Geschichten:Am Spieltisch: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 14. Januar 2020, 15:48 Uhr
“Eine Sechs!”
Grummeld trommelte der Zwerg mit den Fingern seiner Rechten auf die grünsamtene Decke, die den großen runden Tisch im Hinterzimmer des Levthans Horn bedeckte.
“Nun grämt Euch nicht, es ist ein ehrliches Spiel”, versuchte Jarus ihn aufzumuntern, “und noch ist diese Runde nicht vorbei.”
Noch während er sprach, griff der Dritte im Bunde nach dem Würfelbecher, wischte sich eine rote Strähne aus der Stirn, langte sodann nach dem silbernen Würfel und ließ diesen geräuschvoll in den Becher plumpsen. Lässig schüttelte er das Gefäß, knallte es schwungvoll auf den Tisch und hob es an. Der silberne Würfel zeigte wiederum sechs Augen.
“Seht Ihr, Meister Drogosh, noch eine sechs. Da geht die Runde wohl weiter, will ich meinen!”
Aufmunternd blickte Jarus den Zwergen an. Vor dem Spiel hatte man sich auf die Regel geeinigt, bei gleichem Ergebnis zweier Spieler den Einsatz aufzustocken und eine weitere Runde zu Würfeln – bei neuem, höherem Einsatz, verstand sich. Phex hatte es gewollt, dass dieses nun bereits die vierte Runde gewesen war, in der am Ende ein Gleichstand herrschte. Nun lagen Jarus und Bernfried gleichauf. Drogosh griff nach dem Becher und schob weitere 5 Dukaten in die Mitte des Tisches. Jarus tat es ihm gleich, und auch Bernfried kramte die Summe aus seinem Beutel. Den letzten Dukaten mußte er bereits aus einzelnen Silbertalern auftürmen, denn langsam gingen ihm die Münzen aus. Dabei hatte der Abend so gut angefangen! Von den erste elf Spielen hatte er immerhin sechs gewonnen, Jarus vier, der Zwerg gar nur zwei, aber das störte ihn nicht. Allerdings hatte das letzte dieser Spiel die bislang höchsten Einsätze gefordert und ihn einen ganzen Haufen Dukaten gekosten. Koste es, was es wollte, er mußte diese Spiel gewinnen, dazu war er fest entschlossen. Andernfalls wäre es nicht gut um seine Finanzen bestellt gewesen, und an die Schulden bei diversen zwielichtigen Gestalten mochte er gar nicht denken.
Wieder ging der Becher rund. Drogosh würfelte eine drei, Jarus ebenfalls. Angespannt griff Bernfried nach dem Becher und würfelte. Einige Augenblicke ließ er sein Hand auf dem Becher ruhen, ehe er ihn anhob, um das Ergebnis zu betrachten. Es war noch eine drei. “Hehe, immer noch gleichstand”, frohlockte Drogosh und schob erwartungsvoll sechs Dukaten in die Tischmitte. Jarus zählte ebenfalls sechs Dukaten ab, mußte sich dabei aber ebenfalls schon einiger Silbertaler bedienen. “Phex mag es heute wohl besonders spannend”, sagte er grinsend.
Bernfried schluckte. Verdammt, dachte er bei sich. Jetzt wurde es ernst. Er hoffte inständig, dass sein Geldbeutel diesen Einsatz noch hergab. Unschlüssig wog er ihn in der Hand, kippte schließlich den Inhalt auf den Tisch und zählte das Geld ab. Fünf Silbertaler, dreizehn Heller und ein paar Kreuzer blieben ihm noch.
“Nun, für die nächste Runde wird es aber knapp”, bemerkte der Zwerg mit einem hämischen Seitenblick auf Bernfried. “Aber seid unbesorgt, vielleicht leihe ich Euch ja etwas...”
Drogosh begann. Schwungvoll landete der Becher auf dem grünen Samt. Als er den Becher hob, zeigte der Würfel fünf Augen. In Bernfried Magen machte sich ein unangenehmes Ziehen breit.
Frohgemut griff Jarus zum Becher. Ihm genügte eine drei, um mit Drogosh gleichzuziehen; und wenn Bernfried noch darunter würfelte, würde er sich den Gewinn mit Drogosh teilen können, so war seine Abmachung mit dem Zwergen.
Zögernd griff Bernfried zum Becher. Langsam schüttelte er ihn und drehte ihn um, doch seine Bewegung war zu zögerlich. Schon fiel der silberne Würfel heraus und rollte über das grüne Samt, überschlug sich einige Male, drehte sich um sich selbst und blieb schließlich liegen. Oben zeigte er die eins.
Bernfried stockte der Atem. Verloren! Konnte es denn möglich sein. Da kam ihm die rettende Idee. “Halt”, rief er, “der Würfel ist vorher aus dem Becher gefallen, da kann der Wurf wohl kaum gelten. Ich werde ihn sogleich wiederholen!” sagte er und griff zum Becher.
“Hat man so etwas schon gehört?” Fragend blickte Drogosh seinen Kumpan Jarus an. Dieser schüttelte den Kopf. “Es war ein ehrliches Spiel; findet Euch damit ab, dass Ihr verloren habt. Noch einmal würfeln, wo gibt es denn sowas...” Der Zwerg schüttelte den Kopf.
Jarus klopfte Bernfried auf die Schulter. “Nehmt es nicht so tragisch. Ein andernmal habt ihr vielleicht mehr Glück!”
Mit hängendem Kopf klaubte Bernfried sein restliches Geld zusammen und griff nach seinem Mantel. “Gehabt Euch wohl”, murmelte er, während er die Tür öffnete und hindurchtrat.
“Vergeßt nicht, Euren Wein zu bezahlen”, rief der Zwerg ihm hinterher, während er das Geld heranzog. Sein anschließendes Lachen ging im Geräusch der Tür unter, die knallend zufiel.
“Dreiundsechzig Dukaten” sagte Drogosch wenig später, als er die Münzen gezählt hatte. “Übliche Aufteilung?”
“Die Übliche Aufteilung, mein Freund”, entgegnete Jarus.
“Nun gut. Jeder ein Drittel, das letzte für den Sieger. Das seid wohl Ihr, Herr Graf... Habt Ihr wohl etwas dagegen, wenn ich Eure Schulden von letzter Woche gleich einbehalte?”
“Nehmt nur, Meister Drogosh, nehmt nur. Spielschulden sind Ehrenschulden; wer sollte das wohl besser wissen als wir?”
“Macht also summa summarum einundzwanzig für mich plus die dreißig von letzter Woche, bleiben für Euch noch ... göttergefällige zwölf.” Der Zwerg schob Jarus die Münzen herüber.
Jarus steckte die Münzen ein und griff nach seinem Umhang. Mit einem Zug leerte er seinen Weinpokal. “Der Wein geht auf’s Haus?”
“Wie immer!” Der Zwerg nickte. “Gehabt Euch wohl, Herr Graf!”
“Gleichsam. Phex zum Gruße, mein Freund!” Jarus Encalbien, in der Garether Unterwelt besser bekannt als der “Graf von Gareth”, tippte sich an die Hutkrempe und schritt von dannen. Die nacht war noch jung, und es gab gewiß noch etwas zu tun. Mal sehen, was Bastan und die Gefährten ausgekundschaftet hatten...
Drogosh blieb allein zurück und betrachtete den Gewinn noch eine Weile. Dann brachte er die Münzen ins Nebenzimmer, verschloß sie in seinem Schreibtisch und begab sich hinab in die offzielle Räumlichkeiten seines Etablissement. Gestern hatte er doch diese junge Aranierin bekommen; es wurde Zeit, sie ein wenig genauer in Augenschein zu nehmen...
Bernfried von Streitzig j.H. hingegen war alles andere als guter Dinge. In der nächstgelegenen Taverne orderte er einen Krug billigen Rotwein und ein paar Schnäpse, um seinen Ärger hinunterzuspülen. Er brauchte dringend Geld, sehr dringend. Vielleicht sollte er doch auf das Angebot dieses Carten von Rhoda eingehen und sich anhören, was der von ihm wollte; immerhin war ihm für einen noch nicht näher bezeichneten Dienst ein erkleckliches Sümmchen angeboten worden, und man hatte ihm bedeutet, dass er, Bernfried, die erste Wahl dafür sei. Vielleicht konnte man ja sogar etwas mehr herausschlagen...
Nach einem weiteren Krug Wein stand seine Entscheidung fest...
◅ | Ein Rotschopf benimmt sich daneben |
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