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Version vom 22. Juli 2009, 21:15 Uhr
Geschlagene fünf Tage und Nächte lag Alissa in tiefem Schlaf. Sie
träumte von dem, was zuletzt vorgefallen war. Immer und immer wieder
stach sie Belcampo das Schwert in die Brust und die Genugtuung, die sie
zunächst bei dieser Tat hatte, wich immer mehr einer tiefen Reue.
Thalionmel besuchte ihre Nichte oft am Krankenbett, musste sich jedoch
auch um andere Belange kümmern. Und so wachte nur der Leibarzt am Bett
der jungen Frau.
Er sah mit an, wie Alissa sich im Schlaf quälte, immer wieder den Kopf
hin und her warf und im Schlaf weinte. Er machte sich große Sorgen, da
er dachte, ihr Gemütszustand wäre durch die letzten Ereignisse beinahe
zu sehr in Mitleidenschaft gezogen worden.
Alissa hingegen haderte in ihren Träumen mit ihrem Gewissen. Sie sah
immer wieder diese schreckliche Szene auf dem Hof der Burg und konnte
nicht begreifen, wie sie zu so etwas nur fähig war. Sie sah sich immer
wieder nach dem Schwertstich in eine große Schwärze fallen. Sie weinte,
doch niemand half ihr. Sie war verzweifelt. Sie konnte sich nicht
helfen, konnte Belcampo nicht helfen und alles in ihr schrie über diese
Ungerechtigkeit.
Als sie wieder einmal zu fallen drohte und nicht mehr die Kraft
aufbrachte, sich gegen diese Bilder zu wehren, begann sie zu beten. Sie
betete zu Boron, sie doch endlich zu erlösen, sie von diesem Leid zu
befreien und somit ihre Schuld zu tilgen. Sie schloss die Augen und
richtete ihr Herz auf ihr Gebet und bereute ihre Tat aus tiefstem Herzen.
Und während sie betete veränderte sich etwas um sie herum. Sie nahm
diese endlose Schwärze nicht mehr so bedrohlich wahr. Was sie jedoch
mehr verwunderte: Sie fiel nicht mehr. Es schien, als würde sie ein
sanfter Hauch zu Boden geleiten. Sie betete voller Inbrunst weiter und
während sie sprach erinnerte sie sich an das Erlebnis in Almada, wo sie
ihren tiefen Glauben für Boron entdeckte, da sie Zeugin wahrlich
göttlichen Wirkens geworden war. Und Alissa fürchtete sich auch nicht
länger. Ein warmes Gefühl der Geborgenheit wuchs in ihrem Inneren und da
brach ein Damm in ihr. Tränen traten ihr in die Augen und spülten all
ihre Verzweiflung, ihren Zorn und den Hass fort und zurück blieb das
Gefühl der aufrichtigen Reue und Demut. Sie dankte Boron für seine
göttliche Gnade, denn sie glaubte, ihr Leid würde nun enden und sie
würde in seine Hallen eintreten.
Doch sie hörte kein Rauschen der Schwingen Golgaris. Es war völlige
Stille in dieser Dunkelheit, die sie umgab.
Der Leibarzt bemerkte die Veränderung, die an der Nichte der Baronin
vorgegangen war. Sie schien friedlich zu sein und auch auf ihren Lippen
zeichnete sich ein leichtes Lächeln ab. Doch was den Arzt sehr
beunruhigte war, dass Alissa immer blasser wurde und schwächer atmete.
Er machte sich zusehends Sorgen als er ihrem Pulsschlag überprüfte.
Dann geriet er in Panik!
Er ließ nach der Baronin schicken und wusste selbst nicht so recht, was
er tun sollte. Irgendetwas lief in die falsche Richtung.
Die Baronin eilte so schnell herbei, wie sie konnte. Der Arzt blickte
die Baronin besorgt an und sagte dann recht leise: "Euer Hochgeboren, es
sieht nicht gut aus. Vor noch etwa einer Stunde quälte sich eure Nichte
mit wohl furchtbaren Träumen herum, doch dann wurde sie ruhiger. Ich
dachte zunächst, dass nun der Heilungsprozess einsetzen würde, doch als
ich dann die Atmung und den Puls überprüfte, stellte ich fest, dass
beides schwächer wird. Ich fürchte, Eure Nichte wird bald in Borons
Hallen einziehen."
Die Baronin von Erlenstamm traute ihren Augen und Ohren nicht. Hatte ihr
Leibarzt tatsächlich gerade gesagt, dass ihre Nichte sterben würde?
Starr vor Schreck und Kreidebleich blickte sie ihre Nichte an.
Alissa lag friedlich auf den Kissen, aber auch der Baronin fiel der
unnatürlich bleiche Hautton ihrer Nichte sofort auf. "Wie lang…?",
brachte die Baronin gepresst hervor. Der Arzt schüttelte den Kopf und
meinte, dass er es nicht genau einschätzen könnte, es aber wohl nicht
mehr lang dauern könnte. Die Baronin ließ sich auf einen Sessel am Bett
ihrer Nichte sinken und wollte nun nur noch an ihrer Seite verweilen.
Alissa war indes immer noch in ihre Träume verstrickt. Die Dunkelheit um
sie herum wirkte ein wenig befremdlich, doch war sie sich sicher, dass
sie nicht mehr lange warten musste.
Und tatsächlich hörte sie plötzlich das Rauschen von Flügeln. Sie
dachte, es wäre nun soweit und Golgari wäre gekommen, um sie abzuholen.
Doch irgendetwas war anders. Ein Lichtstrahl bahnte sich seinen Weg und
kam auf einem prächtigen schwarzen Raben zum liegen. Alissa war sehr
beeindruckt von diesem wunderbaren Tier und trat ein wenig näher heran.
Der Rabe schüttelte sein Gefieder und blickte Alissa mit seinen
glänzenden Augen an.
"Bist Du gekommen, um mich zu holen?", fragte Alissa leise. Wieder
schüttelte sich der Rabe und Alissa vernahm eine Stimme in ihrem Kopf.
"Ich bin nicht der, für den du mich hältst, doch habe ich eine Botschaft
für dich." Alissa war ein wenig verwundert. Sie konnte nicht so recht
einschätzen, was gerade passierte, doch hörte sie dem Raben weiter zu.
"Mein Herr hat mich zu Dir geschickt." Er erläuterte Alissa sein
Anliegen. Sie verstand und nickte. "Es soll so geschehen, wie euer und
auch mein Herr es wünscht."
Der Rabe verschwand und Alissa kehrte allmählich in die Wirklichkeit zurück.
Der Leibarzt bemerkte es als erster. "Euer Hochgeboren, eure Nichte
scheint doch stärker zu sein, als wir dachten. Seht nur, ihr Gesicht!"
Die Baronin blickte auf und sah ihre Nichte an. Und auch sie bemerkte,
dass Alissas Gesicht allmählich wieder Farbe bekam. Auch die Atmung
wurde kräftiger und das Herz schlug wieder völlig normal. Die Baronin
atmete tief durch und war sichtlich erleichtert, dass ihre Nichte ihr
erhalten blieb.
Und etwas später schlug Alissa die Augen auf. Sie sah den Leibarzt an
und sah auch dann, dass ihre Tante an dem Bett ihrer Nichte saß.
Alissa gab zu verstehen, dass sie gern einen Schluck Wasser haben
wollte, sprach aber sonst kein Wort. Die Baronin schob das alles auf die
Ereignisse der letzten Tage und war dankbar, dass ihre Nichte noch
lebte. So stellte sie keine Fragen und ging etwas später wieder ihren
Geschäften nach.
Alissa kam recht schnell wieder zu Kräften. Der Arzt war sehr verwundert
darüber, denn er hätte schwören können, dass Alissa noch ein paar Tage
hätte im Bett bleiben müssen. Doch die junge Frau schien vor Leben nur
zu strotzen. Er konnte sich das nicht erklären, aber er wollte die
Baroness in ihrem Eifer auch nicht bremsen. So hatte er auch nichts
dagegen, dass Alissa noch am gleichen Tag aufstand und in den Hof
hinaustrat.
Die Baronin war sichtlich erfreut, ihre Nichte so schnell wieder auf den
Beinen zu sehen und sie bemerkte zudem, dass die junge Frau wie
beflügelt zu sein schien. Doch leider bemerkte sie auch, dass Alissa
anders war, als vorher. Sie lächelte viel und ging höflich mit jedem,
der ihr über den Weg lief, um, aber sie sprach kaum ein Wort. Und was
die Baronin noch merkwürdiger fand, war die Tatsache, dass ihre Nichte
jeden Tag fünf Stunden kniend in der zur Burg gehörigen Kapelle betete.
Was war bloß mit ihrer Nichte passiert? Hatte der Vorfall mit Belcampo
ihrer Seele einen solchen Schaden zugefügt, dass Alissa vielleicht nicht
mehr sie selbst war? Schon allein die Tatsache dieses langen,
merkwürdigen Schlafes war der Baronin nicht geheuer, aber sie vermutete
tatsächlich, dass ihre Nichte langsam aber sicher wohl doch dem Wahnsinn
anheim fallen würde.