Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Garetien:Wehrhof Gerbachsroth|Gerbachsroth]], Firun 1044
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Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.
  
[[Garetien:Alderan von Nadoret|Alderan]] stand etwas ratlos am Grab seiner [[Garetien:Sigmunde Brinhild von Schwarztannen|Frau]]. Er hatte sie aus politischen Gründen geheiratet und sie eigentlich auch kaum gekannt, aber er fühlte sich dennoch für ihren Tod verantwortlich, war sie doch bei der Geburt ihrer Kinder gestorben. Er war ehrlich traurig und verfluchte sich nicht an ihrer Seite gewesen zu sein. Gut es war langweilig in Gerbachsroth, aber er hatte ihr gegenüber eine Verantwortung gehabt. Es war wohl eine äußerst schwere Geburt gewesen. Das erste Kind war gesund und munter gewesen, aber das zweite war nur noch todgeboren worden und hatte bald darauf seine Mutter mit sich auf die Reise über das Nirgendmeer genommen. Er hätte wohl nichts daran ändern können, aber er hätte wenigstens an ihrer Seite sein sollen.
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== Schwester ==
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Zsfg: Gerlinde von Altjachtern sucht ihren Bruder Drego in einer dringenden Angelegenheit auf.
  
Er hatte sie während ihrer Schwangerschaft nur einmal besucht, ein Umstand der ihn nicht gerade mit Stolz erfüllte. Auch wenn er dafür von seinen Freunden aufgezogen worden war hatte er sich am Hof des Markvogtes stets an die Gebote der Travia gehalten. Andere mochten ihn als lebenslustig und feierfreudig einstufen, aber er war doch immer noch aus altem Koscher Adel. Freilich hatte er bis auf Kindertage nie im Kosch gelebt, aber eine gewisse Verantwortung brachte der Name „von Nadoret“ doch mit sich.
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[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 13. Rahja 1046 BF
  
Nun war er nach nicht einmal einen Jahr Ehe bereits Witwer und für ein Kleinkind verantwortlich, darüber hinaus auch noch für [[Garetien:Stordan Raulfried von Gerbachsroth|Stordan]], Sigmundes Sohn aus erster Ehe. Der Bursche war auch erst sieben Jahre alt. Immerhin war Stordan bereits in Pagendiensten und damit außer Hause. Seine sonstige Familie bestand nur aus Kindern, aber er war bei seiner [[Garetien:Ailsa ni Rian|Pagenmutter]] in guten Händen. Sie würde sich schon um den Vollwaisen kümmern.
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„Ah, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]“, entfuhr es mir beinahe etwas atemlos. Ganz unvermittelt blieb ich auf der großen Treppe stehen. „Hier bist du also.“ Mein Bruder stand wenige Schritte über mir, hielt seinen [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Sohn]] in den Armen. Der Knabe, der so sehr meinem Bruder glich, schaute mich aus den großen Augen seines Vaters neugierig an. Umringt waren beide von Mitgliedern seines Hofstaates, darunter seine Pagen und Knappe, einige seiner Hausritter, die Hofkaplanin [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]] und die Vögtin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]].
  
Alderan hielt es ganze acht Tage auf Gerbachsroth aus, dann nahm er seine Tochter [[Garetien:Brinhild von Nadoret|Brinhild]], genannt nach dem Zweitnamen ihrer Mutter, mit sich und ritt nach Scharfenstein um bei [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] vorzusprechen. Das Gespräch währte nicht sehr lange. Weder Baron, noch die vielen [[Garetien:Familie Rian|Rians]] an seinem Hof schienen seiner Gattin eine Träne nachzuweinen und hatten ihn kurzerhand zum neuen Edlen ernannt, konnte ein Kind doch in Zeiten von schweren Fehden kein Lehen führen.
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[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]], hob er an und zog die Stirn kraus, „Der Leuin zum Gruße.
  
Am Rande traf er sogar kurz auf [[Garetien:Meara ni Rian|Meara ni Rían]], die Gattin seines gefallenen [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bruders]]. Er hatte sie vorher noch nie kennengelernt und war durchaus daran interessiert die zurückgezogene Frau etwas näher kennenzulernen, aber Meara schien auf seine [[Garetien:Familie Nadoret|Familie]] nicht gut zu sprechen zu sein und fand bald einen Grund das Gespräch abzubrechen. Die nächsten zwei Tage ging sie ihm dann aus dem Weg.
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„Die Leuin auch mit dir, Bruder“, erwiderte ich und erbrachte ihm den Kriegergruß. Daraufhin nahm der Knabe seine kleine Hand, ballte sie zur Faust und führe sie zu seinem Herz. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, aber es war deutlich zu erkennen, dass er sich gerade ebenso an diesem Gruß versucht hatte. Alle begannen zu grinsen – auch ich. Dann schmiegte sich der Knabe ganz dicht an die Brust seines Vaters und schaute noch kecker drein wie zuvor.
  
Also brach Alderan schließlich mit Klein-Birnhild auf. Er wusste nicht so recht was er mit einem Kleinkind anfangen sollte, drum entschied er sich sie zu seiner [[Garetien:Nadyana von Nadoret|Mutter]] bringen. Sie würde seine Tochter sicher gerne aufziehen. Er wusste ja auch gar nicht wie man so etwas machte und außerdem war der Hof des Marktvogtes nichts für kleine Kinder. Er würde sie auch bitten ihm einen Vogt zu empfehlen, der die Amtsgeschäfte vor Ort erledigen konnte und Alderan die Rendite des Lehens direkt an den Hof schickte. Am besten ein Koscher aus altem Adel, der seiner Familie gegenüber loyal war und nicht in seine eigene Tasche wirtschaften würde.
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„Er ist so groß geworden“, merkte ich an, „Er wird eines Tages gewiss ein großer Krieger werden.
  
Autor: [[Benutzer:Sindelsaum|Sindelsaum]]
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Das Grinsen meines Bruders wurde breiter, wobei er zärtlich seinem Sohn über das blonde Haar strich: „Du warst schon lange nicht mehr hier, Gerlinde.“
  
= [[Weiß wie Schnee — Briefspielreihe|Weiß wie Schnee]] =
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„Du kannst mich jederzeit im Rondra-Tempel in [[Garetien:Stadt Überdiebreite|Überdiebreite]] antreffen“, erwiderte ich daraufhin nickend, „Es ist gar nicht weit von hier und du und die deinen sind mir dort jederzeit willkommen.“
== Schicksal bleibt Schicksal ==
 
Hexenwald
 
  
[...]
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Ernst schaute er mich an: „Ich kann nicht vergessen, was mit den [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteinern]] damals vorgefallen ist. Noch heute träume ich in so mancher Nacht von [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]].
  
= [[Auf Jahr und Tag — Briefspielreihe|Auf Jahr und Tag]] =
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Ich biss mir auf die Lippen. Daran hatte ich gar nicht gedacht. „Die Diener des [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] könnend dir gewiss dabei helfen“, schlug ich vor, „Es gibt doch auch einen [[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel]] ihrer Diener hier?“
== Nachspiel ==
 
'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfeenstein]], am Abend des 19. Rondra 1044 BF'''
 
  
„Die [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]] hat entschieden“, hob [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] mit lauter Stimme unter dem zustimmenden Jubel der seinen an. Er hatte nicht nur [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]] im Angesicht Rondras besiegt und einen Abzug der [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] erwirkt, nein, er hatte mehr noch unter Beweis gestellt, dass sein Anspruch auf den Baronstitel nicht nur vollkommen legitim, sondern dass er dem auch absolut würdig war. „Sie hat die Plünderer für ihre Plünderungen gestraft und...“ Einen Moment hielt er inne, weil er gegen das zustimmende Geschrei seiner Männer und Frauen ohnehin nicht angekommen wäre. „... uns allen deutlich gezeigt, was sie von so einem niederträchtigen Verhalten hält. Weil aus Unrecht niemals Recht werden kann!“
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[[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]“, seufzte er schwer und nickte bestätigend, „Dieser Tempel untersteht den Erlenfallern und diese haben eindrücklich bewiesen wozu sie fähig sind. Nicht einmal meiner einstigen Knappin [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun]] oder gar Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] ...“ Nun wandte er sich der Hofkaplanin zu. „... genießen mein uneingeschränktes Vertrauen.“ Schwester Lindegard wich dem Blick meines Bruders aus.
  
Wieder pflichteten ihm die seinen jubelnd und grölend bei.
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Einen Augenblick war es still. Ich war keine Frau großer Worte. Ich war eine Dienerin der Leuin. Und ich begriff, dass ich beinahe nichts über meinen Bruder und dessen Leben wusste. So fand ich keine Worte. Was hätte ich auch sagen sollen? Die Situation schien kompliziert. Zu kompliziert um sie innerhalb weniger Wimpernschläge zu erfassen.
  
„[[Garetien:Yolande von Pranteln|Frau von Raukenfels]]“, kündete er mit lauter Stimme, „Euch berufe ich zur Vögtin von [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] und Dich [[Garetien:Albur von Nordingen|Albur]], mein guter und treuer Freund, berufe ich zum Vogt von [[Garetien:Freiherrlich Scharfenstein|Scharfenstein]] und...“ Baron Drego verteilte noch weitere Ämter und Posten. Und auf jedes Mal musste man auf das neue Mitglied am [[Garetien:Hof des Barons von Schwarztannen|Hofe]] den Becher erheben und trinken. So kam es, dass ich so viel trank, wie noch nie in meinem Leben.
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Indes riskierte der Knabe immer wieder scheue Blicke. Das ein oder andere Mal wandte er sich mir gar mehr zu, schmiegte dann jedoch wieder eilig sein Gesicht an die Brust seines Vaters. Dass meine Bruder einmal Frau, Kinder und ein Baronsreif sein eigen nennen würde ...
  
„[[Garetien:Blasius von Gerbachsroth|Blasius]]“, rief der Baron dann irgendwann, „Komm zu mir.
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„Du hast dich nicht angekündigt. Warum bist du gekommen, Gerlinde?
  
Und der Page kam zu seinem Pagenvater. Einen Moment lang schaute er ihn aus großen Augen an und Drego erwiderte seinen Blick. Dann fiel er vor dem Baron auf die Knie.
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Nun straffte ich mich: „Drego, du musst mich begleiten. Es bleibt uns nicht viel Zeit.
  
„Du hast Dich Deiner Aufgabe würdig erwiesen. Du hast unter Beweis gestellt, dass Du würdig bist, den nächsten Schritt zu tun. Daher werde ich dich nun mit einem Tritt in deinen neuen Stand befördern.
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Er legte seinen Kopf leicht schräg: „Worum geht es?
  
Der Knabe ließ das Prozedere geduldig über sich ergehen, sogar ein feines Lächeln umspielte seine Lippen. Erst gab es Gelächter, dann Jubel. Wieder tranken wir.
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„Vertraust du mir?“
  
„Fortan wirst Du mir als Knappe dienen, Blasius“, schloss der Baron und ließ den Knaben ziehen.
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„Selbstredend!“, entfuhr es ihm ohne Zögern, „Du bist nicht nur eine Dienerin der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]], sondern auch meine Schwester.
  
Anschließend rief Drego seine Knappin zu sich: „[[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun]], tritt vor.“
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„Wir müssen nach [[Garetien:Gut Jachtern|Hause]]“, eröffnete ich ihm und nickte energisch, „Sofort. Wir haben nicht viel Zeit.“
  
Die Knappin trat vor ihren Schwertvater und sank auf die Knie, „Du hast mir in der kurzen Zeit stets treu als Knappin gedient. Empfange nun den letzten Schlag, den Du unerwidert hinnehmen werden musst.“
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„Nach ...?“, echote er tonlos und seine Augen verengten sich, „... Hause?
  
Er schlug ihr mit seinem Schwert auf die linke Schulter. Es war kein richtiger Schlag, es war eine Geste. Wieder jubelte die Menge. Dieses Mal zu Ehren der frisch den Ritterschlag erhaltenen Erlenfallerin. Wieder trank man.
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Äußerst langsam, aber überdeutlich nickte ich.
  
„Und nun, Hohe Dame von Erlenfall, erhebt Euch. Fortan werdet Ihr Euch gegen jeden Schlag gefälligst zur Wehr setzten.“ Sie erhob sich sichtlich stolz. „Und weil Ihr mir in der Vergangenheit bereits treue Dienst erwiesen habe, so wünsche ich, dass Ihr dies auch weiter an meinem Hof tun werdet.
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„Was ...?“, seine Stimme brach.
  
„Das will ich gerne tun, Hochgeboren“, erwiderte die Ritterin und trat zur Seite.
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„[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, brachte ich nur heraus.
  
Die Ansammlung war gerade im Begriff sich aufzulösen, da erhob der Baron erneut seine Stimme und alle verharrten.
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„Sie ... sie ... sie hat meine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] beleidigt. Sie hat ...“
  
„Und Ihr, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Sternguckerin]]?“, wandte er sich da nun an mich, „Euch berufe ich zu meiner Hofkaplanin.“
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„Das ist nicht mehr wichtig, Drego“, ich schüttelte den Kopf und fasst an seine Schulter, „Es ist nicht mehr wichtig.“
  
==Folgen==
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Mein Bruder wurde blass. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfeenstein]], 20. Rondra 1044 BF'''
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== Vater ==
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Zsfg: Gerlinde und Drego kommen auf Gut Jachtern an und treffen auf ihren Vater.
  
„Ich fürchte, dass mehrere Rippen gebrochene sind“, meinte ich etwas erschöpft als ich mir den Baron am Tag nach seinem Sieg genauer ansah. Ich war müde und fühlte mich nicht sonderlich wohl, versuchte es mir aber nicht anmerken zu lassen. „Auch wenn die Klinge Eurer [[Garetien:Hermine von Alka|Gegnerin]] es nicht durch Euer Kettenhemd geschafft hat, so kann so ein Stich dennoch Rippen brechen.“ Ich hielt einen Moment inne und betastete mit zunehmenden Unwohlsein anschließend eine der Rippen etwas genauer. „Ja“, schloss ich, „die ist eindeutig gebrochen.“ [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] stöhnte schmerzerfüllt auf. „Habt Ihr Schmerzen beim Atmen?“
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[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], 13. Rahja 1046 BF
  
„Ja“, erwiderte er mir lediglich kurz und knapp.
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Über [[Garetien:Dorf Wegscheide|Wegscheid]] und [[Garetien:Gut Roßsprunk|Roßsprunk]] ritten wir nach Gut Jachtern. Ich schwieg. Drego schwieg. Seine Bedeckung, ein [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Knappe]] kurz vor seinem Ritterschlag und eine [[Leudane von Leuenberg|kaisermärker Ritterin]], schwieg. Wenig nach unserem Aufbruch setzte Regen ein. Zuerst waren die Tropfen ganz fein, gleich dem feinen Nebel der am Morgen gerne entlang der Raller lag. Eine willkommene Abkühlung in der Hitze des Rahjamondes. Dann jedoch wurde der Horizont zunehmend finsterer, der Regen wurde heftiger, die Tropfen dicker.
  
„Dagegen werde ich Euch etwas geben“, schloss ich schwerfällig, „Ansonsten hilft nur viel Ruhe, Hochgeboren, viel Ruhe.
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Vollkommen durchnässt kamen wir mitten in der Nacht auf Gut Jachtern an. Die Praiosscheibe war seit Stunden untergegangen. Die Sterne hatten uns den Weg gewiesen und der Regen war unser ständiger Begleiter gewesen. Eilig brachten wir die Pferde in den Stall. Während Knappe und Ritterin sich mit dem Stallknecht um die Tiere kümmerte, ging ich mit Drego in das nahezu finstere Guthaus hinein und wurden von Dunkelheit empfangen. Es war ungewöhnlich still. Totenstill. Nur das Tropfen des Wasser von unseren gänzlich durchweichten Umhängen durchbrach die Stille. Hinter uns fiel die Tür ins Schloss. Drego erschrak hörbar.
  
„[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]“, hob er protestierend an, „Da draußen tobt noch immer die Fehde...“
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Da trat jemand mit einer Kerze zu uns in den Flur. „[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]] und ... und [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]?
  
„Mag sein“, fiel ich ihm da ins Wort und fühlte wie mir langsam schlecht wurde, „Aber die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] stellen auf Jahr und Tag – jetzt noch auf ein Jahr – keine Bedrohung mehr für [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] da...“
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[[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]]?“, entfuhr es meinem Bruder leise. Unschlüssig machte er einige Schritte nach vorne.
  
„Aber für [[Garetien:Gräflich Luring|Gräflich Luring]]!“, erwiderte er mir da energisch, „Die Waldsteiner sind nach Gräflich Luring gezogen!
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„Ja, Drego“, bestätigte sein Gegenüber, „Ich bin es. Dein Vater.Sein Gesicht lag noch immer im Dunkeln. Die Kerze spendete nur spärliches, düsteres Licht. Er machte einige Schritte auf seinen Sohn zu und schloss ihn in die Arme, ließ aber sogleich wieder los. „Ganz nass. Du bist ja ganz nass. Schreckliche Efferdnacht dort draußen.
  
Ich zuckte mit den Schultern und fühlte mich zunehmend unwohler: „Das ist nicht mehr Euer Problem, sondern das des [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]]. Soll er sich doch darum kümmern, wie er die Waldsteiner aus seinen Landen vertreibt, er hat sich doch auch nicht darum geschert wie Ihr sie aus Schwarztannen herausbekommt, oder irre ich mich da etwa?
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Drego schluckte schwer als er unserem Vater gegenüberstand: „Es muss ernst um [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] stehen.“
  
Baron Drego blickte mich mit großen Augen an, sagte aber nichts. Mir war das Antwort genug. Er wusste, dass ich recht hatte.
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„Ja“, erwiderte er, „So ist es. Es geht zu Ende, Drego. Golgari ist bereits auf dem Weg.
  
„Ich weiß, dass Ihr viel von Eurem Freund, dem Grafen, haltet, vor allem da er Euch den Baronsreif aufgesetzt hat, dennoch hat er Euch im Kampf gegen die Waldsteiner nie unterstützt. So wie ich [[Garetien:Yolande von Pranteln|Frau von Raukenfels]] verstanden habe, habt Ihr ihn mehrfach und eindringlich um Unterstützung gebeten, regelrecht gefleht, aber nie welche erhalten, mehr noch, so hat er Euch nicht einmal geantwortet. Bei all den Verpflichtungen, die Ihr ihm gegenüber habt, so hat er Euch gegenüber auch welche...“
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Nun war es Vater, der schwer schluckte. Schemenhaft konnte man erkennen, wie er nickte. „Und Gerlinde“, fuhr er fort und nahm auch mich kurz in die Arme, ließ aber noch schneller von mir ab als von meinem Bruder, „Auch ganz nass. Allesamt seid ihr ganz nass. Alle beide. Eine wirklich grässliche Efferdnacht dort draußen.“
  
Wieder schwieg er. Wieder wusste er, dass ich die Wahrheit sprach.
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„Ist [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Mori]] ... ?“, wollte ich wissen.
  
„Gönnt Euch viel Ruhe, dann ist Eure Verletzung in einem Mond sehr wahrscheinlich verheilt“, schloss ich und deutete dem [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Knappen]], seinen Schwertvater wieder anzukleiden, „Schont Ihr Euch nicht, wird es dementsprechend länger dauern...“
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„... am Bett eurer Mutter“, vollendete er meinen Satz, „Er wacht dort zusammen mit [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]].“ Erneut nickte er. „Ihr solltet eure nassen Kleider ablegen, etwas Trockenes anziehen und sie dann ablösen. Sie wachen dort schon recht lange.“
  
„Ihr seid doch eine Dienerin der Herrin [[Peraine-Kirche|Peraine]]. Könnte Ihr nicht...?
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„Sie hat mich fortgeschickt“, hob nun Drego an, „Das letzte Mal hat sie mich fortgeschickt. Ich sollte, nein, durfte ihr nicht unter die Augen treten.“
  
„Ja, ich könnte“, ich seufzte schwer, „Doch ich werde nicht. Ich werde die Kraft meine Herrin nicht verschwenden und verschwendet wäre sie in diesem Fall, weil diese Verletzung auch so heilen wird, ganz ohne Zutun der Götter. Es bedarf Zeit und Ruhe, aber das ist auch schon alles.“ Dann wandte ich mich ab, wusch mir die Hände und trocknete sie ab. Ohnehin bezweifelte ich, dass ich in diesem Zustand ihre Kraft hätte nutzen können. „Wenn Ihr schnelle Hilfe wollte, dann fürchte ich müsste ihr einen Magier an euren Hof holen...“
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Erneut nickte Vater: „Das Rauschen Golgaris in den Ohren deiner Mutter hat sie sanftmütiger gemacht, nicht milde, aber sanftmütiger, ein Lämmchen ist aber dennoch nicht aus ihr geworden. Selbst mit mir hat sie einige vernünftige Worte gewechselt, ehe sie mich angekeift und fortgeschickt hat, ich bin aber sicher, dass sie noch einmal nach mir rufen wird. Ganz gewiss sogar.“
  
Der Ritter sog hörbar die Luft ein.
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„Hm“, machte mein Bruder da noch immer zweifelnd.
  
„Ich kann auch nach [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] in den [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel]] zurückkehren“, schlug ich nun vor und ließ mich auf einen Stuhl fallen, „Ihr habt mich an Euren Hof gebeten und ich bin gefolgt. Wenn Ihr mich hier nicht wollt, weil ich Euch nicht von nutzen sein kann, dann könnt Ihr mich jederzeit wieder in den Tempel schicken...“
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„Sie ist und bleibt deine Mutter“, fuhr unser Vater nun fort, „Und sie liebt dich, so viel kann ich dir sagen.“
  
„Nein“, der Baron schüttelte nachdenklich den Kopf, „Das wird nicht nötig sein. Wenn Ihr sagt, dass es heilen wird und weitere Hilfe nicht nötig sein wird, dann werdet Ihr gewiss die Wahrheit sprechen. Ich vertraue Euch. Ich habe Euch nicht nur an meinen Hof geholt, weil Ihr eine Dienerin der Herrin Peraine seid und weil ich mir wünsche, dass Ihr bei der Geburt meines Kindes zugegen seid, sondern auch weil ihr jung und unverdorben seid. Wer wäre eine bessere und treuere Ratgeberin als eine, die mit alledem bisher nicht in Berührung gekommen ist?
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Da lachte Drego: „Ich war ihr doch nie gut genug! Ganz gleich was ich getan, wie sehr ich mich bemüht habe. Nun bin ich sogar Baron, habe [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] und [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Ki]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|nd]][[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|er]], doch gut genug bin ich ihr noch immer nicht.“
  
Ich blickte ihn etwas verwundert an.
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Er seufzte: „Ach, Drego, du kennst deine Mutter. Du kennst sie lange genug. Sie ist eine harte Frau. Hart zu sich, aber auch zu anderen. Keiner kann es ihr recht machen. Nicht einmal sie selbst kann es sich recht machen. Sie hat dir das Leben geschenkt, da kannst du ja wohl auch bei ihrem Tod dabei sein.“
  
„Das habt Ihr mir wohl nicht zugetraut“, schloss er sogar etwas stolz, aber aus seinen Worten hatte ich ganz deutlich die von [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]] herausgehört, „Ihr werdet jedoch nicht alleine sein. Ich habe Euer Gnaden Rían gebeten Euch zu unterstützen. Die hat zwar nicht zugesagt, das Amt auch offiziell auszuüben, aber sehr wohl so oft es ihr Dienst im Tempel erlaubt Euch – und damit auch mir – beizustehen.“
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Da nickte er: „Dennoch hat sie meine Frau beleidigt. Sie angefeindet. Sie beschimpft.“
  
„Das ist gut“, entgegnete ich ihm nickend, „Denn... Ich will ehrlich zu Euch sein, ich bin mir nicht sicher, ob dass hier das richtige für mich ist. Ich bin mein ganzes Leben im Tempel aufgewachsen und so ein Leben bei... Hofe... bin ich nicht gewohnt. Es kann sein, dass ich mich nie daran gewöhnen kann…“
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„Ich weiß“, wusste auch unser Vater, „Ich habe keine rechte Erklärung dafür. Wobei ...“ Er hielt einen Moment inne. „Vielleicht verachtete sie sie so, weil dir und ihr etwas vergönnt war, was uns nie vergönnt war.“ Drego horchte auf. „Aus liebe den Bund vor der Herrin [[Travia-Kirche|Travia]] zu schließen. Unser Bund war bestimmt. Nicht durch uns.
  
„Sobald mein Kind geboren wurde, könnte Ihr wieder in Euren Tempel zurückkehren, wenn Ihr dies wünscht, bis dahin möchte ich Euch jedoch darum bitten zu bleiben.“ Und im Gehen fügte er hinzu: „Ihr scheint nun auch erst einmal ein bisschen Ruhe zu benötigen. Die Feierlichkeiten gestern haben Euch wohl recht zugesetzt...“
+
„Neid?“, raunte Drego leise, „Aber warum seid Ihr nicht so? Ihr teilt doch dasselbe Schicksal.“
  
Ich nickte schwerfällig.
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Da zuckte er nur mit den Schultern: „Vielleicht weil ich vor Götterläufen entschieden habe, der Enge dieses Heimes und dieses Seins zu entfliehen.“ Er warf einen Blick auf mich. Ich straffte mich. Flucht, dass war nichts für eine Geweihte der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]]. „Außerdem seid ihr meine Kinder, mein Fleisch und Blut und ich wünsche mir, dass euch nur Gutes widerfahre und liebe euch alle gleichermaßen aus der tiefe meines Herzens heraus.
  
==Getrennt==
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„Mutter hat immer nur Gerlinde bedingungslos geliebt“, mein Bruder blickte mit gesenktem Haupt zu mir, „Du warst ihr immer das Wichtigste. Die einzige, die alles im Leben richtig gemacht hat.
'''[[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel der eingebrachten Früchte]], 21. Rondra 1044 BF'''
 
  
„Du musst den [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron]] ganz schön beeindruckt haben“, stellte [[Garetien:Baldur von Immenhort|Baldur von Immenhort]] anerkennend fest, als ich ihn am nächsten Tag einen Besuch abstattete, „Immerhin hat er dich zu seiner Hofkaplanin gemacht.“
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„Was hätte sie auch zu einer Geweihten der Herrin Rondra anderes sagen sollen?“, stellte sich unser Vater schützend vor mich, „Lass es gut sein, Drego. Das Ende ist nah. Ihr Zorn wird dich danach nie wieder treffen können. Versuche deinen Frieden mit ihr zu machen. Noch ist Zeit. Noch.“
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== Mutter ==
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<!--Zsfgh: Die alte Junkerin zu Altjachtern stirbt und ihre Kinder sind an ihrer Seite.
  
„Nun“, hob ich da an, noch immer hingen mir die Feierlichkeiten nach, noch immer fühlte ich mich nicht ganz wohl, „Ich denke, es war viel eher der Umstand, dass seine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Liebste]] von Tsa gesegnet ist.“
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
„Ach“, er winkte ab und reichte mir eine Tasse Tee, „Das mag wohl sein. Ausschlaggebend wird jedoch gewiss deine Begabung für die Heilkunde gewesen sein, denn eine begabte Heilkundige bist du ganz ohne Zweifel.
+
„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, dürr klang Mutters Stimme als ich an ihr Bett herantrat und mich auf die Bettkante setzte. Fahl war ihr Gesicht. Kraftlos ihre Augen. Seit meinem Aufbruch schien sie noch weiter gealtert zu sein.
  
„Hochwürden, danke für Eure netten Worte“, ich nickte, trank einen Schluck Tee und hoffe, dass er meine Übelkeit vertrieb, „Sagt mal, wisst Ihr... wisst Ihr wann Schwester [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] zurückkehrt? Ich habe Schwester Theria gesehen...
+
[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, erwiderte ich ihr und nahm ihre Hand zwischen meine. Ein müdes Lächeln legte sich über ihre Wangen. Für einen winzigen Moment kehrte ein Leuchten in ihre Augen zurück, dann verschwand es jedoch sofort wieder.
  
Da blickte er mich lang an, ehe er sagte: „[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegeard]], sie wird nicht mehr zurückkehren.“
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„Ich habe dir jemanden mitgebracht, Mutter“, hob ich an und schaute mich kurz zu meinem Bruder um, der einen Schritt hinter mir gewartet hatte, „[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] ist hier.“
  
„Was soll das heißen?“, fragte ich ungläubig, „Ihr ist doch nichts zugestoßen, nicht wahr?
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Da trat mein Bruder zu uns an das Bett heran und grüßte mit einem Nicken: „Mutter.
  
Nun schüttelte er den Kopf: „Nein, Lindegard, du brauchst dich nicht zu sorgen.“ Er trank etwas Tee. „Sie ist wohlauf. Ihr geht es gut. Sie wird allerdings in [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]] bleiben.“
+
Die Sterbende schaute ihn lange an. Sehr lange. Schwer atmete sie. „Du warst ... schon lange ... nicht mehr hier. Drego.“
  
„In Rallingen?“, wiederholte ich tonlos, „Was... was will sie denn in Rallingen? Sie gehört doch nach Schwarztannen.“ Fassungslos blickte ich ihn an. „So wie auch ich. Wir sind doch... doch Schwestern.
+
Er nickte, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an das Bett. Hilfesuchend blickte er mich an. Doch da lag ja auch meine Mutter im Sterben und so zuckte ich nur mit den Schultern. Ich konnte ihm nicht helfen. Seinen Frieden musste er mit ihr schon alleine machen.
  
„Ich weiß, Lindegard, ich weiß“, versuchte er mich zu trösten und schenkte mir einen mitfühlenden Blick, „Unsere [[Peraine-Kirche|Herrin]] verlangt viel von uns, von jenem von uns, doch von dir und Perainidane verlangt sie derzeit alles.“ Er hielt einen Moment inne. „Sie wird nicht mehr in diesen Tempel zurückkehren. Sie wird in Rallingen bleiben. Sie wird dort Prätorin werden.
+
„Ja“, erwiderte er lediglich.
  
„Prätorin?“, wisperte ich ungläubig, „Aber... aber... aber warum?
+
„Du hättest ... vorbeikommen ... sollen.
  
„Weil es schon immer so vorhergesehen war“, erwiderte er schlicht, „Und zwar schon an jenem Tag, da Perainidane ins Noviziat eintrat. Dass es nun schon so bald geschah, das habe ich nicht erwartet, aber manche von uns holt Boron früher als andere. Die Prätorin zu Rallingen hat er früher geholt. Und nun wird Perainidane an ihre Stelle treten.“
+
„Ich habe es versucht“, wieder suchte sein Blick meinen, „Ihr wolltet mich nicht sehen.“
  
Starr und steif saß ich da.
+
„Als es begann ... das Rauschen der ... Schwingen, da ... da dachte ich ... es sei die ... [[Garetien:Ailsa ni Rian|Krähe]]“, sie lachte kehlig und ein schlimmer Husten begann sie augenblicklich zu schütteln. Ich nahm ihre Hand fester in meine. Sie beruhigte sich. „Doch dann ...“ Zaghaft nickte sie. „... begriff ich.
  
„Ach, Lindegard“, seufzte der Prätor da mitfühlend, „Nimm es doch nicht so schwer! Du kannst Perainidane ganz gewiss besuchen so oft du magst. Sie ist doch nur in Rallingen.“ Aufmunternd legte er mir die Hand auf die Schulter. „Trink noch ein bisschen Tee, Lindegard. Du bist ja ganz blass, mein Kind. Ganz blass.“
+
Drego atmete hörbar ein und aus: „Ich bin ein weiteres Mal Vater geworden. Ein kleines, wunderschönes Mädchen hat uns die Herrin Tsa da zum Geschenk gemacht. Bereits im Phex 1045. Sie trägt den Namen [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]].“
  
Wortlos trank ich meine Tasse Tee.
+
„Ederlinde also“, wiederholte sie, „Was ihr nur alle ... an diesem Namen ... an diesem Namen habt.“
  
==Prätorin==
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„Sie ist [[Garetien:Ederlinde von Luring|Graf Dregos Schwester]]“, erwiderte er ihr, „Und ich verehre ihn. Noch immer.“ Bitterkeit schwang bei seinen letzten Worten mit. Ich horchte auf. Schon immer hatte Drego [[Garetien:Drego von Luring|diesen Mann]] verehrte, zu ihm aufgeschaut, doch inzwischen schien da noch etwas anderes zu sein.
Gegeben im Efferd 1044 auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
 
  
{{Brief
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„Dass diese ... diese diebische Elster ...“, hob sie an und Dregos Miene verfinstere sich, „... das schafft, was ... dieses [[Garetien:Boriane von Altjachtern|dumme Weib]] ...“ Damit meinte sie Boriane, die sie ebenso wenig leiden konnte wie die Gattin Dregos. „... erst nach [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|mehr]][[Garetien:Jermorane von Altjachtern|facher]] ... Schande ... geschafft hat.“ Fassungslos schüttelte sie fast unmerklich ihren Kopf. „Bei den ... Zwölfen!“
|Adressat=An Ihre Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane von Erlenfall]], Peraine-Tempel zu [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]]
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Liebste Schwester,
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„Ihr solltet nicht so über Boriane sprechen“, wies ich sie sanftmütig zurecht, nicht nur, dass sie meine Mutter war, sondern sie lag auch im Sterben, „Die Götter haben uns dieses Schicksal auferlegt. Es war nicht Borianes Entscheidung und erst recht keine Absicht.“
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„Und da bist ... bist du dir ... sicher?“ Schwer sog die Sterbende die Luft ein. „Und Drego ...“ Erneut wandte sie sich an meinen Bruder. „Wo ... wo sind denn ... meine [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|En]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|kel]]? Warum sind sie ... nicht hier?“
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„Die Kinder kennen dich doch überhaupt nicht, Mutter“, half ich nun doch meinem Bruder, „Und sind noch viel zu klein, um zu begreifen, was hier vor sich geht. Sie sind auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]. Dort, wo sie hingehören.“
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„Hm“, machte sie da, ihre Augen fielen ihr langsam zu und ihr Kopf rollte zur von uns abgewandten Seite, „Hm.“
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Der Blick Dregos suchte meinen. Ich hielt noch immer die Hand unserer Mutter.
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„Ich kann nicht vergessen, was sie über ''Orknäschen'' gesagt hat“, wisperte er ernst, „Nicht einmal zu unserem Traviabund ist sie gekommen. Unsere Kinder hat sie nie besucht, dabei war ihr Weg genauso weit wie meiner. Sagt man nicht, dass der nahende Tod einem die eigenen Fehler vor Augen führt und man bereut?“
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„So heißt es“, bestätigte ich, „Doch kein einziges Wort der Reue oder gar eine Entschuldigung wird je über ihre Lippen kommen. Falls du deswegen gekommen bist, Drego, dann bist du vergebens gekommen. Sie wird nicht um Verzeihung bitten. Bei keinem von uns. Bei den Unsterblichen ...“ Ich ließ meinen Blick schweifen. „... wird sie es jedoch gewiss tun. Sie ist eine göttergefällige Frau.“
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Scharf sog er die Luft ein.
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„Verzeih ihr“, bat ich ihn für sie, „Sie ist einfach nur ein Mensch. Ein fehlbarer Mensch. Eine Mutter, die im Sterben liegt und sich nicht mehr wünscht als, dass ihre Kinder an ihrer Seite sind, um sie bei ihrem letzten Atemzug zu begleiten.“ Ich nahm seine Hand und legte sie auf die unserer Mutter. Widerwillen stand in seinen Augen, in seiner gesamten Gestik und Mimik, doch er ließ es geschehen.
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So verging die Nacht. Mal hielt er die Hand unserer Mutter, mal ich. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] und Boriane und auch unser [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] schauten immer wieder vorbei. Es war still. Erstaunlich still. Niemanden war so recht nach reden. Abwechselnd dösten mein Bruder und ich. An richtigen Schlaf war nicht zu denken.
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Mutter erwacht nicht mehr. Zumindest nicht mehr richtig. Gelegentlich redete sie unverständliches, wirres Zeug. Mitten in der Nacht, draußen war es stockfinster, nur eine kleine Kerze spendete Licht, schreckte ich hoch. Ein scharfes Geräusch hatte mich geweckt. Ich blickte zu den beiden hinüber. Sah, wie meine Mutter Drego am Kragen gepackt hatte. Mit aller Kraft hielt sie ihn fest. Ihre Knöchel traten noch weißer hervor. Mit gestürzten Lippen blickte sie ihn streng an. Drego war wie erstarrt.
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Und mit unheimlicher, nahezu körperloser Stimme sprach sie: „''Kein Kind aus deinem Blut wird je den Baronsreif tragen, ohne dass sein junges Leben nicht sinnlos verlischt.''“
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Sie ließ ihn los. Sackte auf das Bett zurück. Und starb. Ein kalter Schauder jagte meinen Rücken hinab. Dregos und mein Blick trafen sich.
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== Bruder==
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<!--Zsfg: Drego und sein älterer Bruder sprechen sich aus.
  
|Text=mit großer Freude habe ich vernommen, dass du nun dem Peraine-Tempel zu Rallingen vorstehst! Ein wenig stolz bin auch ich, schließlich haben wir zusammen unser Noviziat bestritten und sind über die Zeit Schwester geworden und das nicht nur im Glauben! Gerne denke ich an unsere gemeinsame Zeit im [[Garetien:Tempel der eingebrachten Früchte zu Schwarztannen|Tempel der eingebrachten Früchte]] zu [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannen]] zurück und deswegen bin ich auch ein wenig betrübt, dass wir uns nun nicht mehr so oft sehen werden können, weil du nun in Rallingen weilst und ich auf Scharfenstein.
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[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
Gewiss hast du es bereits gehört und wie könntest du auch nicht? [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] hat mich zu seiner Hofkaplanin gemacht. Das kam so unerwartet für mich, dass ich gar nichts zu sagen gewusst hatte. So bin ich also nun bei Hofe. Es ist mir alles noch recht fremd, aber aus der gemeinsamen Zeit der Fehde kenne ich schon einige, auch wenn ich mich an den Verlauf des Lebens hier erst noch gewöhnen werden muss.
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Der Tod unserer [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] setzte uns allen zu. Wir lagen uns weinend in den Armen und hielten uns aneinander fest. Auch [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] war da. Selbst er weinte. Und so fühlten sich selbst meine Tränen nicht falsch an, dabei konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint hatte.
  
Obgleich ich dich gerne besuchen kommen möchte, so weiß ich noch nicht, wann dies möglich sein wird, denn die [[Garetien:Ailsa ni Rian|Verlobte]] des Barons wurde von Tsa gesegnet. Neu ist dir das freilich nicht, so warst du ja mit ihr und einigen anderen Getreuen in [[Garetien:Junkertum Erlenfall|Erlenfall]] und ihre Umstände werden dir kaum entgangen sein. Und der Baron wünscht, dass ich bis zu ihre Niederkunft, die ich im tiefen Winter erwarte, stets in ihrer Nähe bleibe. Natürlich ist Rallingen nicht weit, aber dennoch ziehe ich es vor erst einmal hier auf Scharfenstein und in der näheren Umgebung zu bleiben. Nicht zuletzt bin ich die Ratgeberin des Barons und gerade in dieser Zeit, da es an Unterstützung aus Luring durch [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] mangelt und die Gefahr durch die [[Garetien:Waldsteiner Traditionalisten|Waldsteiner]] nur verschoben, aber nicht aufgehoben wurde, braucht er Rat dringender denn je, auch wenn ich einfach nicht weiß, was ich ihm raten soll.
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Nachdem wir alle am Bett versammelt waren, bat ich den [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] um Geleit für unsere Mutter. So wie sie es sich gewünscht hatte. Danach bracht [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] Haselnussbrand. Warm und weich rann er meine Kehle hinab und vertrieb das Gefühl der Enge in meiner Brust – vorerst zumindest. Vater öffnete die Fenster. Kühle, feuchte Luft der Efferdnacht drang zu uns hinein.
  
Möge die Herrin [[Peraine-Kirche|Peraine]] stets gut auf dich Acht geben!
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„Die Mädchen“, hob die neue Hausherrin an, „werden bittere Tränen um ihre Großmutter weinen.“
  
|Absender=Deine Schwester
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[[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] nickte bestätigend. Er war ganz blass.
  
[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]]
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„Sie haben sie so sehr geliebt“, fügte Boriane noch hinzu und rieb sich schniefend über die Augen. Selbst sie, für die Mutter nie auch nur ein einziges freundliches Wort übrig gehabt hatte, war von Trauer und Schmerz erfüllt. Liebevoll legte sie ihren Arm um Moribert und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. So vertraut mit meinem Bruder hatte ich sie noch nie gesehen. „Vielleicht sollten wir eine Kleinigkeit essen“, schlug die Scheupelburgerin vor, „Es war eine lange Nacht und bis zum Morgengrauen wird auch noch die ein oder andere Stunde vergehen.“ Erneut hauchte sie meinem Bruder einen Kuss auf die Wange, strich ihm nachdenklich über sein Kinn und verschwand. Die Tür ließ sie offen. Wenig darauf konnte man Geklapper und leises Summen aus der Küche hören. Sie hätte auch die Magd wecken können ...
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==Hofkaplanin==
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„Weißt du eigentlich“, hob da Moribert an und schaute zu dem noch immer sehr blassen Drego hinüber, „wie sehr ich dich beneide, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]? Du hast es weiter gebracht als jeder einzelne von uns.“
Gegeben im Efferd 1044, Peraine-Tempel zu [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]]
 
  
{{Brief
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Drego blickte nur zwischen mir und Moribert umher, dann zuckte er mit den Schultern und entgegnete: „Eine Fügung des [[Phex-Kirche|Herrn Phex]], denn mehr als mein Name war es nicht, der den [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]] dazu veranlasst hat, mich mit [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] zu belehnen. Vielleicht dachte auch so mancher bei Hofe, mit mir sei ein leichtes Spiel zu treiben. Gegen die [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteiner]] stand ich alleine.“ Sein Blick schweifte zu mir. „Bis zum heutigen Tag haben sie es nicht mehr gewagt, anzugreifen.“ Er wusste genauso gut wie ich, dass die Angelegenheit nicht so einfach war, aber ich widersprach ihm nicht. „Diese Prüfung der Götter, denn etwas anderes war es nicht, habe ich bestanden.“ Langsam, aber überdeutlich nickte er. „Ich habe mich bewährt und deutlich gemacht, dass man mich ernst nehmen muss – auch wenn das noch nicht jeder wahrhaben will.“
|Adressat=An Ihre Gnaden [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]], [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
 
Liebste Schwester,
 
  
|Text=auch ich habe mit großer Freude von deinem neuen Amt erfahren! Überall spricht man darüber, Lindegard. Eine Peraine-Geweihte als Hofkaplanin, wer hätte das gedacht? Wohl keiner, werte Schwerter, keiner. Natürlich mag der Umstand, dass [[Garetien:Ailsa ni Rian|Baron Dregos Liebst]] von Tsa gesegnete worden ist eine Rolle bei deiner Ernennung gespielt haben, entscheidend wird allerdings deine Rolle an der Seite des [[Garetien:Drego von Altjachtern|Barons]] in der Fehde gewesen sein. Du musst einen guten Eindruck bei ihm hinterlassen haben! Mich verwundert das nicht, denn du bist eben nicht nur eine kundige Geburtshelferin, sondern auch eine begabte Heilkundige!
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Moribert nickte.
  
Leider fürchte auch ich, dass ich so bald nicht Rallingen verlassen werden kann. Ganz wie auch du muss ich mich zuerst einmal an mein neues Amt und die damit einhergehenden Verpflichtungen gewöhnen. Es war wohl ausgemacht, dass ich der Prätorin hier eines Tages folgen würde, doch das es sobald geschah war nicht geplant. So fehlt mir viel Erfahrung, Zeit und Wissen und dennoch muss ich diesem Tempel vorstehen. Es verlangt mir gerade viel ab. Ich denke, dass es dir auch nicht anders ergeht. Erst die Fehde und dann eine Aufgabe, der wir noch nicht richtig gewachsen zu sein scheinen. Ob unsere Herrin uns wieder einmal prüft?
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„Glaube mir, an vielen Tagen wünsche ich mir, ich hätte mich nie in diese Fehde gestürzt. Die Waldsteiner haben mich angegriffen und auch wenn sie sich bis jetzt ruhig verhalten, so konnte bisher einfach keine endgültige Einigung erzielt werden – auch bis zum heutigen Tag nicht. Sie verhalten sich ruhig, aber wie lange noch?“ Fragend schaute er uns an. „Nach den Waldsteinern waren da die [[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]. Sie trachtete nach meinem Baronsreif und dabei war es ihnen vollkommen gleichgültig, ob sie ihn mit oder ohne meinen Kopf in Händen hielten. Mein [[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]] hätte diesen Irrsinn fast mit ihrem Leben bezahlt. Und meine [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|jüngste Tochter]] ...“ Seine Stimme brach. Betreten schaute er drein. Ich sah ihm deutlich an, dass er kurz davor gestanden hatte, etwa zu offenbaren, worüber er besser geschwiegen hätte. „Oft denke ich darüber nach, wie alles gekommen wären, wenn ich mit ihr einfach in ihre Heimat gegangen wäre ...
  
Als Ratgeberin des Barons liegt eine schwere Aufgabe auf dir und dennoch bin ich sicher, dass du auch diese meistern wirst. Leider kann auch ich dir nicht sagen, was für einen Rat du ihm geben sollst. Vertraue auf unsere [[Peraine-Kirche|Herrin]], Sternguckerin, sie steht uns immer bei und wird dir ganz gewiss auch jetzt beistehen.
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„Aber du bist dein eigener Herr“, erwiderte ihm Moribert, „Ich habe, solange ich denken kann, unter dem Zorn und der Wut unserer Mutter gelitten. Von Boriane und unseren [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Kindern]] ganz zu schweigen. Du konntest dich mit deiner Gattin in Schwarztannen verstecken, aber für uns hat es nie ein Entkommen gegeben.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Unsere [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|Erstgeborene]] hat Mutter ausbrennen lassen, weil sie Magie für Madas Fluch hielt. Alle habt ihr nur zugesehen, aber keiner hat unsere Mädchen beigestanden. Unsere [[Garetien:Jermorane von Altjachtern|Zweitgeborene]] wurde an den Namenlosen Tagen geboren und Mutter hat verfügt, sie in die Obhut ihres [[Garetien:Firunian von Altjachtern|Oheim]] im [[Garetien:Ritterherrschaft Gnadenthal|Hüter des Gnadenthals]] zu geben. Wieder habt ihr alle nur zugesehen, aber keiner hat etwas unternommen. Wenig vor ihrem Tod hat sie Jemorane dorthin bringen lassen, obwohl sie noch viel zu jung war, als habe sie geahnt, dass wir das nie ohne sie getan hätten. Unsere [[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Drittgeborene]] soll an den Grafenhof ...
  
Ich sehne jenen Moment unseres Wiedersehens bereits jetzt herbei. Bis dahin gib gut auf dich Acht!
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„Tu das nicht!“, entfuhr es Drego entschieden. Energisch schüttelte er den Kopf. „Das ist kein guter Ort. Glaub mir. Bei all dem, was dir von Mutter angetan wurde, das ist kein guter Ort für deine Tochter. Wirklich nicht.“
  
|Absender=Deine Schwester
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„Was willst du damit sagen?“, wollte ich da nun wissen, „Du bringst schwere Anschuldigungen vor! Ich hoffe, du hast dir deine Worte wohlüberlegt!“
  
[[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]]
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[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er da an, „Mir ist klar, was ich da sage und ich habe gute Gründe, warum ich es sage. Doch kann ich nichts Genaueres sagen. Ihr müsst mir vertrauen. Bei allem, was passiert ist, ist mir doch eines klar geworden: Meine Familie ist das Wichtigste für mich. Ich würde sie in Gefahr bringen. Ich würde euch in Gefahr bringen. Jeder, der mehr weiß, ist in Gefahr. Und außerdem ...“ Er musterte mich eindringlich. „... dürftest du darüber nicht einfach hinwegsehen, Gerlinde.“
}}
 
  
==Traviabund==
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„Dann muss ich es erst recht erfahren“, energisch nickte ich, „Also sprich, Bruder, sprich.“
Gegeben im Travia 1044 auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
 
  
{{Brief
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Doch Drego schüttelte seinen Kopf: „Nein, nein und noch einmal nein. Und ganz gleich wie sehr du mir zusetzt, ich werde nicht reden. Mehr als einen Verdacht habe ich nicht, Gerlinde. Einen begründeten Verdacht, aber ...“ Er hielt inne. Ich straffte mich und schenkte ihm einen scharfen Blick. „... das reicht nicht. Mir ist das klar. Außerdem ist das nicht deine Angelegenheit. Das ist eine Angelegenheit des Reichsforstes und nicht einer der Waldsteiner.“
|Adressat=An Ihre Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane von Erlenfall]], Peraine-Tempel zu [[Garetien:Markt Rallingen|Rallingen]]
 
Liebste Schwester,
 
  
|Text=das Fest der eingebrachten Früchte liegt hinter mir, genauso wie der [[Travia-Kirche|Travia]]bund des [[Garetien:Drego von Altjachtern|Barons]] mit seiner [[Garetien:Ailsa ni Rian|Verlobten]]. Die Zahl der Gäste war überschaubar gewesen, der Baron hatte nur einige wenige, darunter seine Familie und Freunde dazu eingeladen. Eigentlich hätte er wohl gerne eine große Feier dazu abgehalten, doch die Zeit drängte ihn diesen Schritt zu tun: Die Niederkunft seiner Gattin erwarte ich im Winter und ihm war es wichtig den Bund vor der Herrin Travia noch davor zu schließen. Es ging ihm wohl um die Legitimität seines Nachwuchses und die Sicherung der Erbfolge. Natürlich muss ich nicht erwähnen, dass Baron Drego seinen Namensvetter [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] zum Traviabund eingeladen hat. Erschienen ist er jedoch, wie wir es uns gedacht hatten, nicht. Ein wenig betrübt über diesen Umstand wirkte Baron Drego dann schon. Mir scheint, dass er sich dem Grafen sehr verpflichtet fühlt, vielleicht sogar etwas zu sehr. Die Geburt seines Erben oder seiner Erbin will er jedoch groß Feiern.
+
„Ich diene der Himmlichen Leuin und ...
  
Auf hoffentlich bald!
+
„Ja, Gerlinde“, erwiderte er mir da, „Mutter wurde nie müde das zu betonen. Niemals.“
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|Absender=Deine Schwester
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== Nichte ==
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<!--Zsfg: Alrike Herdane wird Pagin bei ihrem Oheim, Baron Drego.
  
[[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard]]
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
}}
 
  
==Zwillinge==
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[[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Alrike Herdane]] und ihre kleine Schwester [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Ederlinde]] weinten unablässig. Träne um Träne kullerte von den Wangen der beiden Mädchen hinab, als wir [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] auf dem Boronanger beisetzte. Ich sprach den Grabsegen, so wie es ihr Wunsch gewesen war. Die Praiosscheibe stand am wolkenfreien Horizont. Dieser Tag war schön. Viel zu schön.
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 16. Hesinde 1044 BF
 
  
„Er sieht Euch wirklich sehr ähnlich!“, versicherte ich dem stolzen Vater, der mit seinem [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Sohn]] im Arm auf der Bettkante saß.
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Noch am selben Tag brach ich mit meinem Bruder gen [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] auf. Die drittgeborene Tochter unseres ältesten Bruders, Alrike Herdane, ritt mit uns. Ohne eine Regung war sie auf Anweisung ihres Vaters mitgekommen. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] hatte ihm versichert, dass [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] es ihm sicher nicht übel nähme, wenn er seine Tochter erst einmal zu seinem Bruder an den Hof gäbe. Noch sei das Mädchen jung, hatte er erklärt, noch könne man gut begründen, dass es besser für sie war innerhalb der Familie Pagin zu sein. Drego war ungewöhnlich unbeugsam gewesen und von einer noch ungewöhnlicheren Entschlossenheit erfüllt. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] widersprach nicht. Er war gewohnt, zu folgen. [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] hatte bitterlich geweint, ihre Tochter geherzt und geküsst. Alrika Herdane war teilnahmslos geblieben.
  
„Meint Ihr...“, er schaute mich mit Freudenträne in den Augen an, ... meint Ihr wirklich, [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]]?
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„Ganz sicher wird es dir in Scharfenstein gefallen“, erklärte mein Bruder unsere Nichte auf dem Weg nach Scharfenstein, „Es gibt dort viele Kinder, darunter auch meine Pagen. Außerdem natürlich meine eigenen Kinder: Du wirst [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Drego]], [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Lechmin]] und [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]] kennenlernen. Und mein ''[[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]]''.“ Er seufzte. „Meine Frau.
  
Ich bestätigte lächelnd und nickte: „Ja, ganz der Vater.
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„Die diebische Elster?“, entfuhr es dem Kind da.
  
Verzückt blickte er auf den gerade eben erst geborenen Knaben in seinen Armen herab: „Er soll [[Garetien:Drego von Luring|Drego]] heißen. So wie ich.“
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Dregos Miene verfinsterte sich: „Das ist deine Großmutter, die da aus dir spricht.“ Er hielt inne. „Niemand, der mein ''Orknäschen'' kennt, kann so über sie reden. Gar niemand. Auch du wirst so nie wieder von ihr reden. Nie! Hast du das verstanden?
  
„Und wie Euer Freund, der [[Garetien:Drego von Luring|Graf]]“, fügte ich nickend hinzu, „Ein guter und sehr passender Name. Gewiss wird der Graf sich geehrt fühlen.“
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Betreten blickte das Mädchen zu Boden und nickte.
  
Baron Drego nickte versonnen: „Gewiss wird er das. Sein zweiter Name wird [[Garetien:Danos von Luring|Danos]] lauten. Nach dem König der Ritter, Danos von Luring.“
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„Anstatt die Worte einer alten Frau nachzuplappern, solltest du dir lieber selbst ein Bild machen. Irgendwann wirst du begreifen, wessen Worten zu trauen ist und wessen nicht.“ Er hielt inne. „Aufrichtige und Ehrbare sind selten.“
 +
-->
  
Wieder nickte ich.
+
= Fische im Netz =
 +
== Bedenkzeit ==
 +
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
  
„Als dritten Namen wird er einen Albernischen tragen. Das hat sich Orknäschen gewünscht und... [[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]]?“, er wandte sich zu seiner Gattin um und fand sie schlafend vor. Neben ihr lag das Zweitgeborene, ein [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Mädchen]], und schlummerte friedlich in den Armen ihrer Mutter. Zärtlich strich Baron Drego das noch feuchte Haar aus der Stirn seiner Liebsten.
+
[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
  
„Lasst sie schlafen, Euer Hochgeboren“, riet ich dem frischgebackenen Vater, „Für den dritten Namen Eures Sohnes ist auch später noch Zeit.“
+
= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
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== Einhornfrau ==
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'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''
  
Er nickte, dabei fiel sein Blick auf das Mädchen und er erklärte: „Sie sieht aus wie ihre Mutter.“ Er seufzte. „Und sie ist genauso hübsch. So hübsch wie Orknäschen.“ Erneut nickte er. „Sie wird den Namen von [[Garetien:Lechmin von Luring|Lechmin von Luring]] tragen. Und den von [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]].“
+
(...)
  
 
= [[Der Raller treu — Briefspielreihe|Der Raller treu]] =
 
= [[Der Raller treu — Briefspielreihe|Der Raller treu]] =
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== Verschwunden ==
 
== Verschwunden ==
 
'''[[Garetien:Markt Rallingen|Markt Rallingen]], im Travia 1044 BF'''
 
'''[[Garetien:Markt Rallingen|Markt Rallingen]], im Travia 1044 BF'''
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= [[Zeit zu sterben — Briefspielreihe|Zeit zu sterben]] =
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Prolog|Prolog]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
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Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.
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Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|mich]] an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Frau]] auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.
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So war er, mein [[Boron-Kirche|Herr]], Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach [[Greifenfurt:Burg Haselbusch|Hause]]...
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Wiedersehen|Wiedersehen]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
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Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?
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„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]]?“
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Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.
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„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“
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Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]].“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.“
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„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.
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„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem [[Boron-Kirche|Herrn]]...“
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„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“
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Ich nickte.
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Erinnerung|Erinnerung]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
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[[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“
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„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein [[Boron-Kirche|Herr]] war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...
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„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die [[Greifenfurt:Burg Haselburg|Haselburg]] gehen. Ich würde gerne sagen, dass [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] sich freuen wird, dich zu sehen, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]], aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“
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Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“
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„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Schwester]] nach dem Tod eures [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|Vaters]] auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns [[Tsa-Kirche|Tsa]] diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“
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„Bist du traurig darüber?“
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„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.
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„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“
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Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.
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Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es [[Greifenfurt:Lechdan von Haselbusch|Lechdan]]? Wird er sterben?“
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Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“
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Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Mutter|Mutter]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
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„Wie geht es...“, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner [[Greifenfurt:Korgunde von Korbronn|Mutter]]?“
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Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“
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„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im [[Greifenfurt:Kloster Rabenhorst|Kloster]]?“
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„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“
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„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“
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„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...“
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„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“
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Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|meinem Vater]] zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Daria]] konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“
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„Ach, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]]“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.“
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„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“
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Tessia schaute zu Marbodane auf. Die [[Boron-Kirche|Boron]]-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“
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= Das dritte Kind =
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== Albträume ==
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'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Firun 1045 BF'''
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''Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.''
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''„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Hofkaplanin]] neben ihm zu.''
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''„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „[[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Es]] ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]]. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.''
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''Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“''
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''Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...''
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... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Jast]] trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?“
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„Wo ist ''Orknäschen''?“, wollte er wissen.
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„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner [[Garetien:Rondrara von Treleneck|Mutter]] bringen lassen, Hochgeboren.“
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„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“
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„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.“
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Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach [[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Esenfeld]] zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“
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„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.
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„Welche?“
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Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rian]].“
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„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem [[Garetien:Tempel zu Ehren der Heiligen Thalionmel zu Schwarztannen|Heimattempel]] in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannens]] geschlossen. Soll ich Euer Gnaden [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]] wecken?“
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„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“
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== Bitte ==
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Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld
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{{Brief
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|Adressat=An Euer Hochgeboren [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]], Baron zu [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]], [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]<br/><br/>
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Liebster Drego,
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|Text=so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
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|Absender=[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]]<br/>Reichsritterin zu Praiosborn
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=Weitere Ideen=
 
=Weitere Ideen=

Aktuelle Version vom 26. April 2024, 04:54 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.


Ein Ende und ein Anfang

Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.

Schwester

Vater

Mutter

Bruder

Nichte

Fische im Netz

Bedenkzeit

Burg Scharfenstein

Sie bat sich Bedenkzeit aus. Baron Drego verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.

Albtraumgestalt

Einhornfrau

See Praiosborn, Praios 1045

(...)

Der Raller treu

Verschwunden

Markt Rallingen, im Travia 1044 BF

Zeit zu sterben

Prolog

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.

Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute mich an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine Frau auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.

So war er, mein Herr, Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach Hause...

Wiedersehen

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?

„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... Marbodane?“

Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.

„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“

Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, Tessia.“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.“

„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch Dankwart und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.

„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem Herrn...“

„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“

Ich nickte.

Erinnerung

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Tessia schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“

„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein Herr war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...

„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die Haselburg gehen. Ich würde gerne sagen, dass Dankwart sich freuen wird, dich zu sehen, Marbodane, aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“

Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“

„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine Schwester nach dem Tod eures Vaters auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns Tsa diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“

„Bist du traurig darüber?“

„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.

„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“

Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.

Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es Lechdan? Wird er sterben?“

Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“

Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...

Mutter

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

„Wie geht es...“, Tessia stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner Mutter?“

Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“

„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im Kloster?“

„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“

„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“

„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...“

„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“

Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach meinem Vater zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester Daria konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“

„Ach, Marbodane“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es Dankwart je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.“

„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“

Tessia schaute zu Marbodane auf. Die Boron-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“

Das dritte Kind

Albträume

Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF

Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. Ailsa lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.

„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der Hofkaplanin neben ihm zu.

„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „Es ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte Baron Drego. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.

Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“

Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...

Trenner Garetien.svg

... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und Jast trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?“

„Wo ist Orknäschen?“, wollte er wissen.

„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner Mutter bringen lassen, Hochgeboren.“

„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“

„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.“

Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach Esenfeld zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“

„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.

„Welche?“

Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden Elerea ni Rian.“

„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem Heimattempel in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore Schwarztannens geschlossen. Soll ich Euer Gnaden Nurinai ni Rían wecken?“

„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“

Bitte

Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld

An Euer Hochgeboren Drego von Altjachtern, Baron zu Schwarztannen, Burg Scharfenstein

Liebster Drego,
 
 
 
 
so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
 
 
 
 
Ailsa ni Rían
Reichsritterin zu Praiosborn

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  • Drei Krähen und zwei Räblein
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