Geschichten:Tiefgestapelt: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 1. März 2016, 18:38 Uhr
Alte Residenz im Firun 1037 BF
"Ich hatte das für einen Scherz gehalten! Der Graf vom Schlund kommt nach Gareth - hah!", der ältere Schroeckh eilte durch die Gänge der Alten Residenz, hinter ihm sein Sohn als Sekretär, "Als würde man sagen 'Tsa-Wunder in Wehrheim' oder 'Hungersnot in Aranien'..."
Der jüngere Schroeckh fuhr mit seinen Ausführungen von vorher fort, "Nicht nur das, die meisten Räte des Zedernkabinetts sind auch gekommen - mag sein, dass es daran liegt, dass es auch Bier gibt. Und einen Schluck aus dem Gerenhardt-Faldras-Ehrenfässchen, dass ja nun wirklich lange gelagert wurde."
"...wie ich hörte, geht es um den Faldras-Prozess - da muss ich quasi von Amts wegen kommen.", Ginaya war in Plauderlaune und hatte sich ausgerechnet Oldebor ausgesucht, den eine lange, zähe Nacht der Verhandlung mit den Vertretern des Rates der Helden sichtlich an den Augenringen abzulesen war.
"Ein Graf vom Schlund spricht vor dem Zedernkabinett, das hat durchaus historische Dimensionen. War er überhaupt schonmal in Gareth? Oder sein Vater? Mein Vater erzählte immer davon, wie er den Graf einmal in Nattersquell traf und das war schon was besonderes. Wenn man was vom Grafen vom Schlund will, dann geht man nach Wandleth, das gilt sogar für die Kaiserin, meinen einige." Oldebor nickte - hatte sie vielleicht Quasselwurz gegessen?
Aber Ginaya ließ nicht locker, "Er ließ mir im Vorhinein eine Statuette der trinkenden Rahja aus rosa Marmor zukommen, zusammen mit einem Stapel Akten. Ich war mir um die Auswirkung des Faldras-Prozesses gar nicht so bewusst. Wusstest Ihr zum Beispiel, das Ingerolf von Faldras..."
Nachdem vor allen Anwesenden ein Wiesenschlösschen und ein Schluck aus dem Faldras-Fässchen stand, drehte sich der Schlunder Graf zum Zedernkabinett um, er hatte in alter Tradition alles selber gezapft und eingeschenkt. Er trug ein edles Gewand aus goldener und schwarzer Seide bestickt mit dem Wappen der Grafschaft. Auf seinen Schultern ruhte ein edler Pelz und auf dem Haupt die Grafenkrone von Schlund, die seinem zwergischen Dickkopf etwas zu eng zu sein schien. Den Rauschebart hatte er so gut wie möglich zu den traditionellen Zöpfen geflochten und hinter ihm hielt ein Knappe (der den Grafen um zwei Haupteslängen überragte) dessen achteckigen Sippenschild und den reichverzierten Hammer.
Ingramm hob zuerst den Faldras-Brand in die Höhe und die Räte taten es ihm gleich. "Es ist alte Schlunder Tradition, dass der Graf einem der Seinen zu Ehren ein Schlunder Ehrenfässchen einlagert, oder aber der Rat von Schlund seinerseits den Grafen solcherart ehrt. So ist es auch dem großen Gerenhardt von Faldras zur Ehr' geschehen, der als Staatsrat König Eslam dem Dritten ein treuer Diener und zugleich auch als Burggraf zu Alriksmark einer der Eurigen war."
Er trank und die Räte tranken oder nippten ihrerseits, "Wie den zuvor verteilten Akten zu entnehmen ist, wurde Faldras mitsamt seiner Sippe der Prozess von Meilersgrund gemacht. Hier hat ein König geurteilt, wir können die Weisheit dahinter nicht sehen, werden sie aber auch nicht anzweifeln. Es gibt keinen Faldras mehr und damit ist der Strafe Genüge getan, sagen wir."
Nun hob er den Bierkrug und wartete bis auch der aufgeschreckte Schroeckh diesen in die Höhe hielt. "Trinken wir auch auf der Königin Stadt Wandleth im schönen Schlunde, deren Bürger gute Dukaten in die Kassen der Kaiserin spülen aber zugleich treue Schlunder Landsleute sind. Landsleute aus dem Schlund, die in schlechten Zeiten immer eine sichere Zuflucht für die Armen und Waisen boten, zuletzt geschehen mit unseren Vettern aus Lorgolosch, die auch niemals verlegen waren, mit Geld und Waren auszuhelfen, wo es einmal knapp war, und die nicht zuletzt auf dem Arvepass Garetien und Perricum die verletzliche Flanke sicherten - auf eigene Kosten!"
Wieder trank er und wieder folgten die Räte, "Diesen treuen Bürgern Wandleths, und mit ihnen all jenen Schlundern, die dorten Waren erstehen, wurde in einer Fußnote des Meilersgrunder Prozesses aber Unrecht getan, wie der Teilakte III in den ersten beiden Abschnitten zu entnehmen ist. Hier hat ein König, der - und den Stein muss man mal ins Licht halten - noch kein Kaiser war, seinen treuen Wandlether Bürgern das Stapelrecht entzogen, dass ihnen bereits sieben Jahre nach dem Fall des vieltürmigen Bosparan von keinem geringeren als dem heiligen Kaiser Raul verliehen worden ist."
Der Graf ließ seine Worte ein wenig nachklingen und trank einen tiefen Schluck, den er aber wegen der Zöpfe gar nicht wie gewohnt aus dem Bart wischen konnte. Schnell versuchte er diese peinliche Geste in ein Kratzen an der Nase umzudeuten. Bevor einer seiner Gäste zum Reden ansetzten konnte, fuhr er schnell fort: "Warum wir diesen ollen Stollen erst nach über drei Jahrhunderten wieder aufmachen, wollt Ihr mich sicher fragen, und die Antwort darauf kann ich Euch gerne geben: Durch den Einsturz der Rabenbrücke, deren Wiederaufbau einige Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern wird, werden die Waren nun nicht mehr auf der Feidewaldstraße durch die Reichsstadt Hartsteen transportiert, sondern direkt über Wandleth am südlichen Darpatufer. Nun wird also weder dort noch hier gestapelt und die gebeutelten Hartsteener leiden noch viel mehr, denn das Wenige was dennoch in Wandleth verkauft wird, erreicht nur selten über die Furt an der alten Bogenbrücke unsere guten Nachbarn im Norden."
Jetzt kam der Appell, wie es der Graf feinsäuberlich vorbereitet und geübt hatte. "Wir, Ingramm Zweihammer, Sohn der Ilkor Zweihammer, Häuptling der Zweihammersippe, Graf zu Schlund und Edler zu Ingerimmsland, sind also heute vor Euch getreten, um Euch zu bitten, die Erneuerung des Raulschen Stapelrechtes in der Königsstadt Wandleth über der Binge Fandolesch der Kaiserin und Königin zum Vorschlag vorzulegen, auf dass Adel und Bürger in Garetiens Osten mit allem notwendigen versorgt sind, um ihrer Königin wie gewohnt ein treuer und starker Vasall zu sein."
Es war zu lange still - vielleicht war Ingramm am Schluss in seiner Aufregung auch etwas zu schnell gewesen. Er brach die Stille mit einem Räuspern: "Es ist übrigens noch Bier da."