Geschichten:Verräter und Getreue - Schwimmende Felle: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 12. Februar 2016, 19:25 Uhr

Burg Ebenhain, 1. Peraine 1033 BF

„Kurz, keiner hat sie gesehen“, Praioswin von Steinfelde beendete seinen Bericht über die Suche nach den beiden Geiseln, die in der vorigen Nacht aus Burg Ebenhain verschwunden waren. Nach dem fürchterlichen Wutausbruch des Ritters und der hektischen Suche seiner Untergebenen nach den Entkommenen wich der Zorn mehr und mehr der Resignation und einer bangen Zukunftserwartung gepaart mit einem neuen Misstrauen gegenüber allen Bewohnern der Burg. Praiodan von Steinfelde stützte sich mit beiden Armen am Kaminsims, starrte in die züngelnde Glut und knurrte: „Keiner will sie gesehen haben, meinst du wohl.“

Praioswin zuckte die Achseln: „Es ist wie verhext.“

Sein Onkel hieb mit der flachen Hand auf den Stein und haderte: „Wie konnte das nur passieren? Unser größter Trumpf hat sich über Nacht einfach in Luft aufgelöst.“

„Wir können weiter versuchen dieses Rätsel zu lösen“, meldete sich Praioswald zu Wort, der am Tisch saß und äußerlich ungerührt an einem schrumpeligen Apfel kaute, „oder uns Gedanken machen, was wir als nächstes tun. Die Schwingenfelser sammeln ihre Kämpfer in Feldrungen, der Allinger überwacht die Furten und die Gneppeldotzer haben sich in ihrem Rattenloch verkrochen, sobald es richtig ernst wurde.“

„Was wohl? Lassen wir sie doch kommen und die Burg belagern. Wenn wir nur ordentlich dreinschlagen, werden wir ja sehen, wie lange der Schwingenfelser Lust auf eine Stürmung von Ebenhains Mauern hat. Am besten wäre natürlich, wenn ihm dann noch Geismars Leute in den Rücken fielen. Bei allen Zwölfen, das wäre das erste Mal, dass ich diesen Hurenböcken Erfolg wünsche!“ Der Ritter von Steinfelde verzog das Gesicht zu einer gequält lächelnden Fratze.

„Da lasst Ihr Euch aber auf ein gefährliches Spiel ein, Oheim. Wenn wir einmal eingekreist sind, haben wir den Ausgang nicht mehr in der Hand und legen unser Schicksal sozusagen in die Hände des Quintian-Quandtschen Söldnerpacks. Wer sagt uns denn, dass die sich nicht eine blutige Nase holen oder zurückgepfiffen werden? Außerdem vermute ich stark, dass jemand Haldora und Oderik geholfen hat. Was wenn derjenige noch immer hier ist und auf die Idee kommt, den Schwingenfelsern die Tore zu öffnen? Das ist mir zu unsicher“, wandte Praioswald ein.

„Was schlägst du also vor?“

„Wir haben noch zwei Trümpfe: Ludegar von Schwingenfels.“

„Was willst du denn bitteschön mit dem Krüppel anstellen?“ unterbrach ihn Praiodan.

Wir könnten ihn laufen lassen...“, warf Praioswin trocken ein.

Seinem Onkel entging die Ironie der Worte vollständig, Praioswald jedoch verschluckte sich beinahe an dem Apfel, beim Versuch ein Kichern zu unterdrücken.

„So ungefähr“, fuhr Praioswin fort, als sich sein Bruder einigermaßen gefasst hatte, „Wir übergeben den gefangenen Schwingenfelser an Baron Alrik, zusammen mit unserem zweiten Trumpf, Burg Ebenhain.“

„Was?! Bist du nicht bei Trost? Ebenhain aufgeben?“ Praiodan blitzte seinen Neffen böse an.

„Wenn es uns hilft, aus der verfahrenen Situation herauszukommen – warum nicht, Onkelchen? Mit Hilfe können wir kaum noch rechnen und die Schwingenfelser sind uns über. Unbeschadet der Ehre des alten Gerbald von Windischgrütz würde ich mich nur ungern für nichts massakrieren lassen.“

„Das ist doch...!“ Dem Ritter blieb die Spucke weg, was sein Neffe dazu nutzte, schnell weiter zu sprechen: „Wir bitten den Baron, die Sache zu entscheiden und übergeben ihm zugleich die Burg. Wir wissen doch, dass er den Schwingenfelsern nicht wohlwollend gegenüber steht, obwohl er keine Fehdepartei ist. Ihm die Burg zu überlassen ist für uns also immer noch günstiger, als sie an die Schwingenfelser zu verlieren. Zudem ist er der Bruder des Grafen! Wenn sich der Schwingenfelser dem Urteil des Barons widersetzt, macht er sich die Hartsteens wieder zu Feinden und wird zwischen denen und den Quintian-Quandts aufgerieben, Kronvogt von Puleth hin oder her!“

„Die Frage ist doch, ob sich der Baron darauf einlässt“, gab Praioswin zu bedenken.

„Ebenhain, bringt... brachte gute Einkünfte. Das scheint mir ein gutes Argument zu sein.“

„Und wenn der Schwingenfelser sich woanders hinwendet?“, forschte Praiodan nach.

„An wen denn? Wie schnell das Reichsgericht arbeitet, ist ja sattsam bekannt...“