Geschichten:Plitzenbergs Fallen - Fallstudien: Unterschied zwischen den Versionen
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Fallen, einfach fallen. Unendlich lange fallen. Bis er aufwachte. Das kannte er seit seiner Kindheit. Immer wieder kehrte dieser Traum, störte seine Nachtruhe, quälte ihn, hielt ihn vom erneuten Einschlafen ab. Oftmals ahnte er schon, dass der Traum kommen würde, wenn er am Abend ein mieses Gefühl in der Magengegend gehabt hatte. Ein Gefühl wie Lampenfieber plus verdorbene Eier – nur schlimmer. Fallen. Das Gefühl hatte er eben auch gehabt. | Fallen, einfach fallen. Unendlich lange fallen. Bis er aufwachte. Das kannte er seit seiner Kindheit. Immer wieder kehrte dieser Traum, störte seine Nachtruhe, quälte ihn, hielt ihn vom erneuten Einschlafen ab. Oftmals ahnte er schon, dass der Traum kommen würde, wenn er am Abend ein mieses Gefühl in der Magengegend gehabt hatte. Ein Gefühl wie Lampenfieber plus verdorbene Eier – nur schlimmer. Fallen. Das Gefühl hatte er eben auch gehabt. Würde die Zeit des Fallens ausreichen, dass das ganze Leben noch einmal an einem vorbeizieht? So sagen doch die Leute: Ehe Golgari auf seinen Schwingen heranwäre. | ||
Hatte er Angst, vom Pferd zu fallen? Nein. Im Hof der Burg Luringen war er unzählige Male gestürzt. | Hatte er Angst, vom Pferd zu fallen? Nein. Im Hof der Burg Luringen war er unzählige Male gestürzt. |
Aktuelle Version vom 14. Oktober 2017, 19:01 Uhr
Fallen, einfach fallen. Unendlich lange fallen. Bis er aufwachte. Das kannte er seit seiner Kindheit. Immer wieder kehrte dieser Traum, störte seine Nachtruhe, quälte ihn, hielt ihn vom erneuten Einschlafen ab. Oftmals ahnte er schon, dass der Traum kommen würde, wenn er am Abend ein mieses Gefühl in der Magengegend gehabt hatte. Ein Gefühl wie Lampenfieber plus verdorbene Eier – nur schlimmer. Fallen. Das Gefühl hatte er eben auch gehabt. Würde die Zeit des Fallens ausreichen, dass das ganze Leben noch einmal an einem vorbeizieht? So sagen doch die Leute: Ehe Golgari auf seinen Schwingen heranwäre.
Hatte er Angst, vom Pferd zu fallen? Nein. Im Hof der Burg Luringen war er unzählige Male gestürzt.
„Hoch mit dir, Barnemund!“, rief Ritter Falkwin. „Aufs Ross erneut! Keiner bleibt liegen, es sei denn er ist tot oder sein Ross ist tot! Herwenda, Lanze hoch. Warten, bis der Herr von Plitzenberg wieder bereit ist!“
Barnemund ächzte, als er erneut in den Sattel stieg. Lästig! Seine Mutter sah zu, stand neben dem Grafen, der wieder einmal den Tjostübungen beiwohnte. Mist! Das war der zweite Sturz, und Herwenda würde ihn gewiss wieder runterstoßen. Sie war zu gut.
Die beiden Knappen ritten gegeneinander an, beobachtet vom Rest der Luringer Knappenschar, darunter so mancher, der heute auch schon Staub geschmeckt hatte. Nur Ungolf hatte bisher jeden gang gewonnen - aber der war ja auch schon als Page hier gewesen. Barnemunds Pferd spürte, dass sein Reiter unsicher war, es trabte nur widerwillig an, sein Galopp war nicht fließend, sondern bockig. Der schmächtige Knappe oben auf hielt sich mit verkrampften Knien im Sattel, duckte sich hinter den Schild und senkte die Lanze viel zu spät.
Herwenda jubelte nicht einmal. Sie galt als kalt und unnahbar und würde wie Ungolf bald gerittert werden. Ihr Verehrer, ein langer Lulatsch mit Pferdegesicht, hielt Herwendas Pferd, damit sie absteigen konnte. Um Barnemund kümmerte sich nur sein Kumpel Adhemar, der ihm aufstehen half.
„Der Helm hat sich verklemmt“, sagte Barnemund scheppernd und hohl durch das Visier und versuchte, auf groteske Weise den Helm von der Halsberge zu ziehen.
„Warte“, meinte Adhemar und half ziehen.
„Was macht ihr denn da? Tanzen?“, fragte Ungolf hämisch, während der Emporkömmling Ugo, dem endlich der Flaum auf den Wangen zu sprießen begann, gackerte: „Nur nicht den Kopf verlieren, Herr Mauersegler!“
Endlich gelang es Barnemund und Adhemar, den Helm zu lösen. Mit hochrotem Kopf, vom dem die Haare feucht in alle Richtungen abstanden, keuchte Barnemund.
Und sah Falkwin von Goyern auf ihn zukommen.
„Gut gemacht, Plitzenberg. Es ist wichtig, sich auch auf das Herunterfallen vorzubereiten. So vermeidet man eigene Verletzungen. Aber jetzt übst du mal, andere zu verletzen, einverstanden? Und aufsitzen!“, brüllte er.
Hatte er Angst vor dem Herunterfallen? Nein. Nichts hatte er häufiger geübt als das.