Geschichten:Ritterwallfahrt - Eine Stimme mehr: Unterschied zwischen den Versionen

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Geldar stieg auf seine Stute, selber mit Tränen in den Augen, doch seine waren zweierlei Natur: Aus Kummer über den Abschied, aber auch aus Freude über das Neue, was vor ihm lag. So ritt er langsam vom Hof, vorbei an allen, die mit ihm hier gelebt hatten. Am Tor hielt er noch einmal an, drehte sich im Sattel um und winkte zum letzen, endgültigen Abschied. Dann trabte er davon; diejenigen hingegen, die er zurückließ, blickten ihm noch lange hinterher.
Geldar stieg auf seine Stute, selber mit Tränen in den Augen, doch seine waren zweierlei Natur: Aus Kummer über den Abschied, aber auch aus Freude über das Neue, was vor ihm lag. So ritt er langsam vom Hof, vorbei an allen, die mit ihm hier gelebt hatten. Am Tor hielt er noch einmal an, drehte sich im Sattel um und winkte zum letzen, endgültigen Abschied. Dann trabte er davon; diejenigen hingegen, die er zurückließ, blickten ihm noch lange hinterher.


 
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Aktuelle Version vom 26. November 2014, 14:49 Uhr

Gut Eichenhain in Streitzensfeld, wenig später (8. RON 1305 BF)

Die Anwesenheit des Reichsforster Grafen hatte sich wie ein Lauffeuer im ganzen Ort herumgesprochen, und noch während Danos mit seinen Begleitern zum Mahle beisammen saß wusste ein jeder Bescheid, welch hoher Gast hier Einkehr hielt. Auch die Mägde und Knechte im Gasthof hatten selbstredend mitbekommen, welcher Grund den König der Ritter antrieb, und so machte auch jene Kunde zugleich die Runde. Auf irgendeine Weise gab es immer jemandem, der einem anderen davon berichtete, und auf diese Weise gelangte die Nachricht auch in die Häuser der Herrschaften.

So klopfte es leise, fast zaghaft an der Türe zur Schreibstube Geldars von Zweistetten, der dorten auf einem Schemel saß, die Laute in den Händen, ab und an ein paar Töne anschlagend, die meiste Zeit aber missmutig auf das vor ihm liegende Blatt Papier blicken, dass mit schnellen geschrieben Buchstaben und ebenso schnell gemachten Streichungen überseht war. Ungeachtet der fehlenden Antwort öffnete sich die Tür. Seufzend drehte Geldar sich um, doch seine Miene hellte sich auf, als er feststellte, dass es sich um seine Tochter Jalga handelte. Sie hatte ihren Gatten Felan von Schallenberg zur Grafenturnier in Silz begleitet, um zumindest einige Zeit an dessen Seite verbringen zu können, nachdem er just von der Ritterqueste auf den Spuren Kaiser Alriks zurückgekehrt war. Für die Rückreise nach Puleth hatten sie nun den Umweg über Jalgas Heimat gewählt, um ihn zu besuchen.

»Komm herein, mein Kind«, sagte er, legte die Laute beiseite und erkannte bereits an ihren Augen, dass Jalga etwas zu berichten hatte. »Was gibt es denn?«

»Es ist Besuch gekommen. Alke hat es gerade vom Markt mitgebracht: Graf Danos von Luring ist in der Traube eingekehrt. Und es ist wohl wahr, was Du gestern Abend erzählt hast; er befindet sich auf einer rondragefälligen Wallfahrt, die Wildermark zu befreien. So munkelt man es zumindest im Ort.«

Geldar stellte die Laute ab und kratzte sich am Kopf. »Hm…« machte er schließlich. Jalga kannte dieses Verhalten ihres Vaters nur zu gut; er legte es immer dann an den Tag, wenn er über etwas wichtiges nachsann. Doch während sie früher den Mund gehalten und geschwiegen hätte, ergriff sie nun das Wort, denn mit den Jahren seit dem Traviabund mit Felan war sie – so dumm sie den Gedanken selbst fand – erwachsener geworden. »Was geht Dir durch den Kopf? So wie Du Dich benimmst, muss es etwas sein, das Du schon einige Tage mit Dir herumträgst.«

Seufzend erhob sich der Barde. »Ja, mein Kind, da hast Du wohl recht. Einem alte Manne sieht man so etwas wohl an; zumindest die eigenen Kinder.« Er erhob sich und ging ruhigen Schrittes auf seine Tochter zu, die nun Baronsgemahlin war – ein Umstand, den er noch vor einigen Jahren für undenkbar gehalten hatte. »Ich habe eine Entscheidung getroffen: Ich werde Streitzensfeld verlassen.«

»Verlassen? Das Gut? Warum?« Jalga blickte ihn ungläubig an.

»Ja. Ein Spielmann lebt davon, dass man seinen Liedern lauscht und sie weiterträgt; es ist kein Ruhm, in der Stube eines Gutes zu sitzen und nur allenthalben für ein paar Akkorde die Finger über die Saiten gleiten zu lassen. Ein Barde, dessen Gesänge man nicht mehr kennt, ist vergessen, und davor graust es mir. Die Lieder, die ich einst geschrieben, sind längst alt, doch Frau Tsa gebietet, etwas neues zu schaffen. Doch wovon soll ich singen, wenn ich hier im stillen Kämmerlein sitze? Also werde ich auf die Reise gehen und das tun, was mein Lebtag meine Berufung war: spielen und dichten.« Er umfaßte Jalgas Hände.

»Aber… wohin willst Du gehen?« fragte sie leise und fürchtete, die Antwort bereits zu kennen.

»Ich gehe mit Danos – wenn er es erlaubt.«

Sie nickte, Tränen standen in ihren Augen. »Werden wir uns wiedersehen?«

»Ich weiß es nicht, mein Kind, ich weiß es nicht«. Geldar nahm seine Tochter in die Arme und drückte sie an sich. »Wenn ich gehe, werden wir heute Abend Abschied nehmen.«

Wenig später betrat Geldar von Zweistetten, einer der bekanntesten Barden Garetiens, die Schänke „Zur Traube“. Dorten war man gerade damit beschäftigt, die Reste des Mahls abzutragen. Gemessenen Schrittes trat er an den Tisch heran. Godelind von Streitzig, die hiesige Junkerin, erkannte ihn zuerst, winkte ihn schließlich heran.

»Ich sehe, wir haben Besuch«, sprach der Graf von Reichsforst gutmütig. »Herr Geldar, kommt näher und gesellt Euch zu uns.«

»Habt Dank, Hochwohlgeboren. Doch ich bin nichtgekommen, um mit Euch zu speisen, sondern Euch eine Bitte anzutragen.«

Godelind blickte ihn fragend an, doch der Graf bedeutete Geldar bereits fortzufahren.

»Ich habe, wie wohl so manch anderer von Eurem Ansinnen Kunde vernommen – eine göttergefällige Queste, die Lande, welche man nun landläufig Wildermark heißt, zu befrieden. Erlaubt, dass ich Eurer Sache meine Stimme leihe, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich würde mich geehrt fühlen, Euch als Barde und Chronist auf Eurer Fahrt zu begleiten.«

An der Tafel kehrte Schweigen ein. Geldar hatte das Gefühl, als ob alle Blicke auf ihm ruhten, und der Blick, den Godelind ihm zuwarf schien „Bist Du wahnsinnig?“ zu bedeuten.

Danos aber lächelte. »Seid mir willkommen. Es ist mir eine Ehre, einen Spielmann Eures Schlages an meiner Seite zu wissen. Denn Ihr habt recht, des Ritters Schwert ist des Barden Lied; doch der eine ist ohne den anderen nichts. So nehmt denn Platz und nehmt einen Trunk mit uns, bevor wir nach Uslenried aufbrechen.«

Am Abend saßen Geldar, Jalga und Felan schließlich in der Stube des Gutshofes zusammen, um die letzen Dinge zu besprechen, bevor es Abschied nehmen hieß – vielleicht für immer.Der troß des Grafen war nach dem Mahl bereits weitergeritten; Geldar hatte sich jedoch die Zeit erbeten, seine Reisevorbereitungen abzuschließen und sich gebührend von seiner Familie zu verabschieden; am Folgetag wollte er dann in Uslenried zu den Wallfahrern stoßen. Sie sprachen über alles, was ihnen auf den Herzen lag, schwelgten in Erinnerungen und besprachen, was es noch zu besprechen gab.

»Und was wird mit dem Gut? Schließlich gehört es Dir, seid Mutter zu Boron gegangen ist«, äußerte Jalga schließlich.

»Dem Grunde nach gehört es nun Dir, Du bist die Erstgeborene. Allerdings hast Du ein gutes Auskommen«, fuhr er mit einem Blick auf seinen Schwiegersohn fort, »und wenn Du es entbehren kannst, habe ich keine Einwände, wenn Du zu Falks Gunsten darauf verzichtest. Doch solches zu regeln überlasse ich Dir, wenn ich fort bin.«

Jalga nickte bedächtig, und Felan legte sanft seine Hand auf die ihre.

Geldar konnte ein Gähnen nicht unterdrücken. »Seid mir nicht böse, Kinder, es ist spät geworden. Lasst uns zu Bett gehen, die Nacht wird kurz genug.« Sie leerten die Becher und erhoben sich.

Als sie am Morgen ein noch gemeinsames Mahl zu sich nahmen, mochte es niemandem außer Geldar so richtig schmecken; selbst Alke, die sonst immer zu Späßen aufgelegte Haushälterin wirkte bedrückt. So standen sie schließlich im Hof, nahmen einander noch einmal zum Abschied in die Arme.

»Ich liebe Dich« flüsterte Jalga und drückte ihrem Vater einen Kuss auf die Stirn, während sich die Tränen aus ihren Augen lösten und als dünnes Rinnsal über ihre Wangen rannen. Selbst Felan konnte die Tränen nur mühsam zurückhalten.

Geldar stieg auf seine Stute, selber mit Tränen in den Augen, doch seine waren zweierlei Natur: Aus Kummer über den Abschied, aber auch aus Freude über das Neue, was vor ihm lag. So ritt er langsam vom Hof, vorbei an allen, die mit ihm hier gelebt hatten. Am Tor hielt er noch einmal an, drehte sich im Sattel um und winkte zum letzen, endgültigen Abschied. Dann trabte er davon; diejenigen hingegen, die er zurückließ, blickten ihm noch lange hinterher.