Geschichten:Perricumer Ratsgeschichten - Balken im Wind: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 13. September 2014, 05:01 Uhr

Haus des Ingerimm in Perricum, Anfang Praios 1037 BF


"Seid gegrüßt, Ratsfrau."

Ginaya von Alxertis betrachtete die Tempelvorsteherin, die vom Alter her gut ihre Tochter hätte sein können. Aber da waren die kräftigen Arme und breiten Schultern, die so gar auffällig im Kontrast zur zierlichen Gestalt der Adligen standen, so dass sich ein jeder Gedanke an eine direkte Verwandtschaft von selbst verflüchtigen musste. Nachdem die sie im Plauderton über dies und jenes gesprochen hatte, sagte die Junkerin schließlich schließlich:"Der Reichsvogt hat mit seinen Anwürfen ja einen rechten Bock geschossen, meint Ihr nicht? Ich frage mich ernsthaft, wie in diesem aufgewühlten Klima noch das beste für die Stadt entschieden werden soll. Im Moment sieht es zum Beispiel so aus, als wolle Ratsherr Rutaris horasische Söldner anwerben. Ich selbst kann dem nicht viel abgewinnen, aber Eure Meinung dazu würde mich sehr interessieren."

Die Angesprochene blickte skeptisch drein und strich sich sanft über die rituellen Brandnarben an den kräftigen Unterarmen. Ihre stämmige Gestalt in der einfachen aber edlen Gewandung einer Hohepriesterin des alveranischen Schmieds beeindruckte durchaus, als sie sich stramm und stolz vor Ginaya stellte. "Ich weiß nicht wann wir das letzte Mal in so persönlicher Runde so eindringlich über Politik sprachen, werte Ratsherrin, aber auch ich weiß dass die Zeichen derzeit auf Sturm stehen im Rat. Und ihr, nein wir alle, tun gut daran uns nach geeigneten Partnern umzuschauen", sie hatte die letzten Tage oft mit ihrem Großvater über diese Dinge gesprochen und sie hatten gemeinsam verschiedene Dinge besprochen und so wusste Adara recht genau was sie sprach, "Wie es uns der Hammer Alverans lehrt sollte man dass Eisen schmieden solange es heiß ist. Ich sehe auch nur wenig Sinn in der Anschaffung ausländischer Söldner, vielmehr sollten wir die Ressourcen vor Ort nutzen und uns mit Leuten verstärken denen auch etwas an Perricum liegt und ihre Heimat mit Leidenschaft und Feuer verteidigen, vor allem in Hinblick auf das dräuende Übel im Nordosten", dann machte die Geweihte eine kurze Pause, "Ich denke wir verstehen uns."

Die Adlige nickte zustimmend: "Da sprecht Ihr viel Wahres aus und bestärkt mich in meinem Entschluss. Ich danke Euch für das offene Wort."

"Aber ab von diesem Säbelrasseln, gerade jetzt wo die Zeichen auf Sturm stehen, sollte man in einer Stadt wie der unseren auch nicht auf das Wohlwollen des Wellengottes verzichten, auch wenn mein Herr und der Gott der Tiefe deshäufigeren im Zwiste liegen. Daher finde ich Euren Vorschlag durchaus wichtig. Was haltet ihr denn von dem meinen und dem des Ratsherren Turakis, würden doch durch unsere dreier Vorschläge das Darpatufer einen ordentlichen Aufwind erfahren."

"In der Tat, das Darpatufer würde sehr davon profitieren. In diesem Sinne habe ich dem Bewahrer von Wind und Wogen meine Bereitschaft signalisiert, für den Ausbau des Ufers zu stimmen", Ginaya lächelte, "Allein befürchte ich, dass eine solche Bevorzugung eines Viertels Neid weckt. Als Stadträte haben wir eine Verpflichtung für die ganze Stadt und ich halte eine Armenspeisung in den südlichen Vororten im Moment für dringender. Allerdings...", die Adlige legte den Kopf schief und strich mit der Hand über das dunkelrote Seidenkleid, bevor sie neu ansetzte: "Ich könnte mir vorstellen, für Euren Vorschlag zu stimmen, wenn Ihr bereit, wäret, dieser absonderlichen Reliktsuche im Perricumer Umland und der Kontrolle der magischen Schulen ein Absage zu erteilen. Beide Vorschläge stellen in meinen Augen eine unnötige Ablenkung von den eigentlichen Problemen der Stadt dar, die nur Zeit, Ressourcen und Aufmerksamkeit binden."

"Ihr macht Nägeln mit Köpfen, werte Ratsherrin. Als Geweihte des Gottes des Handwerks dürfte mir das gefallen. Ich hoffe Ihr verzeiht mir diesen banalen Witz - aber, um wieder zurück zum Thema zu kommen, ich kann euch gerne meine Zusage geben, dass ich die beiden Vorschläge nach bestem Gewissen werde und mit Sicherheit bei einem von ihnen etwas finde, dass mich zur Gegenwahl bewegt. Was sagt Ihr?", die breite Geweihte fasste ihre Handelspartnerin fest in den Blick und wirkte als würde sie ein rohes Metall formen wollen, wobei sie genau wusste, dass ihr Gegenüber keiner Formung bedurfte, dann lächelte sie freundlich.

Ginaya von Alxertis hob bei den Worten der Geweihten eine Braue und antwortete meinte, während sie Adara fest in die Augen nahm: "Hochwürden, wenn es Euch beliebt, will ich mich auch einmal in der Bildersprache versuchen: Es sieht so aus, als wären die Nägel in der Wand verschwendet und ich sollte sie lieber für einen anderen Balken verwenden, der in der Lage ist, eine größere Last zu tragen und mehr zu halten verspricht. Ich hatte eigentlich gehofft, mit Euch gemeinsam an einem stabilen Fundament zu bauen. Doch stattdessen wollt Ihr mir minderwertige Ware andrehen wie ein windiger Phexensdiener?", während sie sprach, hatte die Stimme der Junkerin einen immer schärferen Klang angenommen und für einen Moment loderte Zornesfeuer in ihren Augen. Doch dann siegte die lebenslang geübte Beherrschung über die Gefühle und Ginayas kurz angespannten Hände strichen erneut wie beruhigend über den Stoff des weiten Kleides.

Die scharfen Worte verfehlten die Geweihte nicht und ihre ohnehin schon straffe Armmuskulatur spannte sich an und Adara verschränkte die Arme. "Windig wollt Ihr mich also nennen? Ich bin bodenständig wie der erzene Berg und so ist auch mein Angebot. Ihr verlangt derer zwei Gefallen von mir während ihr mir nur eine Stimme bietet, das nenne ich windig. Fundamente die ich baue fußen auf einem Boden aus Respekt und Vertrauen und so gewinnt Ihr meines nur schwer. Ich denke wir sollten es langsam angehen und uns erstmal genauer austauschen, was bringt euch als Vertreterin der Kutscher eigentlich dazu zu mutmaßen was der Wissenschaft der Stadt gut tut und was nicht? Eine reine Interessensfrage, werte Kollegin."

Ein Schatten huschte über das Ginayas Gesicht, so als könnte sie nicht glauben, was sie soeben gehört hatte: „Ich weiß, Ihr seid noch nicht lange im Stadtrat, aber Euch sind die grundlegenden Verfahrensregeln doch bekannt: Ihr als Beirätin besitzt pro Abstimmung eine Stimme, während ich über deren zwei verfüge. Zwei sichere Stimmen für Euren Vorschlag. Simple Arithmetik. Dies solltet Ihr bedenken, bevor Ihr leichtfertig Euren eigenen Vorteil in den Wind schreibt.“

Dann holte die Junkerin tief Luft und ihre Augen blitzten, während sie leise sprach: „Was Eure zweite Frage betrifft, würde ein anderer Euch ob dieser Beleidigung unverzüglich die geharnischte Antwort geben, die sie verdient. Was denkt Ihr eigentlich, wen Ihr vor Euch habt? Bin ich etwa Kutscherin?!"

Ginaya von Alxertis drehte sich abrupt um und wandte sich zum kopfschüttelnd zum Gehen. Dabei murmelte sie halblaut vor sich hin: "Es könnte fast scheinen, als wäre in diesen Tagen nicht nur der Reichsvogt verrückt geworden."

Vor solchen Momenten hatte sie ihr Großvater gewarnt. Sie war über das Ziel hinaus geschossen, weil sie bestimmte Dinge nicht preisgeben wollte. Sie musste nun einen großen Schritt auf die Alxertiserin zu machen um das noch zu drehen.

"Beste Ginaya, so wartet, doch noch", rief sie der Ratsfrau hinterher, welche ohne sich umzudrehen stehen blieb, "Ihr habt Recht, ich bin eindeutig über mein Ziel hinaus geschossen. Ich kann euch sicher eine Zusage machen, dass ich gegen die Reliktsuche stimmen werde, die Kontrollen der Schulen hingegen muss ich dafür erst noch genauer prüfen. Aber vielleicht kann ich euch etwas anderes bieten? Ich war eigentlich gewillt für die Marktprüfung am Darpatufer zu stimmen um dort mal etwas Ordnung rein zu bringen. Doch ich könnte mir vorstellen, dass ihr dort andere Interessen habt und ich mich hier überzeugen lassen könnte wenn Ihr Euch für meinen Vorschlag aussprecht. Was sagt Ihr? Könnt ihr einer Frau die es manchmal etwas zu sehr mit der ingerimmgefälligen Kraft versucht verzeihen? Und was meine Frage zu den Wissenschaften angeht, war dies wirklich von Interesse und der Suche nach Vertrauen geprägt. Um mir ein besseres Bild machen zu können, wisst ihr da mehr?"

Langsam wie eine Eidechse im ersten Tageslicht drehte sich die Adlige halb zu der Geweihten um. Dann sagte sie: „Ich nehme das als Entschuldigung, Hochwürden. Aber auch Kraft muss sich dosieren lassen, um die rechte Wirkung zu erzielen. Das wisst Ihr, die Ihr täglich am Amboss steht, sicher genauso gut oder besser als ich.“

Die eiserne Strenge aus Ginayas Gesicht verschwand, als sie sich wieder ganz Adara zuwandte: „Wir haben also eine Abmachung: Ich werde für Euren Vorschlag stimmen und Ihr werdet gegen die Marktprüfung und die Reliktsuche votieren.“ Mit einer fließenden Bewegung hob die Junkerin auffordernd ihre goldberingte Rechte und machte einen halben Schritt auf die Tempelvorsteherin zu.

„Was Eure Frage nach der Wissenschaft anbelangt, nun, ich halte die Erwartungen an die Draconiter für kräftig übertrieben und die Magier unterstehen direkt der Reichsgewalt. Das ist schon immer so gewesen. Ich verstehe einfach nicht, warum sich die Stadt nun auch noch dort mit einmischen sollte.“

Adara nahm die Hand Ginayas und schlug wie gewohnt kräftig ein. Vielleicht etwas zu kräftig für die zierliche Frau. "Ja, die haben wir, werte Ratsherrin. Ihr seid eine zähe Verhandlungspartnerin, wenn Ihr andere genauso in die Verantwortung nehmt dann muss man Euch gut im Auge behalten. Vielleicht sollte ich Euch einmal meinem Großvater vorstellen.", scherzte die Ingerimmsdienerin, aber Ginaya wusste nicht recht ob es gänzlich ein Scherz war. "Bei den anderen Dingen mögt Ihr recht haben, ich werde es wie gesagt eingehend prüfen. Also dann, nach einem mäßigen Beginn vielleicht doch der Anfang einer guten Partnerschaft?!"

„Ich hoffe, nicht alle Eure Partnerschaften beginnen damit, dass Ihr Eurem Gegenüber die Finger zerquetscht, denn dann müsste ich wohl doch Abstand davon nehmen“, presste die Junkerin gequält lächelnd hervor, während sie versuchte, ihre von den schwieligen Händen Adaras zusammengedrückte Rechte zu befreien.

Mit den Worten: „Jetzt wissen wir beide, woran wir sind. Und bestellt Eurem Großvater meine Grüße“, verabschiedete sich Ginaya von Alxertis von der Tempelvorsteherin und ging. Als sie außer Sicht- und Hörweite war, schüttelte sie ihre immer noch schmerzende Hand aus und murmelte: „Das nächste Mal keine Ringe.“