Geschichten:Eine Stadtgarde für Hahnendorf 4: Unterschied zwischen den Versionen
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|Titel=Kapitel 4 | |||
|Reihe=Eine Stadtgarde für Hahnendorf | |||
|Teil=4 | |||
|Vor=Geschichten:Eine Stadtgarde für Hahnendorf 5 | |||
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|Datum=15.2.1029 | |||
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Aktuelle Version vom 28. Februar 2014, 16:40 Uhr
Mitte Rondra 1029 BF, der neue Boronanger der Stadt Hahnendorf, kurz vor Sonnenuntergang
"Hier ruht Yantur, Ritter zu Gippelstein"
Irean ibn Yantur kniete vor dem schiefen Grabstein und fuhr langsam mit den Fingern über die vermoosten Buchstaben. Als vor einem Götterlauf seine Mutter gestorben war, hatte er nicht um sie getrauert. Sie war gestorben, wie sie es sich gewünscht hatte - in einem ehrenhaften Kampf gegen räuberische Ferkinas. Da sie ohnehin keinen engen Kontakt pflegten, war sie kaum mehr als eine entfernte Verwandte für ihn.
Doch was war ein entfernter Verwandter überhaupt? Seine Mutter hatte nie über Familie gesprochen. Einer Amazone war ihre Schwesternschaft Familie. Ireans Vater war nur der Auserwählte gewesen, der ihr zu einer Tochter hätte verhelfen sollen. Und nun war dieser Vater, der einzige, der so etwas wie Familie hätte sein können, auch tot. Seit Jahren sogar, wie Irean von dieser Reiterin erfahren hatte.
Seine Gedanken schweiften ab, waren auf einmal bei der Reiterin. Er hatte ihre Angst gespürt, doch auch ihren Mut, sich der Angst zu stellen. Irean bewunderte das. Schade, dass er vergessen hatte, nach ihrem Namen zu fragen.
Plötzlich hörte Irean leise Schritte hinter sich. Langsam erhob er sich und drehte sich um. Ein Mann in edlen Gewändern stand hinter ihm. Im Gürtel des Mannes steckte eine kurze Axt. Irean meinte, eine leichte Ähnlichkeit zur Reiterin von vorhin zu erkennen.
"Wie ist Dein Name?", begann der Fremde unhöflich, "Und nimm diesen Stofffetzen vom Kopf, damit ich Dein Gesicht sehen kann."
"Mein Name? Was geht Euch mein Name an? Verratet mir doch zuerst den Euren?", antwortete Irean. Der Aufforderung, seinen Turban abzunehmen, kam er nicht nach.
"Soso, ein frecher Tulamide", nickte der Andere, "Weißt du, was wir hier in Fremmelsfelde mit frechen Tulamiden machen?"
"Nein. Warum erzählt Ihr es mir nicht?", gab Irean fordernd zurück.
Der Andere wurde zusehends wütend, "Wie kannst Du Dahergelaufener es wagen, so mit mir zu reden? Wenn Du von Stande wärst, würde ich Dich fordern, aber so werde ich dich wie einen Straßenköter erschlagen." Sprach´s und zog seine kurze Henkersaxt.
Irean wurde ernst. "Nun, einem Guten Kampf bin ich nicht abgeneigt. Doch lasst uns zuvor diesen heiligen Boden verlassen." Er drehte sich zum Ausgang des Boronangers und wollte gehen.
Der Andere lachte laut, "Heiliger Boden? Das ich nicht lache. Nur weil der senile Yantur einem klapprigen Rabengeweihten unsinnig viele Dukaten hinterher geworfen hat, damit dieser sich hier irgendwas in den Bart murmelt, soll diese Müllhalde voller vermoderter Leichen heilig sein?"
Irean blieb stehen. "Yantur?"
Der Andere grinste, "Ah, Du bist also der Rumtreiber, der in "Familienangelegenheiten" nach dem alten Yantur sucht?"
Irean drehte sich um und zog sich den Turban vom Kopf, "Mein Name ist Irean ibn Yantur. Ich bin der Sohn des Mannes, den ihr senil nennt."
Der Andere zögerte kurz, "Nun gut, reden wir offen. Ich bin Brasibert von Hahnentritt zu Hahnenfels, Vogt dieser Baronie und...", er machte eine kurze Pause, "…Ritter zu Gippelstein. Falls Du wirklich Bastard des alten Yantur bist, so mach Dir keine Hoffnungen auf sein Erbe. Was ihm gehörte, ist jetzt mein!"
Irean schaute Brasibert ernst an. "Ich war nicht gekommen, um irgendjemandem ein Erbe streitig zu machen. Ich war nur auf der Suche nach meinem Vater."
Brasibert legte den Kopf leicht schief und schaute Irean misstrauisch an.
"Aber da Euch so viel daran zu liegen scheint, mich von hier zu vertreiben, werde ich wohl ein wenig bleiben.", fügte er hinzu.
Mit einem wütenden Schrei hob Brasibert seine Axt und stürzte auf seinen Gegner zu. Dieser wich dem ungestümen Angriff mühelos aus und ließ Brasibert ins Leere laufen. Dann zog er ruhig seine beide Schwerter vom Rücken.
"Habt ihr euch das gut überlegt?", fragte er ernst seinen Widersacher.
Dieser antwortete nicht, sondern ging erneut zum Angriff über. Wieder wich Irean ihm mit einer schnellen Drehung aus. Ein schneller Schnitt seiner Schwerter und Brasibert schrie auf.
"Wenn Euch euer Leben etwas bedeutet, dann geht jetzt.", warnte Irean erneut.
Brasibert stand mit erhobener Waffe da, bereit für einen neuen Angriff. Wütend betrachtete er seinen linken Arm. Die Kleidung war zerrissen, Blut tropfte aus zwei leichten Schnitten.
"Brasibert, halte ein.", unterbrach eine Frauenstimme den nächsten Angriff. Ayla von Hahnentritt stürmte zwischen den Grabsteinen hervor und stellte sich zwischen die Kämpfenden. Irean lies seine Schwerter sinken.
"Geh aus dem Weg, Ayla. Der Kerl ist eine Bedrohung für uns.", forderte Brasibert seine Schwester auf.
"Nein, Brasibert!", widersprach Ayla, "Wenn er wirklich der ist, für den er sich ausgibt, dann ist er mit uns verwandt. Du kannst ihn doch nicht einfach töten." Brasibert senkte langsam die Axt.
"Ihr überschätzt ihn.", warf Irean ein, "Er kann nicht gegen mich gewinnen."
Brasibert hob seine Waffe erneut, doch Ayla warf sich ihm in die Arme, "Ich bitte Dich, Bruder."
Der Vogt schaute seine Schwester an und sein zorniges Gesicht entspannte sich etwas. Er blickte zurück zu seinem Kontrahenten und lies die Waffe endgültig sinken. "Ihr habt ja keine Ahnung, mit wem ihr euch anlegt. Verlasst diese Baronie. Wenn ich Euch noch einmal treffe, werde ich euch töten.", drohte Brasibert und verließ langsam und mit drohenden Blicken den Boronanger. Ayla blieb an seiner Seite und schaute Irean mit einem Blick an, den dieser nicht zu deuten vermochte.
"Und ihr habt keine Ahnung, mit wem ihr euch anlegt", murmelte Irean und schaute den Beiden nach. Als er sicher war, dass beide gegangen waren, kniete er erneut vor dem Grabstein seines Vaters nieder, murmelte ein kurzes Gebet und verließ den heiligen Ort. Außerhalb des Boronangers wischte er das Blut Brasiberts mit Gras von seinen Schwertern.
Ein Geräusch lies ihn herumfahren. Zwischen den Grabsteinen des Boronangers erhob sich ein Mann, der vorsichtig zu Irean herüber schaute. Irean musterte ihn kurz. Der Mann sah ungefährlich aus, kein Bauer, eher ein Handwerker oder Händler aus der Stadt. Jedenfalls kein Mann, der gut mit einer Waffe umgehen konnte.
"Entschuldigt", begann der Mann, "Mein Name ist Helmisch, Baltram Helmisch, ich bin Stadtrat in Hahnendorf. Rondra zum Gruße oder Rastullah, oder…."
Irean gestattete sich ein leichtes Lächeln, "Rondra zum Gruße auch Euch, werter Herr Stadtrat. Womit kann ich euch dienen?"
Baltram Helmisch trat langsam näher und wischte sich mit den Händen verlegen über die Ärmel, "Nun, ich wollte eigentlich nur das Grab meines Vaters besuchen und kam nicht umhin, Euer Gespräch mit dem Vogt anzuhören. Wie mir scheint, habt ihr Euch gerade einen neuen Feind gemacht."
Irean schaute nachdenklich zum Boronanger hinüber, "Noch habe ich alle Feinde überlebt. Und glaubt mir, es waren nicht wenige."
Helmisch fuhr fort, "Wie ich ja bereits sagte, bin ich Stadtrat in Hahnendorf und auch wir haben nicht die besten Beziehungen zum Vogt."
Irean schaute den Stadtrat ernst an, "Und ihr meint, der Feind Eures Feindes sei Euer Freund?"
Helmisch schüttelte den Kopf, "So naiv bin ich nicht. Doch mir scheint, wir haben zumindest gemeinsame Interessen und könnten zum beiderseitigen Vorteil daran arbeiten."
"So wie Ihr redet, seid Ihr Händler, richtig?"
Helmisch nickte, "Holz. Bauholz, Brennholz, Holzkohle, was immer ihr braucht."
Irean winkte ab, "Ich brauche kein Holz", er atmete tief ein, "was ich brauche, sind Informationen..."
"Die kann ich sicherlich beschaffen."
"...über meinen Vater", fuhr Irean fort.
"Ihr meint den alten Gippelsteiner? Ähm verzeiht, Ritter Yantur von Gippelstein?", fragte Helmisch.
"Was wisst ihr über ihn?", fragte Irean.
"Seid mein Gast heute Nacht", schlug Helmisch vor, "Es wird bald dunkel, und ihr habt sicher noch keine Unterkunft."
Irean schaute den Stadtrat prüfend an und nickte dann.