Geschichten:Turm auf Dame - Ein bemerkenswerter Abgang: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 28. Februar 2014, 16:58 Uhr
Burg Angareth am Arvepass, hoher Saal
21. Travia 1036 BF, frühe Mittagsstunden
„Verloren? Wie kann man eine Schutzbefohlene, an deren sicherem und ununterbrochenem Geleit ich persönlich Interesse bekundet habe in vertrautem Gelände einfach verlieren? Will er mir etwa weismachen, die Dame habe spontan Zauberkräfte entfaltet, um sich davon zu stehlen oder eine Kavalkade Jenseitiger habe die Geweihte gen Firun verschleppt – ohne auch nur einem der Bewacher ein Härchen zu krümmen?“ Die Stimme des Burgherrn war ruhig und gefasst – gerade laut genug, das sanfte Sausen des Windes an den Mauern des hohen Bergfriedes zu übertönen, dass die in die Fensterhöhlen gesteckten Decken im hohen Saal noch vernehmen ließen.
Um die Burg am Arvepass herrschte der Herbst, doch im Saal herrschte der Winter konnte man meinen. Selbst der Sohn des Heermeisters und Landvogts hatte sich in sich selbst zurückgezogen und schwieg beharrlich, während sein Vater, die gespreizten Finger beider Hände auf den Tisch gestützt und sich nur unmerklich vorgelehnt den Blick unter zusammengezogenen Brauen beiderseits einer steilen Stirnfalte auf den Delinquenten richtete - einen Korporal des auf Angareth stationierten zweiten Banners des Bombardenregimentes.
"Mit Verlaub, Excellenz - wir konnten doch nicht... während sie hinterm Busch war... Ihr müßt..." Das Unwohlsein schlug dem Korporal auf die Stimme und er blickte sich hilfesuchend im Raum um. Aber sowohl sein Hauptmann, der Sohn des Zornigen, als auch die Kastellanin machten lediglich ernste aber ausruckslose Gesichter. Lediglich Frau Leodane, die etwas abseits der tribunalartigen Szene an der Seitenwand der Halle mit ihrem Stickzeug saß, dieses aber derzeit ruhen ließ, maß ihren Gatten unverhohlen mit leicht tadelndem Blick. Der jedoch schien das nicht zu bemerken.
"Still! Ich muss gar nichts. Die ganze Rotte auf die Stube, bis ich das Maß festgesetzt habe." Dann traf der Blick des Vaters den Sohn. "Und ihr, Hauptmann, werdet sofort eine Suche koordinieren, diese Person wieder zu finden, damit ich sie an Travias Gebote erinnern kann. Geben die Götter, das nichts..."
In diesem Augenblick ertönte ein lautes Ächzen, dass den ganzen Raum erfüllte, als wenn ein Gigant vor Schmerzen laut aufschrie. Das und das Zittern im Boden genügten dann doch, den älteren Firunslicht zum Schweigen zu bringen. In die aufkommende Kakophonie mischte sich zum Knarren ein lauter, berstender Knall gefolgt von einem Poltern und Rauschen. Kinare von Seehof, die Kastellanin, war aufgesprungen und als Erste unterwegs zu einem der Fenster an der Ostseite der Halle. Kurz darauf folgten alle anderen mit unterschiedlicher Eile.
"Was zum..." entfuhr es Kinare, nachdem sie sich aus dem engen Fenster gelehnt hatte und kurz darauf ein. "Oh verdammt... Seht selbst!" Ihr Gesicht war etwas blass geworden, als sie ihrem Dienstherrn den Weg freigab, damit er sich ein Bild machen konnte vom Ursprung des langsam verhallenden Getöse.
In einer vom Regen langsam niedergeschlagenen Staubwolke enthüllte sich an der nördlichen Mauer am Übergang vom unteren auf den oberen Hof eine gähnende Leere: Der Nordturm der Burg war offenbar nicht mehr und hatte Teile des inneren Torhauses und der Brustwehr des oberen Hofes mit sich genommen. Ob die unter diesem liegenden Kasematten ebenfalls aufgerissen waren, ließ sich vom Bergfried aus nicht erkennen. Der Schaden war in jedem Fall immens - und Angareth an der nördlichen Flanke offen.