Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Garetien:Wehrhof Gerbachsroth|Gerbachsroth]], Firun 1044
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Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.
  
[[Garetien:Alderan von Nadoret|Alderan]] stand etwas ratlos am Grab seiner [[Garetien:Sigmunde Brinhild von Schwarztannen|Frau]]. Er hatte sie aus politischen Gründen geheiratet und sie eigentlich auch kaum gekannt, aber er fühlte sich dennoch für ihren Tod verantwortlich, war sie doch bei der Geburt ihrer Kinder gestorben. Er war ehrlich traurig und verfluchte sich nicht an ihrer Seite gewesen zu sein. Gut es war langweilig in Gerbachsroth, aber er hatte ihr gegenüber eine Verantwortung gehabt. Es war wohl eine äußerst schwere Geburt gewesen. Das erste Kind war gesund und munter gewesen, aber das zweite war nur noch todgeboren worden und hatte bald darauf seine Mutter mit sich auf die Reise über das Nirgendmeer genommen. Er hätte wohl nichts daran ändern können, aber er hätte wenigstens an ihrer Seite sein sollen.
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== Schwester ==
 
 
Er hatte sie während ihrer Schwangerschaft nur einmal besucht, ein Umstand der ihn nicht gerade mit Stolz erfüllte. Auch wenn er dafür von seinen Freunden aufgezogen worden war hatte er sich am Hof des Markvogtes stets an die Gebote der Travia gehalten. Andere mochten ihn als lebenslustig und feierfreudig einstufen, aber er war doch immer noch aus altem Koscher Adel. Freilich hatte er bis auf Kindertage nie im Kosch gelebt, aber eine gewisse Verantwortung brachte der Name „von Nadoret“ doch mit sich.
 
 
 
Nun war er nach nicht einmal einen Jahr Ehe bereits Witwer und für ein Kleinkind verantwortlich, darüber hinaus auch noch für [[Garetien:Stordan Raulfried von Gerbachsroth|Stordan]], Sigmundes Sohn aus erster Ehe. Der Bursche war auch erst sieben Jahre alt. Immerhin war Stordan bereits in Pagendiensten und damit außer Hause. Seine sonstige Familie bestand nur aus Kindern, aber er war bei seiner [[Garetien:Ailsa ni Rian|Pagenmutter]] in guten Händen. Sie würde sich schon um den Vollwaisen kümmern.
 
 
 
Alderan hielt es ganze acht Tage auf Gerbachsroth aus, dann nahm er seine Tochter [[Garetien:Brinhild von Nadoret|Brinhild]], genannt nach dem Zweitnamen ihrer Mutter, mit sich und ritt nach Scharfenstein um bei [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] vorzusprechen. Das Gespräch währte nicht sehr lange. Weder Baron, noch die vielen [[Garetien:Familie Rian|Rians]] an seinem Hof schienen seiner Gattin eine Träne nachzuweinen und hatten ihn kurzerhand zum neuen Edlen ernannt, konnte ein Kind doch in Zeiten von schweren Fehden kein Lehen führen.
 
 
 
Am Rande traf er sogar kurz auf [[Garetien:Meara ni Rian|Meara ni Rían]], die Gattin seines gefallenen [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bruders]]. Er hatte sie vorher noch nie kennengelernt und war durchaus daran interessiert die zurückgezogene Frau etwas näher kennenzulernen, aber Meara schien auf seine [[Garetien:Familie Nadoret|Familie]] nicht gut zu sprechen zu sein und fand bald einen Grund das Gespräch abzubrechen. Die nächsten zwei Tage ging sie ihm dann aus dem Weg.
 
 
 
Also brach Alderan schließlich mit Klein-Birnhild auf. Er wusste nicht so recht was er mit einem Kleinkind anfangen sollte, drum entschied er sich sie zu seiner [[Garetien:Nadyana von Nadoret|Mutter]] bringen. Sie würde seine Tochter sicher gerne aufziehen. Er wusste ja auch gar nicht wie man so etwas machte und außerdem war der Hof des Marktvogtes nichts für kleine Kinder. Er würde sie auch bitten ihm einen Vogt zu empfehlen, der die Amtsgeschäfte vor Ort erledigen konnte und Alderan die Rendite des Lehens direkt an den Hof schickte. Am besten ein Koscher aus altem Adel, der seiner Familie gegenüber loyal war und nicht in seine eigene Tasche wirtschaften würde.
 
 
 
Autor: [[Benutzer:Sindelsaum|Sindelsaum]]
 
 
 
= [[Weiß wie Schnee — Briefspielreihe|Weiß wie Schnee]] =
 
== Schicksal bleibt Schicksal ==
 
Hexenwald
 
 
 
[...]
 
 
 
= [[Sternguckerin — Briefspielreihe|Sternguckerin]] =
 
Eine Peraine-Novizin erhält ihre Weihe und muss sich kurz darauf in der Fehde beweisen, dabei muss sie sich nicht nur den den menschlichen Abgründen der Fehdeparteien stellen, sondern auch sich selbst.
 
 
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== Tempeltreu ==
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Zsfg: Gerlinde von Altjachtern sucht ihren Bruder Drego in einer dringenden Angelegenheit auf.
'''[[Garetien:Stadt Schwarztannen|Stadt Schwarztannen]], im Hesinde 1043 BF'''
 
  
Der Sterngucker hatte lange gedauert. Während ich an der Seite der Gebärenden ausgeharrt und sie nach besten Kräften unterstützt hatte, war meine Lehrmeisterin zu anderen Geburten gerufen worden. Sie war nur gegangen, weil ich bleiben konnte. Inzwischen, nach den vielen Götterläufen, die ich bereits bei ihr hatte lernen dürfen, vertraute sie mir auch schon mal allein ihre Frauen an, auch wenn sie es nicht gerne tat, was allerdings nicht an meinem Können lag, sondern einfach nur an dem Umstand, dass sie einfach gerne selbst bei ihren Frauen war. Zu Beginn hatte ich Hild oft begleitet, war fast permanent bei ihr gewesen und nur ganz selten im Tempel, doch inzwischen hatte sich das geändert. Inzwischen war ich wieder mehr im Tempel und nur noch gelegentlich bei ihr. Meist dann, wenn es zu viel zu tun gab und sie nicht überall gleichzeitig sein konnte oder aber, wenn die Geburt eine besondere war. Diese hier, die war eine. Es war ein Sterngucker.
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[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 13. Rahja 1046 BF
  
Ich soll auch eine gewesen sein. Eine Sternguckerin. Dabei schaut das Kind die Mutter bei der Geburt an. Oft kam das nicht vor. Die Geburten waren schwerer und dauerten länger. Bei meiner Mutter soll das auch so gewesen sein. Kurz nach meiner Geburt starb sie und die alte Hebamme Hild, die damals bei meiner Geburt dabei gewesen war, hatte mich in den Tempel der Peraine gebracht. Ich sei klein gewesen, ein winziges Kind, hatte Hild mir erzählt. Keiner habe damals gewusst, ob ich nicht meiner Mutter nachfolge. Man gab mir den Namen [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]], weil ich irgendwie wie eine Lindegard aussah. Damals war die Heilige Lindegard, die zur Zeit der Magierkriege gelebt hatte, noch gar keine Heilige. Und weil meine Mutter ihren Namen nie genannt hatte, wobei niemand mit Sicherheit hatte sagen können, ob sie es nicht hatte wollen oder nicht hatte können, wurde ich eine [[Garetien:Familie Tempeltreu|Tempeltreu]]. Die Familie Tempeltreu war die Familie der Findelkinder und irgendwie war ich ja eines, ein Findelkind. Seit dem lebte ich im Tempel. Meine Familie waren die Bewohner des Peraine-Tempels. Die Geweihten waren meine Mütter und Väter und die Novizen meine Geschwister. Ich vermisste nie etwas. Der Tempel war mein Heim. Und wenn ich mich nach meiner Mutter sehnte, jener Frau, die mich geboren hatte, ging ich zum Boronanger draußen vor der Stadt. Da lag sie. Seltsam war es schon, ich hatte so gar keine Beziehung zu ihr. Sie war eine Fremde für mich, eine – und dafür schämte ich mich sogar ein wenig – die mich nicht wirklich interessierte.
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„Ah, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]“, entfuhr es mir beinahe etwas atemlos. Ganz unvermittelt blieb ich auf der großen Treppe stehen. „Hier bist du also.“ Mein Bruder stand wenige Schritte über mir, hielt seinen [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Sohn]] in den Armen. Der Knabe, der so sehr meinem Bruder glich, schaute mich aus den großen Augen seines Vaters neugierig an. Umringt waren beide von Mitgliedern seines Hofstaates, darunter seine Pagen und Knappe, einige seiner Hausritter, die Hofkaplanin [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]] und die Vögtin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]].
  
Als das Kind das Licht Deres erblickte, war Hild gerade wiedergekommen. Später, auf dem Weg zum Tempel, lobte sie mich: „Du hast wirklich schon viel gelernt. Bald brauchst du mich nicht mehr.Einen Moment schwieg sie. „Damals, bei meiner ersten Geburt, bei der ich alleine war, habe ich dem Kind den Arm gebrochen. Es musste plötzlich schnell gehen und ich war nicht zimperlich… Das ärgert mich zwar noch heute, allerdings ist der Bruch gut verheilt und Mutter und Kind waren wohl auf.“
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„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er an und zog die Stirn kraus, „Der Leuin zum Gruße.“
  
Ich nickte erschöpft. Die letzten beiden Nächte hatte ich nicht geschlafen und so sehnte ich mich nach meinem Bett, auch wenn die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Meine Gedanken wurden zunehmend fahriger und dann, dann kam mir plötzlich diese Fehde in den Sinne: „Was glaubst du, bedeutet die Fehde für uns?“
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„Die Leuin auch mit dir, Bruder“, erwiderte ich und erbrachte ihm den Kriegergruß. Daraufhin nahm der Knabe seine kleine Hand, ballte sie zur Faust und führe sie zu seinem Herz. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, aber es war deutlich zu erkennen, dass er sich gerade ebenso an diesem Gruß versucht hatte. Alle begannen zu grinsen – auch ich. Dann schmiegte sich der Knabe ganz dicht an die Brust seines Vaters und schaute noch kecker drein wie zuvor.
  
„Für uns Hebammen oder für euch Geweihte?“, hakte sie nach. Auch sie hatte nicht geschlafen, aber sie wirkte hellwach.
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„Er ist so groß geworden“, merkte ich an, „Er wird eines Tages gewiss ein großer Krieger werden.
  
„Für beide“, erwiderte ich nickend.
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Das Grinsen meines Bruders wurde breiter, wobei er zärtlich seinem Sohn über das blonde Haar strich: „Du warst schon lange nicht mehr hier, Gerlinde.
  
„Viel Arbeit“, sie nickte ernst, „Sehr viel.“
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„Du kannst mich jederzeit im Rondra-Tempel in [[Garetien:Stadt Überdiebreite|Überdiebreite]] antreffen“, erwiderte ich daraufhin nickend, „Es ist gar nicht weit von hier und du und die deinen sind mir dort jederzeit willkommen.“
  
„Dann glaubst du, es werden mehr Kinder geboren?“, wollte ich verunsichert wissen, weil ich mir das kaum vorstellen konnte.
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Ernst schaute er mich an: „Ich kann nicht vergessen, was mit den [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteinern]] damals vorgefallen ist. Noch heute träume ich in so mancher Nacht von [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]].
  
„Habe ich das etwa gesagt?“
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Ich biss mir auf die Lippen. Daran hatte ich gar nicht gedacht. „Die Diener des [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] könnend dir gewiss dabei helfen“, schlug ich vor, „Es gibt doch auch einen [[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel]] ihrer Diener hier?“
  
„Ähm“, begann ich zu stammeln, „Hast du... hast du denn nicht?
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„[[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]“, seufzte er schwer und nickte bestätigend, „Dieser Tempel untersteht den Erlenfallern und diese haben eindrücklich bewiesen wozu sie fähig sind. Nicht einmal meiner einstigen Knappin [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun]] oder gar Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] ...“ Nun wandte er sich der Hofkaplanin zu. „... genießen mein uneingeschränktes Vertrauen.“ Schwester Lindegard wich dem Blick meines Bruders aus.
  
„Du wirst viel Elend sehen, Lindegard“, sie legte sanft ihre Hand auf meine Schulter, „Elend, das nicht hätte sein müssen. Elend, das...“ Abrupt verstummte sie. Wir waren inzwischen beim Tempel angekommen. Vorne vor dem Tempel wartete [[Garetien:Baldur von Immenhort|Baldur von Immenhort]], der Prätor des [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempels]]. Verunsichert blickte ich ihn an.
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Einen Augenblick war es still. Ich war keine Frau großer Worte. Ich war eine Dienerin der Leuin. Und ich begriff, dass ich beinahe nichts über meinen Bruder und dessen Leben wusste. So fand ich keine Worte. Was hätte ich auch sagen sollen? Die Situation schien kompliziert. Zu kompliziert um sie innerhalb weniger Wimpernschläge zu erfassen.
  
== Schneeglöckchen ==
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Indes riskierte der Knabe immer wieder scheue Blicke. Das ein oder andere Mal wandte er sich mir gar mehr zu, schmiegte dann jedoch wieder eilig sein Gesicht an die Brust seines Vaters. Dass meine Bruder einmal Frau, Kinder und ein Baronsreif sein eigen nennen würde ...
'''[[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel der eingebrachten Früchte]], [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Stadt Schwarztannen]], im Hesinde 1043 BF'''
 
  
„Es hat...“, meine Stimme zitterte, „... hat ein wenig länger gedauert.
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„Du hast dich nicht angekündigt. Warum bist du gekommen, Gerlinde?
  
[[Garetien:Baldur von Immenhort|Baldur von Immenhort]] nickte: „Ich weiß, ich habe mit deiner Lehrmeisterin gesprochen.“
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Nun straffte ich mich: „Drego, du musst mich begleiten. Es bleibt uns nicht viel Zeit.“
  
Verunsichert blickte ich zu Hild, die mir ein freundliches Lächeln schenkte, dann wandte ich mich wieder Hochwürden zu. Dass er da gerade Hild als meine Lehrmeisterin bezeichnet hatte, kam einem Ritterschlag gleich. Aus irgendeinem Grund gab es Differenzen zwischen den Peraine-Geweihten und den Hebammen was die Geburtshilfe betraf. Zwar hatte Hild mich das nie spüren lassen, aber über das geredet, was zwischen ihr und meiner Kirche stand, hatte sie nie. Auch im Tempel hat nie jemand darüber gesprochen. Kaum verwunderlich, wurde meine Wunsch damals, auch bei einer profanen Hebamme zu lernen, abgelehnt. Ich ging trotzdem. Hild war nicht begeistert. Sie schickte mich in den Tempel, aber ich ging nicht. Hochwürden bestellte erst mich ein, ich erschien auch und erklärte, dass ich nicht beabsichtige mich zu fügen. Ich blieb stur. Ich hatte das Gefühl, dass es einfach die richtige Entscheidung war, dass die Herrin Peraine von mir verlangte, dass ich mich dafür einsetzte. Ich hatte das Hochwürden nie so gesagt, weil... weil ich fürchtete, dass er mir nicht so recht glaubte. Er bestellte dann auch Hild ein. Erst sah es so aus, als ob sie nicht käme. Dann kam sie doch, auch wenn viel zu spät, eine Geburt hatte sie aufgehalten. Die beiden stritten miteinander. Sie hatten sich ins Tempelinnere zurückgezogen, aber man konnte ihre aufgewühlten Stimmen hören, obgleich ich kein Wort verstand. Nie wieder habe ich die beiden so erlebt. Am Ende einigten sie sich, worauf, dass erfuhr ich nicht. Ich bekam jedoch meinen Willen und das war mir genug.
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Er legte seinen Kopf leicht schräg: „Worum geht es?“
  
Ich schluckte, wollte etwas erwidern, aber ich brachte kein Wort heraus. Irgendetwas ging hier vor sich.
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„Vertraust du mir?“
  
„Komm, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]]“, sagte er, „Lass uns hineingehen.“
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„Selbstredend!“, entfuhr es ihm ohne Zögern, „Du bist nicht nur eine Dienerin der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]], sondern auch meine Schwester.“
  
Mit klopfendem Herzen stieg ich die wenigen Stufen zu ihm hinauf. Ich warf meiner Lehrmeisterin einen letzten Blick zu, dann ging ich an der Seite von Hochwürden in den Tempel hinein. Es war seltsam, wie wir da Seite an Seite durch den Tempel schritten. Er schwieg. Es war ein angespanntes Schweigen. Blicke folgten uns, manche schenkten mir ein aufmunterndes Lächeln, manche betrachteten mich lediglich äußerst nachdenklich. Ich fühlte mich zunehmend seltsamer.
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„Wir müssen nach [[Garetien:Gut Jachtern|Hause]]“, eröffnete ich ihm und nickte energisch, „Sofort. Wir haben nicht viel Zeit.
  
„Habe ich… ich etwas falsch gemacht?“, wollte ich mit brüchiger Stimme wissen und wagte es nicht Baldur von Immenhort anzusehen.
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„Nach ...?“, echote er tonlos und seine Augen verengten sich, „... Hause?“
  
„Wie kommst du darauf?“, gab er die Frage zurück.
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Äußerst langsam, aber überdeutlich nickte ich.
  
„Weil... weil...“, konnte ich nur stammeln, während wir weiter in das Tempelinnere gingen. Immer weiter und weiter gingen wir, immer tiefer und tiefer, bis wir in einen Raum kamen, in dem ich noch nie gewesen war und bei dem ich wusste, das ich dort nichts zu suchen hatte. Hier zog sich Hochwürden zurück, wenn er mit unserer Herrin allein in Zwiesprache treten wollte. Es störte ihn dabei nie jemanden. Und nun war ich hier und ich sollte nicht hier sein...
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„Was ...?“, seine Stimme brach.
  
Der Raum war nicht sonderlich groß, wirkte gemütlich und irgendwie einladend. Ich spürte, dass unsere Herrin hier besonders präsent war, obgleich ich nicht so recht wusste warum. Auf einem runden Tisch mit vier Stühlen lag eine Garbe güldener Ähren und ein Stück grünes Tuch mit einer Ährenstickerei, beides erinnerte mich an die Roben der Geweihten der Herrin Peraine. Daneben gab es eine Sitzecke mit vielerlei grünen Kissen. Es gab auch einen kleinen Schrein unserer Herrin. Dort lagen Storchenfedern. Durch ein Fenster konnte man in einen kleinen Garten blicken. Der Prätor bemerkte meinen interessierten Blick und erklärte: „Ich habe gedacht, ich hätte zumindest noch Zeit, bis die Herrin Tsa den Herrn Firun so langsam zu vertreiben beginnt. Dort draußen fühlt man sich unserer Herrin noch viel näher. Wenn alles grünt dann...“ Er verstummte. „Aber schau, dort! Dort reckt sich ein Schneeglöckchen keck hervor.“
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„[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, brachte ich nur heraus.
  
Ich sah es nicht gleich, ich stand noch immer am Tisch, doch dann nickte ich und erwiderte: „Ja, das stimmt.“
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„Sie ... sie ... sie hat meine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] beleidigt. Sie hat ...“
  
Baldur von Immenhort blickte noch immer nach draußen, während mein Blick erneut auf den Tisch fiel und ich wieder feststellte, dass das Stück Tuch, vielmehr sogar ein Stoffbündel, wirklich an eine Robe der Geweihten erinnerte. Unweigerlich glitten meine Finger über die Ährenstickerei. Und dann, ganz plötzlich, begriff ich: Ich hatte nichts falsch gemacht, ich sollte…
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„Das ist nicht mehr wichtig, Drego“, ich schüttelte den Kopf und fasst an seine Schulter, „Es ist nicht mehr wichtig.
  
„Ich… ich bin doch noch viel zu jung!“, meine Stimme zitterte, „Das ist... ist viel zu früh!“ Auch meine Finger zitterten. Ich war geschockt, denn das... das hatte ich nicht erwartet. Alles hatte ich erwartet, wirklich alles, aber... aber das?
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Mein Bruder wurde blass. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
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== Vater ==
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Zsfg: Gerlinde und Drego kommen auf Gut Jachtern an und treffen auf ihren Vater.
  
„Nein, Lindegard“, Baldur von Immenhort bedachte mich mit einem sanften Blick, „Damals, als deine Lehrmeisterin dich zu uns in den Tempel brachte, stand es schlecht um dich. Keiner von uns glaubte aufrichtig daran, dass du es schaffen könntest. Eine Nacht verging. Es war bitterkalt, es war Winter. Und am nächsten Morgen, sah ich das zarte, helle Grün dort draußen zwischen dem Schnee hervorblitzen. Ein zartes Schneeglöckchen kämpfte sich ins Leben. Da keimte in mir die Hoffnung, dass du es ihm gleich tun würdest. Und so war es auch.“ Einen Moment schwieg er. „Dies ist der richtige Zeitpunkt. Unsere Herrin braucht uns. Ein jeden von uns. Sie braucht dich, Lindegard!“
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[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], 13. Rahja 1046 BF
  
== Storchenbiss ==
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Über [[Garetien:Dorf Wegscheide|Wegscheid]] und [[Garetien:Gut Roßsprunk|Roßsprunk]] ritten wir nach Gut Jachtern. Ich schwieg. Drego schwieg. Seine Bedeckung, ein [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Knappe]] kurz vor seinem Ritterschlag und eine [[Leudane von Leuenberg|kaisermärker Ritterin]], schwieg. Wenig nach unserem Aufbruch setzte Regen ein. Zuerst waren die Tropfen ganz fein, gleich dem feinen Nebel der am Morgen gerne entlang der Raller lag. Eine willkommene Abkühlung in der Hitze des Rahjamondes. Dann jedoch wurde der Horizont zunehmend finsterer, der Regen wurde heftiger, die Tropfen dicker.
'''[[Garetien:Stadt Schwarztannen|Stadt Schwarztannen]], im Tsa 1043 BF'''
 
  
In der Abgeschiedenheit dieses Raumes und meiner Göttin so nahe, erhielt ich meine Weihe. Ein Moment dem ich entgegengefiebert, aber der mich dann doch recht kalt erwischt hatte. Später erfuhr ich, dass Hochwürden zuvor [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] die Weihe erteilt hatte. Danach sah man ihn geraume Zeit erst einmal nicht mehr. Er war sehr erschöpft, hieß es nur. Zwei Novizen die Weihe kurz nacheinander zu erteilen, das sei in der Regel gar nicht möglich, doch die Herrin Peraine habe es so gewollte und nur weil es ihr Wille gewesen war, habe Hochwürden dies überhaupt vollbringen können.
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Vollkommen durchnässt kamen wir mitten in der Nacht auf Gut Jachtern an. Die Praiosscheibe war seit Stunden untergegangen. Die Sterne hatten uns den Weg gewiesen und der Regen war unser ständiger Begleiter gewesen. Eilig brachten wir die Pferde in den Stall. Während Knappe und Ritterin sich mit dem Stallknecht um die Tiere kümmerte, ging ich mit Drego in das nahezu finstere Guthaus hinein und wurden von Dunkelheit empfangen. Es war ungewöhnlich still. Totenstill. Nur das Tropfen des Wasser von unseren gänzlich durchweichten Umhängen durchbrach die Stille. Hinter uns fiel die Tür ins Schloss. Drego erschrak hörbar.
  
Viel änderte sich durch meine Weihe nicht. Ich tat noch immer dieselben Dinge, die ich auch als Novizin getan hatte, ich ging noch immer denselben Aufgaben nach, denen ich auch als Novizin nachgegangen war. Und doch gab es Veränderungen. Ich hatte die einfache grüne Kutte der Novizen gegen eine Robe der Geweihten getauscht. Mir gebührte nun die Anrede ''Euer Gnaden'', auch wenn alle lediglich ''Schwester Lindegard'' sagten. Doch eines, eines das änderte sich dann doch: Die Kraft meiner Herrin war in mir geweckt worden. Sie war, da war ich überzeugt, schon immer in mir gewesen, doch erst die Weihe hatte sie erweckt und nun, nun konnte ich sie auch nutzen. Bisher hatte ich das jedoch noch nicht getan, ihre Kraft sollte nur dann eingesetzt werden, wenn es ihrer wirklich bedurfte.
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Da trat jemand mit einer Kerze zu uns in den Flur. „[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]] und ... und [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]?“
  
Es war inzwischen Tsa geworden und ich war gerade auf dem Rückweg von einer sehr schweren Geburt zurück in den Tempel, die Mutter hatte ich zusammen mit der alten Hebamme Hild, die ich noch immer als meine Lehrmeisterin bezeichnete, retten können, für das Ungeborene war es bereits zu spät gewesen, als in der Ferne ein feiner, heller Ton erklang. Er wehte von [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]] herüber. Wenige Augenblicke darauf stimmte die Feuerglocke der Stadt mit ein. Doch der klassische Ausruf „Feuer“ fehlte, stattdessen riefen die Büttel: „Zu den Waffen! Bürger, zu den Waffen!Da wusste ich, dass es passiert war.
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[[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]]?“, entfuhr es meinem Bruder leise. Unschlüssig machte er einige Schritte nach vorne.
  
Seit Hesinde belauerten sich [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteiner]] und [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforster]] an den Grenzen der beiden Grafschaften. Von der Stadtmauer aus wollten die Stadtwachen, die man im letzten Mond bereits verdoppelt hatte, immer wieder die Waldsteiner erspäht haben, wie sie sich an der Grenze der Grafschaften herumtrieben und wohl auskundschafteten, wo sie am Besten einfallen konnten. Man hatte in Schwarztannen jene Kräfte zusammengezogen, die nicht in die Kämpfe mit der [[Garetien:Kaisermark Gareth|Kaisermark]] oder [[Garetien:Grafschaft Hartsteen|Hartsteen]] verwickelt waren, das waren allerdings nicht viele, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass man am anderen Ende der Grafschaft auch noch [[Garetien:Grafschaft Eslamsgrund|Eslamsgrund]] im Nacken sitzen hatte. Verschärft wurde das ganze in [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] noch durch den Umstand, dass im Hesinde der Baron [[Garetien:Raulfried Haltreu von Schwarztannen|Raulfried Haltreu von Schwarztannen]] – Boron sei seiner Seele gnädig – bei der Vertreibung der Kaisermärker aus [[Garetien:Gräflich Rubreth|Gräflich Rubreth]] und der [[Garetien:Baronie Syrrenholt|Baronie Syrrenholt]] gefallen war. Auch seinem Bruder [[Garetien:Raulbrand Ughelm von Schwarztannen|Raulbrand Ughelm von Schwarztannen]] war es so ergangen. Gerade der Tod des Barons war so vollkommen unerwartet gekommen, dass seine Nachfolge noch nicht einmal geregelt war. Aber wer dachte auch schon daran, dass Golgari einen bald holen kam? Es war sein Bruder [[Garetien:Raulbrin Reto von Schwarztannen|Raulbrin Reto von Schwarztannen]], der seit diesem Tag zusammen mit seiner Mutter [[Garetien:Enria von Schwarztannen|Enria von Schwarztannen]] Scharfenstein hielt.
+
„Ja, Drego“, bestätigte sein Gegenüber, „Ich bin es. Dein Vater.“ Sein Gesicht lag noch immer im Dunkeln. Die Kerze spendete nur spärliches, düsteres Licht. Er machte einige Schritte auf seinen Sohn zu und schloss ihn in die Arme, ließ aber sogleich wieder los. „Ganz nass. Du bist ja ganz nass. Schreckliche Efferdnacht dort draußen.
  
Wenig später, da war ich gerade im [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel]] angekommen, verbreitet sich die Kunde, das etwas zu Füßen der Waldsteiner [[Garetien:Weidburg|Weidburg]], aber im Gebiet des Reichsforstes, vorgefallen war. Hochwürden [[Garetien:Baldur von Immenhort|Immenhort]] schickte Perainidane von Erlenfall zusammen mit Schwester Theria um dort jene Leben zu retten, die es noch zu retten gab, ganz gleich auf welcher Seite. Zum Abschied schloss ich meine Glaubensschwester in die Arme und raunte ihr mit Tränen in den Augen ins Ohr: „Halt dich bloß von Golgari fern, Perainidane!
+
Drego schluckte schwer als er unserem Vater gegenüberstand: „Es muss ernst um [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] stehen.“
  
Sie lachte und erwiderte: „Der Storchenbiss in meinem Nacken reicht mir, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]], einen von Golgari brauche ich nicht auch noch.“
+
„Ja“, erwiderte er, „So ist es. Es geht zu Ende, Drego. Golgari ist bereits auf dem Weg.“
  
== Luringan ==
+
Nun war es Vater, der schwer schluckte. Schemenhaft konnte man erkennen, wie er nickte. „Und Gerlinde“, fuhr er fort und nahm auch mich kurz in die Arme, ließ aber noch schneller von mir ab als von meinem Bruder, „Auch ganz nass. Allesamt seid ihr ganz nass. Alle beide. Eine wirklich grässliche Efferdnacht dort draußen.“
Gegeben im Tsa 1043, zu Füßen der [[Garetien:Weidburg|Weidburg]]
 
  
{{Brief
+
„Ist [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Mori]] ... ?“, wollte ich wissen.
|Adressat=An Ihre Gnaden [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]], [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel der eingebrachten Früchte]], [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]]
 
Liebste Schwester,
 
  
|Text=es war, wie wir vermutet hatten: Die [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteiner]] haben versucht in [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] einzufallen, dass es ihnen nicht recht gelungen ist, ist einzig und allein den wenigen, aber tapferen Reichsforstern geschuldet, die die Waldsteiner so lange beschäftigt haben, bis das Auftauchen des Greifen [[Garetien:Luringan|Luringan]] die Kämpfe zum Erliegen brachte, obgleich keiner von ihnen wissen konnte, dass er kommen und ihnen Beistehen würde.
+
„... am Bett eurer Mutter“, vollendete er meinen Satz, „Er wacht dort zusammen mit [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]].“ Erneut nickte er. „Ihr solltet eure nassen Kleider ablegen, etwas Trockenes anziehen und sie dann ablösen. Sie wachen dort schon recht lange.
  
Es ist nicht so, dass ich ihn selbst gesehen habe, aber die Schilderungen der Reichsforster waren diesbezüglich eindeutig und stimmten so sehr überein, dass es keinen Zweifel gab. Er war es gewesen, Lindegard. Der Greif Luringan hat ihnen beigestanden. Was für ein Zeichen!
+
„Sie hat mich fortgeschickt“, hob nun Drego an, „Das letzte Mal hat sie mich fortgeschickt. Ich sollte, nein, durfte ihr nicht unter die Augen treten.
  
Das Aufeinandertreffen hier zu Füßen der Weidburg war kurz, aber heftig gewesen. Die Reichsforster wurden von [[Garetien:Raulward Sigwulf von Schwarztannen|Raulward Sigwulf von Schwarztannen]] angeführt, der – vielleicht hast du es bereits gehört – gleich in den ersten Augenblicken so schwer verwundet wurde, das wir nichts mehr für ihn tun konnten. Es ist bereits der dritte Tote in seiner [[Garetien:Familie Schwarztannen|Familie]] und mein erster Toter, der in einem solchen Gefecht starb. Freilich habe ich schon Tote gesehen, so wie auch du, doch unsere Toten starben meist aufgrund von Krankheit oder ihres hohen Alters, dieser hier jedoch wurde umgebracht. Ja, Lindegard, es war Mord. In einem Kampf zu sterben ist immer Mord, zumal die Reichsforster in der Unterzahl waren.
+
Erneut nickte Vater: „Das Rauschen Golgaris in den Ohren deiner Mutter hat sie sanftmütiger gemacht, nicht milde, aber sanftmütiger, ein Lämmchen ist aber dennoch nicht aus ihr geworden. Selbst mit mir hat sie einige vernünftige Worte gewechselt, ehe sie mich angekeift und fortgeschickt hat, ich bin aber sicher, dass sie noch einmal nach mir rufen wird. Ganz gewiss sogar.
  
Schwester Theria huschte etwas über das Gesicht, das ich bisher noch nie bei ihre gesehen hatte. Ob es das Grauen war? Diese Fehde bringt Elend über uns, über uns alle und sie verlangt von uns, die wir Geweihte der Herrin Peraine sind, dass wir helfen, wem wir helfen können, ganz gleich auf welcher Seite. Ich fürchte mich vor jenem Augenblick, da ich auch den Feinden des Reichsforstes helfen muss. Es hört sich so leicht an, doch das ist es nicht.
+
„Hm“, machte mein Bruder da noch immer zweifelnd.
  
Wenn unsere Arbeit hier getan ist, werden Schwester Theria und ich nach [[Garetien:Dorf Steinhude|Steinhude]] aufbrechen. Es ist anzunehmen, dass sich die Waldsteiner nicht an [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] oder [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] herantrauen, sowohl Stadt als auch Burg sind zwar nicht uneinnehmbar, aber durch ihre Mauern gut geschützt und nur schwer direkt anzugreifen. Wir glauben, wir können hier mehr tun. Die [[Garetien:Familie Dachshag|Familie Dachshag]] wird uns aufnehmen.
+
„Sie ist und bleibt deine Mutter“, fuhr unser Vater nun fort, „Und sie liebt dich, so viel kann ich dir sagen.
  
Wir werden uns erst einmal nicht wieder sehen, Lindegard. Doch wenn wir beide in die Sterne blicken, so wie du es bei deiner Geburt getan hast, dann werden wir uns nahe sein, Sternguckerin. So werden wir die Zeit überstehen und der anderen immer nahe sein, so lange bis wir uns wieder in die Arme schließen werden.
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Da lachte Drego: „Ich war ihr doch nie gut genug! Ganz gleich was ich getan, wie sehr ich mich bemüht habe. Nun bin ich sogar Baron, habe [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] und [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Ki]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|nd]][[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|er]], doch gut genug bin ich ihr noch immer nicht.
  
|Absender=Deine Schwester
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Er seufzte: „Ach, Drego, du kennst deine Mutter. Du kennst sie lange genug. Sie ist eine harte Frau. Hart zu sich, aber auch zu anderen. Keiner kann es ihr recht machen. Nicht einmal sie selbst kann es sich recht machen. Sie hat dir das Leben geschenkt, da kannst du ja wohl auch bei ihrem Tod dabei sein.“
  
[[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]]
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Da nickte er: „Dennoch hat sie meine Frau beleidigt. Sie angefeindet. Sie beschimpft.“
}}
 
  
== Erneut ==
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„Ich weiß“, wusste auch unser Vater, „Ich habe keine rechte Erklärung dafür. Wobei ...“ Er hielt einen Moment inne. „Vielleicht verachtete sie sie so, weil dir und ihr etwas vergönnt war, was uns nie vergönnt war.“ Drego horchte auf. „Aus liebe den Bund vor der Herrin [[Travia-Kirche|Travia]] zu schließen. Unser Bund war bestimmt. Nicht durch uns.“
Gegeben Anfang Phex 1044, unweit von [[Garetien:Dorf Steinhude|Steinhude]]
 
  
{{Brief
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„Neid?“, raunte Drego leise, „Aber warum seid Ihr nicht so? Ihr teilt doch dasselbe Schicksal.“
|Adressat=An Ihre Gnaden [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]], [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel der eingebrachten Früchte]], [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]]
 
Liebste Schwester,
 
  
|Text=es ist wieder passiert. Wieder haben sie es versucht. Dieses Mal bei [[Garetien:Burg Goblau|Goblau]], gelungen ist es ihnen jedoch auch dieses Mal nicht. Man hat sie rechtzeitig bemerkt und konnte einen Einmarsch verhindern. Folgenlos blieb dieses kurze aufeinandertreffen jedoch auch dieses Mal nicht. Wieder hatten wir Reichsforster Tote zu beklagen, darunter auch [[Greifenfurt:Frumol von Keilholtz|Frumol von Keilholtz]].
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Da zuckte er nur mit den Schultern: „Vielleicht weil ich vor Götterläufen entschieden habe, der Enge dieses Heimes und dieses Seins zu entfliehen.“ Er warf einen Blick auf mich. Ich straffte mich. Flucht, dass war nichts für eine Geweihte der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]]. „Außerdem seid ihr meine Kinder, mein Fleisch und Blut und ich wünsche mir, dass euch nur Gutes widerfahre und liebe euch alle gleichermaßen aus der tiefe meines Herzens heraus.“
  
Ich weiß nicht, wie lange das noch so weitergehen soll. Es zermürbt mich bereits jetzt. Ich beginne am Werk der Götter zu zweifeln. Was hat unsere Herrin mit uns nur vor? Warum stürzt sie uns in dieses Gefecht herein? Wir sind dafür noch nicht gemacht, wir sind noch zu jung um diesem Gräuel gegenüber zu treten! Bereits jetzt haben mich die Ereignisse verändert und es ist anzunehmen, dass beides voranschreitet, was wird dann noch von mir bleiben?
+
„Mutter hat immer nur Gerlinde bedingungslos geliebt“, mein Bruder blickte mit gesenktem Haupt zu mir, „Du warst ihr immer das Wichtigste. Die einzige, die alles im Leben richtig gemacht hat.“
  
Ach, Schwester, ich finde keine Worte um auszudrücken, wie sehr ich dich vermisse. An jedem Abend schaue ich in die Sterne, denn nur dann, fühlte ich mich dir nahe, Sternguckerin.
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„Was hätte sie auch zu einer Geweihten der Herrin Rondra anderes sagen sollen?“, stellte sich unser Vater schützend vor mich, „Lass es gut sein, Drego. Das Ende ist nah. Ihr Zorn wird dich danach nie wieder treffen können. Versuche deinen Frieden mit ihr zu machen. Noch ist Zeit. Noch.
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== Mutter ==
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<!--Zsfgh: Die alte Junkerin zu Altjachtern stirbt und ihre Kinder sind an ihrer Seite.
  
|Absender=Deine Schwester
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[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
[[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]]
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[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, dürr klang Mutters Stimme als ich an ihr Bett herantrat und mich auf die Bettkante setzte. Fahl war ihr Gesicht. Kraftlos ihre Augen. Seit meinem Aufbruch schien sie noch weiter gealtert zu sein.
}}
 
  
== Drego ==
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[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]], erwiderte ich ihr und nahm ihre Hand zwischen meine. Ein müdes Lächeln legte sich über ihre Wangen. Für einen winzigen Moment kehrte ein Leuchten in ihre Augen zurück, dann verschwand es jedoch sofort wieder.
'''[[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel der eingebrachten Früchte]], [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Stadt Schwarztannen]], Mitte Phex 1043 BF'''
 
  
Immer wieder erklang die Feuerglocke Schwarztannens. Durchdringend hallte ihr Geläut über die Stadt hinweg, rief nicht nur die Bürger zu den Waffen, sondern warnte auch alle Umliegenden vor einem möglichen nahenden Angriff der [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]].
+
„Ich habe dir jemanden mitgebracht, Mutter“, hob ich an und schaute mich kurz zu meinem Bruder um, der einen Schritt hinter mir gewartet hatte, „[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] ist hier.
  
Seit der „Schlacht im Greifen“, wie man jenes Aufeinandertreffen zwischen den Waldsteinern und den [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforstern]] zu Füßen der [[Garetien:Weidburg|Weidburg]] inzwischen nannte, war es ruhig. Erstaunlich ruhig. Im Tempel nutzten wir die Zeit um uns auf das Schlimmste vorzubereiten. Keiner von uns glaubte, dass es so ruhig bleiben würde, viel mehr handelte es sich dabei wohl um die berühmte Ruhe vor dem Sturm. Noch ließ der Sturm jedoch auf sich warten.
+
Da trat mein Bruder zu uns an das Bett heran und grüßte mit einem Nicken: „Mutter.
  
In Schwarztannen gewöhnten wir uns an das wiederholte Läuten. Inzwischen war es so alltäglich, wie der Aufgang der Praiosscheibe. Das Leben ging weiter und doch verharrte es auf eine gewisse Art und Weise, zwar war ein Angriff auf die Stadt recht unwahrscheinlich, aber konnte man sich dessen sicher sein? Ein jeder harrte der Dinge die da kamen. Und sie kamen.
+
Die Sterbende schaute ihn lange an. Sehr lange. Schwer atmete sie. „Du warst ... schon lange ... nicht mehr hier. Drego.
  
Anfang Phex ging das Gerücht in Schwarztannen um, dass [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] den Baronsreif an einen bis jetzt gänzlich unbekannten Ritter verliehen habe, der denselben Namen trage. Die [[Garetien:Familie Schwarztannen|Familie Schwarztannen]] war außer sich, schließlich hatten sie fest damit gerechnet, dass die Baronie in den Händen ihrer Familie bleiben würde. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich, dass die Schwarztannener ernsthaft überlegten, das Tor [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfensteins]] geschlossen zu halten und so den neuen Baron dazu zu zwingen sich nehmen zu müssen, was den angeblich seines sein solle. Weitere Gerüchte gingen um, die sich später als wahr herausstellen sollten: Noch bevor [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] auch nur einen Fuß nach [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] gesetzt hatte, hatte er [[Garetien:Xerber von Cronenfurt|Xerber von Cronenfurt]] mit [[Garetien:Junkertum Baringen|Baringen]] und [[Garetien:Rondrara von Treleneck|Rondrara von Treleneck]] mit [[Garetien:Herrschaftlich Esenfeld|Esenfeld]] belehnt. Beide Güter waren zuvor in der Hand der Familie Schwarztannen gewesen. Es rumorte gewaltig in Scharfenstein. Und als er dann Mitte Phex in Schwarztannen eintraf, der neue Baron, blieb das Tor Scharfensteins geschlossen. Die Praios-Kirche hatte einen erheblichen Anteil daran, dass es nicht so blieb. Hochwürden aus Schwarztannen war ein harter Mann, er zwang die Schwarztannener in die Knie. So hieß es zumindest später. Doch wer konnte schon in diesen Zeiten sagen, was Wahrheit war und was nicht?
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Er nickte, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an das Bett. Hilfesuchend blickte er mich an. Doch da lag ja auch meine Mutter im Sterben und so zuckte ich nur mit den Schultern. Ich konnte ihm nicht helfen. Seinen Frieden musste er mit ihr schon alleine machen.
  
Als Ende Phex dann erneut der Klang der Glocke über Schwarztannen hinweg hallte, war ich gerade dabei einen der Kranken in dem kleinen Spital in unserem Tempel zu versorgen. An den Klang hatte ich mich inzwischen gewöhnt und so glaubte ich, dass es nur wieder eine dieser vermeintlichen Warnungen sei, wie es sie beinahe täglich gegeben hatte. Als [[Garetien:Baldur von Immenhort|Hochwürden]] jedoch zu mir kam, da wusste ich, dass dem nicht so war.
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„Ja“, erwiderte er lediglich.
  
„Hinter [[Garetien:Markt Tannhus|Tannhus]] ist etwas vorgefallen“, raunte er mir leise zu, „Du wirst sofort aufbrechen, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]]. Du wirst Baron Drego begleiten und ihm zur Seite stehen.“
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„Du hättest ... vorbeikommen ... sollen.“
  
So lernte ich ihn kennen, den neuen Baron. Er war ein hochgewachsener Ritter, der in seine neue Rolle noch nicht recht hineinpasste. Er kam auch nicht allein. Unter seinen Begleitern waren die Ritter [[Garetien:Albur von Nordingen|Albur von Nordingen]], [[Garetien:Fael ui Rian|Fael ui Rían]] und [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]], sowie die Knappen [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun von Erlenfall]], [[Garetien:Elene von Immenhort|Elene von Immenhort]], [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Jast Helmbald von Schwippingen]] und der Page [[Garetien:Blasius von Gerbachsroth|Blasius von Gerbachsroth]]. Auch sie lernte ich alle bald darauf kennen.
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„Ich habe es versucht“, wieder suchte sein Blick meinen, „Ihr wolltet mich nicht sehen.
  
== Rauch ==
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„Als es begann ... das Rauschen der ... Schwingen, da ... da dachte ich ... es sei die ... [[Garetien:Ailsa ni Rian|Krähe]], sie lachte kehlig und ein schlimmer Husten begann sie augenblicklich zu schütteln. Ich nahm ihre Hand fester in meine. Sie beruhigte sich. „Doch dann ...“ Zaghaft nickte sie. „... begriff ich.“
'''[[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]], Ende Phex 1043 BF'''
 
  
„Da hinten liegt [[Garetien:Dorf Doriant|Doriant]]“, ich deutete in Richtung des über dem [[Garetien:Tannenwäldchen|Tannenwäldchen]] aufsteigenden Rauches.
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Drego atmete hörbar ein und aus: „Ich bin ein weiteres Mal Vater geworden. Ein kleines, wunderschönes Mädchen hat uns die Herrin Tsa da zum Geschenk gemacht. Bereits im Phex 1045. Sie trägt den Namen [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]].
  
„Dann sind sie schon dort“, schloss [[Garetien:Albur von Nordingen|Albur von Nordingen]], der einst als Hausritter auf [[Garetien:Pfalzgräflicher Hof zur Randersburg|Randersburg]] gedient hatte.
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„Ederlinde also“, wiederholte sie, „Was ihr nur alle ... an diesem Namen ... an diesem Namen habt.
  
Mit trockener Kehle erwiderte ich lediglich: „Ja.
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„Sie ist [[Garetien:Ederlinde von Luring|Graf Dregos Schwester]]“, erwiderte er ihr, „Und ich verehre ihn. Noch immer.“ Bitterkeit schwang bei seinen letzten Worten mit. Ich horchte auf. Schon immer hatte Drego [[Garetien:Drego von Luring|diesen Mann]] verehrte, zu ihm aufgeschaut, doch inzwischen schien da noch etwas anderes zu sein.
  
„Ihnen in den Rücken zu reiten, wäre Irsinn“, meinte [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]], „Die Gefahr ist zu groß, dass sie Verstärkung aus Waldstein erhalten und uns zwischen ihren Fronten aufreiben.“
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„Dass diese ... diese diebische Elster ...“, hob sie an und Dregos Miene verfinstere sich, „... das schafft, was ... dieses [[Garetien:Boriane von Altjachtern|dumme Weib]] ...“ Damit meinte sie Boriane, die sie ebenso wenig leiden konnte wie die Gattin Dregos. „... erst nach [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|mehr]][[Garetien:Jermorane von Altjachtern|facher]] ... Schande ... geschafft hat.“ Fassungslos schüttelte sie fast unmerklich ihren Kopf. „Bei den ... Zwölfen!
  
[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] nickte zustimmend: „Was schlagt Ihr vor?
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„Ihr solltet nicht so über Boriane sprechen“, wies ich sie sanftmütig zurecht, nicht nur, dass sie meine Mutter war, sondern sie lag auch im Sterben, „Die Götter haben uns dieses Schicksal auferlegt. Es war nicht Borianes Entscheidung und erst recht keine Absicht.
  
„Wir reiten ihnen entgegen und versuchen schlimmeres zu verhindern“, antwortete die Ritterin, die bis vor kurzem noch im [[Garetien:Reichsforster Grafenbann|Reichsforter Grafenbann]] unter [[Garetien:Nimmgalf von Hirschfurten|Nimmgalf von Hirschfurten]] – den selbstredend jedes Kind kannte – gedient hatte und auf deren Rat Baron Drego großen Wert zu legen schien. „Ihr habt erwähnt, es sei nicht der erste Übergriff, Euer Gnaden?“
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„Und da bist ... bist du dir ... sicher?“ Schwer sog die Sterbende die Luft ein. „Und Drego ...“ Erneut wandte sie sich an meinen Bruder. „Wo ... wo sind denn ... meine [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|En]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|kel]]? Warum sind sie ... nicht hier?“
  
„Ja“, meine Kehle war noch immer trocken, „Das erste Mal haben sie es zu Fuße der [[Garetien:Weidburg|Weidburg]] – zwischen [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]] und dem [[Garetien:Dorf Steinhude|Dorf Steinhude]] - versucht. Wenig später unweit von [[Garetien:Burg Goblau|Goblau]] – zwischen [[Garetien:Dorf Steinhude|Steinhude]] und [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]]. Es ist ihnen jedoch kein einziges Mal gelungen nach Schwarztannen einzufallen. Bis jetzt.“
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„Die Kinder kennen dich doch überhaupt nicht, Mutter“, half ich nun doch meinem Bruder, „Und sind noch viel zu klein, um zu begreifen, was hier vor sich geht. Sie sind auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]. Dort, wo sie hingehören.“
  
Nachdenklick nickte sie ehe sie frage: „Und wie viele waren es?
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„Hm“, machte sie da, ihre Augen fielen ihr langsam zu und ihr Kopf rollte zur von uns abgewandten Seite, „Hm.
  
„Dass kann ich Euch nicht sagen, da ich nicht vor Ort war“, ich zuckte mit den Schultern, „Meine Glaubensschwester [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] war dort und hat mir davon berichtet.“ Und etwas leiser und ein wenig flehend fügte ich hinzu: „Und bitte, bitte sagt nicht immerzu ''Euer Gnaden''. Sagt ''Schwester Lindegard''. Das tun alle hier. Einfach ''Schwester Lindegard'', ja? Mit dem ''Euer Gnaden'' kann ich mich einfach nicht anfreunden...“
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Der Blick Dregos suchte meinen. Ich hielt noch immer die Hand unserer Mutter.
  
Und da war mir als huschte über jedes ihrer Gesichter ein kurzes Lächeln.
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„Ich kann nicht vergessen, was sie über ''Orknäschen'' gesagt hat“, wisperte er ernst, „Nicht einmal zu unserem Traviabund ist sie gekommen. Unsere Kinder hat sie nie besucht, dabei war ihr Weg genauso weit wie meiner. Sagt man nicht, dass der nahende Tod einem die eigenen Fehler vor Augen führt und man bereut?“
  
„Wir sollten uns jetzt aber wirklich eilen“, mischte sich [[Garetien:Fael ui Rian|Fael ui Rían]] ein, der einst Hausritter auf [[Garetien:Hof der Landvögte von Rubreth|Rubreth]] gewesen war.
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„So heißt es“, bestätigte ich, „Doch kein einziges Wort der Reue oder gar eine Entschuldigung wird je über ihre Lippen kommen. Falls du deswegen gekommen bist, Drego, dann bist du vergebens gekommen. Sie wird nicht um Verzeihung bitten. Bei keinem von uns. Bei den Unsterblichen ...“ Ich ließ meinen Blick schweifen. „... wird sie es jedoch gewiss tun. Sie ist eine göttergefällige Frau.
  
Baron Drego nickte schweigend.
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Scharf sog er die Luft ein.
  
„Und..., die Raukenfelserin warf mir einen vielsagenden Blick zu, „... was ist mit Euch, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]?“
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„Verzeih ihr“, bat ich ihn für sie, „Sie ist einfach nur ein Mensch. Ein fehlbarer Mensch. Eine Mutter, die im Sterben liegt und sich nicht mehr wünscht als, dass ihre Kinder an ihrer Seite sind, um sie bei ihrem letzten Atemzug zu begleiten.“ Ich nahm seine Hand und legte sie auf die unserer Mutter. Widerwillen stand in seinen Augen, in seiner gesamten Gestik und Mimik, doch er ließ es geschehen.
  
„Oh, sorgt Euch mal nicht um mich“, wiegelte ich da ab, „Ich werde Euch zu Fuß nachfolgen.“ Die Ritter, [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Knapp]][[Garetien:Elene von Immenhort|e]][[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|n]] und der [[Garetien:Blasius von Gerbachsroth|Page]] waren allesamt beritten. „Reitet nur voran, tut Eure Pflicht, ich werde anschließend die meine tun, nachdem ihr Eure tatet...
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So verging die Nacht. Mal hielt er die Hand unserer Mutter, mal ich. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] und Boriane und auch unser [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] schauten immer wieder vorbei. Es war still. Erstaunlich still. Niemanden war so recht nach reden. Abwechselnd dösten mein Bruder und ich. An richtigen Schlaf war nicht zu denken.
  
Daraufhin ritten sie davon.
+
Mutter erwacht nicht mehr. Zumindest nicht mehr richtig. Gelegentlich redete sie unverständliches, wirres Zeug. Mitten in der Nacht, draußen war es stockfinster, nur eine kleine Kerze spendete Licht, schreckte ich hoch. Ein scharfes Geräusch hatte mich geweckt. Ich blickte zu den beiden hinüber. Sah, wie meine Mutter Drego am Kragen gepackt hatte. Mit aller Kraft hielt sie ihn fest. Ihre Knöchel traten noch weißer hervor. Mit gestürzten Lippen blickte sie ihn streng an. Drego war wie erstarrt.
  
== Verloren ==
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Und mit unheimlicher, nahezu körperloser Stimme sprach sie: „''Kein Kind aus deinem Blut wird je den Baronsreif tragen, ohne dass sein junges Leben nicht sinnlos verlischt.''
'''[[Garetien:Dorf Doriant|Dorf Doriant]], Ende Phex 1043 BF'''
 
  
Doriant war verloren. Daran konnten auch [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] und seine Begleiter einfach nichts mehr ändern. Die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] waren einfach zu viele. Vollkommen unerwartete hatten sie die [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforster]] Truppen erwischt, schienen den rechten Moment abgepasst zu haben und hatten die Gunst der Stunde genutzt. Die Ritter um Drego sicherten noch den Rückzug der Reichsforster Truppen hinter den [[Garetien:Mühlbach in Schwarztannen|Mühlbach]] ab. Vermutlich wäre das nicht notwendig gewesen, aber sie taten es trotzdem, denn die Waldsteiner plünderten lieber Doriant anstatt die Reichsforster zu verfolgen. Ritterlich war das für mich nicht, aber was verstand ich schon von Ritterlichkeit?
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Sie ließ ihn los. Sackte auf das Bett zurück. Und starb. Ein kalter Schauder jagte meinen Rücken hinab. Dregos und mein Blick trafen sich.
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Mit [[Garetien:Gerbald von Luring-Schneitzig|Gerbald von Luring-Schneitzig]] versorgte ich die Verwundeten. Es gab viele. Für einige konnten wir leider nur wenig tun, für manche sogar gar nichts mehr. Wir hatten bereits Tote zu beklagen, unter ihnen [[Garetien:Bolzer von Nadoret |Bolzer von Nadoret]]. Ein einziger Tag hatte genügt, um verheerendes in Schwarztannen anzurichten. Von Waldstein aus waren sie über [[Garetien:Dorf Wegscheide|Wegscheid]] bis nach Doriant eingefallen und hatte vermutlich bereits jetzt mehr geplündert als sie wegschaffen würden können.
+
== Bruder==
 +
<!--Zsfg: Drego und sein älterer Bruder sprechen sich aus.
  
Zusammen mit [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] versuchte Baron Drego mit ihnen zu verhandeln, um einen Abzug der Waldsteiner zu bewirken, doch [[Garetien:Irberod von Leustein|Irberod von Leustein]] und [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]] wollten nicht reden. Sie wollten plündern. Einfach nur plündern. Es genügte ihnen dabei nicht, dass Drego ihnen eine erhebliche Kriegsbeute anbot, sollten sie wieder abziehen. Vielleicht ließen sie sich nicht darauf ein, weil sie sehr wohl wussten, dass man ihnen hier in Schwarztannen nicht viel entgegensetzten konnte. Ob sie hofften mehr durch das Plündern zu erbeuten als durch Verhandlungen? Es hatte etwas mit dem Schiedsspruch zu tun, so sagte man mir.
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
[[Garetien:Fael ui Rian|Fael ui Rían]] und [[Garetien:Albur von Nordingen|Albur von Nordingen]] sprachen unterdessen mit jenen, die bei dem verhängnisvollen Aufeinandertreffen mit dabei gewesen waren. Dass sie tapfer gekämpft hatten, war auch für mich offensichtlich, aber dennoch muss es für sie niederschmetternd gewesen sein. All ihre Mühe hatte sich nicht ausgezahlt. Sie hatten verloren. Die Erkenntnis war bitter genug, noch bitterer war jedoch, dass es sehr wahrscheinlich nicht das letzte Mal sein würde, dass die Reichsforster sich zurückziehen mussten. Die Stimmung war schlecht. Baron Drego hatte alle Mühe seine kläglichen Truppen zusammenzuhalten, er schaffte es nur, weil die Ritter - allen voran die Raukenfelserin - an seiner Seite ihm beistanden. Ohne sie hätten sich die restlichen Reichsforster vermutlich an dieser Stelle zerstreut und die Waldsteiner hätten ohne jegliche Gegenwehr auch noch den Rest Schwarztannens plündern können.
+
Der Tod unserer [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] setzte uns allen zu. Wir lagen uns weinend in den Armen und hielten uns aneinander fest. Auch [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] war da. Selbst er weinte. Und so fühlten sich selbst meine Tränen nicht falsch an, dabei konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint hatte.
  
== Wahrheit ==
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Nachdem wir alle am Bett versammelt waren, bat ich den [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] um Geleit für unsere Mutter. So wie sie es sich gewünscht hatte. Danach bracht [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] Haselnussbrand. Warm und weich rann er meine Kehle hinab und vertrieb das Gefühl der Enge in meiner Brust – vorerst zumindest. Vater öffnete die Fenster. Kühle, feuchte Luft der Efferdnacht drang zu uns hinein.
'''zwischen [[Garetien:Dorf Doriant|Doriant]] und [[Garetien:Dorf Perainewiesen|Perainewiesen]], Ende Phex 1043 BF'''
 
  
„Es ist schön, dass Ihr gekommen seid, Schwester [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]]“, erklärte mir mein Glaubensbruder [[Garetien:Gerbald von Luring-Schneitzig|Gerbald von Luring-Schneitzig]] am späten Abend. Wir hatten getan, was wir hatten tun können, nun mussten wir warten. Abwarten. Ich war zwar müde, aber an Schlaf war nicht zu denken. Mir gingen so viele Dinge durch den Kopf. „Als im Hesinde klar wurde, dass die Waldsteiner kommen werden, da habe ich an Hochwürden Immenhort geschrieben und darum gebeten Euch zu schicken. Und nun seid Ihr hier...“
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„Die Mädchen“, hob die neue Hausherrin an, „werden bittere Tränen um ihre Großmutter weinen.“
  
Er schenkte mir einen freundlichen Blick.
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[[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] nickte bestätigend. Er war ganz blass.
  
„Hat es einen Grund“, hob ich an, „Warum Ihr ausgerechnet nach mir gefragt habt?
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„Sie haben sie so sehr geliebt“, fügte Boriane noch hinzu und rieb sich schniefend über die Augen. Selbst sie, für die Mutter nie auch nur ein einziges freundliches Wort übrig gehabt hatte, war von Trauer und Schmerz erfüllt. Liebevoll legte sie ihren Arm um Moribert und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. So vertraut mit meinem Bruder hatte ich sie noch nie gesehen. „Vielleicht sollten wir eine Kleinigkeit essen“, schlug die Scheupelburgerin vor, „Es war eine lange Nacht und bis zum Morgengrauen wird auch noch die ein oder andere Stunde vergehen.Erneut hauchte sie meinem Bruder einen Kuss auf die Wange, strich ihm nachdenklich über sein Kinn und verschwand. Die Tür ließ sie offen. Wenig darauf konnte man Geklapper und leises Summen aus der Küche hören. Sie hätte auch die Magd wecken können ...
  
Nun lachte er: „Was ich so gehört habe, seid Ihr eine willensstarke, junge Frau zu sein. Zumindest erzählt man sich das von Euch. Ihr habt Hochwürden viel abgerungen und interessanterweise hat er Euch das auch durchgehen lassen. Und wer sollte besser mit dem Elend hier umgehen können als Ihr?
+
„Weißt du eigentlich“, hob da Moribert an und schaute zu dem noch immer sehr blassen Drego hinüber, „wie sehr ich dich beneide, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]? Du hast es weiter gebracht als jeder einzelne von uns.“
  
„Wisst Ihr... wisst Ihr was passiert ist, dass sich die Hebammen und die Peraine-Geweihten in [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] nicht ausstehen können?
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Drego blickte nur zwischen mir und Moribert umher, dann zuckte er mit den Schultern und entgegnete: „Eine Fügung des [[Phex-Kirche|Herrn Phex]], denn mehr als mein Name war es nicht, der den [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]] dazu veranlasst hat, mich mit [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] zu belehnen. Vielleicht dachte auch so mancher bei Hofe, mit mir sei ein leichtes Spiel zu treiben. Gegen die [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteiner]] stand ich alleine.“ Sein Blick schweifte zu mir. „Bis zum heutigen Tag haben sie es nicht mehr gewagt, anzugreifen.“ Er wusste genauso gut wie ich, dass die Angelegenheit nicht so einfach war, aber ich widersprach ihm nicht. „Diese Prüfung der Götter, denn etwas anderes war es nicht, habe ich bestanden.“ Langsam, aber überdeutlich nickte er. „Ich habe mich bewährt und deutlich gemacht, dass man mich ernst nehmen muss – auch wenn das noch nicht jeder wahrhaben will.
  
„Man hat es Euch nicht gesagt?“
+
Moribert nickte.
  
Ich schwieg.
+
„Glaube mir, an vielen Tagen wünsche ich mir, ich hätte mich nie in diese Fehde gestürzt. Die Waldsteiner haben mich angegriffen und auch wenn sie sich bis jetzt ruhig verhalten, so konnte bisher einfach keine endgültige Einigung erzielt werden – auch bis zum heutigen Tag nicht. Sie verhalten sich ruhig, aber wie lange noch?“ Fragend schaute er uns an. „Nach den Waldsteinern waren da die [[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]. Sie trachtete nach meinem Baronsreif und dabei war es ihnen vollkommen gleichgültig, ob sie ihn mit oder ohne meinen Kopf in Händen hielten. Mein [[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]] hätte diesen Irrsinn fast mit ihrem Leben bezahlt. Und meine [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|jüngste Tochter]] ...“ Seine Stimme brach. Betreten schaute er drein. Ich sah ihm deutlich an, dass er kurz davor gestanden hatte, etwa zu offenbaren, worüber er besser geschwiegen hätte. „Oft denke ich darüber nach, wie alles gekommen wären, wenn ich mit ihr einfach in ihre Heimat gegangen wäre ...
  
Der Geweihte seufzte: „Dann ist nun die Zeit der Wahrheit wohl gekommen. Wenn nicht jetzt, wann denn dann? Ich weiß es nicht genau, aber... aber man erzählt sich Folgendes: Hochwürden hatte wohl eine Liason mit Folgen. Über die Frau kann ich Euch nichts berichten. Ich kann Euch auch nicht sagen, wie ernst es den beiden war oder ob es nur das berühmte eine mal gewesen ist. Wie dem auch sei, keiner wusste von ihr. Weiter wusste auch keiner, dass sie ein Kind von ihm erwartete. Es ist noch nicht einmal sicher, ob er selbst von diesem Umstand wusste. Anzunehmen, dass dem nicht so war. Und als die Stunde ihrer Niederkunft kam, da war Eure Lehrmeisterin, die alte Hild, an ihrer Seite. Die Geburt muss wohl sehr schwer und äußerst schwierig gewesen sein. Als das Leben von Mutter und Kind in Gefahr zu geraten drohte, da schickte sie nach einem Peraine-Geweihten. Es kam – das ist nicht schwer zu erraten, die Götter haben einen seltsamen Humor – [[Garetien:Baldur von Immenhort|Baldur von Immenhort]], der damals noch nicht Prätor war, sondern lediglich ein einfacher Geweihter. Doch er kam zu spät. Mutter und Kind waren tot. Sein Kind war tot.“
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„Aber du bist dein eigener Herr“, erwiderte ihm Moribert, „Ich habe, solange ich denken kann, unter dem Zorn und der Wut unserer Mutter gelitten. Von Boriane und unseren [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Kindern]] ganz zu schweigen. Du konntest dich mit deiner Gattin in Schwarztannen verstecken, aber für uns hat es nie ein Entkommen gegeben.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Unsere [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|Erstgeborene]] hat Mutter ausbrennen lassen, weil sie Magie für Madas Fluch hielt. Alle habt ihr nur zugesehen, aber keiner hat unsere Mädchen beigestanden. Unsere [[Garetien:Jermorane von Altjachtern|Zweitgeborene]] wurde an den Namenlosen Tagen geboren und Mutter hat verfügt, sie in die Obhut ihres [[Garetien:Firunian von Altjachtern|Oheim]] im [[Garetien:Ritterherrschaft Gnadenthal|Hüter des Gnadenthals]] zu geben. Wieder habt ihr alle nur zugesehen, aber keiner hat etwas unternommen. Wenig vor ihrem Tod hat sie Jemorane dorthin bringen lassen, obwohl sie noch viel zu jung war, als habe sie geahnt, dass wir das nie ohne sie getan hätten. Unsere [[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Drittgeborene]] soll an den Grafenhof ...“
  
Er machte eine Pause.
+
„Tu das nicht!“, entfuhr es Drego entschieden. Energisch schüttelte er den Kopf. „Das ist kein guter Ort. Glaub mir. Bei all dem, was dir von Mutter angetan wurde, das ist kein guter Ort für deine Tochter. Wirklich nicht.“
  
„Der Immenhorter warf der Hebamme vor, zu lange gewartet zu haben. Er gab ihr die Schuld am Tod seines Kindes. Er glaubte, wenn sie ihn nur früher gerufen hätte, dann hätte er sie retten können, sie und sein Kind. So waren beide gestorben. Die Hebamme jedoch rechtfertigte sich, sie habe alles getan, was sie hatte tun können. Sobald sie gemerkt habe, dass Mutter und Kind in Lebensgefahr schwebten, habe sie nach einem Geweihten geschickt. Diese Einschätzung teilte auch ihre Schülerin. Doch der Immenhorter beharrte darauf, dass die Hebamme sich schuldig gemacht habe, weil sie zu lange gewartet hatte. Erst wandte er sich an die Stadtwache, dann an den Praios-Tempel zu Schwarztannen. Passiert ist nichts. Die Hebamme und ihre Schülerin mussten zwar wieder und wieder ihre Aussage vor Zeugen wiederholen, aber Beweise, dass sie einen Fehler begangen hatte, gab es keine und es fanden sich auch keine, ja nicht einmal die Praios-Kirche hat welche gefunden und das soll etwas heißen! Es war – so bedauerlich es auch klingt – ein schreckliches Unglück. Wir alle wissen, dass eine Geburt tödlich enden kann, vor allem dann, wenn das Kind nicht günstig liegt...
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„Was willst du damit sagen?“, wollte ich da nun wissen, „Du bringst schwere Anschuldigungen vor! Ich hoffe, du hast dir deine Worte wohlüberlegt!“
  
„Dann war es eine Steißgeburt?
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„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er da an, „Mir ist klar, was ich da sage und ich habe gute Gründe, warum ich es sage. Doch kann ich nichts Genaueres sagen. Ihr müsst mir vertrauen. Bei allem, was passiert ist, ist mir doch eines klar geworden: Meine Familie ist das Wichtigste für mich. Ich würde sie in Gefahr bringen. Ich würde euch in Gefahr bringen. Jeder, der mehr weiß, ist in Gefahr. Und außerdem ...“ Er musterte mich eindringlich. „... dürftest du darüber nicht einfach hinwegsehen, Gerlinde.
  
„Nein, es soll eine Sternguckerin gewesen sein“, erwiderte er, „So wie auch Ihr.“ Nun zuckte er mit den Schultern. „Schon seltsam, oder nicht?
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„Dann muss ich es erst recht erfahren“, energisch nickte ich, „Also sprich, Bruder, sprich.“
  
Ich konnte nichts darauf erwidern. In meinem Kopf waren so viele Gedanken und alles ging durcheinander, doch recht hatte er: Es waren ungewöhnlich viele Sterngucker oder war es vielleicht nur ein Zufall? Ein merkwürdiger Zufall?
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Doch Drego schüttelte seinen Kopf: „Nein, nein und noch einmal nein. Und ganz gleich wie sehr du mir zusetzt, ich werde nicht reden. Mehr als einen Verdacht habe ich nicht, Gerlinde. Einen begründeten Verdacht, aber ...“ Er hielt inne. Ich straffte mich und schenkte ihm einen scharfen Blick. „... das reicht nicht. Mir ist das klar. Außerdem ist das nicht deine Angelegenheit. Das ist eine Angelegenheit des Reichsforstes und nicht einer der Waldsteiner.“
  
„Wann... wann war das?
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„Ich diene der Himmlichen Leuin und ...“
  
„Das muss, denke ich, wenige Monde vor Eurer Geburt gewesen sein“, er zuckte etwas verunsichert mit den Schultern, „Es ist schon lange her. Und vermutlich, ja vermutlich hat er sich stets wie ein Vater um Euch gekümmert, weil er immer in Euch sein Mädchen gesehen hat, jenes Kind, das er noch heute glaubt retten hätte zu können.“
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„Ja, Gerlinde“, erwiderte er mir da, „Mutter wurde nie müde das zu betonen. Niemals.“
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Einen Moment hielt er inne: „Ja, das ist sie, die Geschichte. Und wenn ich ehrlich bin, ich kann Hochwürden ja verstehen, es ist einfacher die Schuld für den Tod des eigenen Kindes bei jemand anderem zu suchen. Ein Kind zu verlieren ist schon schwer genug, doch wenn man wenn selbst auch einen Teil der Schuld trägt? Es scheint zu viel Zeit vergangen zu sein, zwischen jenem Moment, da die Hebamme nach dem Geweihten schickte und dessen eintreffen. Doch wo ist diese Zeit geblieben?“ Er zuckte mit den Schultern. „Bis zum heutigen Tag gibt es darauf keine Antwort, als hätte Satinav die Zeit schneller vergehen lassen, als habe jemand nicht gewollt, dass Mutter und Tochter überleben...
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== Nichte ==
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<!--Zsfg: Alrike Herdane wird Pagin bei ihrem Oheim, Baron Drego.
  
Ich nickte nachdenklich: „Und ich habe mir sie ausgerechnet als Lehrmeisterin ausgesucht.“
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[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
„Ja“, er lachte, „Wie ich bereits sagte, die Götter scheinen einen gar seltsamen Humor zu haben.
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[[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Alrike Herdane]] und ihre kleine Schwester [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Ederlinde]] weinten unablässig. Träne um Träne kullerte von den Wangen der beiden Mädchen hinab, als wir [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] auf dem Boronanger beisetzte. Ich sprach den Grabsegen, so wie es ihr Wunsch gewesen war. Die Praiosscheibe stand am wolkenfreien Horizont. Dieser Tag war schön. Viel zu schön.
  
== Verstärkung ==
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Noch am selben Tag brach ich mit meinem Bruder gen [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] auf. Die drittgeborene Tochter unseres ältesten Bruders, Alrike Herdane, ritt mit uns. Ohne eine Regung war sie auf Anweisung ihres Vaters mitgekommen. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] hatte ihm versichert, dass [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] es ihm sicher nicht übel nähme, wenn er seine Tochter erst einmal zu seinem Bruder an den Hof gäbe. Noch sei das Mädchen jung, hatte er erklärt, noch könne man gut begründen, dass es besser für sie war innerhalb der Familie Pagin zu sein. Drego war ungewöhnlich unbeugsam gewesen und von einer noch ungewöhnlicheren Entschlossenheit erfüllt. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] widersprach nicht. Er war gewohnt, zu folgen. [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] hatte bitterlich geweint, ihre Tochter geherzt und geküsst. Alrika Herdane war teilnahmslos geblieben.
'''zwischen [[Garetien:Dorf Doriant|Doriant]] und [[Garetien:Dorf Perainewiesen|Perainewiesen]], Ende Phex 1043 BF'''
 
  
„Wir hatten Zeit uns vorzubereiten“, erklärte [[Garetien:Gerbald von Luring-Schneitzig|Gerbald von Luring-Schneitzig]] am nächsten Morgen der [[Garetien:Albur von Nordingen|kleinen]] [[Garetien:Fael ui Rian|Runde]] um den Baron, zu der man mich – warum auch immer – auch dazugebeten hatte, „Seit Hesinde lauerten die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] an der Grafschaftsgrenze und warteten nur auf die nächst beste Gelegenheit um in Schwarztannen einzufallen. Die Zeit, wir haben sie gut genutzt. Wir haben das Wertvollste und Wichtigste gut versteckt. Wir werden auch gut über den nächsten Winter kommen, zumal sie die Felder bisher verschont haben. Die Waldsteiner werden dennoch reiche Beute machen. Es soll uns hier in [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] schließlich niemand nachsagen, wir seien arm...“
+
„Ganz sicher wird es dir in Scharfenstein gefallen“, erklärte mein Bruder unsere Nichte auf dem Weg nach Scharfenstein, „Es gibt dort viele Kinder, darunter auch meine Pagen. Außerdem natürlich meine eigenen Kinder: Du wirst [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Drego]], [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Lechmin]] und [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]] kennenlernen. Und mein ''[[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]]''.“ Er seufzte. „Meine Frau.“
  
Er hielt einen Moment inne und musterte ein jeden von uns aufmerksam.
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„Die diebische Elster?“, entfuhr es dem Kind da.
  
„Meine werte Gattin, [[Garetien:Hardane von Doriant|Hardane von Doriant]], hat wohl ihren Wehrhof geopfert. Ich denke nicht, dass sie das ganz freiwillig getan hat, aber...“, er hielt einen Moment inne, .. irgendwo müssen die Waldsteiner nun mal ein, wenn auch nur temporäres Quartier beziehen. Damit hat sie uns auch etwas Zeit verschafft, da dort im Augenblick – so vermute ich zumindest – auch Waldsteiner gebunden sind.“
+
Dregos Miene verfinsterte sich: „Das ist deine Großmutter, die da aus dir spricht.“ Er hielt inne. „Niemand, der mein ''Orknäschen'' kennt, kann so über sie reden. Gar niemand. Auch du wirst so nie wieder von ihr reden. Nie! Hast du das verstanden?
  
Wieder kehrte Stille ein.
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Betreten blickte das Mädchen zu Boden und nickte.
  
„Wann erwartet Ihr Verstärkung?, wollte der Peraine-Geweihte wissen.
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„Anstatt die Worte einer alten Frau nachzuplappern, solltest du dir lieber selbst ein Bild machen. Irgendwann wirst du begreifen, wessen Worten zu trauen ist und wessen nicht.“ Er hielt inne. „Aufrichtige und Ehrbare sind selten.
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Keiner antwortete ihm. Alle schauten ihn nur an.
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= Fische im Netz =
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== Bedenkzeit ==
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[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
  
„Ihr erwartet doch Verstärkung, nicht wahr?“, hakte er erneut nach.
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[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
  
Noch immer schwieg [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]]. Es war [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] die dem Geweihten an seiner statt antwortete: „Es ist keine zu erwarten. [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] wird uns niemanden schicken, ganz einfach weil er keine verfügbaren Truppen mehr hat. Alle sind in Kämpfen gebunden: Die meisten gegen die [[Garetien:Kaisermark Gareth|Kaisermark]], weitere gegen [[Garetien:Grafschaft Hartsteen|Hartsteen]] und der klägliche Rest muss sich um Waldstein und [[Garetien:Grafschaft Eslamsgrund|Eslamsgrund]] kümmern. Wir hier sind aber der klägliche Rest, die einzigen, die abkömmlich waren. Und die meisten von uns sind nicht etwa auf Geheiß des Grafen hier, sondern auf Bitten des Barons. Mehr jedoch wird es nicht geben. Wir müssen mit den Männern und Frauen zurecht kommen, die wir jetzt haben.“
+
= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
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== Einhornfrau ==
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'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''
  
„Dann steht es schlecht um Schwarztannen“, schloss der Geweihte bitter, „Sehr schlecht. Zumal davon auszugehen ist, dass die Waldsteiner demnächst Verstärkung erwarten.“ Er schluckte schwer. „Es ist nicht, dass ich das sicher wüsste, aber es ist nun mal anzunehmen.“ Nun zuckte hilflos mit den Schultern. „Sie werden euch vor sich durch Schwarztannen treiben“, prophezeite er, „und ihr werdet ihnen kaum etwas entgegensetzten können...“ Und an mich gewandt sagte er: „Ihr solltet wieder nach [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] gehen, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]], das hier ist nichts für einen so jungen und unschuldigen Geist wie den Euren.“
+
(...)
  
„Mein Platz ist hier“, erwiderte ich mit etwas zu zarter Stimme, „An der Seite des Barons. Hier werde ich gebraucht. Hier werde ich bleiben.“
+
= [[Der Raller treu — Briefspielreihe|Der Raller treu]] =
  
== Scheitern ==
+
== Verschwunden ==
'''[[Garetien:Junkertum Baringen|Baringen]], Anfang Peraine 1043 BF'''
+
'''[[Garetien:Markt Rallingen|Markt Rallingen]], im Travia 1044 BF'''
  
Um nach [[Garetien:Dorf Salzkotten|Salzkotten]] zu kommen mussten die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] über eine Brücke, darunter floss der [[Garetien:Mühlbach in Schwarztannen|Mühlbach]] entlang, der genug Wasser führt um eine Mühle anzutreiben und so eine Durchquerung zu Fuß oder zu Pferd zwar nicht unmöglich war, aber eben mühsamer. Hier wollte man die Waldsteiner in die Falle locken. Wenn es irgendwo gelingen könnte, dann hier an dieser Engstelle. Es gelang nicht. Es lag nicht an dem Umstand, dass diese Stelle nicht geeignete gewesen war oder der Plan nicht wirklich durchdacht, es lag an der bloßen Unterzahl der [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforster]] oder viel eher an der Überzahl der Waldsteiner. Der Versuch war gescheitert. Und wieder floh wir. Dieses Mal zogen wir uns bis nach Baringen zurück.
+
= [[Zeit zu sterben — Briefspielreihe|Zeit zu sterben]] =
  
Zusammen mit [[Garetien:Gerbald von Luring-Schneitzig|Gerbald von Luring-Schneitzig]] versorgte ich die Verwundeten. Inzwischen gab es keinen einzigen unverletzten mehr unter uns. Die Stimmung war wieder einmal äußerst schlecht. Erst spät in der Nacht, war auch die letzte Wunde verbunden, da sah ich den Baron, wie er in die Sterne blickte.
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Prolog|Prolog]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
„Was soll ich tun, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]?“, wollte er schulterzuckend wissen, „Kämpfe ich um [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]], lasse ich meine Männer und Frauen sinnlos sterben, denn schlagen können wir die Waldsteiner nicht. Tue ich es nicht, fällt alles den Waldsteinern in die Hände. Ganz gleich was ich tue, es ist immer falsch...“ Er seufzte schwer. „Ich kann ihnen Schwarztannen einfach nicht so überlassen, aber mehr als es ihnen schwerer machen kann ich auch nicht.“ Wieder zuckte er mit den Schultern. „Ich habe mir das alles anders vorgestellt...
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Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.
  
„Ja“, erwiderte ich da, „Das geht uns wohl allen so. Ich habe mir das auch anders vorgestellt, das könnt Ihr mir glauben, aber...“ Ich stockte. „Auch wenn es mir im Augenblick schwer fällt, aber so vertraue ich darauf, dass meine [[Peraine-Kirche|Herrin]] einen guten Grund hatte, ausgerechnet mich an Eure Seite zu stellen.
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Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|mich]] an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Frau]] auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.
  
„Ihr seid eine gute Heilkundige“, erwiderte er, „Was könnte in unserer derzeitigen Situation nützlicher sein?“
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So war er, mein [[Boron-Kirche|Herr]], Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach [[Greifenfurt:Burg Haselbusch|Hause]]...
  
„Mag sein, Hochgeboren, aber meine [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Schwester Perainidane]] ist auch eine gute Heilkundige und im [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel]] in [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] gibt es noch weitere. Trotzdem bin ich an Eurer Seite und nicht meine Schwester oder ein anderer Geweihter, neben Euer Gnaden Luring-Schneitzig selbstredend. Vielleicht werde ich irgendwann begreifen, was sich meine Herrin dabei gedacht hat. Und gewiss, ja gewiss gibt es auch einen guten Grund, warum die Götter Euch genau diese Aufgabe zugedacht haben.“
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Wiedersehen|Wiedersehen]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
„Damit ich das Scheitern lerne?“, entgegnete er mir voller Zynismus.
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Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?
  
Ein Lächeln legte sich unweigerlich über meine Lippen: „Vielleicht? Vielleicht seid Ihr aber auch der Einzige, dem die Götter genau das zugetraut haben?“ Ungläubig blickte er mich an. „Bedenkt: Wie viele hätten bereits aufgegeben, aufgrund der Aussichtslosigkeit dieser Auseinandersetzung? Offensichtlich sind die Waldsteiner uns zahlenmäßig überlegen und mangels Verstärkung auf unserer Seite wird das gewiss auch so bleiben.“ Nun nickte er zaghaft. „Die Götter haben sich etwas dabei gedacht, Euch an diese Stelle zu setzten. [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] hat sich etwas dabei gedacht. Ihr seid keiner dieser Emporkömmlinge, die sich nach Ruhm und Ehre sehnen und nur auf die nächst beste Gelegenheit warten um sich zu profilieren. Ihr seid ein aufrechter Ritter, der den seinen loyal und treu ergeben ist. Für Euch zählt die Sache und die Sache ist, dass es Unrecht ist was die Waldsteiner da tun. Freilich verstehe ich recht wenig von dem, was eine Fehde ausmacht und wer sie führt, aber warum solltet Ihr und Eure Untertanen für das bezahlen, was zwischen den [[Garetien:Haus Luring|Häusern Luring]] und [[Garetien:Haus Hartsteen|Hartsteen]] passiert ist?“ Einen Moment hielt ich inne. Auch der Baron schwieg. „Ihr, Hochgeboren, seid hier, weil Ihr genau hier gebraucht werdet und weil Ihr vermutlich der einzige seid, der angesichts der aussichtslosen Lage noch immer erbittert weiterkämpft: Gebt nicht auf, Hochgeboren, die Götter stehen Euch bei.
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„Dela?, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]]?“
  
Und [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachern]] gab nicht auf. Er versucht immer wieder mit den Waldsteinern zu verhandeln, auch wenn die nicht wollten. Meine Worte hatten also getan, was ich gehofft hatte. Und was hätte ich ihm auch anderes sagen sollen? Die Wahrheit etwa?
+
Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.
  
== Prüfung ==
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„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“
'''[[Garetien:Dorf Erlenfall|Erlenfall]], Ende Peraine 1043 BF'''
 
  
„Wir ziehen uns nach Erlenfall zurück“, hatte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] schlussendlich beschlossen. Wieder einmal hatten die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] uns [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforster]] vor sich hergetrieben. Wieder einmal war die Lage aussichtslos. Wieder einmal zog man sich nach heftigen Gefechten zurück. Dieses Mal bis nach Erlenfall. Wieder einmal versorgte [[Garetien:Gerbald von Luring-Schneitzig|Gerbald von Luring-Schneitzig]] und [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|ich]] die Verwundeten. Die Stimmung war am Tiefpunkt. Dass die Reichsforster sich nicht zerstreuten lag dieses Mal nur an einem: Baron Drego.
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Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]].“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.
  
„Das hier ist keine Strafe der Götter, es ist eine Prüfung“, verkündete er jedem, ganz gleich ob er es hören wollte oder nicht, „Und wir, wir müssen nichts weiter tun als durchhalten. Ich weiß, das es nicht so leicht ist, wie es klingt, doch wir werden belohnt werden. Wenn die Götter sehen, dass wir im Angesicht der Übermacht nicht verzagen, ganz so wie die Heilige Thalionmel nicht verzagte, dann werden sie uns nicht nur beistehen sondern uns auch ihre Gunst gewähren und wir werden die Waldsteiner in ihre Schranken weisen und sie endgültig nach Hause schicken.
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„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.
  
Doch die Heilige Thalionmel war bei ihrem Vorhaben gestorben. Sicher war es ein ehrbarer Tod gewesen, einer der einer Rondra-Heiligen gut zu Gesicht stand, doch die meisten von Dregos Gefolgsleuten hingen nun eben an ihrem Leben. Abgesehen davon hatte die Heilige gegen eine Übermacht an Novadis gekämpft, die bekanntlich nicht an die zwölf Götter glaubten. Unserer Gegner waren jedoch Waldsteiner, bei denen sehr wohl anzunehmen war, dass auch sie sich auf die Zwölfe beriefen und die damit sehr wahrscheinlich auch diese ganzen Plündereien rechtfertigten. Wem sollten die Götter also die Gunst schenken? Im Augenblick sah alles danach aus, als stünden sie auf der Seite der Waldsteiner. Ganz abgesehen davon, dass noch immer kein Geweihter der Herrin Rondra unter uns weilte.
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„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem [[Boron-Kirche|Herrn]]...
  
Seine Gefolgsleute glaubten dem Baron jedoch, vielleicht glaubten sie ihm alleine deswegen, weil sie ihm glauben wollten, weil sie glauben wollte, dass diese ganze Misere gut für uns Reichsforster endete. Wahrscheinlich war das jedoch nicht. Doch eines war gewiss: Würde es noch einmal zu solch einem fatalen Aufeinandertreffen mit den Waldsteinern kommen, dann konnte nur noch ein Wunder helfen...
+
„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, ... jemand von uns sterben wird?“
  
== Wiedersehen ==
+
Ich nickte.
'''[[Garetien:Dorf Erlenfall|Erlenfall]], Rahja 1043 BF'''
 
  
Inzwischen war es erstaunlich ruhig geworden. Es hatte keine richtige Auseinandersetzung mehr mit den [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteinern]] seit jenem verhängnisvollem Aufeinandertreffen in [[Garetien:Junkertum Baringen|Baringen]] Ende Peraine gegeben. Doch ungewiss war, ob das auch so bleiben würde. Und noch ungewisser war, was diese Ruhe ausgelöst hatte. Hatten die Waldsteiner etwas genug geplündert? Oder war etwas anderes geschehen? War es vielleicht auch nur die Ruhe vor dem Sturm? Die Ruhe war Fluch und Segen zugleich. Auf der einen Seite konnten sich unsere Verwundeten erholen, auf der anderen Seite machte die Ruhe alle nervös. Ein jeder wartete auf den nächsten Schlag der Waldsteiner, doch er kam nicht.
+
== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Erinnerung|Erinnerung]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] und seine Liebste, die Reichsritterin [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]] trafen sich etwas abseits von unserem Lager. Das war sie also, die zukünftige Baronin. [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Ich]] sah sie zwar nur von Weitem, aber ich sah, dass er ihr sehr zugetan war. Sie erschien mir etwas zu kühl und zu nüchtern, was vermutlich der angespannten Situation geschuldet war. Sie wechselten ein paar wenige Worte, die keiner aus ihnen selbst hörte, sie waren allein. Dann ritt die Reichsritterin auf ihrem Grauschimmel zurück an die Grenze zwischen Erlenfall und Waldstein. Dort war ihr Platz. Dort hatte ihr Liebster sie hingeschickt. Sie sollte zusammen mit [[Garetien:Kordara von Dachshag|Kordara von Dachshag]], [[Garetien:Raulbrin Reto von Schwarztannen|Raulbrin von Schwarztannen]] und [[Garetien:Eilein ni Rian|Eilein ni Rían]] und verhindern, dass die Waldsteiner auch noch über Erlenfall nach [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] einfielen, bisher war ihnen das gut gelungen.
+
[[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“
  
So kurz dieses Wiedersehen auch gewesen war, so sehr hatte es Drego bestärkt. War er zuvor zuversichtlich gewesen, die Waldsteiner nach Hause zu schicken, war er jetzt sicher, dass diese Prüfung der Götter ein gutes Ende für uns [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforster]] haben würde. Und diese Selbstsicherheit färbte auch auf seine Gefolgsleute ab.
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„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein [[Boron-Kirche|Herr]] war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...
  
== Dregos Kopf ==
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„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die [[Greifenfurt:Burg Haselburg|Haselburg]] gehen. Ich würde gerne sagen, dass [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] sich freuen wird, dich zu sehen, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]], aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...
'''[[Garetien:Junkertum Erlenfall|Erlenfall]], 18. Rondra 1044 BF'''
 
Zsf: Baron Drego bietet Hermine von Alka ein Duell um Schwarztannen an und sie nimmt endlich an.
 
  
„Er bietet den [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteinern]] seinen Kopf“, erklärte [[Garetien:Fael ui Rian|Fael ui Rían]] und war dabei seltsam ruhig. Seinen Blick hatte der Ritter auf die sich vor ihm bietende Szene der Verhandlungen zwischen den Waldsteinern und den [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforstern]] gerichtet. Auf Seite der Reichsforster nahmen neben [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]], seine treue Beraterin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] und seine Knappin [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun von Erlenfall]] teil, auf der der Waldsteiner war es [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]] und ihre Getreuen [[Garetien:Alrike von Breitenbach|Alrike von Breitenbach]] und [[Garetien:Alrik Raul von Hohentann|Alrik Raul von Hohentann]].
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Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...
  
„Ich...“, erwiderte ich etwas verwirrt, „Ich glaube, ich versteh nicht. Er tut... hm... was?
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„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Schwester]] nach dem Tod eures [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|Vaters]] auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. ... danach hat uns [[Tsa-Kirche|Tsa]] diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“
  
„Er versucht die Alka bei der Ehre zu packen“, erklärte [[Garetien:Albur von Nordingen|Albur von Nordingen]], „Bei dem alten [[Garetien:Irberod von Leustein|Leusteiner]] hätte er da wenig Erfolg gehabt, der ist einfach zu erfahren und abgeklärt, doch bei der Alka?“ Ein vielversprechendes Lächeln umspielte seine Lippen. „Seit dem der Alte ihr den größten Teil seiner Truppen anvertraut hat, hat Drego sie zumindest schon mal dazu gebracht mit ihm zu verhandeln. Gut, bisher war er dabei wenig erfolgreich gewesen, aber wenn er diesem hitzigen Persönchen lange genug ihre ritterliche Ehre um die Ohren haut, dann wird sie irgendwann einfach nicht mehr anders können...
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„Bist du traurig darüber?“
  
„Und dann?“, wollte ich weiter wissen, „Was passiert, wenn sie nicht mehr anders kann?“
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„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.
  
„Dann wird es ein rondragefälliges Duell geben, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]“, seufzte der Rían schwer.
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„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“
  
„Und Baron Drego gewinnt, richtig?“
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Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.
  
„Entweder das oder... oder das war es“, der Nordinger nickte, „Die Seite, die verliert, wird [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] verlassen. Sofort.
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Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es [[Greifenfurt:Lechdan von Haselbusch|Lechdan]]? Wird er sterben?
  
„Und wo… wo wird Drego seine Truppen hinführen, sollte er… sollte er verlieren? Nach [[Garetien:Gräflich Luring|Gräflich Luring]]?
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Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.
  
„Nirgendwo“, meinte Fael schlicht, „Es wird ein Duell auf‘s dritte Blut. Entweder Drego siegt oder… oder er verliert alles.
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Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...
  
„Ist er...“, ich schluckte schwer, „... ist er denn ein guter Kämpfer?“
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Mutter|Mutter]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
Betreten schauten die beiden Ritter drein, vermieden es jedoch mich direkt anzuschauen und blickte stattdessen lieber auf die Szene zwischen der Alka und Drego.
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„Wie geht es...“, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner [[Greifenfurt:Korgunde von Korbronn|Mutter]]?“
  
„Er... er kann sie doch besiegen, nicht wahr?
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Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“
  
„Er ist gut“, meinte Albur von Nordingen da über seinen besten Freund, „Aber die Alka ist... ich muss es wohl einfach so sagen... besser.“
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„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im [[Greifenfurt:Kloster Rabenhorst|Kloster]]?
  
„Aber... aber... aber warum tut er es denn dann? Warum lässt er sich darauf ein, wenn er sie doch nicht schlagen kann?“ Meine Stimme klang schrill, selbst in meinen Ohren. Meine Heimat in den Händen der Waldsteiner? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen und das wollte ich mir nicht vorstellen. „Das ist doch… doch Wahnsinn!
+
„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“
  
„Weil es doch so nicht weitergehen kann“, Fael wandte seinen Blick mir zu. Seine braunen Augen musterten mich. Sie musterten mich auf eine Art und Weise, dass mir ganz anders wurde. „Wie viele Tote haben wir bereits zu beklagen, Schwester Lindegard?“ Er ließ mir jedoch keine Zeit für eine Antwort. „Zu viele, ohne Frage. Viel zu viele. Schlagen können wir die Truppen der Waldsteiner nicht, sie sind in der Überzahl. Wenn wir weitermachen wie bisher, werden sie ganz Schwarztannen plündern und es werden noch mehr sterben – auf beiden Seiten. Dieser Wahnsinn muss aufhören und der einzige Weg, wie man diese Misere hier beenden kann, ist eben jenes rondragefällige Duell. Sollte Drego gewinnen und das ist durchaus möglich, sofern es die [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]] will und ihm zulächelt, werden die Waldsteiner sofort abziehen und der Baron kann sich mit dem Erfolg rühmen seine Lande erfolgreich gegen eine Überzahl verteidigt zu haben, sollte er verlieren, dann werden wir abziehen und mit dem Tod Dregos verlischt auch sein Anspruch auf den Baronsreif. Ganz gleich wie es ausgehen wird, es wird hier in Schwarztannen erst einmal keine weiteren Tot in dieser elendigen Fehde mehr geben. Welch größeres Opfer könnte ein Baron für seine Untertanen brin...?
+
„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“
  
„Gut“, dröhnte die aufgebrachte Stimme der Alka zu uns herüber, „Dann soll es so sein! Morgen zur Mittagsstunde werden wir der Herrin Rondra zum Wohlgefallen unser Duell bestreiten!
+
„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...
  
== Entscheidung ==
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„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“
'''[[Garetien:Dorf Erlenfall|Erlenfall]], 19. Rondra 1044 BF'''
 
Zsf: Endlich stößt eine Rondra-Geweihte zu den Reichsforstern und jeder glaubt zu wissen, warum.
 
  
„Wir haben Euch damals im Phex zugesagt, an Eurer Seite zu sein, sollte die Zeit gekommen sein“, verkündete die [[Rondra-Kirche|Rondra]]-Geweihte [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rían]] mit fester Stimme, „Nun ist es so weit: Die Zeit ist gekommen.“
+
Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|meinem Vater]] zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Daria]] konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“
  
„Dann ist es wohl entschieden“, erwiderte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] ausdruckslos und bekräftigte seine Worte mit einem Nicken.
+
„Ach, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]]“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.
  
Die Geweihte schaute ihn mit festem Blick an und nickte geradezu quälend langsam. Am Morgen war sie zusammen mit der Novizin [[Garetien:Rondriga von Schack|Rondriga von Schack]] zu uns gestoßen. Mit ihrem Auftauchen hatten die beiden für einiges an Aufregung gesorgt, denn bisher war dem Baron – ganz gleich ob Baron Drego oder [[Garetien:Raulfried Haltreu von Schwarztannen|Baron Raulfried]] – Unterstützung durch einen Geweihten der Sturmherrin oder viel eher durch einen solchen aus dem [[Garetien:Tempel zu Ehren der Heiligen Thalionmel zu Schwarztannen|Rondra-Tempel]] zu [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] versagt geblieben. Für die meisten war diese Entscheidung wohl vor allem eines: falsch. Die Gründe lagen im Dunkeln. Es hatte lediglich geheißen – so viel hatte man sich zumindest in Schwarztannen darüber erzählt – dass die rechte Zeit noch nicht gekommen sei. Es war nicht das erste Mal, dass man solche kryptischen Äußerungen aus diesem Tempel vernahm, er war inzwischen bekannt dafür. Und auch wenn manche den Geweihten dort sogar Feigheit unterstellten, weil sie sich aus dem bisherigen Konflikt herausgehalten hatte, so glaubte ich doch zu wissen, dass dem nicht so war. Gewiss hatten sie einen guten Grund. Ganz sicher hatten sie einen guten Grund. Sie waren Geweihte der Herrin Rondra und wenn sie solch einem Konflikt fern blieben, dann taten sie das gewiss nicht leichten Herzens. Und von der Rían wusste ich, dass sie immer wieder von Visionen ihrer Herrin geplagt wurde. Ein jede von ihnen bezahlte sie mit ihrem Blut. Ich hatte schon das ein oder andere Mal ihre Wunden versorgt...
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„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“
  
„Lasst uns bitte allein“, bat der Baron mit fester Stimme um einen Moment vertraulich mit der Geweihten und deren Novizin sprechen zu können. So ließ man ihn also mit den beiden alleine, auch ich machte mich davon.
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Tessia schaute zu Marbodane auf. Die [[Boron-Kirche|Boron]]-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“
  
[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]?“, erklang da plötzlich die Stimme des Barons, „Euch hätte ich auch gerne an meiner Seite.“
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= Das dritte Kind =
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== Albträume ==
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'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Firun 1045 BF'''
  
Etwas verwundert wandte ich mich um, schaute ihn einen Moment fragend an, nickte dann jedoch und ging die wenigen Schritt zu ihm und den Dienerinnen der Sturmherrin zurück.
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''Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.''
  
Der Ritter sammelte sich einen Moment. Es fiel ihm sichtlich schwer.
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''„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Hofkaplanin]] neben ihm zu.''
  
„Euer Gnaden“, hob der Baron mit leicht zitternder Stimme an, „Wenn ich sterben, dann möchte ich Euch darum bitten, meinen Leichnam zu meiner Familie nach [[Garetien:Familie Altjachtern|Altjachtern]] zu bringen. Es ist nicht so, dass...“ Er stockte einen Moment. ... dass ich nicht überzeugt bin, dass meine Freunde das für mich tun werden, aber [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] braucht jeden einzelnen von ihnen und so ist es mein ausdrücklicher Wunsch, dass sie ihn im Kampf weiter unterstützen, obgleich Schwarztannen dann verloren ist.
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''„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Es]] ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]]. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.''
  
„So die Sturmherrin so entscheidet, will ich Euch diesen Wunsch gewähren“, erwiderte die Geweihte mit fester Stimme und noch festerem Blick, in dem so etwas wie Trauer lag. Ob ihre Herrin in einer ihrer Vision ihr den Ausgang eines möglichen Duell bereits offenbart hatte?
+
''Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“''
  
„Und sagt ihnen bitte...“, der Ritter schluckte sichtlich schwer, „Sagt meiner Familie… meiner werten [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]], meinem werten [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] und meinem lieben [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Bruder]]... dass es mir sehr leid tut. Es ist... Nun, ich... ich habe den höchsten Einsatz gebracht, den man nur hier auf Dere erbringen kann, alles um jene zu schützen, die mir durch den Grafen höchst selbst anvertraut wurden, damit es nicht noch mehr Tote gibt, noch mehr Leid und ich... ich habe verloren.
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''Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...''
  
Da nickte Elerea ni Rían verstehend.
+
{{Trenner Garetien}}
  
„Schwester Lindegard“, wandte er sich nun mir zu, „Euch kommt vielleicht die schwerste aller Aufgaben zu. Euch möchte ich bitten die Nachricht meines Todes meiner Liebste, der Reichsritterin [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]], zu überbringen. Sie ist mein Schwert und mein Schild gegen die Waldsteiner. Erfolgreich hat sie mit ihren Begleitern verhindert, dass sie auch noch über [[Garetien:Junkertum Erlenfall|Erlenfall]] nach Schwarztannen einfallen und uns so zwischen ihren Fronten aufreiben.“ Wieder machte er eine Pause. „Sagt ihr“, nun traten Tränen in seine Augen, die er sich allerdings verbot zu weinen, „dass ich sie sehr liebe. Aus der Tiefe meines Herzens. Alles was ich tat, tat ich für sie, für uns, für unsere Familie. Sagt ihr, dass es mich sehr schmerzt, sie zurücklassen zu müssen, gerade jetzt, jetzt da sie unser Kind unter ihrem Herzen trägt...
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... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Jast]] trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?
  
Nun war ich es, die schwer schlucken musste. Das sie ein Kind erwartete, das hatte ich nicht gewusst.
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„Wo ist ''Orknäschen''?“, wollte er wissen.
  
„Es schmerzt mich sehr, es nicht aufwachsen sehen zu können“, er strich sich nun die Tränen aus den Augen, „Ich freue mich doch so sehr darauf… Ich…“ Er schluckte schwer. „Sie soll auf ihr [[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|Rittergut]] an die Brache zurückkehren und mich... vergessen.“ Das letzte Wort fiel ihm sichtlich schwer. „Ich wünsche ihr sehr, dass sie einen guten Mann findet, der unser Kind annimmt und es durch einen Traviabund mit ihr ehrbar macht. Mir blieb eine Ehe mit ihr verwehrt. Ich wünsche mir, dass sie eines Tages wieder glücklich sein kann. Meine letzten Gedanken werden ihr gelten. Das letzte Wort auf ihren Lippen, wird ihr Name sein…“
+
„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner [[Garetien:Rondrara von Treleneck|Mutter]] bringen lassen, Hochgeboren.
-->
 
== Zweifel ==
 
'''[[Garetien:Dorf Erlenfall|Erlenfall]], 19. Rondra 1044 BF'''
 
<!--Zsf: Die Rondra-Geweihte äußerst Zweifel am Schiedsspruch und überhaupt an der ganzen Fehde.-->
 
  
Der Baron besprach sich noch kurz mit seiner treuen Ratgeberin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]], dann schickte er auch sie weg. Er wollte alleine sein. Alleine mit sich und seinen Gedanken. Ob er über seinen nahenden Tod nachdachte?
+
„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“
  
Ich passte die [[Garetien:Elerea ni Rian|Rían]] ab und fragte sie vertraulich: „Habt Ihr gesehen, wie... wie dieses Duell ausgehen wird?
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„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.“
  
„Die [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]] ist noch unentschieden“, meinte die Geweihte und schenkte mir einen vielsagenden Blick.
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Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach [[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Esenfeld]] zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.
  
Ich war einen Moment verdutzt: „Ich dachte Ihr seid gekommen, weil...
+
„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.
  
„Nun, das scheint Ihr nicht die Einzige zu sein“, entgegnete sie mir, „Jedoch ist es, wie ich es Euch bereits sagte: Die Sturmherrin ist noch unentschieden. Sie scheint selbst noch nicht zu wissen, wem der beiden sie ihre Gunst schenken wird. Sie ist...Die Rían hielt einen Moment inne. „... mir fremd geworden. Seit diesem Schiedsspruch ist sie mir fremd geworden. Sie scheint eine andere zu sein als zuvor. Und ich bin nicht die Einzige, die so empfindet.“ Sie ließ ihren Blick zu der [[Garetien:Rondriga von Schack|Novizin]] gleiten.
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„Welche?
  
„Haltet Ihr Euch deswegen aus dieser ganzen Auseinandersetzung heraus?“, wollte ich wissen, „Weil ihr den Willen Eurer Herrin nicht ergründen könnt?
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Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rian]].
  
Mit traurigen Blick schaute sie mich an: „Das der [[Garetien:Grafschaft Hartsteen|Harsteener]] des [[Garetien:Lechmin von Luring|Grafens Schwester]] mit einer Lanze, die nicht für das Turnier geeignet war, getroffen hat, war vermutlich kein Zufall. Wissen tun wir es jedoch nicht. Er hätte sicherstellen müssen, dass seine Lanzen allesamt auch wirklich geeignet waren und Lechmin hätte besser nicht in die Schranke reiten dürfen. Es war – so schrecklich das auch klingt – eine Tragödie, die nicht hätte passieren dürfen, aber passiert ist.
+
„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem [[Garetien:Tempel zu Ehren der Heiligen Thalionmel zu Schwarztannen|Heimattempel]] in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannens]] geschlossen. Soll ich Euer Gnaden [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]] wecken?
  
„Das solltet Ihr besser nicht so laut sagen...“
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„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“
  
„Die Wahrheit ist oft unangenehm und schmerzhaft, deswegen können wir sie doch aber nicht verschweigen!“, sie strafte mich mit einem harten Blick, „Diese Angelegenheit betrifft aus meiner Sicht in erster Linie jene beiden, die in dieses Unglück involviert sind, dann ihre Familien, nicht jedoch ihre gesamten Grafschaften und all jene, die darin Leben.“
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== Bitte ==
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Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld
  
„Und der Schiedsspruch?“
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{{Brief
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|Adressat=An Euer Hochgeboren [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]], Baron zu [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]], [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]<br/><br/>
 +
Liebster Drego,
  
„Versteht mich nicht falsch, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]], ich achte alle meine Brüder und Schwestern, doch kann und will ich mir einfach nicht vorstellen, dass die Sturmherrin das hier gewollt hat...“ Sie beschrieb mit ihrer rechten einen Kreis.
+
|Text=so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
  
„Dann…“, ich versuchte ihren Gedanken zu folgen, „Dann zweifelt ihr ihn an?“
+
|Absender=[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]]<br/>Reichsritterin zu Praiosborn
  
„Nein“, meint die Geweihte da, „Ich zweifle lediglich daran, dass sie das hier gewollt hat. Ihr müsst wissen, Schwester Lindegard, dass es kein leichtes Unterfangen ist, den Willen der Götter zu ergründen. Viele haben es schon versucht und viele sind kläglich daran gescheitert.“
+
}}
 
 
„Ihr glaubt an einen Fehler.“
 
 
 
„Ein Missverständnis“, korrigierte die Geweihte.
 
 
 
„Dann ist das der Grund, warum Ihr und die anderen Geweihten aus Schwarztannen dieser Auseinandersetzung fern geblieben seid? Weil Ihr daran zweifelt, dass es das ist, was Eure Herrin gewollt hat?“
 
 
 
Sie antwortete nicht, blickte jedoch in Richtung der Grafschaft Waldstein, was mir Antwort genug war.
 
 
 
„Vielleicht hat bisher einfach niemand die richtigen Fragen gestellt?“, schloss sie.
 
 
 
„Welche Fragen?“, schoss es aus mir heraus. Ich betrachtete sie neugierig und folgte ihrem Blick gen Waldstein.
 
 
 
„Die Mutter, Schwester Lindegard, steht immer fest, doch der Vater hingegen?“, sie wandte ihren Blick nun in Richtung Waldstein.
 
 
 
„Ihr... Ihr habt recht!“, ich nickte, „Warum hat niemand nach dem Vater von Lechmins Kind gefragt? Warum schweigt sie? Und warum... warum fordert er nicht... hm... Vergeltung für den Tod seines Kindes? Ihr glaubt, dass das die ganzen Angelegenheit auflösen würde?“
 
 
 
„Vielleicht“, die Geweihte zuckte mit den Schultern, „Vielleicht auch nicht. Wer kann das schon sagen?“ Dann schloss sie ihre Augen und lauschte aufmerksam. „Hört Ihr ihn?“, wisperte sie mit leiser Stimme, „Der Reichsforst, er ruft uns. Er ruft uns lauter denn je...“
 
<!--
 
== Duell ==
 
'''[[Garetien:Dorf Erlenfall|Erlenfall]], 19. Rondra 1044 BF'''
 
Zdf: Hermine von Alka und Drego von Altjachtern duellieren sich bis auf's dritte Blut.
 
 
 
„Im Namen der [[Rondra-Kirche|Sturmleuin]] werden sich in und vor ihrem Angesicht [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]] und [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] im ehrenhaften Zweikampf messen“, donnerte die Stimme der Rondra-Geweihten [[Garetien:Riena Rhodena von Weißenstein|Riena Rhodena von Weißenstein]] über die Anwesenden hinweg, „Das Duell wird mit Schwert und Schild bis auf‘s dritte Blut ausgetragen. Jenen, den die Sturmleuin als Sieger erwählt, wird die Kontrolle über diesen Landstrich erhalten, die andere Seite hingegen wird ihn auf Jahr und Tag verlassen.“
 
 
 
Die beiden Kontrahenten begrüßten sich schweigend mit dem Rondragruß. Beide waren nur leicht gerüstet, zumindest von Baron Drego wusste ich, dass er auch nichts anderes besaß. Er war eben mehr Jäger als Ritter, weswegen schon allein die Wahl der Waffen für ihn unvorteilhaft war.
 
 
 
Die [[Garetien:Elerea ni Rian|beiden]] Rondra-Geweihten erbaten noch den Beistand ihrer Herrin. Und dann erklärte die Weißensteinerin schließlich: „Möge die Sturmleuin weise wählen. So beginnt!“
 
 
 
Einen Augenblick lang verharrten die beiden, dann setzte Hermine von Alka zum ersten Stich an. Baron Drego wehrte ihn mit seinem Schild ab, nur um sogleich mit seinem Schwert dem nächsten Schlag mehr schlecht als recht abzufangen. Bereits jetzt war offensichtlich was alle wussten, aber sich bisher niemand zu sagen gewagt hatte: Die Waldsteinerin war dem Reichsforster überlegen und das war ihr nicht nur bewusst, sondern das stellte sie auch offensichtlich für jeden zur Schau. Sie führten den Baron bewusst vor.
 
 
 
Sie führte drei weitere gute Schläge gegen ihren Gegner, allesamt ließ sie Drego an seinem Schild abprallen, dann setzte er zum Gegenangriff an, dem sich die Alka allerdings mit spielerischer Leichtigkeit erwehrte. Die Waldsteinerin erwiderte den Angriff, durchbrach dieses Mal die Verteidigung Dregos und traf ihn an der rechten Schulter und verfehlte nur aufgrund einer ausweichenden Bewegung ihres Gegners dessen ungeschützten Hals. Weitere Schläge und Stiche folgten. Zu bemerken schien er sie jedoch nicht, obgleich er mindestens blaue Flecke oder sogar Brüche davontragen würde. All das stellte die Überlegenheit der Waldsteinerin nur noch mehr zur Schau, denn während sie ihm ordentlich zusetzte, vermochte er dies nicht. Er traf sie mit keinem einzigen Schlag oder gar Stich. Seine Angriffe waren zu vorhersehbar, dafür war seine Verteidigung passabel. Mit seinem Schild vermochte er gut Hals und Kopf zu schützen, mehr allerdings nicht. Und in mir reifte so langsam die Erkenntnis, dass Rondra sich wohl inzwischen entschieden hatte und das ihre Entscheidung bedeutete, dass ich unter den Waldsteinern würde weiterleben müssen…
 
 
 
Wieder war es die Alka, die ihren Gegner angriff. Dieses Mal führte sie einen gekonnten Stich an Dregos Schild vorbei in seine Seite. Der Baron schrie auf. Ich hielt die Luft an und auch der Altjachterner verharrte einen Moment regelrecht regungslos. Das nutzte die Alka, stach erneut zu. Wieder in seine Seite. Ein siegreiches Lachen entrann ihrer Kehle. Die Reichsforster waren wie erstarrt. Ich hielt die Luft an. Einen quälend langen Moment verharrten die beiden Kämpfer so. Da muss der Hochmut die Waldsteinerin befallen haben. Siegessicher vernachlässigte sie einen Moment ihre durch ihren Schild gewährte Deckung und ließ es einige Spann tiefer sinken. Drego sah es nicht nur, sondern er nutzte es auch: Er stach ihr sein Schwert über ihren gesenkten Schild hinweg in die Kehle.
 
 
 
Plötzlich war es still. Totenstill.
 
 
 
Regelrecht ungläubig schien die Alka einige Augenblicke zu verharren, genauso wie alle anderen – ganz gleich ob [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] oder [[Garetien:Grafschaft Reichsforst|Reichsforster]] – auch. Keiner schien begreifen zu können, was da gerade vor sich ging. Die Alka hatte in diesem Duell einen einzigen Fehler gemacht, der ihr das Leben gekostet hatte. Da entglitt ihr Schild und Schwert, sie sank auf die Knie und starb.
 
 
 
= [[Auf Jahr und Tag — Briefspielreihe|Auf Jahr und Tag]] =
 
-->
 
 
 
= Der Raller treu =
 
 
 
== Verschwunden ==
 
'''[[Garetien:Markt Rallingen|Markt Rallingen]], im Travia 1044 BF'''
 
  
 
=Weitere Ideen=
 
=Weitere Ideen=

Aktuelle Version vom 26. April 2024, 04:54 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.


Ein Ende und ein Anfang

Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.

Schwester

Vater

Mutter

Bruder

Nichte

Fische im Netz

Bedenkzeit

Burg Scharfenstein

Sie bat sich Bedenkzeit aus. Baron Drego verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.

Albtraumgestalt

Einhornfrau

See Praiosborn, Praios 1045

(...)

Der Raller treu

Verschwunden

Markt Rallingen, im Travia 1044 BF

Zeit zu sterben

Prolog

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.

Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute mich an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine Frau auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.

So war er, mein Herr, Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach Hause...

Wiedersehen

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?

„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... Marbodane?“

Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.

„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“

Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, Tessia.“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.“

„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch Dankwart und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.

„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem Herrn...“

„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“

Ich nickte.

Erinnerung

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Tessia schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“

„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein Herr war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...

„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die Haselburg gehen. Ich würde gerne sagen, dass Dankwart sich freuen wird, dich zu sehen, Marbodane, aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“

Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“

„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine Schwester nach dem Tod eures Vaters auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns Tsa diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“

„Bist du traurig darüber?“

„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.

„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“

Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.

Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es Lechdan? Wird er sterben?“

Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“

Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...

Mutter

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

„Wie geht es...“, Tessia stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner Mutter?“

Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“

„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im Kloster?“

„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“

„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“

„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...“

„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“

Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach meinem Vater zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester Daria konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“

„Ach, Marbodane“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es Dankwart je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.“

„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“

Tessia schaute zu Marbodane auf. Die Boron-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“

Das dritte Kind

Albträume

Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF

Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. Ailsa lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.

„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der Hofkaplanin neben ihm zu.

„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „Es ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte Baron Drego. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.

Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“

Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...

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... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und Jast trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?“

„Wo ist Orknäschen?“, wollte er wissen.

„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner Mutter bringen lassen, Hochgeboren.“

„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“

„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.“

Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach Esenfeld zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“

„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.

„Welche?“

Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden Elerea ni Rian.“

„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem Heimattempel in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore Schwarztannens geschlossen. Soll ich Euer Gnaden Nurinai ni Rían wecken?“

„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“

Bitte

Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld

An Euer Hochgeboren Drego von Altjachtern, Baron zu Schwarztannen, Burg Scharfenstein

Liebster Drego,
 
 
 
 
so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
 
 
 
 
Ailsa ni Rían
Reichsritterin zu Praiosborn

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