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Aktuelle Version vom 29. März 2015, 13:31 Uhr
Die Miene des Sertiser Pfalzgrafen schien deutlich mehr Zufriendenheit über die Begrüßung auszudrücken, als bei der letzten Einkehr in Vierok. Er entschuldigte sich von seiner Gastgeberin und von seinen Reisebegleitern, um sich in seinem Gemach nach der beschwerlichen Reise umzuziehen. Zum Abendessen kehrte er gut bekleidet in einem schwarzen Rock und einem feinen Hemd zurück.
Der Ritter von Schallenberg hatte die Zeit bis zum Abend gut genutzt. Er hatte sich in den grünen Samt gewandet, der trotz der Reise nicht zerknittert war, und hatte sich die dezente goldene Kette umgelegt. Zudem übte er im leicht nervösen Auf- und Abschreiten, was er gedachte vor der Baronin vorzubringen. Leuward war keine große Hilfe, denn er saß verträumt an einem Fenster und schien die Formen der Wolken im Kopf in Gegenstände zu verwandeln.
"Herrje, Leuward! Jetzt sitzt doch nicht da und starr Löcher in die Luft. Hilf mir lieber Formulierungen zu finden. Der olle Pfalzgraf ist auch keine Hilfe, also sei lieber Du doch...ach...", sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung, als er merkte dass Leuward ihn scheinbar nicht einmal gehört hatte. In diesem Moment klopfte es und öffnete sich die Türe ihres Zimmers und ein Diener kündigte das Abendmahl an. Leuward sprang auf, während Felan sich noch einmal das Wams glatt strich und unsichtbaren Staub fortwischte.
Sie wurden in den Speisesaal gebracht, wo sie erwartet wurden. Die kranke Baronin Tsaburga von Waldfang-Angerwilde saß bereits in ihrem Stuhl, die Hände auf den Armlehnen gelegt, und hinter sich stehend ihre Tsaiana von Waldfang-Angerwilde. Hilbert von Hartsteen war anwesend und hatte seine Aufwartung scheinbar bereits vor Felans Ankunft gemacht.
"Euer Hochgeboren, es ist mir eine besondere Freude und Ehre euch persönlich einmal wiederzusehen als Heldin vielgerühmter Schlachten, und entbiete euch vor Travia, Praios und Rondra den Gruß des Hauses Schallenberg und den ganz besonders herzlichen meiner Mutter, eurer geschätzten Cousine." Er verbeugte sich tief, und es gelang ihm zu verbergen wie entsetzt er über das vorschnell gealterte Gesicht und den scheinbar verfallenden Körper der Baronin war.
Ebenso verbeugte sich Leuward. "Ich hoffe aufrichtig, dass ihr bald vollständig genesen seid."
Die Baronin hob die Hand zum Dank und erwiderte mit einer festen Stime, die nicht recht zum gebrechlich wirkenden Körper passen wollte. "Die Zwölfe mögen euch den lieben Gruß vergelten und ich danke euch für die freundlichen Worte. Ich hoffe euer Aufenthalt wird euch kurz werden und ihr könnt mir von meiner Cousine berichten und anderen neuen Dingen."
Mit diesen Worten wurden Ihnen Plätze zugewiesen und man setzte sich zum Abendmahle. Dies war sehr reichhaltig, doch während der Pfalzgraf zu Sertis scheinbar unbeschwert zugriff hielt sich Felan bewußt zurück, um ehr die anderen am Tisch zu beobachten. Die Baronin selbst aß ebenso wenig und beschränkte sich noch auf die für sie einfach verdauliche leichte Kost, während Leuward scheinbar mehr Zeit damit verbrachte Tsaiana verstohlen anzusehen, als den Löffel zum Mund zu führen. Tsaiana selbst aß mit dem gesunden Appetit einer Soldatin. Felan musste unwillkürlich Lächeln: hatte es seinen Vetter nun wohl doch richtig erwischt.
Das Tischgespräch drehte sich zunächst in erster Linie um Erzählungen aus dem Hause Schallenberg, von der Trauer der Mutter um den Tod ihres geliebten Gatten und Felans Vater, Rainbrand Praiogrimm von Schallenberg, und von der bevorstehenden Verlobung mit der Nichte des Barons von Uslenried, die mit besonderem Interesse zur Kenntnis genommen wurde. Doch letztlich kamen sie auf das Thema, dass felan besonders am Herzen lag: die Unterstützung im Hartsteener Zwist.
"Unbestreitbar bleibt, dass der Feidewalder Krämer unrechtmäßig den Thron besetzt hält und Graf Luidor es scheut, verzeiht wenn ich so spreche", unterbrach er sich in Richtung Hilberts, "Hartsteener Boden mit Hartsteener Ritterblut zu tränken, um seinen gerechten Anspruch auch letztlich geltend zu machen. Letztlich aber meine ich, wird daran kein Weg vorbeiführen, wenn wir vor Praios und Rondra Recht und Ordnung genügen wollen. Auf dem Parkett der Diplomatie wird dieser Streit doch nicht zu lösen sein, wenn es so weitergeht wie bisher. Und die zögerliche Haltung des kaiserlichen Hofes ist keine Hilfe dabei. Man müsste dem Geismar nur begreiflich machen, dass er auch von außerhalb keine Hilfe, sondern im Gegenteil unser geliebter Graf Luidor von außerhalb Hartsteens mehr Unterstützung hat. Ihr wisst ja gewiss dass auch Graf Danos von Luring, als euer Lehensherr hier im schönen Reichsforst, Luidors Ansinnen wenn auch nicht offen, so doch bekanntermaßen unterstützt. Und ich denke ich könnte mir kaum weniger schöne Post meiner Mutter bringen, wenn ich verkünden dürfte, dass ihre Cousine dies ebenso sehr fördert. Mir ist bekannt, dass Waldfang noch unter den Nachwirkungen der Kultisten zu leiden hat, doch würde alleine euer Wort uns eine Menge wiegen und euer Name, werte Tsaiana, ist auch nicht unbekannt geblieben und man achtet und fürchtet Absolventen der Akademie nach wie vor als harte Kämpfer und feinfühlige Strategen." Erwartungsvoll sieht er Baronin und Nichte an.
Tsaiana hatte aufmerksam zugehört, was Felan zu sagen hatte. Sie hatte nun schon des öfteren darüber Nachgedacht was wohl das beste in dieser Situation war. Zwischen die Fronten sollte Waldfang nicht geraten, dass hatte auch ihre Tante gesagt. Jedoch überlies diese die Entscheidung ihr, weil sie nicht die Kraft hatte, alle Fakten zu bewerten.
Tsaiana ergriff das Wort und erhob sich: "Werter Felan von Schallenberg, werter Hilbert von Hartsteen. Wir sind hier gewiss nicht direkt in diesen Zwist eingebunden und eindeutig Stellung zu beziehen, in dieser Angelegenheit, ist schwierig. Doch halten wir es ebenso, wie der Herr Graf Danos von Luring. Überbringt eurer hochgeschätzten Mutter bitte folgende Botschaft aus Waldfang. Waldfang wird sich aus den kriegerischen Handlungen heraushalten. Jedoch", sie machte eine kurze Pause, "ist Waldfang ebenfalls der Ansicht, dass Graf Luidor rechtmäßig auf dem Thron sitzt. Sollte es zum Kampf kommen", Tsaiana schaute auch kurz zu Hilbert von Hartsteen, "was auf Dauer wohl nicht vermieden werden kann, wird Waldfang seine Truppen aus diesem Zwist heraushalten. Was jedoch nicht bedeutet, das wir euch nicht unterstützen würden." Sie schloss diesem Satz mit einem vielsagenden Lächeln und setzte sich wieder. Hoffentlich war das so in Ordnung, dass war ihre erste bindende Ansprache gewesen und sie fand, es doch einigermaßen geschafft zu haben. Eine leichte Röte der Erleichterung blieb aber nicht aus.
Felan, die Röte ebenso zur Kenntnis nehmend wie fürs Erste zufrieden dreinblickend nickte entsprechend dankbar der Baronin und ihrer Stellvertreterin zu. "Wir wissen dies sehr zu schätzen und ich denke ich sage nicht zuviel, wenn ich auch im Namen Hartsteens Dank sage, für jedwede Unterstützung die ihr vor dem Herrn Praios für Recht und Ordnung stellen mögt. Wenn ihr dies vielleicht in Schrift für meine Mutter festhalten würdet, damit sie dies somit aus eurem eigenen Munde erfahre, wäre sie sicher überglücklich, so die Familienbande fest zu wissen. Und sollten bei euch Freiwillige oder verbriefte Krieger vorbeikommen so mögt ihr ihnen sagen, dass bei den Schallenbergern sein Platz für sie bereit ist. Denn der Kampf wird kommen, davon bin ich überzeugt und wir sollten nicht unvorbereitet bleiben, wenn Rondra zum Streite ruft."
Solcherart zufriedengestellt widmete man sich dem Dessert, währenddessen es Leuward nicht unterlassen konnte zum Ende des Mahles seine musischen Künste vorzuführen, indem er sich seine Laute bringen ließ und verschiedene Lieder zum besten gab. Felan schmunzelte über diese altmodische Art, mit der Leuward scheinbar Tsaiana zu gewinnen trachtete. Junger verliebter Narr. Sollte er es genießen solange es währte, morgen würden sie weiterreiten.
Hilbert räusperte und erhob sich. Er fühlte die Aufmerksamkeit der Anwesenden auf sich und schaute reihum. Dann hob er seinen Kristallpokal, in welchem der Wein rötlich funkelte und hob die Stimme: "Es ist mir eine große Freude an diesem Abend mich in so guten Händen zu wissen und ein Gast einer so stolzen und alten Familie im Traviagefälligen Reichsforste zu sein. Ich bitte die Götter darum, dass sie Euer Haus weiterhin segnen und sie Euch eine große und starke Nachkommenschar schenken! Eurer werten Tante, ihrer Hochgeboren, wünsche ich Peraines Gunst und Gnade, und Euch gutes Geschick und Gelingen. Seitdem die schlechten Nachrichten aus Waldfang ein Ende haben, wissen die Adligen des Königreiches hier ein starkes Rückgrat und treue Verbündete im Kampf wider die Frevler der Zwölfe. Auch dafür sei Euch ergebenster Dank ausgesprochen. Die Zeiten im Reich sind rau und niemand weiß, welche Schicksalswendung morgen die Geschicke des Reiches wird formen werden. Aber solange die alten Familien, in deren Hand seit Rauls Zeiten die Führung und Bewahrung des stolzen Mittelreiches liegt, gemeinsam und Seite an Seite stehen, besteht Grund zur Hoffnung und Zuversicht. In den letzten Jahrzehnten hat der Adel an Kraft verloren, die ihm zu dieser Führung nötig ist. Zu viele Menschen ohne Geblüt wurden in unsere Reihen gehoben, und wie schlecht ergeht es seither dem Reich. Seitdem Schuster und Schwertgesellen ohne Not in den Adel aufgenommen wurden, hat das Reich an Kraft und Blut verloren. Mir graut es vor den Tagen, da mir ein Bettler Befehle erteilen soll! Da mir ein Mann niederen Standes vorschreibt, welchen Weg der Adel dieses Königreiche zu gehen hat! Die Einigkeit der Garetischen Häuser war seit jeher der Garant für Friede und Kraft des Reiches, und wird es wieder sein! Ein Hoch auf Garetien! Ein Hoch auf den Reichsforst! Ein Hoch auf Waldfang!"
Nach diesen Worten setzte sich Hilbert wieder.
Diesen Worten des Pfalzgrafen von Sertis folgte man allseits und der Abend wurde noch in gemütlichem Beisammensein zu einem angenehmen Ende geführt. Die Abreise in Richtung Uslenried erfolgte am nächsten Morgen entsprechend unter freundschaftlicher Stimmung und man hat den Ritter von Schallenberg kaum jemals in so aufgeräumter Stimmung zu so früher Stunde erlebt wie an diesem Tag. Nur Leuward schien sich mit Wehmut nach Waldfang umzudrehen als man sich von diesem Ort entfernte.