht. Ich sehe es Euch an. Damals habe ich es ihr auch angesehen.
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„Die Leuin auch mit dir, Bruder“, erwiderte ich und erbrachte ihm den Kriegergruß. Daraufhin nahm der Knabe seine kleine Hand, ballte sie zur Faust und führe sie zu seinem Herz. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, aber es war deutlich zu erkennen, dass er sich gerade ebenso an diesem Gruß versucht hatte. Alle begannen zu grinsen – auch ich. Dann schmiegte sich der Knabe ganz dicht an die Brust seines Vaters und schaute noch kecker drein wie zuvor.
  
„Ihr?“, fragte die Geweihte und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass es sehr wohl stimmte, was sie sagte. Zuerst war sie immer wieder nachts erwacht, dann waren die Träume gekommen. „Wovon sprichst du? Von wem sprichst du?
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„Er ist so groß geworden“, merkte ich an, „Er wird eines Tages gewiss ein großer Krieger werden.“
  
„Wisst Ihr was mit der letzten Geweihten hier passiert ist?
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Das Grinsen meines Bruders wurde breiter, wobei er zärtlich seinem Sohn über das blonde Haar strich: „Du warst schon lange nicht mehr hier, Gerlinde.
  
Nurinai wartete auf die Antwort.
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„Du kannst mich jederzeit im Rondra-Tempel in [[Garetien:Stadt Überdiebreite|Überdiebreite]] antreffen“, erwiderte ich daraufhin nickend, „Es ist gar nicht weit von hier und du und die deinen sind mir dort jederzeit willkommen.
  
„Eines nachts hat sie es nicht mehr ertragen und ist in den Praiosborn gegangen. Dort hat sie ihr Leben gelassen.“
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Ernst schaute er mich an: „Ich kann nicht vergessen, was mit den [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteinern]] damals vorgefallen ist. Noch heute träume ich in so mancher Nacht von [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]].“
  
Nun schüttelte die Geweihte ihren Kopf: „Man hätte nach ihr gesucht. Geweihte verschwinden nicht so einfach, schon gar nicht unbemerkt!
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Ich biss mir auf die Lippen. Daran hatte ich gar nicht gedacht. „Die Diener des [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] könnend dir gewiss dabei helfen“, schlug ich vor, „Es gibt doch auch einen [[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel]] ihrer Diener hier?
  
„Hier an der Brache?“, Mirya lachte, „Hier sucht keiner nach einem! Wenn man verschwindet, dann hat sich die Brache denjenigen einverleibt. Und wer ist schon so lebensmüde und geht in die Brache um nach jemanden zu suche, der sehr wahrscheinlich bereits nicht mehr am Leben ist?Fragend sah sie die Geweihte an.
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„[[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]“, seufzte er schwer und nickte bestätigend, „Dieser Tempel untersteht den Erlenfallern und diese haben eindrücklich bewiesen wozu sie fähig sind. Nicht einmal meiner einstigen Knappin [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun]] oder gar Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] ...“ Nun wandte er sich der Hofkaplanin zu. „... genießen mein uneingeschränktes Vertrauen.“ Schwester Lindegard wich dem Blick meines Bruders aus.
 
 
== Eine Krähe ruft ==
 
{{Brief
 
|Adressat=An die Prätorin des Tempels unserer gütigen Etilia in Kammhütten, Greifenpass
 
Werte Líadáin,
 
  
|Text=als Du mir ''Marbhán'' geschenkt hast, da dachte ich, dass ich sie nie brauchen würde. Damals glaubte ich, dass sie nur eine Geste Deines Vertrauens in mich und eine Anerkennung meiner Fähigkeiten sei. Heute frage ich mich manchmal, ob Du nicht etwas geahnt hast.
+
Einen Augenblick war es still. Ich war keine Frau großer Worte. Ich war eine Dienerin der Leuin. Und ich begriff, dass ich beinahe nichts über meinen Bruder und dessen Leben wusste. So fand ich keine Worte. Was hätte ich auch sagen sollen? Die Situation schien kompliziert. Zu kompliziert um sie innerhalb weniger Wimpernschläge zu erfassen.
  
Wie dem auch sei: Ich habe ''Marbhán'' einsetzen müsse. Es war eine schwere Geburt. Die Mutter lag seit Tagen in den Wehen, das Ungeborene jedoch steckte fest. Als ich eintraf, war es bereits nicht mehr am Leben. Es war schrecklich, Líadáin! So schrecklich! Genauso schrecklich wie damals. Doch die heilige Etilia stand mir bei und die göttliche Kraft unseres Herren hat mich die ganze Zeit erfüllt.
+
Indes riskierte der Knabe immer wieder scheue Blicke. Das ein oder andere Mal wandte er sich mir gar mehr zu, schmiegte dann jedoch wieder eilig sein Gesicht an die Brust seines Vaters. Dass meine Bruder einmal Frau, Kinder und ein Baronsreif sein eigen nennen würde ...
  
Das Schrecklichste war jedoch nicht, dass ich das Ungeborene auf diese Art und Weise habe holen müssen, sondern das es kein normal geartetes menschliches Wesen zu sein schien: Seine Gliedmaßen waren miteinander und ineinander verwachsen, dazu noch verkrüppelt, deren Anzahl lag ohnehin über denen gewöhnlicher menschlicher Wesen, Finger- und Fußnägel erinnerten eher an Krallen, die Augen an die einer Raubkatze, die Zähne waren bereits alle vollständig durchgebrochen, standen in zwei Reihen und waren messerscharf, der Rücken war eröffnet, sodass die Lunge zu sehen war, das Herz lag außerhalb der Brust. Allgemein erschien es mir mehr Tier als Mensch zu sein, nicht zuletzt, weil seine Haut mit einem dichten, dunklen Flaum überzogen war. So etwas, habe ich noch nie gesehen.
+
„Du hast dich nicht angekündigt. Warum bist du gekommen, Gerlinde?“
  
Es war auch nicht das einzige Kind, dass missgestaltet war. Ich war noch bei einer weiteren Geburt zugegen. Auch dieses Ungeborene war bei meiner Ankunft bereits tot. Da es aber noch Zeit gehabt hätte, dadurch noch nicht voll entwickelt war und deswegen noch recht klein, konnte es auf normalen Wege geboren werden. Die Unreifezeichen waren deutlich, die der Missbildung jedoch auch.
+
Nun straffte ich mich: „Drego, du musst mich begleiten. Es bleibt uns nicht viel Zeit.
  
An einen Zufall glaube ich nicht, da auch der Praiosborn immer wieder missgebildete Fische hervorbringt, bin ich überzeugt, dass es etwas mit der Brache zu tun hat, mit der sich die Menschen hier auf eine seltsame Art und Weise arrangiert zu haben scheinen. Man hütet hier ein Geheimnis, dass man bisher nicht einmal mir anvertraut hat und was sollte das für eines sein, wenn nicht ein niederhöllisches?
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Er legte seinen Kopf leicht schräg: „Worum geht es?
  
Das Schlimmste jedoch, das Allerschlimmste ist, dass jemand das erste Ungeborene ausgegraben hat, nachdem ich es auf dem Boronanger begraben hatte. Líadáin, hast Du das schon einmal erlebt? Jemand ist des Nachts auf den Boronanger geschlichen, hat dort das eingesegnete Grab geöffnet und alle Einzelteile ausgegraben und mitgenommen. Ailsa hat mit der Inquisition gedroht, falls die Überreste nicht binnen Tagesfrist wieder da sind. Sie sind wieder aufgetaucht. Seitdem überantworte ich die Toten dem Feuer.
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„Vertraust du mir?
  
Die Ereignisse haben mich ratlos gemacht. Die Menschen reden einfach nicht und egal was ich versuche, ich kann ihr Schweigen nicht brechen. All die Geduld und das Verständnis, das ich ihnen versucht habe entgegenzubringen, haben mich bisher nicht weiter gebracht. Ich weiß einfach nicht, wie ich dem Ganzen hier noch begegnen soll. Was würdest Du tun?
+
„Selbstredend!“, entfuhr es ihm ohne Zögern, „Du bist nicht nur eine Dienerin der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]], sondern auch meine Schwester.
  
Ich möchte Dich auch noch um einen weiteren Rat bitten, denn eine Frage quält mich ganz besonders: Wenn ein solches Kind jemals lebend zur Welt kommen sollte, was soll ich tun?
+
„Wir müssen nach [[Garetien:Gut Jachtern|Hause]]“, eröffnete ich ihm und nickte energisch, „Sofort. Wir haben nicht viel Zeit.“
  
|Absender=Hochachtungsvoll
+
„Nach ...?“, echote er tonlos und seine Augen verengten sich, „... Hause?“
[[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]]
 
}}
 
  
== Eine Krähe antwortet ==
+
Äußerst langsam, aber überdeutlich nickte ich.
{{Brief
 
|Adressat=An die Dienerin des Raben Nurinai ni Rían in Praiosborn, Kaiserlich Brachenwacht, Garetien
 
Werte [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]],
 
  
|Text=unser Herr hatte einen Grund Dich und Deine Schwestern nach Praiosborn zu führen. Nun scheinst Du auf den Grund gestoßen zu sein und auch auf Deine Aufgabe, denn das es eine geben wird, das hat Bishdariel Dir in Deinen Träumen eröffnet. Und so wie er Dir einen Traum schickte, hat er auch mir einen geschickt und da wusste ich, dass es an der Zeit war Dir das geeignete Werkzeug an die Hand zu geben. Über das Wissen verfügst Du schon lange, dass Du auch kundig in der Anwendung bist, hast Du als meine Schülerin unter Beweis gestellt, nur das Instrument an sich, hat Dir gefehlt. Marbhán wird Dir treue Dienste leisten.
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„Was ...?“, seine Stimme brach.
  
Die von Dir beschriebenen Ereignisse sind höchst besorgniserregend. Auf der einen Seite, weil ich vermute, dass Fälle von missgebildeten oder nicht lebensfähigen Kindern nicht neu sind, gleiches gilt für Fehl-, Früh- und Totgeburten. Auf der anderen Seite, weil es mir höchstes Unbehagen bereitet, dass es dort Personen gibt, die eingesegnete Gräber öffnen und die Begrabenen aus der geweihten Erde entnehmen. Das ist ein Frevel wider unseres Herrn!
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„[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, brachte ich nur heraus.
  
Was Dein weiteres Vorgehen betrifft, so rate ich Dir: Halte Dich an die Frauen! Sie werden der Schlüssel sein. Denn die Frauen sind es, die missgebildete Kinder zur Welt bringen. Sie sind es, die tote Kinder zur Welt bringen. Sie sind es, die Fehlgeburten erleiden. Sie sind es, die besonders unter der Situation zu leiden haben und so werden sie es sein, die zuerst reden werden. Gedulde Dich noch ein wenig, Nurinai, doch sei unnachgiebig. Wenn sie Dir vertrauen, weil Du ihnen in ihren schwersten Stunden beigestanden hast, dann werden sie zuerst Rat bei Dir suchen und sich schlussendlich Dir offenbaren. So lange musst Du die Zeit nutzen: Höre zu, beobachte, damit Du ihnen, wenn sie sich Dir mitteilen, einen echten Ausweg bieten kannst. Hast Du sie überzeugt, werden die Frauen die Männer überzeugen.  
+
„Sie ... sie ... sie hat meine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] beleidigt. Sie hat ...
  
Ich möchte Dir auch noch Deine letzte Frage beantworten: Der Rabe erhält, was des Rabens ist. Vergiss das nicht.
+
„Das ist nicht mehr wichtig, Drego“, ich schüttelte den Kopf und fasst an seine Schulter, „Es ist nicht mehr wichtig.
  
|Absender=Hochachtungsvoll
+
Mein Bruder wurde blass. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
Líadáin ni Rían
 
Hüterin des Rabens im Tempel unserer gütigen Etilia
 
}}
 
 
-->
 
-->
 
+
== Vater ==
= [[Die Würfel sind gefallen — Briefspielreihe|Die Würfel sind gefallen]] =
 
== (...) ==
 
(...)
 
 
 
= [[Der Götter Werk und Yolandes Beitrag — Briefspielreihe|Der Götter Werk und Yolandes Beitrag]] =
 
== Lehrstunden (Dritter Teil) ==
 
[[Garetien:Schloss Dryadenstein|Schloss Dryadenstein]], 17. Ingerimm 1042
 
 
 
(...)
 
 
 
 
<!--
 
<!--
== Auftrag ==
+
Zsfg: Gerlinde und Drego kommen auf Gut Jachtern an und treffen auf ihren Vater.
[[Garetien:Esmeria_Darando_della_Tenna|Esmeria Darando della Tenna]]
 
== Befleckt ==
 
-->
 
  
= [[Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen — Briefspielreihe|Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen]] =
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], 13. Rahja 1046 BF
== Antrag ==
 
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Ende Phex 1043
 
  
(...)
+
Über [[Garetien:Dorf Wegscheide|Wegscheid]] und [[Garetien:Gut Roßsprunk|Roßsprunk]] ritten wir nach Gut Jachtern. Ich schwieg. Drego schwieg. Seine Bedeckung, ein [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Knappe]] kurz vor seinem Ritterschlag und eine [[Leudane von Leuenberg|kaisermärker Ritterin]], schwieg. Wenig nach unserem Aufbruch setzte Regen ein. Zuerst waren die Tropfen ganz fein, gleich dem feinen Nebel der am Morgen gerne entlang der Raller lag. Eine willkommene Abkühlung in der Hitze des Rahjamondes. Dann jedoch wurde der Horizont zunehmend finsterer, der Regen wurde heftiger, die Tropfen dicker.
  
= [[Rotes Haar — Briefspielreihe|Rotes Haar]] =
+
Vollkommen durchnässt kamen wir mitten in der Nacht auf Gut Jachtern an. Die Praiosscheibe war seit Stunden untergegangen. Die Sterne hatten uns den Weg gewiesen und der Regen war unser ständiger Begleiter gewesen. Eilig brachten wir die Pferde in den Stall. Während Knappe und Ritterin sich mit dem Stallknecht um die Tiere kümmerte, ging ich mit Drego in das nahezu finstere Guthaus hinein und wurden von Dunkelheit empfangen. Es war ungewöhnlich still. Totenstill. Nur das Tropfen des Wasser von unseren gänzlich durchweichten Umhängen durchbrach die Stille. Hinter uns fiel die Tür ins Schloss. Drego erschrak hörbar.
== Schäferstündchen ==
 
[[Garetien:Dorf Donnerhof|Donnerhof]], Hesinde 1042
 
<!--Zwischen Lonán Walsh und Mirya Rosna entwickelt sich eine innige Liebschaft.-->
 
  
[[Garetien:Lonan Walsh|Lonán Walsh]] lag ausgestreckt im Heu. Sanftes Licht einer Laterne beschien ihn. Die Augen fest geschlossen lauschte er dem leisen Mähen der Schafe unter ihm. Immer wieder mischten sich auch Laute der beiden Herdenschutzhunde dazwischen. Ein Lächeln zierte seine Wangen. In seinem linken Mundwinkel ein einzelner Halm. Er wartete...
+
Da trat jemand mit einer Kerze zu uns in den Flur. „[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]] und ... und [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]?“
  
Ein leises Knarzen verriet, dass der Torflügel unten geöffnet und wieder geschlossen wurden. Der diesige Schein einer Laterne erhellte den unteren Teil des Stalles, schaffte es aber nicht bis zu Lonán auf den Heuboden hinauf. Die beiden Hunde begrüßten den Besucher mit freudiger Erregung. Sie jaulten und fiepten. Und die feine Stimme einer Frau versuchte sie zu beruhigen: „Blasius. Baduar. Ich bin‘s doch nur. [[Garetien:Mirya Rosna|Mirya]]!Da freuten sich die beiden Hunde nur noch mehr und ließen sich sehr ausgiebig von der Hofherrin streicheln.
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[[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]]?, entfuhr es meinem Bruder leise. Unschlüssig machte er einige Schritte nach vorne.
  
Nach einer gefühlten Ewigkeit kündete das Knarren der Leiter endlich vom Aufstieg Miryas auf den Heuboden. Lonán blieb liegen und wartete.
+
„Ja, Drego“, bestätigte sein Gegenüber, „Ich bin es. Dein Vater.“ Sein Gesicht lag noch immer im Dunkeln. Die Kerze spendete nur spärliches, düsteres Licht. Er machte einige Schritte auf seinen Sohn zu und schloss ihn in die Arme, ließ aber sogleich wieder los. „Ganz nass. Du bist ja ganz nass. Schreckliche Efferdnacht dort draußen.
  
„Schläfst du schon?, flüsterte sie leise und stellte ihre Laterne zu der des albernisches Waffenknechts.
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Drego schluckte schwer als er unserem Vater gegenüberstand: „Es muss ernst um [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] stehen.
  
Er spukte den Halm ins Heu, öffnete die Augen, setzte sich auf und zog Mirya an sich heran. Diese ließ sich mit Lonán zusammen ins Heu fallen.
+
„Ja“, erwiderte er, „So ist es. Es geht zu Ende, Drego. Golgari ist bereits auf dem Weg.
  
„Wie sollte ich denn?“, raunte er ihr leise unter ihr zu, drückte seine Nase an ihren Hals und sog ihren Duft ein, „Ohne dich?
+
Nun war es Vater, der schwer schluckte. Schemenhaft konnte man erkennen, wie er nickte. „Und Gerlinde“, fuhr er fort und nahm auch mich kurz in die Arme, ließ aber noch schneller von mir ab als von meinem Bruder, „Auch ganz nass. Allesamt seid ihr ganz nass. Alle beide. Eine wirklich grässliche Efferdnacht dort draußen.
  
Da breitete sich ein Lächeln um ihre Wangen aus.
+
„Ist [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Mori]] ... ?“, wollte ich wissen.
  
„Ganz ohne dich“, fuhr er fort, „Geht das doch gar nicht...“
+
„... am Bett eurer Mutter“, vollendete er meinen Satz, „Er wacht dort zusammen mit [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]].“ Erneut nickte er. „Ihr solltet eure nassen Kleider ablegen, etwas Trockenes anziehen und sie dann ablösen. Sie wachen dort schon recht lange.“
  
„Natürlich nicht“, bestätigte sie leise lachend, „Natürlich...“
+
„Sie hat mich fortgeschickt“, hob nun Drego an, „Das letzte Mal hat sie mich fortgeschickt. Ich sollte, nein, durfte ihr nicht unter die Augen treten.“
  
Er zog sie ganz dicht an sich und begann ihren Hals mit zarten Küssen zu bedecken. Mirya schloss ihre Augen und gab sich ihm und dem wunderbarem Gefühl hin. Währenddessen löste Lonán den Knopf, der den Rock an Miryas schmalen Körper hielt, schob ihn ein Stück hinab und ließ seine Hände zu ihrem Po hinab gleiten.
+
Erneut nickte Vater: „Das Rauschen Golgaris in den Ohren deiner Mutter hat sie sanftmütiger gemacht, nicht milde, aber sanftmütiger, ein Lämmchen ist aber dennoch nicht aus ihr geworden. Selbst mit mir hat sie einige vernünftige Worte gewechselt, ehe sie mich angekeift und fortgeschickt hat, ich bin aber sicher, dass sie noch einmal nach mir rufen wird. Ganz gewiss sogar.
  
„Ich habe dich vermisst. Und den...“, er streichelte über ihren Po, „... den selbstredend auch.
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„Hm“, machte mein Bruder da noch immer zweifelnd.
  
„Ich hab dich auch vermisst“, erwiderte sie da, „Besonders deinen Geruch. Du riechst so gut!
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„Sie ist und bleibt deine Mutter“, fuhr unser Vater nun fort, „Und sie liebt dich, so viel kann ich dir sagen.“
  
„Na“, säuselte der Waffenknecht da, „Wenn du wüsstest, wie verboten gut du riechst!
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Da lachte Drego: „Ich war ihr doch nie gut genug! Ganz gleich was ich getan, wie sehr ich mich bemüht habe. Nun bin ich sogar Baron, habe [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] und [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Ki]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|nd]][[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|er]], doch gut genug bin ich ihr noch immer nicht.
  
Da küssten die beiden sich wild und stürmisch. Umfassten, ja umschlangen sich regelrecht, drückten ihre Körper fest aneinander und labten sich an der Präsenz und Nähe des anderen. Lonán rollte sich zur Seite, zog Mirya mit sich und drehte sie so nach unten, dann kniete er sich vor sie und zog sich seine Tuniken über den Kopf. Die Hausherrin setzte sich auf und betrachtete den nackten Oberkörper des Waffenknechts. Er war ein durchtrainierter Mann. Gut gebaut, muskulös und äußerst schön anzusehen. Mit zitternden Fingern strich sie über die Brust und das Brusthaar.
+
Er seufzte: „Ach, Drego, du kennst deine Mutter. Du kennst sie lange genug. Sie ist eine harte Frau. Hart zu sich, aber auch zu anderen. Keiner kann es ihr recht machen. Nicht einmal sie selbst kann es sich recht machen. Sie hat dir das Leben geschenkt, da kannst du ja wohl auch bei ihrem Tod dabei sein.
  
„Rot“, stellte sie etwas verblüfft fest, „Auch... rot.“ Sie blickte zu Lonán auf.
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Da nickte er: „Dennoch hat sie meine Frau beleidigt. Sie angefeindet. Sie beschimpft.“
  
Der Waffenknecht musste über ihre Worte schmunzeln: „Das hast du wohl noch nie gesehen, was?
+
„Ich weiß“, wusste auch unser Vater, „Ich habe keine rechte Erklärung dafür. Wobei ...“ Er hielt einen Moment inne. „Vielleicht verachtete sie sie so, weil dir und ihr etwas vergönnt war, was uns nie vergönnt war.“ Drego horchte auf. „Aus liebe den Bund vor der Herrin [[Travia-Kirche|Travia]] zu schließen. Unser Bund war bestimmt. Nicht durch uns.
  
Mirya bestätigte lächelnd: „Noch nie. Noch gar nie! Rotes Haar...“
+
„Neid?“, raunte Drego leise, „Aber warum seid Ihr nicht so? Ihr teilt doch dasselbe Schicksal.“
  
„Na, dann, wart‘s mal ab“, versprach er verschmitzt und zog sich vollständig vor ihr aus.
+
Da zuckte er nur mit den Schultern: „Vielleicht weil ich vor Götterläufen entschieden habe, der Enge dieses Heimes und dieses Seins zu entfliehen.“ Er warf einen Blick auf mich. Ich straffte mich. Flucht, dass war nichts für eine Geweihte der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]]. „Außerdem seid ihr meine Kinder, mein Fleisch und Blut und ich wünsche mir, dass euch nur Gutes widerfahre und liebe euch alle gleichermaßen aus der tiefe meines Herzens heraus.
  
„Oh!“, macht Mirya da als er vollkommen nackt vor ihr stand.
+
„Mutter hat immer nur Gerlinde bedingungslos geliebt“, mein Bruder blickte mit gesenktem Haupt zu mir, „Du warst ihr immer das Wichtigste. Die einzige, die alles im Leben richtig gemacht hat.“
  
„Na, was sagst du jetzt?“, wollte er mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen wissen, „Das hast du wohl auch noch nie gesehen?
+
„Was hätte sie auch zu einer Geweihten der Herrin Rondra anderes sagen sollen?“, stellte sich unser Vater schützend vor mich, „Lass es gut sein, Drego. Das Ende ist nah. Ihr Zorn wird dich danach nie wieder treffen können. Versuche deinen Frieden mit ihr zu machen. Noch ist Zeit. Noch.
 +
-->
 +
== Mutter ==
 +
<!--Zsfgh: Die alte Junkerin zu Altjachtern stirbt und ihre Kinder sind an ihrer Seite.
  
„Du hast ja überall rotes Haar“, lachte sie amüsiert, „Wirklich überall...“
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
== Kuckuckskind? ==
+
[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, dürr klang Mutters Stimme als ich an ihr Bett herantrat und mich auf die Bettkante setzte. Fahl war ihr Gesicht. Kraftlos ihre Augen. Seit meinem Aufbruch schien sie noch weiter gealtert zu sein.
RAH 1042, Unweit von [[Garetien:Burg Praiosborn|Burg Praiosborn]]
 
<!--Lonán konfrontiert Mirya mit ihrer Schwangerschaft und seiner möglichen Vaterschaft.-->
 
  
„Du erwartest ein Kind?“, schoss es aus Lonán heraus.
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„[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, erwiderte ich ihr und nahm ihre Hand zwischen meine. Ein müdes Lächeln legte sich über ihre Wangen. Für einen winzigen Moment kehrte ein Leuchten in ihre Augen zurück, dann verschwand es jedoch sofort wieder.
  
Mirya wandte sich um. See hielt einen leeren Korb in ihren Händen. Hatte der Reichsritterin gerade eben Käse und Butter gebracht. Unweigerlich glitt ihre freie linke Hand zu ihrem kleinen Bäuchlein. Sie erwiderte mit einem lieblichen Lächeln auf den Lippen: „[[Garetien:Nurinai ni Rian|Ihro Gnaden]] meint, es sieht sehr gut aus.“
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„Ich habe dir jemanden mitgebracht, Mutter“, hob ich an und schaute mich kurz zu meinem Bruder um, der einen Schritt hinter mir gewartet hatte, „[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] ist hier.“
  
„So“, erwiderte der albernische Waffenknecht etwas ungehalten, „Und was meint Ihro Gnaden zur Vaterschaft?
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Da trat mein Bruder zu uns an das Bett heran und grüßte mit einem Nicken: „Mutter.
  
Mit gespielten Unverständnis schaute die Herrin über den Donnerhof ihn an.
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Die Sterbende schaute ihn lange an. Sehr lange. Schwer atmete sie. „Du warst ... schon lange ... nicht mehr hier. Drego.“
  
„Im Winter? Erinnerst du dich nicht mehr? Wir haben uns auf dem Heuboden getroffen?“, versuchte der Albernier ihr nachzuhelfen, „Mehrfach.
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Er nickte, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an das Bett. Hilfesuchend blickte er mich an. Doch da lag ja auch meine Mutter im Sterben und so zuckte ich nur mit den Schultern. Ich konnte ihm nicht helfen. Seinen Frieden musste er mit ihr schon alleine machen.
  
Nun nickte Mirya ernst und erklärte: „Natürlich erinnere ich mich. Es war eine schöne Zeit. Eine sehr schöne sogar.“
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„Ja“, erwiderte er lediglich.
  
„Ach“, Lonán wirkte sichtlich verstimmt, „Und jetzt wirst du mir vermutlich einreden, dass ich als Vater für das da...“ Er zeigte auf ihr kleines Bäuchlein. ... NICHT in Betracht käme?
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„Du hättest ... vorbeikommen ... sollen.“
  
Das versuchte sie gar nicht erst, sondern erklärte: „Es war eine wirklich schöne Zeit. Mit dir. Mit uns beiden. Es war unglaublich schön und vor allem sehr intensiv.“
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„Ich habe es versucht“, wieder suchte sein Blick meinen, „Ihr wolltet mich nicht sehen.“
  
Nun schüttelte er zornig seinen Kopf.
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„Als es begann ... das Rauschen der ... Schwingen, da ... da dachte ich ... es sei die ... [[Garetien:Ailsa ni Rian|Krähe]]“, sie lachte kehlig und ein schlimmer Husten begann sie augenblicklich zu schütteln. Ich nahm ihre Hand fester in meine. Sie beruhigte sich. „Doch dann ...“ Zaghaft nickte sie. „... begriff ich.“
  
Sie nickte beschwichtigend: „Ich weiß, Lonán, ich weiß. Ich habe mit dir zusammen von einem anderen Leben geträumt. Von einem gemeinsamen. Aber...“ Nun schluckte sie schwer. „... ein jeder von uns muss der Wahrheit ins Auge blicken: Unser Leben ist so wie es ist und es wird auch nicht anders werden. Wir haben uns eine kurze Zeit – eine sehr schöne Zeit – in eine Gedankenwelt geflüchtet, doch die Wirklichkeit wird nie so sein. Nie. Dem müssen wir ins Auge blicken.“
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Drego atmete hörbar ein und aus: „Ich bin ein weiteres Mal Vater geworden. Ein kleines, wunderschönes Mädchen hat uns die Herrin Tsa da zum Geschenk gemacht. Bereits im Phex 1045. Sie trägt den Namen [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]].“
  
Lonán schüttelte verständnislos seinen Kopf.
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„Ederlinde also“, wiederholte sie, „Was ihr nur alle ... an diesem Namen ... an diesem Namen habt.“
  
„Du bist Waffenknecht bei der [[Garetien:Ailsa ni Rian|Reichsritterin]] und wirst es immer bleiben und ich bin Herrin über den [[Garetien:Dorf Donnerhof|Donnerhof]] und werde es immer bleiben. Es war eine göttliche Fügung, dass wir uns begegnet sind, dass wir uns kennenlernen durften und uns so nah sein konnten, aber die Zwölfe haben uns an unterschiedliche Stellen gesetzt...
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„Sie ist [[Garetien:Ederlinde von Luring|Graf Dregos Schwester]]“, erwiderte er ihr, „Und ich verehre ihn. Noch immer.“ Bitterkeit schwang bei seinen letzten Worten mit. Ich horchte auf. Schon immer hatte Drego [[Garetien:Drego von Luring|diesen Mann]] verehrte, zu ihm aufgeschaut, doch inzwischen schien da noch etwas anderes zu sein.
  
„Die Zwölfe?“, er lachte lakonisch, „Seit wann berufst du dich auf die Zwölfe? Ich dachte an der Brache gelten andere Gesetze?
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„Dass diese ... diese diebische Elster ...“, hob sie an und Dregos Miene verfinstere sich, „... das schafft, was ... dieses [[Garetien:Boriane von Altjachtern|dumme Weib]] ...“ Damit meinte sie Boriane, die sie ebenso wenig leiden konnte wie die Gattin Dregos. „... erst nach [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|mehr]][[Garetien:Jermorane von Altjachtern|facher]] ... Schande ... geschafft hat.“ Fassungslos schüttelte sie fast unmerklich ihren Kopf. „Bei den ... Zwölfen!
  
Sie nickte beschwichtigend: „Ich verstehe, dass du wütend bist. Ich verstehe es sehr gut. Glaub mir, nichts sehnlicher wünsche ich mir, als das es anders wäre. Aber alles Wünschen ändert nichts daran, dass es ist wie es ist und es einfach nicht in unserer Macht steht, es zu ändern...“
+
„Ihr solltet nicht so über Boriane sprechen“, wies ich sie sanftmütig zurecht, nicht nur, dass sie meine Mutter war, sondern sie lag auch im Sterben, „Die Götter haben uns dieses Schicksal auferlegt. Es war nicht Borianes Entscheidung und erst recht keine Absicht.“
  
Wieder schüttelte er den Kopf.
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„Und da bist ... bist du dir ... sicher?“ Schwer sog die Sterbende die Luft ein. „Und Drego ...“ Erneut wandte sie sich an meinen Bruder. „Wo ... wo sind denn ... meine [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|En]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|kel]]? Warum sind sie ... nicht hier?“
  
„Ich habe einen Mann und eine Tochter“, hob sie an sich zu erklären.
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„Die Kinder kennen dich doch überhaupt nicht, Mutter“, half ich nun doch meinem Bruder, „Und sind noch viel zu klein, um zu begreifen, was hier vor sich geht. Sie sind auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]. Dort, wo sie hingehören.
  
„Deine [[Garetien:Nella Rosna|Tochter]] ist alt genug für die Wahrheit und dein [[Garetien:Lares Rosna|Mann]] ein Widerling! Was hält dich also noch bei ihm?
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„Hm“, machte sie da, ihre Augen fielen ihr langsam zu und ihr Kopf rollte zur von uns abgewandten Seite, „Hm.
  
Weil sie ihm nicht widersprechen wollte, nickte sie: „Das ist er. Trotz allem ist er mein Gatte. Vater meines [[Garetien:Leomar Rosna|Kindes]].“
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Der Blick Dregos suchte meinen. Ich hielt noch immer die Hand unserer Mutter.
  
„Welches Kindes?“, wollte Lonán da wissen, „Von Nella oder...“ Wieder zeigte er auf ihr kleines Bäuchlein. „...  von dem da?“
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„Ich kann nicht vergessen, was sie über ''Orknäschen'' gesagt hat“, wisperte er ernst, „Nicht einmal zu unserem Traviabund ist sie gekommen. Unsere Kinder hat sie nie besucht, dabei war ihr Weg genauso weit wie meiner. Sagt man nicht, dass der nahende Tod einem die eigenen Fehler vor Augen führt und man bereut?“
  
„Von beiden“, behauptete Mirya nickend.
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„So heißt es“, bestätigte ich, „Doch kein einziges Wort der Reue oder gar eine Entschuldigung wird je über ihre Lippen kommen. Falls du deswegen gekommen bist, Drego, dann bist du vergebens gekommen. Sie wird nicht um Verzeihung bitten. Bei keinem von uns. Bei den Unsterblichen ...“ Ich ließ meinen Blick schweifen. „... wird sie es jedoch gewiss tun. Sie ist eine göttergefällige Frau.
  
Lonán schüttelte trotzig seinen Kopf.
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Scharf sog er die Luft ein.
  
„Kannst du dich wenigstens ein ganz kleines bisschen für mich freuen?“, wollte sie zaghaft wissen, „Ich habe so lange auf diesen Augenblick gewartet...“
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„Verzeih ihr“, bat ich ihn für sie, „Sie ist einfach nur ein Mensch. Ein fehlbarer Mensch. Eine Mutter, die im Sterben liegt und sich nicht mehr wünscht als, dass ihre Kinder an ihrer Seite sind, um sie bei ihrem letzten Atemzug zu begleiten.“ Ich nahm seine Hand und legte sie auf die unserer Mutter. Widerwillen stand in seinen Augen, in seiner gesamten Gestik und Mimik, doch er ließ es geschehen.
  
Da machte Lonán auf dem Absatz kehrt.
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So verging die Nacht. Mal hielt er die Hand unserer Mutter, mal ich. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] und Boriane und auch unser [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] schauten immer wieder vorbei. Es war still. Erstaunlich still. Niemanden war so recht nach reden. Abwechselnd dösten mein Bruder und ich. An richtigen Schlaf war nicht zu denken.
  
== Leomar ==
+
Mutter erwacht nicht mehr. Zumindest nicht mehr richtig. Gelegentlich redete sie unverständliches, wirres Zeug. Mitten in der Nacht, draußen war es stockfinster, nur eine kleine Kerze spendete Licht, schreckte ich hoch. Ein scharfes Geräusch hatte mich geweckt. Ich blickte zu den beiden hinüber. Sah, wie meine Mutter Drego am Kragen gepackt hatte. Mit aller Kraft hielt sie ihn fest. Ihre Knöchel traten noch weißer hervor. Mit gestürzten Lippen blickte sie ihn streng an. Drego war wie erstarrt.
[[Garetien:Dorf Donnerhof|Donnerhof]], 12. Travia 1043
 
<!--Ein Knabe wird geboren und erhält einen großen Namen.-->
 
  
„Ein kräftiger Knabe...“, redete die Hebamme gegen das Schreien des Kindes an und legte der frisch gebackenen Mutter ihr Kind auf die Brust, welches sich sofort beruhigte, „... und gesund. Kerngesund.“
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Und mit unheimlicher, nahezu körperloser Stimme sprach sie: „''Kein Kind aus deinem Blut wird je den Baronsreif tragen, ohne dass sein junges Leben nicht sinnlos verlischt.''
  
In diesem Augenblick fiel von [[Garetien:Mirya Rosna|Mirya]] jegliche Anspannung, jegliche Angst und jegliche Furcht ab. Sie umfasste das in ein Stück Leinen gewickelte Neugeborene, spürte das Leben in ihm, und ließ sich erschöpft, aber mit einem zufriedenen Lächeln auf den Lippen in die Kissen fallen.
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Sie ließ ihn los. Sackte auf das Bett zurück. Und starb. Ein kalter Schauder jagte meinen Rücken hinab. Dregos und mein Blick trafen sich.
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„Und erst dieser Haarschopf! Den kann er wohl nur von seinem [[Garetien:Lares Rosna|Vat]][[Garetien:Lonan Walsh|er]] haben“, lachte die Hebamme und verwies auf Miryas blondes Haar. Das lenkte zum ersten Mal Miryas Blick auf die Haarpracht ihres Sohnes. Einen Moment ging ein Zucken durch ihr Gesicht, dann schluckte sie und nickte als wollte sie die Worte ihrer Gegenüber bestätigen.
+
== Bruder==
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<!--Zsfg: Drego und sein älterer Bruder sprechen sich aus.
  
„Darf ich...“, hob da eine feine Kinderstimme an, „... darf ich... ihn mal sehen?“
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[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
Die Hebamme blickte auf das kleine Mädchen neben ihr. [[Garetien:Nella Rosna|Nella]] war die ganze Zeit an der Seite ihrer Mutter gewesen, hatte sogar deren Hand gehalten, obgleich die Hebamme sie mehrfach versucht hatte vor die Tür zu schicken, das Mädchen hatte sich immer geweigert und war geblieben.
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Der Tod unserer [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] setzte uns allen zu. Wir lagen uns weinend in den Armen und hielten uns aneinander fest. Auch [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] war da. Selbst er weinte. Und so fühlten sich selbst meine Tränen nicht falsch an, dabei konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint hatte.
  
„Natürlich“, sagte sie da, „Geh dir deinen kleinen Bruder anschauen.
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Nachdem wir alle am Bett versammelt waren, bat ich den [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] um Geleit für unsere Mutter. So wie sie es sich gewünscht hatte. Danach bracht [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] Haselnussbrand. Warm und weich rann er meine Kehle hinab und vertrieb das Gefühl der Enge in meiner Brust – vorerst zumindest. Vater öffnete die Fenster. Kühle, feuchte Luft der Efferdnacht drang zu uns hinein.
  
Das tat Nella dann auch. Setzte sich auf das Bett zu ihrer Mutter und betrachtet ihren Bruder aufmerksam. „Wie klein er ist“, sagte Nella ganz verzückt, „Und ganz schrumpelig.“
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„Die Mädchen“, hob die neue Hausherrin an, „werden bittere Tränen um ihre Großmutter weinen.“
  
Da lachte die Hebamme.
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[[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] nickte bestätigend. Er war ganz blass.
  
„Soll..., hob das Mädchen an und wandte ihren Blick vom Haar ihres Bruder zu der Hebamme, „Soll ich ihm ein Mützchen holen? Ihm wird doch bestimmt ganz schnell kalt? Nicht dass er krank wird.
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„Sie haben sie so sehr geliebt“, fügte Boriane noch hinzu und rieb sich schniefend über die Augen. Selbst sie, für die Mutter nie auch nur ein einziges freundliches Wort übrig gehabt hatte, war von Trauer und Schmerz erfüllt. Liebevoll legte sie ihren Arm um Moribert und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. So vertraut mit meinem Bruder hatte ich sie noch nie gesehen. „Vielleicht sollten wir eine Kleinigkeit essen“, schlug die Scheupelburgerin vor, „Es war eine lange Nacht und bis zum Morgengrauen wird auch noch die ein oder andere Stunde vergehen.“ Erneut hauchte sie meinem Bruder einen Kuss auf die Wange, strich ihm nachdenklich über sein Kinn und verschwand. Die Tür ließ sie offen. Wenig darauf konnte man Geklapper und leises Summen aus der Küche hören. Sie hätte auch die Magd wecken können ...
  
„Eine gute Idee“, schloss diese da nickend und noch während dieser Worte sprang das Mädchen vom Bett und eilte davon.
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„Weißt du eigentlich“, hob da Moribert an und schaute zu dem noch immer sehr blassen Drego hinüber, „wie sehr ich dich beneide, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]? Du hast es weiter gebracht als jeder einzelne von uns.
  
„Eine kluges Mädchen hast du da“, sagte sie zu Mirya gewandt.
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Drego blickte nur zwischen mir und Moribert umher, dann zuckte er mit den Schultern und entgegnete: „Eine Fügung des [[Phex-Kirche|Herrn Phex]], denn mehr als mein Name war es nicht, der den [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]] dazu veranlasst hat, mich mit [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] zu belehnen. Vielleicht dachte auch so mancher bei Hofe, mit mir sei ein leichtes Spiel zu treiben. Gegen die [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteiner]] stand ich alleine.“ Sein Blick schweifte zu mir. „Bis zum heutigen Tag haben sie es nicht mehr gewagt, anzugreifen.“ Er wusste genauso gut wie ich, dass die Angelegenheit nicht so einfach war, aber ich widersprach ihm nicht. „Diese Prüfung der Götter, denn etwas anderes war es nicht, habe ich bestanden.“ Langsam, aber überdeutlich nickte er. „Ich habe mich bewährt und deutlich gemacht, dass man mich ernst nehmen muss – auch wenn das noch nicht jeder wahrhaben will.
  
Die Hausherrin nickte: „Dass sagt [[Garetien:Nurinai ni Rian|Ihro Gnaden]] auch immer...“
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Moribert nickte.
  
Nun nickte die Hebamme.
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„Glaube mir, an vielen Tagen wünsche ich mir, ich hätte mich nie in diese Fehde gestürzt. Die Waldsteiner haben mich angegriffen und auch wenn sie sich bis jetzt ruhig verhalten, so konnte bisher einfach keine endgültige Einigung erzielt werden – auch bis zum heutigen Tag nicht. Sie verhalten sich ruhig, aber wie lange noch?“ Fragend schaute er uns an. „Nach den Waldsteinern waren da die [[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]. Sie trachtete nach meinem Baronsreif und dabei war es ihnen vollkommen gleichgültig, ob sie ihn mit oder ohne meinen Kopf in Händen hielten. Mein [[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]] hätte diesen Irrsinn fast mit ihrem Leben bezahlt. Und meine [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|jüngste Tochter]] ...“ Seine Stimme brach. Betreten schaute er drein. Ich sah ihm deutlich an, dass er kurz davor gestanden hatte, etwa zu offenbaren, worüber er besser geschwiegen hätte. „Oft denke ich darüber nach, wie alles gekommen wären, wenn ich mit ihr einfach in ihre Heimat gegangen wäre ...
  
„Hab Dank, dass Du gekommen bist. Ich weiß wohl, dass niemand so recht auf den Donnerhof kommen mag...“
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„Aber du bist dein eigener Herr“, erwiderte ihm Moribert, „Ich habe, solange ich denken kann, unter dem Zorn und der Wut unserer Mutter gelitten. Von Boriane und unseren [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Kindern]] ganz zu schweigen. Du konntest dich mit deiner Gattin in Schwarztannen verstecken, aber für uns hat es nie ein Entkommen gegeben.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Unsere [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|Erstgeborene]] hat Mutter ausbrennen lassen, weil sie Magie für Madas Fluch hielt. Alle habt ihr nur zugesehen, aber keiner hat unsere Mädchen beigestanden. Unsere [[Garetien:Jermorane von Altjachtern|Zweitgeborene]] wurde an den Namenlosen Tagen geboren und Mutter hat verfügt, sie in die Obhut ihres [[Garetien:Firunian von Altjachtern|Oheim]] im [[Garetien:Ritterherrschaft Gnadenthal|Hüter des Gnadenthals]] zu geben. Wieder habt ihr alle nur zugesehen, aber keiner hat etwas unternommen. Wenig vor ihrem Tod hat sie Jemorane dorthin bringen lassen, obwohl sie noch viel zu jung war, als habe sie geahnt, dass wir das nie ohne sie getan hätten. Unsere [[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Drittgeborene]] soll an den Grafenhof ...“
  
„Es war Ihro Gnaden, die mich bat, in ihrer Abwesenheit nach dir zu sehen. Ihretwegen bin ich gekommen um dir bei der Geburt deines Kindes beizustehen“, womit sie keinerlei Zweifel an der Motivation ihres Kommens ließ.
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„Tu das nicht!“, entfuhr es Drego entschieden. Energisch schüttelte er den Kopf. „Das ist kein guter Ort. Glaub mir. Bei all dem, was dir von Mutter angetan wurde, das ist kein guter Ort für deine Tochter. Wirklich nicht.
  
„Dann danke ich dir umso mehr!“, schloss Mirya, „Ich war sehr froh, dich an meiner Seite gehabt zu haben. Was schulde ich dir für deine Dienste?
+
„Was willst du damit sagen?“, wollte ich da nun wissen, „Du bringst schwere Anschuldigungen vor! Ich hoffe, du hast dir deine Worte wohlüberlegt!
  
„Nichts“, erwiderte die Hebamme, „Mir ist es Lohn genug, dass du und dein Sohn wohlauf seid.“ Das mochte Mirya nicht so recht glauben, auch wenn sie nun nickte. Vermutlich hatte sich Ihro Gnaden auch darum schon gekümmert.
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„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er da an, „Mir ist klar, was ich da sage und ich habe gute Gründe, warum ich es sage. Doch kann ich nichts Genaueres sagen. Ihr müsst mir vertrauen. Bei allem, was passiert ist, ist mir doch eines klar geworden: Meine Familie ist das Wichtigste für mich. Ich würde sie in Gefahr bringen. Ich würde euch in Gefahr bringen. Jeder, der mehr weiß, ist in Gefahr. Und außerdem ...“ Er musterte mich eindringlich. „... dürftest du darüber nicht einfach hinwegsehen, Gerlinde.
  
„Dann auch dafür meinen herzlichen Dank und solltest du...“
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„Dann muss ich es erst recht erfahren“, energisch nickte ich, „Also sprich, Bruder, sprich.“
  
In diesem Moment kam Nella herein. Stolz hielt sie ein Mützchen in der Hand. „Das habe ich schon getragen, als ich so klein war“, erzählte sie der Hebamme eifrig nickend, „Nicht wahr, Mutter?
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Doch Drego schüttelte seinen Kopf: „Nein, nein und noch einmal nein. Und ganz gleich wie sehr du mir zusetzt, ich werde nicht reden. Mehr als einen Verdacht habe ich nicht, Gerlinde. Einen begründeten Verdacht, aber ...“ Er hielt inne. Ich straffte mich und schenkte ihm einen scharfen Blick. „... das reicht nicht. Mir ist das klar. Außerdem ist das nicht deine Angelegenheit. Das ist eine Angelegenheit des Reichsforstes und nicht einer der Waldsteiner.
  
Mirya nickte. Nella setzte sich wieder zu ihr aufs Bett und zog ihrem kleinen Bruder ganz vorsichtig das Mützchen über sein kleines Köpfchen. „Und jetzt trägt es mein kleines Brüderchen. Das finde ich schön“, endete sie freudestrahlend.
+
„Ich diene der Himmlichen Leuin und ...
  
Nun fuhr die Hausherrin fort: „Solltet du noch etwas Proviant brauchen, wird dir meine Tochter gerne etwas zusammenstellen.“
+
„Ja, Gerlinde“, erwiderte er mir da, „Mutter wurde nie müde das zu betonen. Niemals.“
 +
-->
  
Da nickte das Mädchen eifrig: „Ja, das mache ich.
+
== Nichte ==
 +
<!--Zsfg: Alrike Herdane wird Pagin bei ihrem Oheim, Baron Drego.
  
Die Hebamme jedoch wiegelte ab: „Nein, nein, das wird nicht nötig sein. Ich habe es wirklich nicht weit.“
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
Mirya nickte verständnisvoll.
+
[[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Alrike Herdane]] und ihre kleine Schwester [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Ederlinde]] weinten unablässig. Träne um Träne kullerte von den Wangen der beiden Mädchen hinab, als wir [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] auf dem Boronanger beisetzte. Ich sprach den Grabsegen, so wie es ihr Wunsch gewesen war. Die Praiosscheibe stand am wolkenfreien Horizont. Dieser Tag war schön. Viel zu schön.
  
„Wie soll er denn eigentlich heißen?“, wollte nun Nella wissen und blickt ihre Mutter mit großen Augen an, „Mein kleines Brüderchen.
+
Noch am selben Tag brach ich mit meinem Bruder gen [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] auf. Die drittgeborene Tochter unseres ältesten Bruders, Alrike Herdane, ritt mit uns. Ohne eine Regung war sie auf Anweisung ihres Vaters mitgekommen. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] hatte ihm versichert, dass [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] es ihm sicher nicht übel nähme, wenn er seine Tochter erst einmal zu seinem Bruder an den Hof gäbe. Noch sei das Mädchen jung, hatte er erklärt, noch könne man gut begründen, dass es besser für sie war innerhalb der Familie Pagin zu sein. Drego war ungewöhnlich unbeugsam gewesen und von einer noch ungewöhnlicheren Entschlossenheit erfüllt. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] widersprach nicht. Er war gewohnt, zu folgen. [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] hatte bitterlich geweint, ihre Tochter geherzt und geküsst. Alrika Herdane war teilnahmslos geblieben.
  
[[Garetien:Leomar Rosna|Leomar]]“, erwiderte Mirya mit fester Stimme, „Er wird Leomar heißen. Nach Leomar dem Löwengleichen.“
+
„Ganz sicher wird es dir in Scharfenstein gefallen“, erklärte mein Bruder unsere Nichte auf dem Weg nach Scharfenstein, „Es gibt dort viele Kinder, darunter auch meine Pagen. Außerdem natürlich meine eigenen Kinder: Du wirst [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Drego]], [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Lechmin]] und [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]] kennenlernen. Und mein ''[[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]]''.Er seufzte. „Meine Frau.“
  
== Ein stolzer Vater ==
+
„Die diebische Elster?“, entfuhr es dem Kind da.
[[Garetien:Dorf Donnerhof|Donnerhof]], 12. Travia 1043
 
<!--Lares ist voller Stolz auf seinen kleinen Sohn und erlaubt hat eine Überraschung für seine Tochter.-->
 
  
„Ein Sohn“, hob [[Garetien:Mirya Rosna|Mirya Rosna]] atemlos und sehr erschöpft an, „Wir haben einen Sohn!“
+
Dregos Miene verfinsterte sich: „Das ist deine Großmutter, die da aus dir spricht.“ Er hielt inne. „Niemand, der mein ''Orknäschen'' kennt, kann so über sie reden. Gar niemand. Auch du wirst so nie wieder von ihr reden. Nie! Hast du das verstanden?
  
[[Garetien:Lares Rosna|Lares Rosna]] setzte sich zu seiner Gattin aufs Bett, schob ihr das schweißnasse blonde Haar aus ihrer Stirn und hauchte ihr einen Kuss darauf.
+
Betreten blickte das Mädchen zu Boden und nickte.
„Endlich“, wisperte er leise als Mirya ihm den Knaben in die Arme gelegt hatte. Lares trug ein stolzes Lächeln auf den Lippen. „Endlich.
 
  
Mit seinen groben Fingern fuhr er dem schlafenden Knaben über das kleine Gesichtchen. Es war ein hübsches Kind. Da musste selbst er anerkennen. Äußerst hübsch.
+
„Anstatt die Worte einer alten Frau nachzuplappern, solltest du dir lieber selbst ein Bild machen. Irgendwann wirst du begreifen, wessen Worten zu trauen ist und wessen nicht.“ Er hielt inne. „Aufrichtige und Ehrbare sind selten.“
„Und gesund“, fuhr die Hausherrin an, „Vollkommen gesund.“
+
-->
  
„Ja?“, fragte ihr Gatte, hatte aber nur Blicke für seinen Sohn.
+
= Fische im Netz =
 +
== Bedenkzeit ==
 +
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
  
„Ja“, erwiderte Mirya da, „Vollkommen gesund. Und er hat eine kräftige Stimme.
+
[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
  
Nun lachte der Hausherr: „Sein Geschrei habe ich ganz deutlich gehört und noch nie… noch nie in meinem ganzen Leben, Mirya, noch nie in meinem ganzen Leben habe ich etwas Schöneres gehört...“ Nun blickte er zu seiner Tochter und strich ihr mit seiner Rechten sanft über die Wange. „... so schön wie damals, als du geboren wurdest.“ Da grinste [[Garetien:Nella Rosna|Nella]] stolz. So stolz wie ihr Vater. „Wunderschön.“
+
= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
 +
== Einhornfrau ==
 +
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''
  
„Und überhaupt ein kräftiger Knabe“, fügte Mirya nickend hinzu, „Die Hebamme war sehr zufrieden.
+
(...)
 
 
Wieder hauchte er seiner Frau einen Kuss auf die Stirn.
 
 
 
„Und dir?“, fragte Lares da, „Wie geht es dir?“
 
 
 
„Ich bin... einfach glücklich!“, kam Miryas Antwort prompt, „Sehr glücklich.“
 
 
 
„Du ruhst dich so lange aus, wie du es brauchst. Meinem Sohn und dir soll es an nichts mangeln. Nella“, er wandte sich seiner Tochter zu, „Du wirst deiner Mutter und deinem Bruder alles bringen, was sie brauchen.“
 
  
Eifrig nickte das Mädchen.
+
= [[Der Raller treu — Briefspielreihe|Der Raller treu]] =
  
„Ich möchte...“, stotterte die frisch gebackene Mutter, „... möchte ihn... Leomar nennen.“
+
== Verschwunden ==
 +
'''[[Garetien:Markt Rallingen|Markt Rallingen]], im Travia 1044 BF'''
  
„Leomar?“, fragte Lares und blickte seine Gattin fragend an.
+
= [[Zeit zu sterben — Briefspielreihe|Zeit zu sterben]] =
  
„Weil er so geschrien hat“, mischte sich Nella nun ein, „Gebrüllt. Wie ein Löwe.“ Nella macht es vor. Sie hatte noch nie einen richtigen Löwen gesehen, geschweige denn sein Gebrüll gehört, dennoch versuchte sie sich daran. Und sie hatte Erfolg: Ihre Eltern lachten herzlich. Und ihr Vater stimmte zu: „Dann soll er [[Garetien:Leomar Rosna|Leomar]] heißen.“
+
== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Prolog|Prolog]] ==
 +
'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
Erleichtert ließ sich Mirya in die Kissen gleiten. Der Name war ihr wichtig gewesen.
+
Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.
  
„Und du, Nella“, hob nun Lares an und blickt mit seinen tiefbraunen Augen seine Tochter an, „Meine liebe Nella, nun da du einen Bruder bekommen hast. Einen kräftigen und gesunden kleinen Bruder. Der brüllen kann, wie ein Löwe und eines Tages bestimmt auch so stolz und stark sein wird. Erlaube ich dir, wenn du das noch immer willst, ein Noviziat bei der Boron-Kirche anzutreten...
+
Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|mich]] an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Frau]] auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.
  
Das Mädchen brach in Tränen aus.
+
So war er, mein [[Boron-Kirche|Herr]], Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach [[Greifenfurt:Burg Haselbusch|Hause]]...
  
== Blut von meinem Blut ==
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Wiedersehen|Wiedersehen]] ==
[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|Ritterherrschaft Praiosborn]], Peraine 1043
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
<!--Während Lonán mit Nella und Blasius und Baduar Patrouille reitet, versucht Mirya mit Leomar vom Donnerhof zu fliehen. Vergeblich...-->
 
  
„Duuuu?“, flötete [[Garetien:Nella Rosna|Nella]] mit ihrer niedlichen Kinderstimme nach einer Weile in der sie schweigend nebeneinanderher geritten waren, „Lonán?
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Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?
  
Er blickte kurz zu ihr hinüber. Sie ritt auf der Alten Dame und machte mittlerweile eine ganz passable Figur dabei. Um sie herum stromerten ihre beiden Herdenschutzhunde Blasius und Baduar. Mal liefen sie vor ihr, mal neben ihr, mal hinter ihr.
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„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]]?“
  
Inzwischen hatten sie Burg Praiosborn hinter sich gelassen.
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Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.
  
„Ja, Nella?“, fragte der albernische Waffenknecht, „Hast du etwas entdeckt?
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„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.
  
„Nein“, erwiderte sie entschieden und schüttelte ihren Kopf.
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Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]].“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.
  
„Nein?“, fragte er geradezu herausfordernd.
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„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.
  
„Nein, ich hab nichts entdeckt“, bekräftigte sie erneut, schließlich ritt sie mit ihm Patrouille und nahm das auch sehr ernst, „Aber weißt du was?
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„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem [[Boron-Kirche|Herrn]]...
  
„Hm“, machte er da nur, „Magst du‘s mir erzählen?“
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„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“
  
„Ich darf nicht“, druckste sie nun herum, „Darf‘s niemand sagen. Gar niemand.“
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Ich nickte.
  
„Auch nicht, wenn ich verspreche, es niemanden zu erzählen?“
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Erinnerung|Erinnerung]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
Nun hatten sie auch den Praiosborn passiert und brachen in Richtung des kleinen Wäldchens auf.
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[[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“
  
„Hm“, machte Nella da nur, „Ich weiß nicht...
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„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein [[Boron-Kirche|Herr]] war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...
  
[[Garetien:Lonan Walsh|Lonán]] mochte die kleine Nella mindestens genauso gerne, wie [[Garetien:Ailsa ni Rian|die]] [[Garetien:Scanlail ni Rian|drei]] [[Garetien:Nurinai ni Rian|Schwestern]] sie mochten und er wusste, dass sie ihm – was auch immer es sein mochte – auch erzählen würde.
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„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die [[Greifenfurt:Burg Haselburg|Haselburg]] gehen. Ich würde gerne sagen, dass [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] sich freuen wird, dich zu sehen, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]], aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...
  
„Ich sage es wirklich niemanden!“, versicherte der Waffenknecht.
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Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“
  
„Gar niemand?“, hob das Mädchen an, „Wirklich gar niemand? Nicht einmal der Frau Reichsritterin?
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„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Schwester]] nach dem Tod eures [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|Vaters]] auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns [[Tsa-Kirche|Tsa]] diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.
  
Nun nickte Lonán bekräftigend: „Nicht einmal der Frau Reichsritterin!
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„Bist du traurig darüber?
  
„Ja dann, also dann, dann kann ich es dir glaube ich vielleicht doch sagen“, entschied Nella zufrieden, „Mein [[Garetien:Lares Rosna|Vater]] hat mir erlaubt, bei Ihro Gnaden mein No...“
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„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.
  
In diesem Moment blieben die beiden Hunde vor ihnen stehen und verharrten. Ein Knurren, ähnlich eines Donnergrollens entrann ihren Kehlen. Dann stürmten sie in die Richtung davon, aus der sie gekommen waren.
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„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...
  
Lonán drückte seinem Pferd die Hacken in die Seite und preschte hinter ihnen her.
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Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.
  
{{Trenner Garetien}}
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Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es [[Greifenfurt:Lechdan von Haselbusch|Lechdan]]? Wird er sterben?“
  
[[Garetien:Mirya Rosna|Mirya]] hatte gewartet bis ihre Tochter den [[Garetien:Dorf Donnerhof|Hof]] verlassen hatte. Bei Lonán war Nella sicher. Sicherer als hier. Zwar konnte sie sich absolut nicht vorstellen, dass Lares dem Mädchen auch nur ein einziges Haar krümmte, schließlich war sie götterläufelang sein Ein und Alles gewesen, dennoch wollte sie sicher gehen. Ganz sicher. Und am sichersten war sie bei Lonán. Diese Sicherheit hatte sie für sich selbst und ihren [[Garetien:Leomar Rosna|Sohn]] nicht. Und auch Lonán konnte ihnen diese nicht bieten, er konnte sie nicht alle beschützen, nicht vor...
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Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.
  
Die Herrin über den Donnerhof schluckte schwer und schaute anschließend zu ihrem kleinen Sohn in die Wiege hinab. Sanft fuhr sie ihm über sein kleines Gesicht. Wie wunderschön, wie bezaubernd er war. Sie nahm ihn aus der Wiege, drückte ihn an sich und wollte gerade das Zimmer verlassen, da...
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Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...
  
„Gib ihn mir!“, befahl Lares mit kalter Stimme. Er stand in der Tür und versperrte ihr den Weg.
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Mutter|Mutter]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
„Was...“, Mirya wich einen Schritt zurück, „Was... hast du vor?“
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„Wie geht es...“, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner [[Greifenfurt:Korgunde von Korbronn|Mutter]]?“
  
„Das geht dich nichts an“, erwiderte er entschieden, „Gib ihn mir!
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Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.
  
Da schüttelte Mirya ihren Kopf und drückte ihren Sohn fest an sich: „Nein, Lares. Du bekommst ihn nicht. Ich habe so lange gelitten. So lange gewartet. All die Kinder, die ich verloren habe...“
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„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im [[Greifenfurt:Kloster Rabenhorst|Kloster]]?
  
„Er ist mein Sohn“, er ging auf sie zu und baute sich vor ihr auf, „Und du wirst ihn mir jetzt geben. JETZT!
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„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“
  
Da begann Mirya leise zu weinen. Langsam schüttelte sie ihren Kopf: „Ich lasse... lasse nicht zu, dass sie... sie ihn bekommen. Ich habe dich immer geschützt, geschwiegen, geduldet, ertragen. Ich werde nicht zulassen, dass du ihn... ihn opferst!
+
„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“
  
„Er wird nicht sterben!“, versicherte nun Lares da, „Er nicht!
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„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...
  
== Blut von deinem Blut ==
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„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“
[[Garetien:Dorf Donnerhof|Donnerhof]], Peraine 1043
 
<!--Mirya stirbt beim Versuch Leomar zu beschützen, doch bevor Lares sich des Kindes bemächtigen kann, treffen Blasius und Baduar und Lonán ein.-->
 
  
(...)
+
Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|meinem Vater]] zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Daria]] konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“
  
== Um Leben und Tod ==
+
„Ach, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]], schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.
[[Garetien:Dorf Donnerhof|Donnerhof]], Peraine 1043
 
<!--Zwischen Lonán und Lares kommt zu einem erbitterten Kampf um Leben und Tod.-->
 
  
(...)
+
„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“
  
== Die Alte Dame ==
+
Tessia schaute zu Marbodane auf. Die [[Boron-Kirche|Boron]]-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Peraine 1043
 
<!--Nella erreicht Burg Scharfenstein. Für die Alte Dame jedoch endet der Weg hier.-->
 
  
„Ein Reiter nähert sich eilig Scharfenstein aus Richtung Schwarztannen“, meldet ein Gardist.
+
= Das dritte Kind =
 +
== Albträume ==
 +
'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Firun 1045 BF'''
  
[[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] blickte ihn vielsagend an und seufzte: „Sehr wahrscheinlich ein Botenreiter, nicht wahr?“
+
''Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.''
  
„Welcher Botenreiter wird von zwei freilaufenden Ponys begleitet?“
+
''„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Hofkaplanin]] neben ihm zu.''
  
„Zwei freilaufende Ponys?“, wiederholte sie irritiert.
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''„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „[[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Es]] ist tot und... und Eure Gattin...Erleichtert seufzte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]]. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.''
  
„Ja!“, bestätigte er, „Zwei freilaufende Ponys! Zottelige, weiße Biester. So was habe ich noch nie gesehen. Vielleicht Zwergenponys...“
+
''Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“''
  
„Zwei weiße freilaufende Ponys“, überlegte die Vögtin, „Und das Pferd des Reiters?“
+
''Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...''
 
 
Nun winkte der Gardist ab: „Sieht mir nach einer alten Mähre aus. Welcher Botenreiter reitet auf einem klapperdürren alten Ga... ?“
 
 
 
„Nella!“, entfuhr es ihr schlussendlich entschieden, „Es ist Nella! Lasst sie ein. Öffnet die Tore. Lasst sie passieren!“
 
  
 
{{Trenner Garetien}}
 
{{Trenner Garetien}}
  
Vor ihr öffnete sich das erste Tor und auch das zweite öffnete sich ganz ohne ihr Zutun. So ritt sie bis in die Hauptburg hindurch und die Alte Dame blieb erst stehen als...
+
... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Jast]] trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?“
  
„[[Garetien:Nella Rosna|Nella]]!“, rief eine ihr wohlbekannte Stimme, „Nella!“
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„Wo ist ''Orknäschen''?“, wollte er wissen.
  
„Frau von Raukenfels“, erwiderte das Mädchen da erstickt und sofort begannen Tränen über ihr Gesicht zu laufen.
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„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner [[Garetien:Rondrara von Treleneck|Mutter]] bringen lassen, Hochgeboren.
  
Yolande eilte auf die Reiterin zu. Die Hunde begrüßten sie stürmisch, ließen sie nach ein paar ausgiebigen Streicheleinheiten passieren, während sie die anderen auf Distanz hielten. Als sie dann endlich neben der Alten Dame zum Stehen kam und zu Nella hinaufblickte, durchlief ein Zittern das Pferd, dann gaben zuerst die Hinterbein nach, kurz darauf folgten die Vorderbeine. Da wusste Yolande bereits, dass das Tier nie wieder aufstehen würde...
+
„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.
  
Voller Verzweiflung blickte Nella sie an. Ungläubig. Ihre kastanienbraunen Augen nicht nur voller Tränen, sondern auch voller Entsetzen und Fassungslosigkeit. Und so voller Angst. Schreckliche Angst.
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„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.
  
Die Raukenfelserin half ihr von der Alten Dame. Erst da bemerkte sie, dass das Mädchen ein Kind auf ihre Brust geschnürt trug. Mit einer Hand hielt Nella das Köpfchen ihres [[Garetien:Leomar Rosna|Brüderchens]] fest und schaute Yolande weinend an.
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Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach [[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Esenfeld]] zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.
  
„Nella“, hob die Vögtin sanft an, „Die Zeit der Alten Dame ist gekommen.
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„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.
  
Da schrie das Mädchen vor Schmerz und Verzweiflung auf und warf sich schützend über den Hals ihres Pferd. Es war ein Schrei, der Yolande nicht nur durch Mark und Bein drang, sondern ihr auch die Tränen in die Augen trieb. Und nicht genug damit: Ihre Hunde fielen mit ihr ein. Ihr herzzerreißendes Heulen erfüllte Scharfenstein.
+
„Welche?“
Dann wurde es still. Unerträglich still. Leichter Nieselregen setzte ein. Die Hunde kamen an Nellas Seite. Stupsten sie an, versuchten sich an sie zu schmiegen und ihr damit Halt zu geben. Sie fiepten leise. Verunsichert. Ängstlich.
 
  
Yolande schluckte und strich dem Mädchen sanft durch ihr leicht feuchtes Haar: „Manchmal ist das einzige, was wir für unsere geliebten Pferde tun können, sie von ihrem Leid zu erlösen...“
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Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rian]].“
  
Da hob Nella ihren Kopf und schaute Yolande mit ihren kastanienbraunen Augen lange an. Noch immer weinte sie. Der Regen wurde stärker, vermischte sich mit ihren Tränen. Dann nickte sie langsam. Ganz langsam.
+
„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem [[Garetien:Tempel zu Ehren der Heiligen Thalionmel zu Schwarztannen|Heimattempel]] in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannens]] geschlossen. Soll ich Euer Gnaden [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]] wecken?“
  
Die Alte Dame schnaubte ein letztes Mal. Erschöpft. Müde. Nella schmiegte sich an ihren Hals, mit der einen Hand umfasste sie ihn, die andere Hand lag noch immer am Köpfchen ihres Bruders. Ihr Blick lag auf Yolande. Der Regen verschlimmerte sich noch einmal.
+
„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.
  
„Rahja“, wisperte Yolande leise, „Bitte verzeih mir...“
+
== Bitte ==
 +
Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld
  
== Rotes Haar ==
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{{Brief
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Peraine 1043
+
|Adressat=An Euer Hochgeboren [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]], Baron zu [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]], [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]<br/><br/>
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Liebster Drego,
  
„Und was...“ [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] gesellte sich zu [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]], legte den Arm um ihre Taille und blickte mit ihr zum Fenster in den Hof hinaus. Das Pferd hatte man mittlerweile fortgebracht, das Blut war geblieben. Der Regen hatte es nicht nur verdünnt, sondern auch großflächig verteilt. ... ist denn nun vorgefallen? In Praiosborn?“
+
|Text=so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
  
Die Reichsritterin zuckte mit den Schultern: „Das wissen wir noch nicht. Bisher hat [[Garetien:Nella Rosna|Nella]] noch nicht geredet.“ Draußen nieselte es noch immer. „[[Garetien:Meara ni Rian|Meara]] hat sie in eine heiße Wanne gesteckt und dann ins Bett, sie ist wohl sofort eingeschlafen. Wir werden also warten müssen...“
+
|Absender=[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]]<br/>Reichsritterin zu Praiosborn
  
Er hauchte ihr einen liebevollen Kuss auf die Stirn und stellte fest: „Euch liegt wohl sehr viel an ihr.“
+
}}
 
 
„Das tut es“, erwiderte Ailsa kehlig, „Sie ist die einzige wirklich Verbündete, die wir in Praiosborn haben. Die Einzige...“ Das war freilich nicht alles, aber über den Rest schwieg sie sich lieber aus. „Für ihren Bruder [[Garetien:Leomar Rosna|Leomar]] wird hoffentlich bald eine Amme gefunden. Er ist erst einen halben Götterlauf alt...“
 
 
 
Der Baron nickte und zog sie noch etwas enger an sich: „Es wird sich jemand finden, Orknäschen, ganz gewiss.“
 
 
 
„Ich hoffe, du hast recht. Ich hoffe es wirklich sehr“, noch immer blickte sie zum Fenster hinaus, „Doch eines verstehe ich nicht: Woher hat sie dieses Pferd?“
 
 
 
Fragend blickte sie Drego an.
 
 
 
„Wie meinst Du das?“
 
 
 
„So weit ich weiß, hat ihre Familie nur zwei Ackergäule, aber ein Reitpferd?“
 
 
 
„Ich glaube...“, [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] trat zu ihnen, „... dass ich diesen Umstand aufklären kann.“
 
 
 
„Du?“, entfuhr es [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]], die mit Yolande zu ihnen getreten war, sichtlich verwundert, „Was hast Du denn damit zu tun?“
 
 
 
„Also“, druckste die Vögtin herum, „Nun... ''Narzisschen''... Ich...“
 
 
 
Drego und Ailsa tauschten vielsagende Blicke aus.
 
 
 
„Du hast ihr doch nicht etwa das Pferd... GEKAUFT?“, kam Nurinai ihr recht schnell auf die Spur, wollte es aber noch nicht so recht glauben.
 
 
 
„Geschenkt, ''Narzisschen'', ich hab es ihr geschenkt“, gestand nun die Raukenfelserin indirekt ein.
 
 
 
„Du hast... hast ihr das Pferd GESCHENKT?“, entfuhr es ihr sichtlich verwirrt, „Warum?“
 
 
 
Das brachte die Vögtin sichtlich in Erklärungsnot: „Weil... weil... weil... Das zu erklären würde nun wirklich zu weit führen, ''Narzisschen''.“
 
 
 
„Zu weit?“, zischte die Geweihte da, „Zu weit? Was heißt hier denn zu weit?“
 
 
 
„Ach“, trat nun auch [[Garetien:Scanlail ni Rian|Scanlail]] zu ihnen in die kleine Nische am Fenster, „Hier versteckt ihr euch also. Wird das ein Familientreffen? Ihr hättet mir wohl auch Bescheid geben können...“ Sie blickte zu ihren beiden Schwestern. „Streitet ihr etwa wieder? Wer hat angefangen? Soll ich raten?“
 
 
 
„Yolande hat Nella das Pferd gekauft“, petzte Ailsa da ohne Umschweife.
 
 
 
„Der Gaul, dessen Blut im ganzen Burghof verteilt ist? Da draußen sieht es aus wie auf einem Schlachtfeld!“
 
 
 
„Genau der“, bestätigte die Reichsritterin nickend.
 
 
 
„Ach“, machte die Skladin da mit überspitzter Verwunderung und blickte die Raukenfelserin an, „Na sieh mal einer an. Und jetzt ist unsere Totengräberin wohl beleidigt?“
 
 
 
„Ich bin keine Totengräberin!“, protestierte nun die Geweihte und stampfte energisch mit ihrem Fuß auf, „Wie oft denn noch?“
 
 
 
„Gut“, winkte die Skaldin ab, „Sie ist beleidigt.“
 
 
 
„Ich bin...“, zischte Nurinai weiter, „... keine Totengräberin!“
 
 
 
„Ach“, seufzte nun Scanlail, „Die alte Leier schon wieder!“
 
 
 
„Ich bin keine...“
 
 
 
„Ja, ja“, wiegelte ihre Schwester wieder ab, „Ich kann es einfach nicht mehr hören! Und da heißt es immer ich sei eine Mimose.“
 
 
 
„Bist Du ja auch“, mischte sich nun Ailsa ein, „Noch schlimmer als die ''blühende Narzisse''.“
 
 
 
„Das ist ja wohl einen unverschämte Frechheit! Mich mit einer Totengräberin zu verlgeichen. Und Du willst meine Schwester sein?“
 
 
 
„Von wollen war nie die Rede...“, gab die Reichsritterin zurück.
 
 
 
„Das... das... das... das muss ich mir wirklich nicht bieten lassen. Mir reicht's. Macht euern Scheiß doch allein. Ich... ich... ich lasse mir das nicht mehr länger gefallen“, damit drehte sie sich um und ging davon, „Ach ja, falls es irgendjemand hier noch interessiert: Der kleine Leomar hat eine Amme gefunden. Eine ganz passable Frau. Allerdings hätte Blasius sie beim ersten Aufeinandertreffen fast aufgefressen...“ Ihre Stimme war schon fast verklungen. „Im Übrigen ist der Amme etwas an dem Kind aufgefallen. Etwas markantes. Leomar hat rotes Haar. Feuerrotes Haar.“
 
 
 
= Krähe und Leuin =
 
== Aufbruch ==
 
(...)
 
  
 
=Weitere Ideen=
 
=Weitere Ideen=
Zeile 537: Zeile 391:
 
*Iwo und Iwana
 
*Iwo und Iwana
 
*Die Krähe und ihr falsches Täubchen
 
*Die Krähe und ihr falsches Täubchen
 +
*Hühnerbeinchen für Drego

Aktuelle Version vom 26. April 2024, 04:54 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.


Ein Ende und ein Anfang

Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.

Schwester

Vater

Mutter

Bruder

Nichte

Fische im Netz

Bedenkzeit

Burg Scharfenstein

Sie bat sich Bedenkzeit aus. Baron Drego verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.

Albtraumgestalt

Einhornfrau

See Praiosborn, Praios 1045

(...)

Der Raller treu

Verschwunden

Markt Rallingen, im Travia 1044 BF

Zeit zu sterben

Prolog

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.

Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute mich an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine Frau auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.

So war er, mein Herr, Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach Hause...

Wiedersehen

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?

„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... Marbodane?“

Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.

„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“

Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, Tessia.“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.“

„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch Dankwart und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.

„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem Herrn...“

„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“

Ich nickte.

Erinnerung

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Tessia schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“

„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein Herr war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...

„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die Haselburg gehen. Ich würde gerne sagen, dass Dankwart sich freuen wird, dich zu sehen, Marbodane, aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“

Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“

„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine Schwester nach dem Tod eures Vaters auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns Tsa diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“

„Bist du traurig darüber?“

„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.

„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“

Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.

Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es Lechdan? Wird er sterben?“

Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“

Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...

Mutter

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

„Wie geht es...“, Tessia stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner Mutter?“

Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“

„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im Kloster?“

„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“

„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“

„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...“

„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“

Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach meinem Vater zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester Daria konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“

„Ach, Marbodane“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es Dankwart je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.“

„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“

Tessia schaute zu Marbodane auf. Die Boron-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“

Das dritte Kind

Albträume

Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF

Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. Ailsa lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.

„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der Hofkaplanin neben ihm zu.

„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „Es ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte Baron Drego. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.

Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“

Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...

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... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und Jast trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?“

„Wo ist Orknäschen?“, wollte er wissen.

„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner Mutter bringen lassen, Hochgeboren.“

„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“

„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.“

Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach Esenfeld zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“

„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.

„Welche?“

Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden Elerea ni Rian.“

„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem Heimattempel in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore Schwarztannens geschlossen. Soll ich Euer Gnaden Nurinai ni Rían wecken?“

„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“

Bitte

Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld

An Euer Hochgeboren Drego von Altjachtern, Baron zu Schwarztannen, Burg Scharfenstein

Liebster Drego,
 
 
 
 
so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
 
 
 
 
Ailsa ni Rían
Reichsritterin zu Praiosborn

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