Geschichten:Helden von Gareth - Wissen ist Macht: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 28. Februar 2014, 17:11 Uhr

Kaiserlich Gerbaldsmark, Klosterlande St. Ancilla




Hesinde-Kloster St. Ancilla, Mitte Praios 1036 BF:

Die junge Novizin Sarella führte den etwas angespannt wirkenden Balrik von Keres die langen Gänge des Klosters St. Ancilla entlang. Nach Aussagen der wortkargen Novizin wartete Hochwürden Adran von Feenwasser bereits in der Bibliothek auf seinen Gast. Balrik war sich nicht sicher warum er vom Abt ins Kloster gebeten wurde. Die Nachricht schien ihm sehr dringend zu sein und da sein Sohn Gerion gute Beziehungen zu den hiesigen Hesinde-Geweihten führte (und es für ihn eine willkommene Abwechslung von seinen neuen Aufgaben als Aufklärungsmeister im Marschallsstab war), machte sich der Reichsritter sogleich auf den Weg. Trotz des gehetzten Ganges der Novizin ließ Balrik seinen Blick schweifen und musterte seine Umgebung sehr genau. Der lange, kunstvoll gearbeitete Säulengang war an den Wänden mit hesindegefälligen Fresken versehen. Sie zeigten das Leben der Heiligen Ancilla, der Namensgeberin des Klosters, äußerst detailgetreu. Besonders imposant empfand er die Darstellung der Verfolgung der Heiligen und ihren Märtyrertod im Feuer. Die Priesterkaiserherrschaft war ein schwarzer Fleck in der Historie des Neuen Reiches.

Schließlich erreichten sie das grüne, mit goldenen Schlangenornamenten versehene Portal zum eigentlichen Heiligtum des Klosters: der Bibliothek. Der Blick der sich Balrik eröffnete war imposant, reihten sich doch Bücherregal an Bücherregal unter das hohe Gewölbe. An den Wänden schlängelten sich schlangengleich Galerien entlang, die in gewissen Abständen durch Brücken mit der jeweils anderen Seite verbunden waren. Es herrschte reges Treiben hier, überall wuselten Geweihte und Novizen umher und auch einige Laien konnte Balrik erkennen.

Hochwürden von Feenwasser stand an einem der Schreibpulte und unterhielt sich angeregt mit dem Junker Marbos von Greifstein. Balrik war ihm schon öfters am burggräflichen Hof zur Gerbaldsmark begegnet. Der junge Adlige galt als ausgesprochener Schöngeist und durchaus begabter Poet. Die beiden diskutierten offensichtlich über die Dichtkunst der frühen Klugen Kaiser, jedenfalls hielt Junker Marbos einen dicken Folianten zu diesem Thema in den Händen, wie Balrik feststellte.

„Hesinde zum Gruße, Wohlgeboren von Keres. Es freut mich, dass Ihr meiner Bitte unverzüglich nachgekommen seid.“ Der Abt freute sich sichtlich über Balriks erscheinen. „Verzeiht die Unruhe hier, aber mit dem Reinigunsgfest beginnt hier in der Bibliothek die große Inventur. Darf ich Euch mit Wohlgeboren Marbos von Greifstein bekannt machen, wobei ich sicher bin, dass die Herrschaften sich bereits begegnet sind. Er ist einer der größten Mäzene unseres Klosters.“ Die beiden Junker begrüßten sich standesgemäß. „Marbos, bitte entschuldige mich, ich habe wichtige Angelegenheiten mit unseren Gast zu bereden.“ - „Sehr wohl mein allwissender Vater.“ Adran und Balrik gingen ein Stück, auch die Novizin Sarella zog sich zurück.

Der Prälat der Hesinde-Kirche führte den Reichsritter in einen der vielen kleinen Lesenischen wo sie ungestört reden konnten. „Wohlgeboren, meine Nachricht mag Euch außergewöhnlich vorgekommen sein, aber leider konnte ich mein Anliegen nicht weiter spezifizieren. Ich halte große Stücke von Eurem Sohn und hoffe inständig, dass mein Euch dargebrachtes Vertrauen nicht enttäuscht wird.“ - Balrik zuckte bei diesen Worten kurz mit der Augenbraue - „Kürzlich erreichten uns besorgniserregende Kunde aus der Baronie Vierok“, fuhr der Abt fort. „Wie es scheint plant die hesindeverlassene Junkerin von Borstenfeld die Baronswürde an sich zu reißen, sollte Baron Irian einmal in eines der Zwölfgöttlichen Paradiese eingehen. Ihr seid ein kluger Mann, Wohlgeboren, Ihr wisst so gut wie ich, dass dahinter nur Parinor von Borstenfeld stecken kann und genauso gut wisst Ihr auch dass man diesen Mann aufhalten muss. Die Ereignisse auf dem Großen Kabinett sprechen doch für sich, oder etwa nicht?“

„Es würde dem Pfalzgrafen ähnlich sehen“, stimmte Balrik bedächtig zu. „Aber ist es sicher, daß die Borstenfelds die Baronswürde anstreben?“

„Es ist sicher, Wohlgeboren“, sagte er Abt bestimmt und klärte den Ritter kurz über die Verhältnisse in der Baronie auf.

„Ja, es klingt ganz danach“, sinnierte Balrik und dachte an Berdina, die Enkelin des vieroker Barons, die ihre Knappenzeit bei ihm verbracht hatte und immer bestrebt war ihren Platz im Adel zu festigen. Wenn die Borstenfelds die Baronswürde bekämen, wäre es das Aus der Vieroks.

Und Parinor? Er hätte nicht nur einen wichtigen Schritt zur höheren Macht im Königreich vollbracht, sondern könnte auch eine der reichsten Baronien des Reiches als sein eigen nennen. Balrik mißtraute dem Pfalzgrafen. Wenn er an das Große Kabinett dachte – und an die Entführung Sigmans (er war noch immer überzeugt, daß Parinor tiefer drinsteckte als es den Anschein hatte) …

„Wohlgeboren, es ist an der Zeit zu handeln“, die Stimme des Abtes wirkte eindringlich. „Ich selbst habe meine Augen und Ohren in Vierok, doch ist deren Handlungsfreiheit“, Adran stockte, „sagen wir mal so ... etwas eingeschränkt. Daher halte ich Eure Tauristar für am besten geeignet die Familie Borstenfeld in Vierok wie auch in Bugenhog im Auge zu behalten und Informationen zu sammeln die wir dann später gegen sie verwenden können.“ Im Blick des Reichsritters konnte der Prälat ein gewisses Unbehagen erkennen und so fuhr er fort. „Ich weiß natürlich das Eure Truppe voll und ganz für den groß-garetischen Heerbann vereinnahmt ist, was sicherlich hier und da zu einer gewissen Ressourcenknappheit führen könnte.“

Der Geweihte hatte in diesem Punkt mehr als nur Recht, da Balrik auch so schon zu wenige Kundschafter hatte (daher war er auch immer auf der Suche nach Neuen). Doch der Abt fuhr fort: „Daher bin ich bereit Euch in dieser Hinsicht finanziell entgegen zu kommen.“ Ein blitzen lag in den Augen des Geweihten.

Balrik rieb sich das Kinn. Andererseits könnte es sich durchaus lohnen zu wissen, was der Borstenfeld vorhat. Vielleicht konnte er seine Kundschafter ja für „innere Sicherheit“ dafür einsetzen? Aber wenn der Abt ihn finanziell unterstützt, sollte es eigentlich kein Problem sein.

„In diesem Fall kann ich vielleicht einen oder zwei für diese Aufgaben abziehen“, gab Balrik schließlich zur Antwort. „Ich werde sehen, was sich tun läßt.“ Allerdings würde er Informanten einsetzten, die über Mittelsmänner arbeiten, damit man – falls sie entdeckt werden – die Spur nicht auf ihn zurückverfolgen konnte.

„Ich wusste ich kann auf Euch zählen“, der Abt war sichtlich erfreut. „Ihr tut damit der Allwissenden einen großen Dienst. Selbstverständlich werde ich mich auf Eure Diskretion verlassen können, schließlich darf die Kirche der göttlichen Schlange nicht offen in weltliche Adelsstreitigkeiten hineingezogen werden.“

Nein, offen nicht, dachte Balrik. Aber im Hintergrund agieren könnt auch Ihr. Laut sagte er aber: „Das versteht sich natürlich von selbst.“

Als das wichtigste besprochen wurde und Balrik sich verabschieden wollte fiel ihm noch etwas ein: „Ach, Euer Hochwürden. Vielleicht könnt Ihr mich ebenso unterstützen? Ich benötige noch einen Geweihten für meine Abteilung im Marschallsstab, der mich in meinen Aufgaben unterstützt. Vielleicht jemanden, der sich in der Kriegsführung auskennt und entsprechende Liturgien beherrscht, mit der es vielleicht möglich ist, weit entfernte Personen zu kontaktieren.“ Und bei den nächsten Worten konnte sich Balrik ein Grinsen nicht verkneifen: „Und etwaige Beobachter, falls es welche gibt, würden vermuten, dass ich nur aus diesem Grund hier vorstellig wurde und nicht aus anderen Gründen.“

Der Abt überlegte einen kurzen Augenblick. „Bitte entschuldigt mich einen kurzen Moment, ich glaube ich habe da jemanden für Euch.“ Mit diesen Worten wendete sich Adran von Feenwasser ab und ging zielstrebig auf eines der Lesepulte in der Bibliothek zu, wo zwei Geweihte der Hesinde in einem Gespräch vertieft waren. Balrik erkannte nur eine der beiden Frauen, es war die Hohe Lehrmeisterin Natima von Altmark, die andere Geweihte war ihm unbekannt. Nach einer Weile kehrt der Abt zu Balrik zurück. „Wohlgeboren, ich habe genau den richtigen Mann für Euch. Es handelt sich um einen Geweihten des halbgöttlichen Nandus. Eure Gnaden Iseria Aidalôe von Manlaith wird Euch zu ihm führen.“ Der Abt deutete auf die Balrik ungekannte Geweihte, die ihm freundlich zunickte. „Schwester Iseria wird von nun an Eure Ansprechpartnerin für unsere gemeinsamen Angelegenheiten sein.“

Der weltgewandte Geweihte der Hesinde war zufrieden, wusste er doch, dass der Kampf um die Macht in Vierok und gar um die Vorherrschaft in der Kaisermark gerade erst begonnen hatte und mit Hilfe von Balrik von Keres und seinen Tauristar hatte er ein Fundament gelegt, ein Fundament um Informationen und Wissen zu sammeln – wie es seine göttliche Pflicht als Geweihter der Allwissenden war. Denn eins war dem Abt nur zu bewusst, Wissen ist Macht.