Geschichten:Ein Traum wird wahr - Teil 8: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 28. Februar 2014, 17:34 Uhr
Der Weg durch die Gänge Angareths war so grundsätzlich anders als jeder, den Ra'oul vom großzügigem Anwesen seines Vaters kannte. Zwar waren die Wände auch oft genug weiß, aber weder gekalkt noch aus Marmor sondern vielmehr aus gewaltigen, oft genug unregelmäßigen Kalkblöcken errichtet, die an vielen Stellen so wirkten, als wären sie mit unermesslicher Kraft einfach solange aufeinander gedrückt worden, bis es passte. Der Gang vorm Saal war recht großzügig angelegt und baumartige Säulen strebten aufwärts, um sich in einem Geäst aus aderartigen Streben über den Köpfen unregelmäßig zu verwirren. Der Wind zog durch eine Schießscharte und erzeugte ein unangenehmes Heulen. Etwas irritiert blickte Ra'oul kurz um sich, fasste sich aber schnell. Allerdings konnte er das drückende und ungute Gefühl, dass ihn überkam, seitdem er einen Fuß in diese Burg gesetzt hatte nicht gänzlich abstreifen. Er selbst war kein Jüngling oder unerfahrener Krieger mehr, er hatte in der III. Dämonenschlacht gefochten, sowie an weiteren Schlachten, u.a. hier am Arvepaß teilgenommen. Und doch war er sich sicher, dass er auf dieser Burg keinen Dienst haben und nie und nimmer stationiert sein wollte. „Ich bin mir sichär, die beiden haben viel zu besprechän. Und verzaih die Ungestimmheit meines Brudärs. Är ist wirklich verliebt und die Nachricht Deiner Shara hat ihn sähr bewegt." „Getan. So ist es lieber als wollte er nichts von ihr", erwiderte Aldron an, als sie den Saal verlassen hatten, in dem Dienstboten die Reste der Speisen abräumten. Er blieb stehen und deutete auf einen schmalen Durchgang zu einer Wendeltreppe. Der Nebachote nahm die Äußerung des Vogtes wohlwollend zu Kenntnis.
Während sie hinunter stiegen, bekam Ra'oul den Eindruck, die gesamte Wand des Treppenhauses wäre aus einem im Fluss erstarrtem Material gefertigt: keine Fugen waren zu sehen, aber an einigen Stellen die welligen Muster von übereinander fließenden Breischichten. Die Stufen waren eingefügte Platten aus dunklem Granit. In dem schmalen Schacht war wieder ein Heulen zu hören, das von unten hinauf kam. Gegen Ende schien sich ein Seufzen hineinzumischen, das antwortgleich von der Wand neben den beiden zurückgeworfen wurde.
Glücklicherweise mussten sie nicht lange, bis zu ihrem Ziel gehen. In dem hohen Raum, dessen einziges, recht weit oben befindliches Fenster mit einer Decke zugestopft war, brannte ein freundliches Feuer und verbreitete nach den zugigen Gängen angenehme Wärme. An einer Wand stand ein Regal mit verschiedenen Schriftstücken und Kartenrollen. Zu beiden Seiten des ordentlich aufgeräumten Schreibtisches standen bequeme, hochlehnige Stühle. Einladend deutete Aldron auf den einen davon, ging zum Regal und nahm einen Stoß Schriftstücke hervor. „Hier sind die Überlegungen, von denen ich sprach." Er legte den Stapel auf den Tisch vor Ra'oul und setzte sich. Mit geübten Griffen schenkte er aus der bereitstehenden irdenen Flasche in zwei von insgesamt sechs Bechern aus Zinn eine klare Flüssigkeit und schob einen der Becher seinem Gast zu, der diesen mit einem Nicken annahm und mit einem Zug leerte, fast so als wolle er damit das Heulen und Seufzen der Gänge von sich spülen. „Ich bin immer noch der Meinung, ein größerer Anteil an nur zeitweilig dienenden Reitern von Stand würde der Sache dienlicher sein als eine rein besoldete Truppe es sein könnte." erläuterte Aldron seine Gedanken. „Natürlich brauchen wir einen festen Kern. Und auch den müssten wir aus Nord und Süd rekrutieren. Für die Ausbildung als Schwadron empfehle ich den Edlen von Hagenshain. Reto von Binsböckel war lange Rittmeister der Rommilyser Reiter, eine renommierte darpatische Schwadron schwerer Kavallerie. Für das Kommando im Einsatz ist er allerdings etwas zu betagt inzwischen." Aldron kam gleich zur Sache, was dem Nebachoten gefiel. Auch wenn er es von Simold von Haselhain gelernt hatte, so mochte er es nicht um den heißen Brei zu reden, sondern – ganz wie sein Vater – das Thema um das es ging direkt anzusprechen.
„Ich habä mir auch ein paar Gedankän seit unserem letzten Treffen gemacht und stimmä Dir zu, dass wir einen Teil stehend lassen solltän und einen Teil im Wächsel und zaitweilig dienän lassen solltän. Von Binspöckel suagt mir allärdings nichts. Verstäht er die nebachotischä Kriegsfierung? Immärhin wollän wir baidä Strategien ver'ainen und so besondärs schlagkräftig werden."
„Ihr könnt ihn hier auf der Burg selbst befragen. Seine Heimat ist allerdings die schwere Kavallerie, doch er hat mein Vertrauen, auch die Eigenheiten eines etwas weniger auf gesammelte Disziplin bauenden Kampfstils einzusetzen. Außerdem war er in Knoppsperg dabei, als das Leibregiment und Aufgebote von südlich des Darpat zusammen wirkten." Aldron machte eine kurze Pause und bemerkte dann noch. „In jenem Gefecht haben sich die kombinierten Kampfweisen schon bewährt. Ich hatte recht verschiedene Banner zur Verfügung."
„Wuenn wir aine Schwuadron bilden wollen, so schlagä ich vor, dass wir die Hälfte aus einem stehenden und die andere Hälfte aus dem zeitweiligen Raitern bilden lassen. Ich wirdä dafir sorgen, dass sich 15 nebachotische Kriegär allär Stämme beraithalten, wobei die Bahr ai Danal die Meisten sein dirften."
„Das ist ein guter Grundstock. Ich werde sehen, wer sich auf mein Wort dazu bereit erklärt, mitzustreiten. Aber das wird Zeit benötigen. Zu Beginn werden Nebachoten noch den Grundstock bilden müssen, später wird das Vorhaben wachsen und vor allem mehr Kämpfer von Stand anziehen. Denn ich bin dafür, dass wir unseren Plan nicht zu einer Söldnereinheit verkommen lassen, weder von den Idealen, noch vom Gehabe, noch vom Einsatz her." Der Nebachote nickte zustimmend.
„Was schlägst Du vor, wo wir sie stationierän lassen wuollen? Da ich sie zum größten Teil finanzierä, schlage ich vor, dass wir sie in Bahr ai Danal, in Besh'Aramal diräkt an der Gränze zu Matlah'kurah und Hassal'a Ammayin gelägen einquartieren. Das Anwäsen ist groß genug, um zwei vollä Schwadronän Raiter aufzunähmen, suo dass wir mit unsärem Vorhaben gut ausgestattet sein dirften." Aldron nickte. „Das klingt vernünftig, zumindest für den stehenden und gerade Dienst tuenden Teil des Aufgebotes. Mir schwebt vor, eine Bruderschaft von Standespersonen zum Rückgrat dieses bewaffneten Arms zu machen, damit das Fanal, das wir senden wollen, auch wirklich durch die Markgrafschaft dringt. Deswegen müssen diese ersten Krieger aus den Reihen der Nebachoten sorgfältig ausgewählt werden, um kein falsches Bild zu vermitteln. Ich vertraue deinem Urteil, Ra`oul." Aldron war inzwischen zu vertrauter Anrede übergegangen. Einige der konsumierten Schnäpse halfen ihm dabei, seine Steifheit soweit abzulegen, sich in dem Punkt der Art seines Gastes anzupassen. Dem fiel das gar nicht einmal auf. „Duoch wär soll dän Haufän befähligen? Wär ist fähig genug ein Bannär anzufierän? Kann gleichzeitig mit Pfärden umgehän und kennt die darpatischen Gewohnhaiten, sowie die nebachotischen Gepflogenhaiten? Wär hat viellaicht schon Erfahrung darinen, beidä Velkär zu verainen?"
Mit einem leisen Klacken traf der Schnapsbecher wieder einmal das Holz des Tisches. Aldron schwieg einen Augenblick und irgendwo in den weitläufigen Mauern der Burg pfiff etwas, wahrscheinlich Wind, der sich in einem Spalt verfangen hatte. Schließlich erwiderte er bedeutungsschwer: „Mir kommt jemand in den Sinn, der diese Anforderungen erfüllt. Und sie wünscht sich schon lange ein berittenes Kommando…"
Ra'oul mußte bei diesen Worten schmunzeln. An Malina hatte er ebenso gedacht, aber dass Aldron – in seinen Augen – so doppeldeutig sein konnte, gefiel ihm.