Geschichten:Teurer Manegold - Reddi ad officium vostrum: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 25. September 2014, 20:13 Uhr
Zu Sankt Quelban, 20. Efferd 1012 BF
Verehrter Lehrer und Freund, teurer Herr Manegold,
in welch schweren Zeiten leben wir! Wie schwer prüfen uns die Götter, was erwartet Herr Praios, Lux Luminis, von uns Sterblichen? Täglich strömen die Luringer in den Tempel und beten um den Schutz Sankt Quelbans, der die Stadt schon einmal vor der Vernichtung bewahrt hat. Graf Danos hat Ritter in die Stadt kommandiert – des Reiches Stadt oder nicht – und Burg Luringen für eine Belagerung proviantiert. Täglich muss ich Trost und Zuversicht austeilen wie die Geweihten der Travia das Brot, doch weiß ich nicht, woher ich Trost und Zuversicht nehmen soll. Noch reicht der Vorrat, den ich auch dank Eurer Hilfe anlegen konnte, als Ihr mit den anderen höchlich Geweihten des Götterfürsten Anfang Rondra in Luring geweilt habt, als eben die Nachricht von der Vernichtung der Thuranischen Legion uns erreicht hat. Ich weiß nicht, ob ich – so jung, so unerfahren – meine erste Prüfung als Vorsteher dieses ehrwürdigen Tempels hätte bestehen können.
Nun aber scheint in der Stadt eine Rückbesinnung auf die Tugenden der Zwölfe stattzufinden: Manche fürchten, der Schwarzpelz werde sich nicht mit Greifenfurt zufrieden geben, nun da zwei Heere der Krone geschlagen wurden. Manche fürchten, der Schwarze Marschall wolle auch Luring pflücken und die Grafschaft Reichsforst verheeren. Das möge ER verhindern! Viele tapfere Frauen und Männer sind zum Reichsheer gerufen worden und folgen dem Heerbann nach Wehrheim. Andere scharen sich unter das Grafenbanner und folgen Danos dem Ritterlichen. Kein Wunder, dass so viele Verzweifelte in den Tempel kommen – denn sie allein scheinen noch hier zu sein, wohingegen die Tapferen in den Kampf strömen.
Ich aber frage mich: Wieso konnte es soweit kommen? Wer regiert uns so schlecht, dass das Herz des Reiches erzittert und völlig überrascht ist von den Taten unzivilisierter Orks? Haben die Jahre der Verwirrung durch Answin auch unsere Oberen verwirrt? Sind die besten mit Answin gekommen und wieder gegangen? Ich jedenfalls sehe, dass die ordnende Hand im Königreiche fehlt, und ich glaube auch zu wissen, wem wir es verdanken, dass Garetien, unser schöne Heimat, SEIN eigenes Land, so unvorbereitet dasteht: Es ist Alwene die Eiserne, die offensichtlich nur sich selbst und ihr eigenes Taktieren im Kopf hat.
Ich berichtete ihr brieflich vom Träume Halva Selissas und warnte sie und das ganze Zedernkabinett, dass die Zeiten der Prüfung noch nicht vorbei seien. Doch sie befahl mir nur: »Redi ad officium vostrum« – wie es einst Kaiser Raul dem Boten des Lichtes befohlen haben soll. Geweihte seien nicht für die Politik geschaffen, und ich verstünde die Zusammenhänge nicht. Teurer Manegold, ich gestehe Euch als meinem Beichtvater, dass in mir die Hoffahrt und der Zorn aufstiegen – doch gebe ich zu: Sie hat recht. Noch verstehe ich die Zusammenhänge nicht. Aber ich werde sie dermaleinst verstehen, und dann wird sich vielleicht auch die Eiserne Dame eines Besseren belehren lassen.
Praios behüte Euch und lasse Euch allzeit im Lichte wandeln!
Praiodan von Luring m.p.