Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.
 
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.
  
= [[Drei Krähen und ein Räblein — Briefspielreihe|Drei Krähen und ein Räblein]] =
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<!--
== Totgeboren ==
+
[[Garetien:Esmeria_Darando_della_Tenna|Esmeria Darando della Tenna]]
Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042, am Morgen
+
-->
<!--Zfs: Begräbnis-->
 
 
 
== Totenruhe ==
 
Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042
 
<!--Zfs: Das Grab wurde geöffnet-->
 
  
== Totenwacht ==
+
= Ein Ende und ein Anfang =
Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042
+
Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.
<!--Zfs: Rückgabe des Leichnams, Begräbnis-->
 
  
 +
== Schwester ==
 
<!--
 
<!--
== Götterdienst ==
+
Zsfg: Gerlinde von Altjachtern sucht ihren Bruder Drego in einer dringenden Angelegenheit auf.
[...]
 
== Warnung ==
 
 
 
„Du hättest wirklich zu Hause bleiben sollen“, hob [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]] tadelnd an, als [[Garetien:Mirya Rosna|Mirya]] etwas zurückfiel, „In deinem Bett. So wie ich es dir gesagt habe.“
 
 
 
„Ich weiß“, erwiderte sie atemlos und ziemlich blass um die Nase, „aber ich konnte es meiner [[Garetien:Nella Rosna|Tochter]] nicht abschlagen. Sie hat so viel durchgemacht. Sie hat es verdient, dass ich auch mal etwas für sie tue...“
 
 
 
Darauf wusste Nurinai nichts zu sagen. Braucht sie auch nicht, Mirya wollte reden, dass spürte sie.
 
 
 
„Sie hält sehr viel von Euch, Euer Gnaden, überaus viel. Ihr solltest sie mal reden hören!“, sie rang sich ein Lächeln ab, „Ihr wisst alles. Ihr könnt alles. Ihr helft jedem, egal ob Mensch oder Tier. Ihr seid immer da, wenn man Euch braucht. Ihr verurteilt nicht. Ihr nehmt die Menschen, so wie sie sind - Unvollkommen. Ihr...“
 
 
 
„Nella ist noch jung“, relativierte Nurinai, „Wenn man jung ist, erscheinen einem Menschen manchmal größer als sie sind, weil man selbst so klein und unbedeutend ist.“
 
 
 
„Ja“, sie nickte und ihre Stimme wurde plötzlich ganz leise, „Ihr seid ein guter Mensch. Ein sehr Guter. Ihr habt das alles hier... einfach nicht verdient!“
 
 
 
„Es geht nicht darum, was man verdient hat oder was nicht. Es geht darum, dass mein Herr mich aus einem bestimmten Grund hierher geschickt hat. Ich frage nicht aus welchem, er kennt ihn und das genügt mir.“
 
 
 
„Euer Herr, Euer Gnaden, hat uns hier genauso im Stich gelassen, wie alle seine zwölfgöttlichen Geschwister. Sie alle haben uns verlassen und uns dem ausgesetzt, was aus der...“, ihre Stimme brach, „Wir haben so lange nach ihnen gerufen. Wir haben gebetet und gefleht. So lange. So unglaublich lange.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. „Aber wir wurden nicht erhört. Wir blieben allein. Sie haben uns verlassen.“
 
 
 
Nurinai nickte verständnisvoll.
 
 
 
„Wir mussten uns irgendwie... irgendwie selber helfen“, sie zuckte etwas hilflos mit ihren Schultern, „Das versteht Ihr doch...?“
 
 
 
Erneut nickte sie.
 
 
 
„Was hätten wir auch sonst tun sollen? Es war ja niemand da. Es hat doch niemanden gekümmert, solange wir unseren Verpflichtungen gegenüber unseren Herren nachgekommen sind. Und die hohen Herren in Gareth...“ Sie lachte. „Die interessieren sich doch nicht für Leute wie uns, für normale Leute. Da muss man schon adelig sein...“
 
 
 
„Glaub mir, auch das reicht nicht aus. Adelige gibt es so viele wie Vögel am Himmel“, hob nun Nurinai an, „Und das meine Schwester nun Reichsritterin zu Praiosborn ist, das hat nichts damit zu tun, das sie es verdient hat oder das sie hier gebraucht wird oder das ihr hier jemand braucht, der sich diesem Schrecken annimmt, sondern damit, das man etwas zwischen diesen Hohen Herren und der Finsternis hat. Etwas, dass sie einem vom Hals hält. Das sich um die Probleme kümmert und deswegen und nur deswegen hat man diese Lehen an Menschen gegeben, die entbehrlich für die da oben sind. Um es kurz zu machen: Von denen interessiert sich keiner für uns!“
 
 
 
„Dann haben wir ja etwas gemeinsam“, stellte Mirya nüchtern fest. Dann wandte sie erneut an und flehte: „Euer Gnaden, Ihr müsst gehen! Bitte! Geht so lange Ihr es noch könnt!“
 
 
 
„Ich kann nicht. Ihr braucht mich. Ihr alle!“, erwiderte diese nur, „Wer soll sich um euch kümmern, euch beistehen, euch zuhören oder euch die zwölf Götter wieder nahe bringen, wenn nicht ich?“
 
 
 
Sie schüttelte nur den Kopf: „Warum begreift Ihr das denn nicht? Die Götter haben diesen Ort verlassen. Endgültig verlassen. Sie kehren nicht zurück.“
 
 
 
„Sie können nicht zurückkehren“, stimmte die Geweihte da zu, „Denn sie waren nie fort. Sie waren immer da. Doch du blickst nur zurück und sieht nur die eine einzige Fußspur in der Erde hinter dir. Nur eine einzige und da fragst du dich, wo sie da waren, die Götter. Und du fragst zurecht. Doch schau dir deine Fußsohlen an! Schau sie dir ganz genau an! Kein Krümel Erde hängt daran, denn es waren die Götter und die Götter allein, die dich diesen langen und entbehrungsreichen Weg getragen haben.“
 
 
 
Einen Augenblick herrschte schweigen zwischen den beiden Frauen. Dann schüttelte Mirya langsam ihren Kopf: „Ihr versteht nicht. Ihr müsst gehen. Ihr müsst!“ Sie biss sich auf die Lippen, ließ ihren Blick zur Seite schweifen und erklärte: „Es beginnt alles damit, dass man nachts immer wieder erwacht. Man weiß nicht warum. Es gibt keinen Grund. Man erwacht dann immer häufiger. Irgendwann kommen die Träume. Schreckliche Träume. Träume von Tod und Verderben. Von verwesenden Leichen. Man hört sie rufen, schreien, obwohl sie tot sind. Zu Beginn sind es Fremde, doch dann werden es Freunde und irgendwann sind es die Eltern, Geschwister, die eigenen Kinder, diejenigen die man am meisten liebt. Man kann nicht mehr schlafen.“ Sie holte Atem. „Und dann, dann sieht man sie bei Tag. Sieht wie die Maden in ihnen krabbeln, wie sie in ihnen wühlen, wie sie sie auffressen. Bei den Augen, da fangen sie an.“ Sie deutete auf ihre eigenen Augen. „Und langsam, ganz langsam zehrt die Brache den eigenen Verstand auf und man fällt immer mehr und mehr dem Wahnsinn anheim, bis man nur noch einen einzigen Ausweg kennt - den Tod!“
 
 
 
Nurinai hörte aufmerksam zu.
 
  
„Ihr wärt nicht die Erste, der das widerfährt! Wärt nicht die Erste, die in den Praiosborn geht und dort für immer bleibt.
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[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 13. Rahja 1046 BF
  
„Ist das...“, hob Nurinai zaghaft an, „... schon einmal passiert? Hier passiert?“
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„Ah, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]“, entfuhr es mir beinahe etwas atemlos. Ganz unvermittelt blieb ich auf der großen Treppe stehen. „Hier bist du also.“ Mein Bruder stand wenige Schritte über mir, hielt seinen [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Sohn]] in den Armen. Der Knabe, der so sehr meinem Bruder glich, schaute mich aus den großen Augen seines Vaters neugierig an. Umringt waren beide von Mitgliedern seines Hofstaates, darunter seine Pagen und Knappe, einige seiner Hausritter, die Hofkaplanin [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]] und die Vögtin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]].
  
Darauf gab Mirya keine Antwort, stattdessen sagte sie: „Ihr könnt mir noch so oft sagen, dass Ihr nicht unter diesen Träumen leidet. Ich glaube Euch nicht. Ich sehe es Euch an. Damals habe ich es ihr auch angesehen.“
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„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er an und zog die Stirn kraus, „Der Leuin zum Gruße.“
  
„Ihr?“, fragte die Geweihte und versuchte sich nicht anmerken zu lassen, dass es sehr wohl stimmte, was sie sagte. Zuerst war sie immer wieder nachts erwacht, dann waren die Träume gekommen. „Wovon sprichst du? Von wem sprichst du?“
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„Die Leuin auch mit dir, Bruder“, erwiderte ich und erbrachte ihm den Kriegergruß. Daraufhin nahm der Knabe seine kleine Hand, ballte sie zur Faust und führe sie zu seinem Herz. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, aber es war deutlich zu erkennen, dass er sich gerade ebenso an diesem Gruß versucht hatte. Alle begannen zu grinsen – auch ich. Dann schmiegte sich der Knabe ganz dicht an die Brust seines Vaters und schaute noch kecker drein wie zuvor.
  
„Wisst Ihr was mit der letzten Geweihten hier passiert ist?
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„Er ist so groß geworden“, merkte ich an, „Er wird eines Tages gewiss ein großer Krieger werden.
  
Nurinai wartete auf die Antwort.
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Das Grinsen meines Bruders wurde breiter, wobei er zärtlich seinem Sohn über das blonde Haar strich: „Du warst schon lange nicht mehr hier, Gerlinde.
  
„Eines nachts hat sie es nicht mehr ertragen und ist in den Praiosborn gegangen. Dort hat sie ihr Leben gelassen.“
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„Du kannst mich jederzeit im Rondra-Tempel in [[Garetien:Stadt Überdiebreite|Überdiebreite]] antreffen“, erwiderte ich daraufhin nickend, „Es ist gar nicht weit von hier und du und die deinen sind mir dort jederzeit willkommen.“
  
Nun schüttelte die Geweihte ihren Kopf: „Man hätte nach ihr gesucht. Geweihte verschwinden nicht so einfach, schon gar nicht unbemerkt!
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Ernst schaute er mich an: „Ich kann nicht vergessen, was mit den [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteinern]] damals vorgefallen ist. Noch heute träume ich in so mancher Nacht von [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]].
  
„Hier an der Brache?“, Mirya lachte, „Hier sucht keiner nach einem! Wenn man verschwindet, dann hat sich die Brache denjenigen einverleibt. Und wer ist schon so lebensmüde und geht in die Brache um nach jemanden zu suche, der sehr wahrscheinlich bereits nicht mehr am Leben ist?“ Fragend sah sie die Geweihte an.
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Ich biss mir auf die Lippen. Daran hatte ich gar nicht gedacht. „Die Diener des [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] könnend dir gewiss dabei helfen“, schlug ich vor, „Es gibt doch auch einen [[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel]] ihrer Diener hier?“
  
== Eine Krähe ruft ==
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„[[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]“, seufzte er schwer und nickte bestätigend, „Dieser Tempel untersteht den Erlenfallern und diese haben eindrücklich bewiesen wozu sie fähig sind. Nicht einmal meiner einstigen Knappin [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun]] oder gar Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] ...“ Nun wandte er sich der Hofkaplanin zu. „... genießen mein uneingeschränktes Vertrauen.“ Schwester Lindegard wich dem Blick meines Bruders aus.
{{Brief
 
|Adressat=An die Prätorin des Tempels unserer gütigen Etilia in Kammhütten, Greifenpass
 
Werte Líadáin,
 
  
|Text=als Du mir ''Marbhán'' geschenkt hast, da dachte ich, dass ich sie nie brauchen würde. Damals glaubte ich, dass sie nur eine Geste Deines Vertrauens in mich und eine Anerkennung meiner Fähigkeiten sei. Heute frage ich mich manchmal, ob Du nicht etwas geahnt hast.
+
Einen Augenblick war es still. Ich war keine Frau großer Worte. Ich war eine Dienerin der Leuin. Und ich begriff, dass ich beinahe nichts über meinen Bruder und dessen Leben wusste. So fand ich keine Worte. Was hätte ich auch sagen sollen? Die Situation schien kompliziert. Zu kompliziert um sie innerhalb weniger Wimpernschläge zu erfassen.
  
Wie dem auch sei: Ich habe ''Marbhán'' einsetzen müsse. Es war eine schwere Geburt. Die Mutter lag seit Tagen in den Wehen, das Ungeborene jedoch steckte fest. Als ich eintraf, war es bereits nicht mehr am Leben. Es war schrecklich, Líadáin! So schrecklich! Genauso schrecklich wie damals. Doch die heilige Etilia stand mir bei und die göttliche Kraft unseres Herren hat mich die ganze Zeit erfüllt.
+
Indes riskierte der Knabe immer wieder scheue Blicke. Das ein oder andere Mal wandte er sich mir gar mehr zu, schmiegte dann jedoch wieder eilig sein Gesicht an die Brust seines Vaters. Dass meine Bruder einmal Frau, Kinder und ein Baronsreif sein eigen nennen würde ...
  
Das Schrecklichste war jedoch nicht, dass ich das Ungeborene auf diese Art und Weise habe holen müssen, sondern das es kein normal geartetes menschliches Wesen zu sein schien: Seine Gliedmaßen waren miteinander und ineinander verwachsen, dazu noch verkrüppelt, deren Anzahl lag ohnehin über denen gewöhnlicher menschlicher Wesen, Finger- und Fußnägel erinnerten eher an Krallen, die Augen an die einer Raubkatze, die Zähne waren bereits alle vollständig durchgebrochen, standen in zwei Reihen und waren messerscharf, der Rücken war eröffnet, sodass die Lunge zu sehen war, das Herz lag außerhalb der Brust. Allgemein erschien es mir mehr Tier als Mensch zu sein, nicht zuletzt, weil seine Haut mit einem dichten, dunklen Flaum überzogen war. So etwas, habe ich noch nie gesehen.
+
„Du hast dich nicht angekündigt. Warum bist du gekommen, Gerlinde?“
  
Es war auch nicht das einzige Kind, dass missgestaltet war. Ich war noch bei einer weiteren Geburt zugegen. Auch dieses Ungeborene war bei meiner Ankunft bereits tot. Da es aber noch Zeit gehabt hätte, dadurch noch nicht voll entwickelt war und deswegen noch recht klein, konnte es auf normalen Wege geboren werden. Die Unreifezeichen waren deutlich, die der Missbildung jedoch auch.
+
Nun straffte ich mich: „Drego, du musst mich begleiten. Es bleibt uns nicht viel Zeit.
  
An einen Zufall glaube ich nicht, da auch der Praiosborn immer wieder missgebildete Fische hervorbringt, bin ich überzeugt, dass es etwas mit der Brache zu tun hat, mit der sich die Menschen hier auf eine seltsame Art und Weise arrangiert zu haben scheinen. Man hütet hier ein Geheimnis, dass man bisher nicht einmal mir anvertraut hat und was sollte das für eines sein, wenn nicht ein niederhöllisches?
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Er legte seinen Kopf leicht schräg: „Worum geht es?
  
Das Schlimmste jedoch, das Allerschlimmste ist, dass jemand das erste Ungeborene ausgegraben hat, nachdem ich es auf dem Boronanger begraben hatte. Líadáin, hast Du das schon einmal erlebt? Jemand ist des Nachts auf den Boronanger geschlichen, hat dort das eingesegnete Grab geöffnet und alle Einzelteile ausgegraben und mitgenommen. Ailsa hat mit der Inquisition gedroht, falls die Überreste nicht binnen Tagesfrist wieder da sind. Sie sind wieder aufgetaucht. Seitdem überantworte ich die Toten dem Feuer.
+
„Vertraust du mir?
  
Die Ereignisse haben mich ratlos gemacht. Die Menschen reden einfach nicht und egal was ich versuche, ich kann ihr Schweigen nicht brechen. All die Geduld und das Verständnis, das ich ihnen versucht habe entgegenzubringen, haben mich bisher nicht weiter gebracht. Ich weiß einfach nicht, wie ich dem Ganzen hier noch begegnen soll. Was würdest Du tun?
+
„Selbstredend!“, entfuhr es ihm ohne Zögern, „Du bist nicht nur eine Dienerin der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]], sondern auch meine Schwester.
  
Ich möchte Dich auch noch um einen weiteren Rat bitten, denn eine Frage quält mich ganz besonders: Wenn ein solches Kind jemals lebend zur Welt kommen sollte, was soll ich tun?
+
„Wir müssen nach [[Garetien:Gut Jachtern|Hause]]“, eröffnete ich ihm und nickte energisch, „Sofort. Wir haben nicht viel Zeit.“
  
|Absender=Hochachtungsvoll
+
„Nach ...?“, echote er tonlos und seine Augen verengten sich, „... Hause?“
[[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]]
 
}}
 
  
== Eine Krähe antwortet ==
+
Äußerst langsam, aber überdeutlich nickte ich.
{{Brief
 
|Adressat=An die Dienerin des Raben Nurinai ni Rían in Praiosborn, Kaiserlich Brachenwacht, Garetien
 
Werte [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]],
 
  
|Text=unser Herr hatte einen Grund Dich und Deine Schwestern nach Praiosborn zu führen. Nun scheinst Du auf den Grund gestoßen zu sein und auch auf Deine Aufgabe, denn das es eine geben wird, das hat Bishdariel Dir in Deinen Träumen eröffnet. Und so wie er Dir einen Traum schickte, hat er auch mir einen geschickt und da wusste ich, dass es an der Zeit war Dir das geeignete Werkzeug an die Hand zu geben. Über das Wissen verfügst Du schon lange, dass Du auch kundig in der Anwendung bist, hast Du als meine Schülerin unter Beweis gestellt, nur das Instrument an sich, hat Dir gefehlt. Marbhán wird Dir treue Dienste leisten.
+
„Was ...?“, seine Stimme brach.
  
Die von Dir beschriebenen Ereignisse sind höchst besorgniserregend. Auf der einen Seite, weil ich vermute, dass Fälle von missgebildeten oder nicht lebensfähigen Kindern nicht neu sind, gleiches gilt für Fehl-, Früh- und Totgeburten. Auf der anderen Seite, weil es mir höchstes Unbehagen bereitet, dass es dort Personen gibt, die eingesegnete Gräber öffnen und die Begrabenen aus der geweihten Erde entnehmen. Das ist ein Frevel wider unseres Herrn!
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„[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, brachte ich nur heraus.
  
Was Dein weiteres Vorgehen betrifft, so rate ich Dir: Halte Dich an die Frauen! Sie werden der Schlüssel sein. Denn die Frauen sind es, die missgebildete Kinder zur Welt bringen. Sie sind es, die tote Kinder zur Welt bringen. Sie sind es, die Fehlgeburten erleiden. Sie sind es, die besonders unter der Situation zu leiden haben und so werden sie es sein, die zuerst reden werden. Gedulde Dich noch ein wenig, Nurinai, doch sei unnachgiebig. Wenn sie Dir vertrauen, weil Du ihnen in ihren schwersten Stunden beigestanden hast, dann werden sie zuerst Rat bei Dir suchen und sich schlussendlich Dir offenbaren. So lange musst Du die Zeit nutzen: Höre zu, beobachte, damit Du ihnen, wenn sie sich Dir mitteilen, einen echten Ausweg bieten kannst. Hast Du sie überzeugt, werden die Frauen die Männer überzeugen.  
+
„Sie ... sie ... sie hat meine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] beleidigt. Sie hat ...
  
Ich möchte Dir auch noch Deine letzte Frage beantworten: Der Rabe erhält, was des Rabens ist. Vergiss das nicht.
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„Das ist nicht mehr wichtig, Drego“, ich schüttelte den Kopf und fasst an seine Schulter, „Es ist nicht mehr wichtig.
  
|Absender=Hochachtungsvoll
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Mein Bruder wurde blass. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
Líadáin ni Rían
 
Hüterin des Rabens im Tempel unserer gütigen Etilia
 
}}
 
 
-->
 
-->
 
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== Vater ==
= [[Die Würfel sind gefallen — Briefspielreihe|Die Würfel sind gefallen]] =
 
== Die erste Nacht ==
 
 
 
== Der Morgen danach ==
 
[[Garetien:Dorf Donnerhof|Donnerhof]], Anfang Hesinde 1042
 
 
 
(...)
 
 
 
= [[Der Götter Werk und Yolandes Beitrag — Briefspielreihe|Der Götter Werk und Yolandes Beitrag]] =
 
== Lehrstunden (Dritter Teil) ==
 
[[Garetien:Schloss Dryadenstein|Schloss Dryadenstein]], 17. Ingerimm 1042
 
 
 
(...)
 
 
 
== Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Befleckt ==
 
 
 
== Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Yolandes Werk ==
 
 
 
 
<!--
 
<!--
[[Garetien:Esmeria_Darando_della_Tenna|Esmeria Darando della Tenna]]
+
Zsfg: Gerlinde und Drego kommen auf Gut Jachtern an und treffen auf ihren Vater.
-->
 
  
= [[Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen — Briefspielreihe|Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen]] =
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], 13. Rahja 1046 BF
== Ein Antrag mehr ==
 
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Ende Phex 1043
 
  
(...)
+
Über [[Garetien:Dorf Wegscheide|Wegscheid]] und [[Garetien:Gut Roßsprunk|Roßsprunk]] ritten wir nach Gut Jachtern. Ich schwieg. Drego schwieg. Seine Bedeckung, ein [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Knappe]] kurz vor seinem Ritterschlag und eine [[Leudane von Leuenberg|kaisermärker Ritterin]], schwieg. Wenig nach unserem Aufbruch setzte Regen ein. Zuerst waren die Tropfen ganz fein, gleich dem feinen Nebel der am Morgen gerne entlang der Raller lag. Eine willkommene Abkühlung in der Hitze des Rahjamondes. Dann jedoch wurde der Horizont zunehmend finsterer, der Regen wurde heftiger, die Tropfen dicker.
  
== Konspiratives Treffen ==
+
Vollkommen durchnässt kamen wir mitten in der Nacht auf Gut Jachtern an. Die Praiosscheibe war seit Stunden untergegangen. Die Sterne hatten uns den Weg gewiesen und der Regen war unser ständiger Begleiter gewesen. Eilig brachten wir die Pferde in den Stall. Während Knappe und Ritterin sich mit dem Stallknecht um die Tiere kümmerte, ging ich mit Drego in das nahezu finstere Guthaus hinein und wurden von Dunkelheit empfangen. Es war ungewöhnlich still. Totenstill. Nur das Tropfen des Wasser von unseren gänzlich durchweichten Umhängen durchbrach die Stille. Hinter uns fiel die Tür ins Schloss. Drego erschrak hörbar.
[[Garetien:Burg Rallingstein|Burg Rallingstein]], Peraine 1043
 
  
„Dass ich das noch einmal erleben darf“, begrüßte der [[Garetien:Emmeran von Erlenfall|Junker zu Erlenfall]] das Oberhaupt der Familie Schwarztannen mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Was für eine Ehre Euch hier auf Burg Rallingstein begrüßten zu dürfen, Euer Hochgeboren.“ Die beiden letzten Worte betonte er überdeutlich.
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Da trat jemand mit einer Kerze zu uns in den Flur. „[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]] und ... und [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]?
  
[[Garetien:Enria von Schwarztannen|Enria von Schwarztannen]] holte Atem: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund, Euer Wohlgeboren. Meint Ihr nicht auch?“
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[[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]]?“, entfuhr es meinem Bruder leise. Unschlüssig machte er einige Schritte nach vorne.
  
„Oh, wie recht Ihr doch habt“, stimmte er ihr da vielsagend zu, „So recht.“
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„Ja, Drego“, bestätigte sein Gegenüber, „Ich bin es. Dein Vater.“ Sein Gesicht lag noch immer im Dunkeln. Die Kerze spendete nur spärliches, düsteres Licht. Er machte einige Schritte auf seinen Sohn zu und schloss ihn in die Arme, ließ aber sogleich wieder los. „Ganz nass. Du bist ja ganz nass. Schreckliche Efferdnacht dort draußen.“
  
„Nun, angesichts der derzeitigen Umtriebe, die hier in Schwarztannen vonstatten gehen, scheint eine zeitweilige Allianz die einzige Möglichkeit zu sein, der Krähen Herr zu werden.“
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Drego schluckte schwer als er unserem Vater gegenüberstand: „Es muss ernst um [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] stehen.“
  
„Dann setzt Euch doch an die bescheidene Tafel...“, lud der Vogt Emmeran von Erlenfall sie alle ein, „... unserer bescheidenen Burg.“
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„Ja“, erwiderte er, „So ist es. Es geht zu Ende, Drego. Golgari ist bereits auf dem Weg.“
  
Es wurde Wein gereicht.
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Nun war es Vater, der schwer schluckte. Schemenhaft konnte man erkennen, wie er nickte. „Und Gerlinde“, fuhr er fort und nahm auch mich kurz in die Arme, ließ aber noch schneller von mir ab als von meinem Bruder, „Auch ganz nass. Allesamt seid ihr ganz nass. Alle beide. Eine wirklich grässliche Efferdnacht dort draußen.“
  
„Bescheiden“, spottete [[Garetien:Helmrat von Schwarztannen-Scharfenstein|Helmrat von Schwarztannen-Scharfenstein]], der natürlich auch einen Anspruch auf die Baronswürde erhob, den man aber gemeinhin als Hochstapler betrachtete, weil er seinen vermeintlichen Anspruch auf die Abstammung aus der längst erloschenen Linie der Familie Schwarztannen-Scharfenstein ableitete. „Äußerst bescheiden.“ Er trank einen großen Schluck Wein.
+
„Ist [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Mori]] ... ?, wollte ich wissen.
  
Bescheiden war freilich hier überhaupt nichts. Die [[Garetien:Familie Erlenfall|Familie Erlenfall]] hatte sich mit Burg Rallingstein verewigt und zeigte damit überaus deutlich wer sie war und auch das sie für Höheres bestimmt war und das war mindestens der Baronsthron.
+
... am Bett eurer Mutter“, vollendete er meinen Satz, „Er wacht dort zusammen mit [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]].“ Erneut nickte er. „Ihr solltet eure nassen Kleider ablegen, etwas Trockenes anziehen und sie dann ablösen. Sie wachen dort schon recht lange.
  
„Ich denke wir sind uns einig“, ergriff nun der wenig schweigsame [[Garetien:Boronidan Eslam von Erlenfall|Boronidan Eslam von Erlenfall]], Prätor des Boron-Tempels zu Hexenmühle das Wort, „Das Problem ist nicht [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] an sich. Er ist genauso beeinflussbar wie sein [[Garetien:Drego von Luring|Namensv...]]
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„Sie hat mich fortgeschickt“, hob nun Drego an, „Das letzte Mal hat sie mich fortgeschickt. Ich sollte, nein, durfte ihr nicht unter die Augen treten.“
  
„Hört! Hört!“, rief der Schwarztannen-Scharfensteiner schadenfroh dazwischen, nahm einen kräftigen Schluck Wein und legte den Finger ganz tief in die Wunde, „Warum sitzt dann nicht eine Eurer Familien auf dem Baronsthron?
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Erneut nickte Vater: „Das Rauschen Golgaris in den Ohren deiner Mutter hat sie sanftmütiger gemacht, nicht milde, aber sanftmütiger, ein Lämmchen ist aber dennoch nicht aus ihr geworden. Selbst mit mir hat sie einige vernünftige Worte gewechselt, ehe sie mich angekeift und fortgeschickt hat, ich bin aber sicher, dass sie noch einmal nach mir rufen wird. Ganz gewiss sogar.
  
„Es ist nicht der Baron. Es sind die Krähen. Sie umringen ihn. Schotten ihn ab. Lullen ihn ein. Und machen sich dabei überall breit. Fast sein ganzer Hof besteht aus ihnen. Und die schlimmste von ihnen, die Oberkrähe, diese Alisa...
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„Hm“, machte mein Bruder da noch immer zweifelnd.
  
„[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]]“, gluckste Helmrath da amüsiert, „Ailsa. Ihr scheint nicht sonderlich gut informiert zu sein. Vielleicht ist daran Eure Einflussnahme gesch...“
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„Sie ist und bleibt deine Mutter“, fuhr unser Vater nun fort, „Und sie liebt dich, so viel kann ich dir sagen.“
  
„Sie ist das eigentliche Problem“, fuhr der Boron-Geweihte fort, „Wenn wir es schaffen sie in Misskredit zu ziehen, dann sind wir sie los und die restlichen Krähen auch.“
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Da lachte Drego: „Ich war ihr doch nie gut genug! Ganz gleich was ich getan, wie sehr ich mich bemüht habe. Nun bin ich sogar Baron, habe [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] und [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Ki]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|nd]][[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|er]], doch gut genug bin ich ihr noch immer nicht.“
  
„Und was..., meldete sich nun [[Garetien:Sigmunde Brinhild von Schwarztannen|Sigmunde Brinhild von Schwarztannen]] zu Wort, „... schwebt Euch da so vor?
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Er seufzte: „Ach, Drego, du kennst deine Mutter. Du kennst sie lange genug. Sie ist eine harte Frau. Hart zu sich, aber auch zu anderen. Keiner kann es ihr recht machen. Nicht einmal sie selbst kann es sich recht machen. Sie hat dir das Leben geschenkt, da kannst du ja wohl auch bei ihrem Tod dabei sein.
  
„Ganz einfach“, meinte der selbsternannte Baron zu Schwarztannen, „Wenn sie eine Liebschaft mit einem anderen hat, noch besser wäre ein Kind, was glaubt Ihr, wird der Baron tun?
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Da nickte er: „Dennoch hat sie meine Frau beleidigt. Sie angefeindet. Sie beschimpft.
  
„Er wird sie verstoßen“, schloss [[Garetien:Raulbrin Reto von Schwarztannen|Raulbrin Reto von Schwarztannen]], „Und wenn sie fällt, dann werden auch die anderen Krähen fallen.“
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„Ich weiß“, wusste auch unser Vater, „Ich habe keine rechte Erklärung dafür. Wobei ...“ Er hielt einen Moment inne. „Vielleicht verachtete sie sie so, weil dir und ihr etwas vergönnt war, was uns nie vergönnt war.“ Drego horchte auf. „Aus liebe den Bund vor der Herrin [[Travia-Kirche|Travia]] zu schließen. Unser Bund war bestimmt. Nicht durch uns.“
  
„Klug beobachtet“, pflichtete ihm der Junker bei, „Überaus klug.“
+
„Neid?“, raunte Drego leise, „Aber warum seid Ihr nicht so? Ihr teilt doch dasselbe Schicksal.“
  
„Wir schmieden also ein Komplott“, fasste die Edle zu Gerbachsroth zusammen, „Gewissermaßen verabreden wir eine Allianz.“
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Da zuckte er nur mit den Schultern: „Vielleicht weil ich vor Götterläufen entschieden habe, der Enge dieses Heimes und dieses Seins zu entfliehen.“ Er warf einen Blick auf mich. Ich straffte mich. Flucht, dass war nichts für eine Geweihte der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]]. „Außerdem seid ihr meine Kinder, mein Fleisch und Blut und ich wünsche mir, dass euch nur Gutes widerfahre und liebe euch alle gleichermaßen aus der tiefe meines Herzens heraus.“
  
„Eine zeitweilige Allianz“, korrigierte Enria von Schwarztannen unter dem Nicken Emmeran von Erlenfalls, „Die andauern soll, bis die Krähe fällt.“
+
„Mutter hat immer nur Gerlinde bedingungslos geliebt“, mein Bruder blickte mit gesenktem Haupt zu mir, „Du warst ihr immer das Wichtigste. Die einzige, die alles im Leben richtig gemacht hat.“
  
„Bis die Krähe fällt“, stimmte der Junker ihr zu, „Danach kämpft wieder jeder allein.“
+
„Was hätte sie auch zu einer Geweihten der Herrin Rondra anderes sagen sollen?“, stellte sich unser Vater schützend vor mich, „Lass es gut sein, Drego. Das Ende ist nah. Ihr Zorn wird dich danach nie wieder treffen können. Versuche deinen Frieden mit ihr zu machen. Noch ist Zeit. Noch.“
 +
-->
 +
== Mutter ==
 +
<!--Zsfgh: Die alte Junkerin zu Altjachtern stirbt und ihre Kinder sind an ihrer Seite.
  
„Nun“, der Boron-Geweihte erhob sein Glas, „Fann lasst uns darauf trinken: Auf den Fall der Krähe!“
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
„Auf den Fall der Krähe!“, echoten sie.
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„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, dürr klang Mutters Stimme als ich an ihr Bett herantrat und mich auf die Bettkante setzte. Fahl war ihr Gesicht. Kraftlos ihre Augen. Seit meinem Aufbruch schien sie noch weiter gealtert zu sein.
  
== Kindesraub ==
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[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]], erwiderte ich ihr und nahm ihre Hand zwischen meine. Ein müdes Lächeln legte sich über ihre Wangen. Für einen winzigen Moment kehrte ein Leuchten in ihre Augen zurück, dann verschwand es jedoch sofort wieder.
[[Garetien:Wehrhof Gerbachsroth|Wehrhof Gerbachsroth]], Peraine 1043
 
  
Als [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] zusammen mit seiner zukünftigen Gemahlin [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]] die Stube des Wehrhofes Gerbachsroth betrat, standen sie einem Knaben von ungefähr sechs Götterläufen gegenüber.
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„Ich habe dir jemanden mitgebracht, Mutter“, hob ich an und schaute mich kurz zu meinem Bruder um, der einen Schritt hinter mir gewartet hatte, „[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] ist hier.
  
„Ihr seid ja...“, die Augen des Knaben wurden groß, als er begriff, wer da gerade vor ihn getreten war, obgleich man den Baron und seine Liebste angekündigt hatte, „... ja wirklich der Herr Baron!
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Da trat mein Bruder zu uns an das Bett heran und grüßte mit einem Nicken: „Mutter.“
  
Milde lächelte dieser ihn an und blickte auf den vor ihnen stehenden Knaben herab: „Nun, der bin ich. Das hast du gut erkannt. Und wer bist du?
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Die Sterbende schaute ihn lange an. Sehr lange. Schwer atmete sie. „Du warst ... schon lange ... nicht mehr hier. Drego.“
  
„[[Garetien:Stordan Raulfried von Gerbachsroth|Stordan Raulfried von Gerbachsroth]], Euer Hochgeboren“, antwortete der Knabe sichtlich nervös und verbeugte sich, „Und in Abwesenheit meiner werten [[Garetien:Sigmunde Brinhild von Schwarztannen|Frau Mutter]] Herr über dieses Haus.
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Er nickte, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an das Bett. Hilfesuchend blickte er mich an. Doch da lag ja auch meine Mutter im Sterben und so zuckte ich nur mit den Schultern. Ich konnte ihm nicht helfen. Seinen Frieden musste er mit ihr schon alleine machen.
  
„Dann sei uns gegrüßt, Stordan Raulfried von Gerbachsroth“, erwiderte der Baron, „Herr über dieses Haus.“ Da deutete er auf die Frau neben sich. „Dies ist meine Verlobte und zukünftige Gemahlin Ailsa ni Rían.
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„Ja“, erwiderte er lediglich.
  
„Die Zwölfe mit Euch“, nun verbeugte sich der Knabe auch vor Ailsa, „Ähm... Euer... hm... Hochgeboren?
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„Du hättest ... vorbeikommen ... sollen.“
  
Seine Frage blieb unbeantwortet, stattdessen lächelte Ailsa ihn an: „Sei auch du mir gegrüßt Stordan Raulfried von Gerbachsroth und seien die Zwölfe allzeit mit dir.“
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„Ich habe es versucht“, wieder suchte sein Blick meinen, „Ihr wolltet mich nicht sehen.“
  
Einen Moment herrschte Schweigen. Die Bediensteten beider Seiten standen unschlüssig herum, belauerten sich, niemand schien zu wissen, weswegen der Baron und seine Krähe gekommen waren.
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„Als es begann ... das Rauschen der ... Schwingen, da ... da dachte ich ... es sei die ... [[Garetien:Ailsa ni Rian|Krähe]]“, sie lachte kehlig und ein schlimmer Husten begann sie augenblicklich zu schütteln. Ich nahm ihre Hand fester in meine. Sie beruhigte sich. „Doch dann ...“ Zaghaft nickte sie. „... begriff ich.
  
„Nun, Stordan, ich habe viel von deinem werten [[Garetien:Stordan von Gerbachsroth|Herrn Vater]] gehört.“
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Drego atmete hörbar ein und aus: „Ich bin ein weiteres Mal Vater geworden. Ein kleines, wunderschönes Mädchen hat uns die Herrin Tsa da zum Geschenk gemacht. Bereits im Phex 1045. Sie trägt den Namen [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]].“
  
„Von meinem Vater, Hochgeboren?“, wollte der Knaben aufgeregt wissen, „Er war ein aufrechter Rittersmann!
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„Ederlinde also“, wiederholte sie, „Was ihr nur alle ... an diesem Namen ... an diesem Namen habt.
  
„Dann willst du ihm gewiss folgen? Als aufrechter Ritter?“
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„Sie ist [[Garetien:Ederlinde von Luring|Graf Dregos Schwester]]“, erwiderte er ihr, „Und ich verehre ihn. Noch immer.“ Bitterkeit schwang bei seinen letzten Worten mit. Ich horchte auf. Schon immer hatte Drego [[Garetien:Drego von Luring|diesen Mann]] verehrte, zu ihm aufgeschaut, doch inzwischen schien da noch etwas anderes zu sein.
  
Da nickte Stordan energisch: „Das will ich, Euer Hochgeboren, das will ich. Sehr sogar. Und eines Tages meinem Vater als Edlem zu Gerbachsroth folgen.“
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„Dass diese ... diese diebische Elster ...“, hob sie an und Dregos Miene verfinstere sich, „... das schafft, was ... dieses [[Garetien:Boriane von Altjachtern|dumme Weib]] ...“ Damit meinte sie Boriane, die sie ebenso wenig leiden konnte wie die Gattin Dregos. „... erst nach [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|mehr]][[Garetien:Jermorane von Altjachtern|facher]] ... Schande ... geschafft hat.“ Fassungslos schüttelte sie fast unmerklich ihren Kopf. „Bei den ... Zwölfen!
  
„Nun, Stordan, dann habe ich außerordentlich gute Nachrichten für dich“, hob der Baron an, hielt den Knaben dabei mit seinem Blick fixiert und deutete mit seiner Hand auf seine Verlobte, die zu seiner Linken stand, „Meine zukünftige Gattin wird dich in Pagenschaft nehmen.“
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„Ihr solltet nicht so über Boriane sprechen“, wies ich sie sanftmütig zurecht, nicht nur, dass sie meine Mutter war, sondern sie lag auch im Sterben, „Die Götter haben uns dieses Schicksal auferlegt. Es war nicht Borianes Entscheidung und erst recht keine Absicht.“
  
Fassungslose Blicke der hiesigen Bediensteten kreuzten sich, während sich ein breites Grinsen über das Gesicht des Knabens legte. Unruhig begann er von seinem einen auf das andere Bein zu hibbeln.
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„Und da bist ... bist du dir ... sicher?“ Schwer sog die Sterbende die Luft ein. „Und Drego ...“ Erneut wandte sie sich an meinen Bruder. „Wo ... wo sind denn ... meine [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|En]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|kel]]? Warum sind sie ... nicht hier?“
  
„Auf dass ein genauso aufrechter Rittermann aus dir werde, wie dein Herr Vater einer war. Und einer besseren Pagenmutter, Stordan, könnte ich dich nicht anempfehlen. Sie ist nicht nur bezaubernd schön, besitzt Liebreiz und Ausstrahlung, sondern sie ist auch eine ausgezeichnete Ritterin, was sie bereits auf mehreren Turnieren unter Beweis gestellt hat. Bei ihr wirst du viel lernen.“
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„Die Kinder kennen dich doch überhaupt nicht, Mutter“, half ich nun doch meinem Bruder, „Und sind noch viel zu klein, um zu begreifen, was hier vor sich geht. Sie sind auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]. Dort, wo sie hingehören.“
  
Während der Ansprache des Barons, lächelte Ailsa den Knaben an, der wurde nur immer noch aufgewühlter und sein Grinsen immer noch breiter. Dann stellte die Ritterin die eine Frage: „Willst du mein Page werden und mir stets tr... ?
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„Hm“, machte sie da, ihre Augen fielen ihr langsam zu und ihr Kopf rollte zur von uns abgewandten Seite, „Hm.“
  
„Aber, Euer Hochgeboren“, protestierte da Stordans Kindermädchen energisch, „Ihr könnt doch nicht einfach... ?“
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Der Blick Dregos suchte meinen. Ich hielt noch immer die Hand unserer Mutter.
  
Da hob Drego abwehrend die Hand und sie verstummte. Sichtlich verunsichert blickte der Knabe von seinem Kindermädchen zum Baron und anschließend zu dessen Verlobten.
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„Ich kann nicht vergessen, was sie über ''Orknäschen'' gesagt hat“, wisperte er ernst, „Nicht einmal zu unserem Traviabund ist sie gekommen. Unsere Kinder hat sie nie besucht, dabei war ihr Weg genauso weit wie meiner. Sagt man nicht, dass der nahende Tod einem die eigenen Fehler vor Augen führt und man bereut?“
  
„Nun“, versuchte es die Reichsritterin erneut und schenkte dem Knaben ein liebliches Lächeln, „Willst du mein Page werden und mir stets treu dienen, auf dass du eines Tages deinen Ritterschlag erhalten wirst und in die Fußstapfen deines werten Herrn Vaters treten kannst? Auf dass dir Ruhm und Ehre zuteil werde, du erfolgreich in Turnieren und Schlachten seist. Möchtest du ein stolzer, aufrechter Ritter sein, zu dem alle aufsehen werden?
+
„So heißt es“, bestätigte ich, „Doch kein einziges Wort der Reue oder gar eine Entschuldigung wird je über ihre Lippen kommen. Falls du deswegen gekommen bist, Drego, dann bist du vergebens gekommen. Sie wird nicht um Verzeihung bitten. Bei keinem von uns. Bei den Unsterblichen ...“ Ich ließ meinen Blick schweifen. „... wird sie es jedoch gewiss tun. Sie ist eine göttergefällige Frau.“
  
Und die Augen des Knabens leuchteten: „Ja, das will ich!“
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Scharf sog er die Luft ein.
  
== Verschwörung auf Rallingstein ==
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„Verzeih ihr“, bat ich ihn für sie, „Sie ist einfach nur ein Mensch. Ein fehlbarer Mensch. Eine Mutter, die im Sterben liegt und sich nicht mehr wünscht als, dass ihre Kinder an ihrer Seite sind, um sie bei ihrem letzten Atemzug zu begleiten.“ Ich nahm seine Hand und legte sie auf die unserer Mutter. Widerwillen stand in seinen Augen, in seiner gesamten Gestik und Mimik, doch er ließ es geschehen.
[[Garetien:Burg Rallingstein|Burg Rallingstein]], Peraine 1043
 
  
„Wir werden uns doch nicht etwa an diesem... irrwitzigen Plan beteiligen?“, hob [[Garetien:Edelbrecht von Erlenfall|Edlbrecht von Erlenfall]] an, nachdem ihre Besucher Burg Rallingstein verlassen hatten.
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So verging die Nacht. Mal hielt er die Hand unserer Mutter, mal ich. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] und Boriane und auch unser [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] schauten immer wieder vorbei. Es war still. Erstaunlich still. Niemanden war so recht nach reden. Abwechselnd dösten mein Bruder und ich. An richtigen Schlaf war nicht zu denken.
  
Der [[Garetien:Emmeran von Erlenfall|Junker]] lacht amüsiert: „Natürlich nicht.
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Mutter erwacht nicht mehr. Zumindest nicht mehr richtig. Gelegentlich redete sie unverständliches, wirres Zeug. Mitten in der Nacht, draußen war es stockfinster, nur eine kleine Kerze spendete Licht, schreckte ich hoch. Ein scharfes Geräusch hatte mich geweckt. Ich blickte zu den beiden hinüber. Sah, wie meine Mutter Drego am Kragen gepackt hatte. Mit aller Kraft hielt sie ihn fest. Ihre Knöchel traten noch weißer hervor. Mit gestürzten Lippen blickte sie ihn streng an. Drego war wie erstarrt.
  
„Seit wann machen wir uns selbst die Finger schmutzig, wenn wir dafür unsere Schergen haben?“, warf [[Garetien:Boronidan Eslam von Erlenfall|Boronidan]] in die illustre Runde, „Die [[Garetien:Familie Schwarztannen|Schwarztanner]] werden unserer Schergen sein. Sie werden sich die Finger schmutzig machen. Für uns. Und wir werden davon profitieren.
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Und mit unheimlicher, nahezu körperloser Stimme sprach sie: „''Kein Kind aus deinem Blut wird je den Baronsreif tragen, ohne dass sein junges Leben nicht sinnlos verlischt.''
  
„Freilich gibt es auch keine zeitweilige Allianz“, stellte Emmeran klar, lehnte sich zurück und nahm einen Schluck Wein.
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Sie ließ ihn los. Sackte auf das Bett zurück. Und starb. Ein kalter Schauder jagte meinen Rücken hinab. Dregos und mein Blick trafen sich.
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„Und [[Garetien:Enria von Schwarztannen|das]] [[Garetien:Raulbrin Reto von Schwarztannen|die]] [[Garetien:Sigmunde Brinhild von Schwarztannen|Schwarztanner]] dies glauben...“, führte der Geweihte weiter aus, „... zeigt nur wieder einmal nicht nur ihre Dummheit sondern auch, wie wenig sie die Baronswürde verdient haben. Sie saßen dort viel zu lange und das auch noch vollkommen zu Unrecht.
+
== Bruder==
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<!--Zsfg: Drego und sein älterer Bruder sprechen sich aus.
  
„Also warten wir, bis einer der Schwarztanner der [[Garetien:Ailsa ni Rian|Krähe]] ein Kind gemacht hat?“, wollte der Vogt wissen.
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[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
„So ist es“, pflichtete der Junker ihm bei, „Wir werden warten.
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Der Tod unserer [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] setzte uns allen zu. Wir lagen uns weinend in den Armen und hielten uns aneinander fest. Auch [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] war da. Selbst er weinte. Und so fühlten sich selbst meine Tränen nicht falsch an, dabei konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint hatte.
  
„Und wenn es so weit ist. An wen wird sich der gramgebeugte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron]] dann wohl wenden?“, sponn der Prätor den Plan weiter.
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Nachdem wir alle am Bett versammelt waren, bat ich den [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] um Geleit für unsere Mutter. So wie sie es sich gewünscht hatte. Danach bracht [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] Haselnussbrand. Warm und weich rann er meine Kehle hinab und vertrieb das Gefühl der Enge in meiner Brust – vorerst zumindest. Vater öffnete die Fenster. Kühle, feuchte Luft der Efferdnacht drang zu uns hinein.
  
„Nicht an die Schwarztanner. Die haben ihn hintergangen. Sie werden genauso in Ungnade fallen, wie die Krähe. Und der Weg für uns ist frei. Ein ausgezeichneter Plan, der die Schwarztanner ausschaltet und uns den Baron auf dem Silbertablett serviert“, nun nahm auch Edelbrecht einen kräftigen Schluck Wein, „Und wenn er sich an [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] wendet? Die beiden sollen gute Freunde sein. Nicht zuletzt deswegen, soll er den Baronsreif erhalten haben.“
+
„Die Mädchen“, hob die neue Hausherrin an, „werden bittere Tränen um ihre Großmutter weinen.“
  
„Er hat ihn wohl erhalten, weil er denselben Namen trägt“, spottete Boronida da höhnisch, „Andere, einem Baron würdige Qualitäten, hat er nicht.
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[[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] nickte bestätigend. Er war ganz blass.
  
„Darum werde ich mich kümmern. Auch ich kenne Graf Drego“, erklärte der Junker. Dass er seine eigenen Pläne hatte, verschwieg er. Seine Familie musste nicht alles wissen. Und vielleicht, ja vielleicht trug dieses ganze Unterfangen genug Chaos in die Baronie um zu...
+
„Sie haben sie so sehr geliebt“, fügte Boriane noch hinzu und rieb sich schniefend über die Augen. Selbst sie, für die Mutter nie auch nur ein einziges freundliches Wort übrig gehabt hatte, war von Trauer und Schmerz erfüllt. Liebevoll legte sie ihren Arm um Moribert und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. So vertraut mit meinem Bruder hatte ich sie noch nie gesehen. „Vielleicht sollten wir eine Kleinigkeit essen“, schlug die Scheupelburgerin vor, „Es war eine lange Nacht und bis zum Morgengrauen wird auch noch die ein oder andere Stunde vergehen.“ Erneut hauchte sie meinem Bruder einen Kuss auf die Wange, strich ihm nachdenklich über sein Kinn und verschwand. Die Tür ließ sie offen. Wenig darauf konnte man Geklapper und leises Summen aus der Küche hören. Sie hätte auch die Magd wecken können ...
  
„Und warum ist es dir dann dennoch nicht gelungen, die Baronswürde für unsere Familie zu erlangen?“, wandte der Vogt ein.
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„Weißt du eigentlich“, hob da Moribert an und schaute zu dem noch immer sehr blassen Drego hinüber, „wie sehr ich dich beneide, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]? Du hast es weiter gebracht als jeder einzelne von uns.
  
„Weil Baron Drego seinen Namen mit Graf Drego teilt. Ganz einfach.“
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Drego blickte nur zwischen mir und Moribert umher, dann zuckte er mit den Schultern und entgegnete: „Eine Fügung des [[Phex-Kirche|Herrn Phex]], denn mehr als mein Name war es nicht, der den [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]] dazu veranlasst hat, mich mit [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] zu belehnen. Vielleicht dachte auch so mancher bei Hofe, mit mir sei ein leichtes Spiel zu treiben. Gegen die [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteiner]] stand ich alleine.“ Sein Blick schweifte zu mir. „Bis zum heutigen Tag haben sie es nicht mehr gewagt, anzugreifen.“ Er wusste genauso gut wie ich, dass die Angelegenheit nicht so einfach war, aber ich widersprach ihm nicht. „Diese Prüfung der Götter, denn etwas anderes war es nicht, habe ich bestanden.“ Langsam, aber überdeutlich nickte er. „Ich habe mich bewährt und deutlich gemacht, dass man mich ernst nehmen muss – auch wenn das noch nicht jeder wahrhaben will.“
  
„Ihr werdet hier die Stellung halten...“, entschied der Junker, „... und schnellstmöglich die Lücken füllen, die die Krähen hinterlassen haben. Mit uns loyalen. So sichern wir unseren Einfluss auf den Baron. Und von jenem Zeitpunkt an, wird der Baron tun, was wir ihm sagen. Als sonderlich Willensstark gilt er ja nicht gerade. Und mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit, werden wir gewiss viel bewirken können.“
+
Moribert nickte.
  
„Zu Baronen macht uns das aber nicht“, stellte Edelbrecht fest.
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„Glaube mir, an vielen Tagen wünsche ich mir, ich hätte mich nie in diese Fehde gestürzt. Die Waldsteiner haben mich angegriffen und auch wenn sie sich bis jetzt ruhig verhalten, so konnte bisher einfach keine endgültige Einigung erzielt werden – auch bis zum heutigen Tag nicht. Sie verhalten sich ruhig, aber wie lange noch?“ Fragend schaute er uns an. „Nach den Waldsteinern waren da die [[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]. Sie trachtete nach meinem Baronsreif und dabei war es ihnen vollkommen gleichgültig, ob sie ihn mit oder ohne meinen Kopf in Händen hielten. Mein [[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]] hätte diesen Irrsinn fast mit ihrem Leben bezahlt. Und meine [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|jüngste Tochter]] ...“ Seine Stimme brach. Betreten schaute er drein. Ich sah ihm deutlich an, dass er kurz davor gestanden hatte, etwa zu offenbaren, worüber er besser geschwiegen hätte. „Oft denke ich darüber nach, wie alles gekommen wären, wenn ich mit ihr einfach in ihre Heimat gegangen wäre ...
  
„Das stimmt wohl“, stimme der Geweihte nickend zu.
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„Aber du bist dein eigener Herr“, erwiderte ihm Moribert, „Ich habe, solange ich denken kann, unter dem Zorn und der Wut unserer Mutter gelitten. Von Boriane und unseren [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Kindern]] ganz zu schweigen. Du konntest dich mit deiner Gattin in Schwarztannen verstecken, aber für uns hat es nie ein Entkommen gegeben.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Unsere [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|Erstgeborene]] hat Mutter ausbrennen lassen, weil sie Magie für Madas Fluch hielt. Alle habt ihr nur zugesehen, aber keiner hat unsere Mädchen beigestanden. Unsere [[Garetien:Jermorane von Altjachtern|Zweitgeborene]] wurde an den Namenlosen Tagen geboren und Mutter hat verfügt, sie in die Obhut ihres [[Garetien:Firunian von Altjachtern|Oheim]] im [[Garetien:Ritterherrschaft Gnadenthal|Hüter des Gnadenthals]] zu geben. Wieder habt ihr alle nur zugesehen, aber keiner hat etwas unternommen. Wenig vor ihrem Tod hat sie Jemorane dorthin bringen lassen, obwohl sie noch viel zu jung war, als habe sie geahnt, dass wir das nie ohne sie getan hätten. Unsere [[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Drittgeborene]] soll an den Grafenhof ...
  
„Dafür wird [[Garetien:Jesmina von Erlenfall|Jesmina]] sorgen. In seiner Not und in seinem Elend, betrogen von der Krähe, wird es ein leichtes für meine Tochter sein, ihn mit geeigneten Mitteln um den Finger zu wickeln.“ Und das seine Tochter dazu fähig war, das bezweifelte er nicht und die Mittel, nun, über die Mittel verfügte sie freilich auch oder aber konnte sie sich verschaffen. „Sobald sie ein Kind von ihm erwartet, wird er sie heiraten – darauf werde ich sorgen. Und dann sitzt eine von uns auf dem Thron und die Baronie gehört uns.“
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„Tu das nicht!“, entfuhr es Drego entschieden. Energisch schüttelte er den Kopf. „Das ist kein guter Ort. Glaub mir. Bei all dem, was dir von Mutter angetan wurde, das ist kein guter Ort für deine Tochter. Wirklich nicht.“
  
„Dann müssen wir eine mögliche Eheschließung mit allen Mitteln vermeiden“, dachte nun Edelbrecht weiter.
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„Was willst du damit sagen?“, wollte ich da nun wissen, „Du bringst schwere Anschuldigungen vor! Ich hoffe, du hast dir deine Worte wohlüberlegt!“
  
„Die werden wir vermeiden. Mit allen Mitteln. Koste es was es wolle. Dafür werde ich sorgen“, versprach der Geweihte, „Es wird mir eine Freude sein. Und vielleicht sind unsere Probleme, dann bereits alle gelöst...“
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„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er da an, „Mir ist klar, was ich da sage und ich habe gute Gründe, warum ich es sage. Doch kann ich nichts Genaueres sagen. Ihr müsst mir vertrauen. Bei allem, was passiert ist, ist mir doch eines klar geworden: Meine Familie ist das Wichtigste für mich. Ich würde sie in Gefahr bringen. Ich würde euch in Gefahr bringen. Jeder, der mehr weiß, ist in Gefahr. Und außerdem ...“ Er musterte mich eindringlich. „... dürftest du darüber nicht einfach hinwegsehen, Gerlinde.“
  
„Nun“, endete der Junker mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Dann lasst uns darauf trinken: Auf den Fall der Krähe!
+
„Dann muss ich es erst recht erfahren“, energisch nickte ich, „Also sprich, Bruder, sprich.
  
„Auf den Fall der Krähe!, echoten die Brüder.
+
Doch Drego schüttelte seinen Kopf: „Nein, nein und noch einmal nein. Und ganz gleich wie sehr du mir zusetzt, ich werde nicht reden. Mehr als einen Verdacht habe ich nicht, Gerlinde. Einen begründeten Verdacht, aber ...“ Er hielt inne. Ich straffte mich und schenkte ihm einen scharfen Blick. „... das reicht nicht. Mir ist das klar. Außerdem ist das nicht deine Angelegenheit. Das ist eine Angelegenheit des Reichsforstes und nicht einer der Waldsteiner.
  
== Verschwörung auf Gerbachsroth ==
+
„Ich diene der Himmlichen Leuin und ...“
[[Garetien:Dorf Stacken|Stacken]], Peraine 1043
 
  
Erst als sie Stacken passiert hatten, brachen die drei [[Garetien:Familie Schwarztannen|Schwarztanner]] ihr eisernes Schweigen.
+
„Ja, Gerlinde“, erwiderte er mir da, „Mutter wurde nie müde das zu betonen. Niemals.
 +
-->
  
„[[Garetien:Emmeran von Erlenfall|Diese]] [[Garetien:Edelbrecht von Erlenfall|eitlen]] [[Garetien:Boronidan Eslam von Erlenfall|Gockel]]!“, platze es aus [[Garetien:Enria von Schwarztannen|Enria von Schwarztannen]] heraus, „Einer schlimmer als der andere. Mir ist richtig schlecht geworden.
+
== Nichte ==
 +
<!--Zsfg: Alrike Herdane wird Pagin bei ihrem Oheim, Baron Drego.
  
„Überhebliche Affen!“, kommentierte [[Garetien:Raulbrin Reto von Schwarztannen|Raulbrin]] nickend.
+
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
  
„Eingebildetes Gesindel“, fügte [[Garetien:Sigmunde Brinhild von Schwarztannen|Sigmunde]] hinzu, „Glauben tatsächlich sie seien etwas besseres.
+
[[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Alrike Herdane]] und ihre kleine Schwester [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Ederlinde]] weinten unablässig. Träne um Träne kullerte von den Wangen der beiden Mädchen hinab, als wir [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] auf dem Boronanger beisetzte. Ich sprach den Grabsegen, so wie es ihr Wunsch gewesen war. Die Praiosscheibe stand am wolkenfreien Horizont. Dieser Tag war schön. Viel zu schön.
  
„Und genau deswegen, meine Kinder, werden wir sie auflaufen lassen“, eröffnete das Familienoberhaupt, „Und zwar so richtig. Sollen sie ruhig an eine Allianz glauben.
+
Noch am selben Tag brach ich mit meinem Bruder gen [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] auf. Die drittgeborene Tochter unseres ältesten Bruders, Alrike Herdane, ritt mit uns. Ohne eine Regung war sie auf Anweisung ihres Vaters mitgekommen. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] hatte ihm versichert, dass [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] es ihm sicher nicht übel nähme, wenn er seine Tochter erst einmal zu seinem Bruder an den Hof gäbe. Noch sei das Mädchen jung, hatte er erklärt, noch könne man gut begründen, dass es besser für sie war innerhalb der Familie Pagin zu sein. Drego war ungewöhnlich unbeugsam gewesen und von einer noch ungewöhnlicheren Entschlossenheit erfüllt. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] widersprach nicht. Er war gewohnt, zu folgen. [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] hatte bitterlich geweint, ihre Tochter geherzt und geküsst. Alrika Herdane war teilnahmslos geblieben.
Die Elde zu Gerbachsroth lachte: „Ich hätte mich auch an keine Allianz mit denen gehalten. Nicht mal an eine zeitweilige. Verschlagenes Pack.
 
  
„So lange die daran glauben, reicht das auch vollkommen aus. Wir werden unterdessen unsere eigenen Pläne verfolgen und ihren Glauben an diese Allianz zu unserem Vorteil nutzen. Sollen sie nur die Füße stillhalten, weil sie an einen gemeinsamen Plan glauben.“
+
„Ganz sicher wird es dir in Scharfenstein gefallen“, erklärte mein Bruder unsere Nichte auf dem Weg nach Scharfenstein, „Es gibt dort viele Kinder, darunter auch meine Pagen. Außerdem natürlich meine eigenen Kinder: Du wirst [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Drego]], [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Lechmin]] und [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]] kennenlernen. Und mein ''[[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]]''.“ Er seufzte. „Meine Frau.“
  
„Und“, hob der ehemalige Vogt mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend an, „Wie genau sieht unser Plan denn nun aus?“
+
„Die diebische Elster?“, entfuhr es dem Kind da.
  
„Gut, das du fragst, mein Sohn, sehr gut. Zu versuchen alle Krähen zu beseitigen, scheint mir nicht nur recht aussichtslos, sondern auch geradezu sinnlos zu sein“, führte Enria da aus, „Sie besetzten zu viele Ämter. Haben zu viel Macht. Besser ist es, sich mit ihnen zu verbünden.“
+
Dregos Miene verfinsterte sich: „Das ist deine Großmutter, die da aus dir spricht.“ Er hielt inne. „Niemand, der mein ''Orknäschen'' kennt, kann so über sie reden. Gar niemand. Auch du wirst so nie wieder von ihr reden. Nie! Hast du das verstanden?
  
„Und den [[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfallern]] damit in den Rücken fallen“, schloss Sigmunde.
+
Betreten blickte das Mädchen zu Boden und nickte.
  
„So ist es, mein Kind, so ist es. Die werden sich noch umschauen!“
+
„Anstatt die Worte einer alten Frau nachzuplappern, solltest du dir lieber selbst ein Bild machen. Irgendwann wirst du begreifen, wessen Worten zu trauen ist und wessen nicht.“ Er hielt inne. „Aufrichtige und Ehrbare sind selten.“
 
+
-->
„Der Plan, werte Frau Mutter, der Plan.“
 
 
 
„Die Krähe ist der Schlüssel. Die Krähe, mein Sohn. Die [[Garetien:Ailsa ni Rian|Krähe]].“
 
 
 
„Das heißt, das wir den [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron]] beseitigen müssen“, dachte Sigmunde weiter.
 
 
 
„So viel ist mir auch klar, Schwesterchen. Ganz doof bin ich nun auch nicht“, murrte Raulbrin verstimmt, „Also wie genau stellt Ihr Euch das aber vor, Mutter?“
 
 
 
„Nun, mein Sohn. Da kommst du ins Spiel.“
 
 
 
„Wusst ich‘s doch!“, schimpfte der da drauf los, „Immer bleibt alles an mir hängen. Und, was ist es dieses mal, das ich für unserer Familie tun soll?“
 
 
 
„Deine Aufgabe, Raulbrin, ist eine recht einfache. Du wirst der Geliebte der Krähe.“
 
 
 
„Ach, wenn es nur das ist“, der ehemalige Vogt lachte laut und schallend auf, „Mutter! Ich habe eine [[Garetien:Yassina von Cronenfurt|Frau]]. Ich habe [[Garetien:Kordian von Schwarztannen|zwei]] [[Garetien:Rumhilde von Schwarztannen|Kinder]].“
 
 
 
„Das hat dich sonst auch nicht gestört“, meinte da seine Schwester.
 
 
 
„Das musst du ja gerade sagen. Du hättest wohl noch weitere Bälger, wenn du noch jemand hättest, dem du sie anhängen könntest. Hast du aber nicht.“
 
 
 
„Und du willst mein Bruder sein?“
 
 
 
„Glaub mir, hätte mich je jemand gefragt, dann...“
 
 
 
„Genug!“, brachte die Mutter ihre beiden Kinder zum Schweigen, „Es reicht. Alle beide.“
 
 
 
Beleidigt schwiegen die beiden Geschwister.
 
 
 
„Raulbrin, deine Frau kann dich nicht leiden. Viel mehr verabscheut sie dich sogar.“
 
 
 
„Oh, vielen Dank, Frau Mutter. Welch nette Worte.“
 
 
 
Und weil Sigmunde schadenfroh zu grinsen begann: „Und du passt besser auf, dass du kein weiteres Kind empfängst. Deinem [[Garetien:Stordan von Gerbachsroth|Gatten]] kannst du es ja nicht mehr anhängen.“
 
 
 
„Du bist so ungerecht, Mutter!“, schimpfte diese da gekränkt.
 
 
 
„Die Krähe ist eine ansehnliche Frau. Durchaus hübsch. Mit Liebreiz. Umgarne sie ein wenig. Sei nett und höflich zu ihr. Sei zuvorkommen. Wickle sie ein wenig ein. Schmeichle ihr. Mach ihr Komplimente. Und sei in jenen Stunden für sie da, in denen sie dich am meisten braucht. Es wäre doch nicht das erste mal, dass eine Frau deinem Charme erliegt, mein Sohn...“
 
 
 
Raulbrin atmete schwer.
 
 
 
„Und wenn sie dann erst einmal ein Kind von dir erwartet, dann wirst du der neue Baron werden und unsere Familie wird in neuem Glanz erstrahlen und zu seinem alten Recht kommen.“
 
 
 
„Ich denke Ihr vergesst da etwas, Mutter“, mahnte Raulbrin, „Was ist mit ihrem Gatten? Mit meiner Frau?“
 
 
 
„Nun, tragische Unfälle kommen immer wieder vor, nicht wahr mein Sohn?“, ein vielsagendes Lächeln zierte ihre Wangen, „Auch wenn deine Schwester und ich dann erst für welche sorgen müssen...“
 
 
 
Entsetzt blickte Sigmunde ihre Mutter an und wollte gerade etwas erwidern, da hörten sie aufgeregte Rufe: „Frau von Schwarztannen. Frau von Schwarztannen.“
 
In der Ferne tauchte eine Person auf. Die Gruppe Reiter eilte ihr entgegen.
 
 
 
„Frau von Schwarztannen. Frau von Schwarztannen“, rief die Frau unablässig und blieb plötzlich erschöpft stehen, „Es... es ist... zu spät.“
 
 
 
Nun erkannte Sigmunde die Frau: Das Kindermädchen ihres Sohnes.
 
 
 
„Was... was... was hat das zu bedeuten?“, fragte die Edle entsetzt.
 
 
 
„Euer... Sohn“, keuchte das Kindermädchen außer Atem, „Euer Sohn.“
 
 
 
„[[Garetien:Stordan Raulfried von Gerbachsroth|Stordan]]?“, entfuhr es der Edlen vollkommen fassungslos, „Was ist mit ihm? Was ist mit meinem Sohn? Was ist mit Stordan?“
 
 
 
„Sie hat ihn“, würgte sie hervor, „Die Krähe. Sie hat ihn.“
 
 
 
== Pfand ==
 
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Peraine 1043
 
 
 
„Ihr“, entfuhr es [[Garetien:Sigmunde Brinhild von Schwarztannen|Sigmunde Brinhild von Schwarztannen]] aufgebracht, „Ihr... Ihr... Ihr... Ihr diebische Elster. Ihr durchtriebene Krähe. Ihr verdorbenes Stü...“
 
 
 
„Mäßigt Euch!“, schritt der [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron]] mit harscher Stimme ein, „Ihr sprecht mit meiner Verlobten!“
 
 
 
„Ich spreche mit einer diebischen Elster...“, wurde die Edle zu Gerbachsroth nicht müde zu betonen, „... die mir mein Kind geraubt hat!“
 
 
 
[[Garetien:Llyr ui Rian|Llyr ui Rían]], die Hauptmann der Krähengarde, stellte sich zwischen die aufgebrachte Mutter und die zukünftige Gemahlin des Barons und versuchte zuerst beschwichtigend auf diese einzuwirken: „Euer Wohlgeboren! Ich bitte Euch. Mäßigt Euren Ton. Eurem [[Garetien:Stordan Raulfried von Gerbachsroth|Sohn]] wird es hier an nichts mangeln.“
 
 
 
„Gestohlen hat sie ihn mir“, fuhr diese dennoch fort. In ihren Augen funkelte der pure Zorn. „Feige und hinterrücks!“
 
 
 
„Beruhigt Euch!“, rief Llyr die Schwarztannerin erneut auf. Dieses Mal legte er etwas mehr Nachdruck in seine Stimme. „Und reißt Euch zusammen.“ Er dämpfte ihre Stimme. „Was glaubst Ihr mit Eurem Verhalten eigentlich hier zu erreichen?“
 
 
 
„Ich will MEIN KIND ZURÜCK!“, brüllte die Edle da ungehalten und versuchte an Hauptmann der Krähengarde vorbeizukommen, der hielt sie jedoch zurück und weitere Mitglieder der Krähengarde umringten den Baron und seine Verlobte, „Ihr, diebische Elster, werdet mir MEIN KIND ZURÜCKGEBEN!“
 
 
 
„Es ist genug!“, entschied der Baron da wütend, „Ich werde nicht länger dulden, wie Ihr über meiner Liebste sprecht. Bringt sie mir aus den Augen.“ Und er setzte nach: „SOFORT!“
 
 
 
Da packten zwei Gardisten die zeternde Mutter und begannen sie unter lautem Geschrei aus dem Raum zu zerren. Nun erhob sich [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] und bat: „Wartet.“
 
 
 
Die Gardisten verharrten. Die Reichsritterin trat an die Edle heran.
 
 
 
„Euer Sohn, Euer Wohlgeboren, ist aus freien Stücken mit mir gekommen. Ich verbitte es mir daher, dass Ihr Euch herausnehmt von Raub zu sprechen, denn von Raub kann keine Rede sein.“
 
 
 
„Ihr müsst ihn gestohlen haben“, würgte Sigmunde hervor, „Er wäre nie mit Euch gekommen. Niemals! Mit so einer diebischen E...“
 
 
 
„Dann kennt Ihr Euren Sohn wohl schlecht, Euer Wohlgeboren, äußerst schlecht.“
 
 
 
„Er ist noch ein Kind. Wie konntet Ihr mir mein Kind stehlen. Er ist MEIN SOHN!“
 
 
 
„Und nun MEIN PAGE“, stellte Ailsa kühl fest, „Und daran wird sich auch durch Euer Gezeter nichts ändern. Findet Euch also damit ab.“
 
 
 
„Ich weiß...“, presste die Edle zu Gerbachsroth heraus. Ihre Stimme ein leises Zischen. „... dass Ihr meinen Sohn als Pfand haltet. Ich weiß es ganz genau.“
 
  
Ailsa schenkte ihr ein vielsagendes Lächeln und raunte ihr leise zu: „Dann wisst Ihr doch gewiss auch, Euer Wohlgeboren, dass die Dämonenbrache ein gar schrecklicher Ort ist.“ Die Reichsritterin hielt einen Moment inne. „Und sie – bedauerlicherweise – immer wieder Menschen verschlingt. Menschen, die nie wieder auftauchen. Menschen, die dort ihr Leben lassen. Menschen, deren Leichen nie gefunden werden. Sie erhalten nie eine göttergefällige Bestattung. Und, Euer Wohlgeboren...“, sie fixierte ihre Gegenüber, „... ich hoffe sehr, dass Eurem Sohn solch ein Schicksal erspart beleibt.“
+
= Fische im Netz =
 +
== Bedenkzeit ==
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[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
  
„Das... das... das... werdet Ihr bereuen!“, drohte Sigmunde unverhohlen, „Dafür werdet Ihr bezahlen! Bei den Göttern, dafür werdet Ihr bezahlen! Ihr und... und Eure Krähen.“
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[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
  
„Gebt auf Euch Acht, Euer Wohlgeboren“, erwiderte die Rían mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Und ich werde dafür auf Euren Sohn Acht geben. Es wäre schließlich höchst bedauerlich, wenn ihm etwas zustieße...“
+
= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
 +
== Einhornfrau ==
 +
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''
  
= Krähe und Leuin =
 
== Aufbruch ==
 
 
(...)
 
(...)
== Versprochen ist versprochen ==
 
== ... und wurde doch gebrochen ==
 
 
= Hirsch, Krähe, Katze =
 
==Die frustrierte Krähe==
 
[[Garetien:Burg Basilstein|Burg Basilstein]], Firun 1043
 
 
[[Garetien:Hildana von Nadoret-Luring|Hildana von Nadoret-Luring]] schäumte vor Wut. Vor Jahren hatte sie in das ach so mächtige [[Garetien:Haus Luring|Haus Luring]] eingeheiratet. Drei Kinder hatte sie der Familie geschenkt und nie etwas für sich selbst gefordert. Die Familie hatte sie zur Burgvögtin von Basilstein gemacht und über Jahre hatte sie ihre Aufgabe treu erfüllt und nie um etwas gebeten.
 
 
Vor einer Woche aber war sie nach Luring gereist um bei [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] vorzusprechen um, zum ersten Mal in ihrem Leben eine Bitte an die Familie zu stellen, der sie stets treut gedient hatte. Ihr Gatte war bereits seit über zwanzig Jahren tot und doch war sie auf ihrem Posten geblieben und war nicht Heim in den Kosch gekehrt.
 
 
Sie hatte nicht für sich gebeten, sondern für ihren Sohn [[Garetien:Frembald von Luring|Frembald]]. Während seine Geschwister an der Magierakademie und der Boron-Kirche untergebracht waren war Femdbald seit seinem Ritterschlag nicht mehr weitergekommen. Er saß im Kosch am Hof ihres Vetters [[kos:Perval von Nadoret|Perval]] und hatte seither nichts mehr angestellt.
 
 
Nun aber da der Reichsforst in Fehde stand und sicher bald viele Lehen frei werden würden sah Hildana ihre Stunde gekommen. Es war an der Zeit die Zukunft ihres Sohnes zu sichern. Er sollte nicht sein Leben lang anderen zu Diensten sein müssen. Ein eigenes Lehen musste her. Dafür hatte sie all ihren Einfluss aufgewendet, aber es hatte dennoch nichts genützt. Drego hatte sie abgewiesen und ihr Einfluss war bei weitem nicht so groß gewesen wie sie gedacht hatte. Ihre Kontakte waren die letzten Jahre über merklich schwächer geworden. Für den Grafen war sie die trauernde Witwe, die auf einer Burg versauerte und wenn es nach Drego ginge durfte das auch so bleiben.
 
 
Was es ihr nicht einfacher gemacht hatte war, dass Frembald sich immer noch am Hof ihres Vetters Perval drüben im Kosch herumdrückte. Wenn er sich wenigsten zeigen würde und für den Grafen ins Feld ziehen würde. Das würde Hildanas Unterfangen erleichtern, aber nein er blieb einfach im Kosch, schon seit seinen Pagentagen war er kaum mehr in Garetien gewesen. Kein Wunder also, dass die Familie Luring dem Unbekannten kein Lehen schenken wollte.
 
 
Wenn er doch mehr wie sein Vetter [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bolzer]] sein würde, der ihr als Hausritter diente. Bolzer war tapfer und aufrecht und war für Drego ins Feld geritten. Ihr schlechtes Verständnis für Frauen teilten Bolzer und Frembald aber, sehr zu Hildanas Ärger. Bolzer hatte eine [[Garetien:Meara ni Rian|Frau]] aus einem unbedeutenden Geschlecht, gegen den Willen seiner Eltern und der Familie geheiratet. Frembald dachte derweil gar nicht daran sich zu vermählen und stieg vermutlich so manchem Rock hinterher. Hildana hoffte nur, dass er nicht so enden würde wie der ewige Junggeselle Perval.
 
 
Bolzer hatte immerhin für Nachwuchs gesorgt. Dafür musste sich Hildana nun mit dessen unsäglichen Gattin auf ihrer Burg herumschlagen. Dieser Tage passierte also nicht viel was Hildana Freude bereitete.
 
 
Autor: [[Benutzer:Sindelsaum|Sindelsaum]]
 
 
==Hirsch und Katze==
 
[[Garetien:Burg Basilstein|Burg Basilstein]], Firun 1043
 
 
„Sie schlafen jetzt“, erklärte [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bolzer von Nadoret]] als er das von einer einzelnen Kerze beleuchtete Zimmer betrat.
 
 
„Bolzer?“, fragte [[Garetien:Meara ni Rian|Meara ni Rían]] schläfrig, hob kurz ihren Kopf und ließ ihn dann wieder in die Kissen gleiten. Sie war kurz eingenickt. „Schlafen die beiden?“
 
 
„Sie schlafen“, antwortete er ihr leise, um sie nicht noch mehr aufzuwecken. Er war bei ihren Kindern gewesen und hatte diese zu Bett gebracht. Natürlich hätte er das auch dem Kindermädchen überlassen können, aber es waren seine Kinder, er hatte sie schon geraume Zeit nicht mehr gesehen und vor allem liebte er sie. „Schlaf weiter, Liebes. Schlaf weiter.“
 
 
Doch Meara war nicht mehr nach schlafen zumute. „Kommst du zu Bett?“, fragte sie lieblich, „Ohne dich ist es so kalt und leer und...“ Ein vielsagendes Lächeln legte sich über ihre Lippen. Sie zog sich das Nachthemd über den Kopf und warf es auffordernd ihrem Liebsten zu.
 
 
{{Trenner Garetien}}
 
 
Sanft strich er ihr das leicht feuchte Haar aus dem Gesicht. Der Schweiß noch nicht trocken auf ihrer Haut. Ganz dicht schmiegte sie sich an ihn und seufzte dabei leise: „Ach, mein Liebster. Wie froh bin ich, dass du wohlbehalten zu mir zurückgekehrt bist. So froh und... so glücklich.“
 
 
Er hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn: „[[Garetien:Reto von Nadoret|Reto]] ist ein ganzes Stück gewachsen. Und [[Garetien:Emer von Nadoret|Emer]] spricht immer mehr und besser.“
 
 
„Ja, manchmal plappert sie ohne Unterlass”, sie hob ihren Kopf, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen, „Sie hat jeden Tag nach dir gefragt. Und jeden Tag haben wir für dich gebetet... “
 
 
„Und deine Gebete wurden erhört“, erneut küsste er sie, „Und wie könnten die Götter sie auch nicht erhört haben?“
 
 
„Ach, Bolzer”, seufzte sie da, „Ich hatte solche schreckliche Angst um dich. Was soll denn aus uns werden, wenn dir etwas zustößt? Vor allem...“ Sie hielt einen Moment inne, „... was soll aus mir werden?“
 
 
„Du wirst auf immer das bleiben, was du auch jetzt bist: Die Liebe meines Lebens und die wunderbare Mutter unserer Kinder. Großartige Kinder.“
 
 
„Ich habe das Gefühl, dass deine [[Garetien:Familie Nadoret|Familie]] unseren Traviabund nie überwinden wird. Sie werden mir immer grollen. Mein Leben lang.“
 
 
„Sie lieben unsere Kinder, wie wir sie lieben und sie werden auch dich lieben. Gib ihnen noch etwas Zeit.“ Zwei Götterläufe waren vergangen, seine Familie hatte sich noch nicht an sie gewöhnt, sich noch nicht mit ihr abgefunden. Und ganz gleich, was Bolzer auch sagte, sie glaubte nicht daran, dass sich das jemals ändern würde. Sie war der Stachel in ihrem Fleisch. Ein schmerzender Stachel, den man bei der nächstbesten Gelegenheit herausriss. „Sie hatten nun mal andere Pläne für mich und dann kamst du...“
 
 
„... und Emer“, Meara gluckste, „Unsere süße, kleine Emer. Wäre sie nicht gewesen, dann hätten sie einem Traviabund nie zugestimmt.“
 
 
„Nun, sie war aber da. Unser kleines Mädchen. Ihre Schönheit hat sie von dir. Gewiss wird auch sie eines Tages einem Mann, für den seine Familie eine höhergestellte Dame ausgesucht hat, den Kopf verdrehen und ihn heiraten.“
 
 
Da lachte die Rían herzlich: „Wie du das sagst. Es klingt so schön. Wie in einem Märchen.“
 
 
„Seit dem du an meiner Seite bist, ist mein Leben ein Märchen und jeder einzelne Tag ist einer voller Glück und Liebe.“
 
 
Sie seufzte entzückt und schmiegte sich an ihren Gatten.
 
 
„Und deswegen will ich nur das Beste für euch“, er küsste sie, „Ihr seid meine Liebe, mein Leben, euch gilt all meine Mühe, mein Streben. Ich will, dass ihr es einmal besser habt, dass unsere Kinder es besser haben. Und deswegen werde ich erneut in die Fehde ziehen.“
 
 
Meara zuckte zusammen und wisperte leise: „Das fürchtete ich...“
 
 
„Ach, Liebste. Meine Liebste“, er umschlang sie, drückte sie an sich, „Ich werde nicht allein zurückkehren, hört du? Man wird mich bringen, denn ich werde mit Gefolge anreisen. Ich werde aufsteigen. Ein eigenes Lehen erhalten. Und ihr, ihr werdet dann mit mir kommen. An einen anderen, besseren Ort. Und ich verspreche dir, nein, ich schwöre dir, dort wirst du die Herrin sein und dich nicht mehr vor dem vermeintlichen Groll meiner Familie fürchten müssen.“
 
  
Er küsste sie erneut.
+
= [[Der Raller treu — Briefspielreihe|Der Raller treu]] =
  
„Ich wünsche mir ein besseres Leben für Euch. Für dich, für unsere Kinder. Und so fleißig, wie du zu den Göttern betest, was soll mir da schon passieren?“
+
== Verschwunden ==
 +
'''[[Garetien:Markt Rallingen|Markt Rallingen]], im Travia 1044 BF'''
  
Autor: Orknase
+
= [[Zeit zu sterben — Briefspielreihe|Zeit zu sterben]] =
  
==Der Fall des Hirsches==
+
== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Prolog|Prolog]] ==
[[Garetien:Dorf Doriant|Doriant]], Ende Phex 1043
+
'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
Endlich war es soweit. Er, [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bolzer von Nadoret]], durfte in den Krieg ziehen. Bisher war er immer übergangen worden. Während andere Ruhm an ihre Banner haften durften hatte er auf [[Garetien:Burg Basilstein|Burg Basilstein]] rumsitzen müssen, gut irgendjemand musste die Burg ja bewachen, aber hätte man sich dafür nicht jemand anderes suchen können? Bolzer hatte schließlich Ambitionen. Er hatte seine [[Garetien:Meara ni Rian|Frau]] und [[Garetien:Emer von Nadoret|zwei]] [[Garetien:Reto von Nadoret|junge]] Kinder zu ernähren. Er wollte ihnen eine gute Zukunft bieten können und bisher hatte er dazu nichts weiter vorzuweisen als einen klangvollen Namen. Sein [[Garetien:Alderan von Nadoret|Bruder]] machte am Hof des Garether Markvogtes große Karriere und seine [[Garetien:Madane von Nadoret|Schwester]] würde eines Tages das fette [[Garetien:Herrschaft Eychfeld|Gut Eychfeld]] erben. Er aber hatte bisher auf einer zweitrangigen Burg versauern müssen. Aber damit war es nun vorbei. Sein Ersuchen war erhört worden und er war an die Grenze zu Waldstein geschickt worden um dort Grenzwacht zu halten. Nicht ganz der glorreiche Kriegszug nach Hartsteen der ihm vorgeschwebt war, aber immerhin ein Anfang. Wenn er sich hier einen Namen machte standen ihm sicher viele Türen offen.
+
Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.
  
So war er nun, schon seit einigen Wochen auf dem Wehrhof Doriant stationiert. Sie hatten sich mit den Waldsteinern belauert, denn üblen Verrätern.
+
Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|mich]] an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Frau]] auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.
  
{{Trenner Garetien}}
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So war er, mein [[Boron-Kirche|Herr]], Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach [[Greifenfurt:Burg Haselbusch|Hause]]...
  
„Bolzer! Wir müssen uns zurückziehen!“ [[Greifenfurt:Unswin von Keilholtz|Unswins]] Stimme war eindringlich.
+
== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Wiedersehen|Wiedersehen]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
„Ich fliehe doch nicht vor ein paar dahergelaufenen Waldsteiner Bauern!“
+
Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?
  
„Doch, das müssen wir. Hier und heute können wir keinen Sieg erringen. So landen wir nur auf ihren Spießen.“
+
„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]]?
  
„Das ist unritterlich! Ich habe nicht so lange auf meine Gelegenheit gewartet, um jetzt den Schwanz einzuziehen.
+
Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.
  
„Bolzer, lebe jetzt und siege später!
+
„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.
  
Der Nadoreter warf einen schnellen Blick auf das Schlachtfeld. Ihre Kämpfer waren tatsächlich in der Unterzahl und die geschickt postierten Spießknechte der Waldsteiner verhinderten einen Flankenangriff der anwesenden Reichsforster Ritter. Zumal die Angreifer eine Hand voll Bogenschützen dabei hatten die ihr Handwerk wunderbar verstanden.
+
Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]].“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.
  
„Ah, von mir aus, blast zum Rückzug. Wir gehen zurück auf den Mühlbach und hindern sie zumindest am Übergang nach Süden.“
+
„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] und mich, aber dich?Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.
  
Unswin gab den Befehl weiter und nach ein paar Augenblicken war ein Hornsignal zu hören. Sofort versuchten die Reichsforster Kämpfer sich von den Waldsteinern zu lösen. Die Hauptleute hatten große Mühe eine kopflose Flucht zu verhindern und den Rückzug einigermaßen geordnet zu gestalten. Zumal die Waldsteiner jetzt ihre Gelegenheit sahen und gnadenlos nachrückten.
+
„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem [[Boron-Kirche|Herrn]]...
  
„Unswin, so wird das nichts!
+
„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?
  
„Ich sehe es Bolzer. Lass die Ritter antreten. Wir reiten zwischen die Linien hindurch und schaffen unserer Infanterie Luft, um sich abzusetzen.“
+
Ich nickte.
  
Bolzer rief seinen Fahnenträger an die Seite und sammelte schnell die wenigen Ritter um sich. Sie bildeten einen schmalen Keil und auf das Kommando des Nadoreters stürmten die mit gesenkten Lanzen auf die linke Flanke der Waldsteiner zu. Im letzten Moment schwenkten sie ein Stück ein und ritten durch die schmale Lücke zwischen Reichsforster und Waldsteiner Fußvolk, die sich vor ihnen auftat. Auf der anderen Seite der Linien angekommen machten die Reiter einen Linksschwenk und verharrten als Nachhut hinter ihren fliehenden Fußsoldaten. Nach ein paar Augenblicken ließ sich erkennen, dass ihr Plan funktioniert hatte. Die Waldsteiner blieben zurück und wandten sich jetzt mehrheitlich der Plünderung des Dorfes Doriant zu. Eine Handvoll Spießkämpfer und Bogenschützen sicherte die Straße gegen die abziehenden Reichsforster. Der Nadoreter ritt noch einmal ein paar Schritt an die Reichsforster Linie heran und hob drohend sein Schwert, um ihnen zu zeigen, dass er nicht vorhatte diese Niederlage auf sich beruhen zu lassen.
+
== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Erinnerung|Erinnerung]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
„Das sollte reichen! Komm Bolzer, sehen wir zu, dass wir hinter den Mühlbach kommen.
+
[[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?
  
Unswin wendete sein Pferd, als er plötzlich das Surren von Bogensehnen vernahm. Bevor er sich wieder gedreht hatte, hörte er das Geräusch einschlagender Pfeile und das erstickte Gurgeln Bolzers. Der Keilholtzer hatte sein Pferd halb gewendet und sah, wie sein Kampfgefährte unendlich langsam aus dem Sattel rutschte. In seinem Hals steckte ein Pfeil, der durch den Nacken eingedrungen und mit der blutigen Spitze am Kehlkopf wieder ausgetreten war. In die Linie der Reichsforster kam jetzt wieder Bewegung. Offensichtlich hatten sie die Provokation Bolzers sehr arg aufgenommen und wollten sich nun seinen Leichnam als Trophäe holen.
+
„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein [[Boron-Kirche|Herr]] war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...
  
„Orkendeck! Ritter, zu mir! Wolfram, Leubrecht, holt ihn da vorne weg. Ich gebe euch Deckung!
+
„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die [[Greifenfurt:Burg Haselburg|Haselburg]] gehen. Ich würde gerne sagen, dass [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] sich freuen wird, dich zu sehen, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]], aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“
  
Unswin schnappte sich seinen Kriegsbogen und die Pfeiltasche und stieg vom Pferd. Er steckte ein halbes Dutzend Pfeile vor sich in die vom getauten Schnee matschige Wiese und legte das erste Mal an. Die vorderste Waldsteinerin war bereits auf zwanzig Schritt herangekommen und wurde von der Wucht des Pfeils, der sie mittig in der Stirn traf, förmlich nach hinten geschleudert. Der zweite wurde von der Schnelligkeit überrascht mit der Unswin seinen Bogen wieder bereit hatte und bekam den Pfeil durch die lederne Rüstung direkt ins Herz. Die restlichen Spießknechte verlangsamten verunsichert ihren Angriff. Als nach wenigen Augenblicken der dritte von ihnen schreiend mit einem Bauchschuss zusammenbrach, wandte sich der Rest endgültig zur Flucht. Jetzt preschten endlich die zwei Reiter vor, hoben den toten Bolzer auf sein Pferd und beeilten sich wieder hinter Unswin zu gelangen. Der sandte noch einen weiteren Pfeil gegen die Waldsteiner Schützen, die ihm mit ihren Kurzbögen an Reichweite unterlegen waren. Einer Schützin durchschoss er damit den Oberschenkel. Unter großem Geschrei wurde sie von ihren Kameraden aus der Frontlinie gezogen. Jetzt endlich näherten sich mit Schilden bewehrte Schwertkämpfer und bildeten einen Schildwall, hinter dem sich die restlichen Waldsteiner sammelten.
+
Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...
  
Der Greifenfurter sah sich um. Inzwischen stand er allein auf weiter Flur. Gegen die jetzt wieder kampfbereiten Waldsteiner hätte er aber auch mit den übrigen Reichsforster Kämpfern nichts mehr ausrichten können. Ruhig sammelte er seine restlichen Pfeile wieder ein, schulterte den Bogen und bestieg sein Pferd. Er spürte keinen Triumph darüber, dass er die Waldsteiner von einer weiteren Verfolgung abgehalten hatte, denn sein Herz war schwer von der Trauer um einen Kampfgefährten, der ihm in den letzten Monden unbewusst zum Freund geworden war. Ohne sich noch einmal in Richtung Doriant umzusehen, folgte er den sich zurückziehenden Reichsforster Truppen.
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„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Schwester]] nach dem Tod eures [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|Vaters]] auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns [[Tsa-Kirche|Tsa]] diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.
  
Autore: [[Benutzer:Sindelsaum|Sindelsaum]], [[Benutzer:Robert O.|Robert O.]]
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„Bist du traurig darüber?“
  
==Die Jungen von Hirsch und Katze==
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„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.
[[Garetien:Burg Basilstein|Burg Basilstein]], Anfang Peraine 1043
 
  
[[Garetien:Hildana von Nadoret-Luring|Hildana von Nadoret-Luring]] seufzte schwer. Ihr Neffe, der ungestüme [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bolzer]], war gefallen, erschlagen von Waldsteiner Truppen bei der Verteidigung der Grafschaft. Wie konnte es nur so weit kommen? Ganz Garetien stand in Flammen und die Ritterschaft schlachtete sich gegenseitig mit einer Inbrunst ab, die sie schaudern ließ. Hildana hatte die Nachricht von Bolzers Tod bereits vor zwei Tagen erreicht, aber noch hatte sie dessen Witwe [[Garetien:Meara ni Rian|Meara]] nichts gesagt. Sie hatte ihr noch nichts gesagt, hatte sie sich doch in Ruhe ihre nächsten Schritte überlegen wollen.  
+
„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...
  
„Gefallen?“ Meara wurde sogleich schwindelig. Jeden Tag, den Bolzer im Krieg gewesen war, hatte sie für ihn gebetet. Er war immer so zuversichtlich gewesen, dass er als Sieger heimkehren würde und sie hatte sich dennoch immer vor Sorge verzehrt, sobald er ausgeritten war. Meara sackte auf die Knie und begann zu schluchzen. Sie konnte und wollte sich vor ihrer gestrengen Tante nicht mehr im Griff halten. All ihre Albträume hatten sich erfüllt. Sie war alleine auf weiter Flur mit ihren Kindern.  
+
Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.
  
Ein Leben ohne Bolzer? Ohne den Mann, den sie von Herzen liebte? Sie hatte mit ihm über alles reden können, alles ausspreche, alles sagen, ohne sich dumm vorzukommen und er hatte sie gehalten, ganz gleich was geschehen war. Und nun? Er war doch ihr Leben gewesen, doch ihr Leben war gestorben. Einfach so gestorben. Gefallen. Ein sinnloser Tod. So unfassbar sinnlos! Wie sollte sie nur weiterleben? Wie sollte es nur weitergehen? Der Platz neben ihr im Bett würde auf immer leer bleiben, leer und kalt und Meara würde von Bolzer nichts bleiben, dafür würden die Nadoreter schon sorgen...
+
Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es [[Greifenfurt:Lechdan von Haselbusch|Lechdan]]? Wird er sterben?
  
Irgendwann begannen die Tränen zu versiegen. Ihre Tante stand noch immer da. „Was hast du jetzt vor?“, fragte sie Meara, ohne dabei besonders große Anteilnahme zu zeigen. Meara schluckte. Hier konnte sie nicht bleiben, dass wusste sie. Hildana hatte sie nie besonders gemocht, vielleicht weil sie nicht aus einem so arroganten und von sich selbst besessenen Geschlecht kam wie Bolzer, oder aber weil Bolzer und sie aus Liebe und nicht aus Familienkalkül heraus geheiratet hatten. „Ich werde zu [[Garetien:Sionnach ui Rian|Vater]] nach Rubreth gehen. Er wird uns sicher irgendwie unterbringen können.“
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Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“
  
Hildana schnaubte. „Das wird er ja müssen, er ist ja schließlich dein Vater. Nur damit das klar ist. Die Kinder bleiben erst einmal hier und gehen nach [[Garetien:Herrschaft Eychfeld|Eychfeld]] zu den [[Garetien:Anshold von Salzmarken|Groß]][[Garetien:Nadyana von Nadoret|eltern]]. Du weißt ja gar nicht wie man einen von Nadoret großzieht.
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Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...
  
Mearas Trauer wandelte sich in Zorn. „Du willst mir [[Garetien:Emer von Nadoret|meine]] [[Garetien:Reto von Nadoret|Kinder]] wegnehmen? Das... das... kannst du nicht machen. Das… das… das wagst du nicht. Ich bin ihre Mutter!“
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== [[Geschichten:Zeit zu sterben – Mutter|Mutter]] ==
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'''[[Greifenfurt:Junkertum Haselbusch|Junkertum Haselbusch]], Efferd 1044 BF'''
  
Hildanas Gesichtszüge verhärteten sich. „Jetzt beruhig dich doch Kindchen. In ein paar Jahren würden sie ja ohnehin als Pagen aus dem Haus gehen. Es ist doch das beste für die Kinder. Mit dem Einfluss unserer [[Garetien:Familie Nadoret|Familie]] haben sie eine große Zukunft vor sich. Als Kinder einer land- und anstellungslosen Dame ohne Namen aber werden ihnen viele Türen verschlossen bleiben.“
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„Wie geht es...“, [[Greifenfurt:Tessia von Haselbusch|Tessia]] stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner [[Greifenfurt:Korgunde von Korbronn|Mutter]]?
  
„Das kannst du nicht machen”, wiederholte Meara, sie spannte sich an und wollte sich auf ihre Tante werfen, aber sie wurde von harten Händen gepackt.
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Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.
  
„Aber, aber.“ Hildanas Stimme klang tadeln. „Du wirst doch nicht deine Hand gegen deine eigene Familie erheben wollen. Wenn du dich so aufführst wirst du leider ein paar Tage dein Zimmer nicht verlassen dürfen. Wenn du dich beruhigt hast kannst du tun und lassen was du willst, aber versuch keinen Blödsinn mit den Kindern. Der Einfluss des Hauses Nadorets reicht weit und wir werden dich finden und zur Rechenschaft ziehen solltest du den Kindern jemals wieder zu nah kommen.“
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„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im [[Greifenfurt:Kloster Rabenhorst|Kloster]]?
  
Meara wurde in eine Ecke des Raumes geschubst und Hildana verließ das Zimmer. Hinter ihr knallte die Tür zu und ein schweres Schloss angebracht.
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„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...
  
Autor: [[Benutzer:Sindelsaum|Sindelsaum]], [[Benutzer:Orknase|Orknase]]
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„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“
  
==Der Hirsch kommt nach Hause==
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„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...
[[Garetien:Burg Basilstein|Burg Basilstein]], Anfang Peraine 1043
 
<!--Bolzers Leichnam wird durch Unswin von Keilholtz nach Hause gebracht.-->
 
  
(...)
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„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“
  
==Die Katze auf leisen Sohlen==
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Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach [[Greifenfurt:Dankraul von Haselbusch|meinem Vater]] zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester [[Greifenfurt:Daria von Haselbusch|Daria]] konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...
[[Garetien:Burg Basilstein|Burg Basilstein]], Anfang Peraine 1043
 
<!--Meara erhält unerwartete Hilfe.-->
 
  
[[Garetien:Meara ni Rian|Meara]] hatte sich in den Schlaf geweint. Ein tiefer Schlaf. Sie träumt von [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bolzer]]. Von ihrem Liebsten. Er lag neben ihr. Hielt sie im Arm. Küsste sie. Ihre Nase hatte sie in das Bettzeug gedrückt. Es roch nach ihm. Noch...
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„Ach, [[Greifenfurt:Marbodane von Haselbusch|Marbodane]]“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es [[Greifenfurt:Dankwart von Haselbusch|Dankwart]] je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. ... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.
  
Dann ein Geräusch direkt neben ihr. Sie schreckte auf. Jemand packte sie. Hielt ihr Mund und Nase zu. Zerrte sie aus dem Bett. Meara wehrte sich. Versuchte dem Griff zu entkommen. Rang um Atem. Kämpfte. Trat. Biss. Doch ihr Angreifer ließ nicht locker. Hielt sie fest. Ganz fest.
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„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“
  
Es war ihr Ende. Bei den Göttern! Sie würde sterben. Die alte Hexe Hildana, das hatte sie also für sie vorgesehen. So wollte sie sie also beseitigen und den Weg zu ihren Kindern frei räumen. Ein hinterhältiger Mord. Mitten in der Nacht. Sie hatte [[Garetien:Hildana von Nadoret-Luring|Hildana]] viel zugetraut, aber das? Dass sie sie so hasste?
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Tessia schaute zu Marbodane auf. Die [[Boron-Kirche|Boron]]-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?
  
Die Finsternis um sie herum drohte an Kontur zu verlieren. Sie verschwamm vor ihren Augen, wurde schwammig und haltlos. Ihre Gegenwehr erstarb abrupt. Wenn, ja, wenn sie nun starb, schoss Meara durch den Kopf, dann wäre sie zumindest mit Bolzer wiedervereint...
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= Das dritte Kind =
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== Albträume ==
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'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Firun 1045 BF'''
  
Da lockerte ihr Angreifer seinen Griff. Gab Mund und Nase frei. Und während Meara Atem holte, raunte er ihr leise ins Ohr: „Ich kannte Euren Gatten. Ich habe ihn heimgebracht. Ich weiß... Ich... Rubreth ist für Euch nicht sicher. Ihr müsst nach Schwarztannen. Eure [[Garetien:Familie Rian|Familie]] hält Schwarztannen.
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''Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.''
  
Noch immer rang sie um Atem: „Wer... wer seid Ihr? Und warum... warum... tut Ihr das?“
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''„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Hofkaplanin]] neben ihm zu.''
  
„Ich bin [[Greifenfurt:Unswin von Keilholtz|Unswin von Keilholtz]] und Bolzer war mein Freund“, erwiderte der Mann, „Ich habe mit ihm zusammen gegen die Waldsteiner gekämpft. Und Kampfgefährten kümmern sich. Wir lassen einander nicht im Stich. Er hätte es so gewollt, da bin ich mir sicher...
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''„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „[[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Es]] ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]]. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.''
  
„Und jetzt?“, fragte sie weiter.
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''Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.''
  
„Ich werde für Euch da sein, wenn Ihr mich braucht. Ihr seid die Gattin meines Freundes. Doch jetzt bringe ich Euch erst nach Schwarztannen. Dort seid Ihr sicher.“
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''Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...''
Er half ihr auf. Warf einen Beutel auf ihr Bett. Erst da bemerkte Meara den diesigen Schein einer Laterne, die am Fußende neben ihrem Bett stand. Die Finsternis vermochte sie kaum zu lindern. Spendete nicht einmal genug Licht um die Gestalt des Fremden deutlich zu erkennen. Seltsamerweise fürchtete sie sich nicht mehr. Er hatte so eine liebe Stimme. Ein Mensch mit so einer Stimme, konnte ihr doch nichts böses wollen.
 
 
 
Meara packte eilig. Viel war es nicht. Ihr gemeinsames Leben mit Bolzer passte in ein schmales Bündel, mehr blieb ihr nicht, auch nicht von ihm, nicht einmal ihre Kinder, nur die Erinnerung, die blieb ihr, aber die würde bald verblassen und Bolzer würde nur noch ein Schatten unter Schatten sein..
 
 
 
Nachdem er das schwere Schloss wieder an der Tür angebracht hatte, brachen sie auf. Er trug ihr Bündel. Ging voran. Bewegte sich recht sicher durch die im finsteren liegende Burg. Die Laterne führte er mit sich. Ein feines Tuch dämpfte ihr Licht. Meara folgte ihm. Sie hatte das Gefühl im vertrauen zu können.
 
 
 
Nach einer Zeit blieb er vor einer Tür stehen. Sie hörte seinen Atem. Er wartete. Deutete mit Nachdruck auf die Tür und sprach dabei kein einziges Wort.
 
 
 
==Die Katze nimmt Abschied==
 
[[Garetien:Burg Basilstein|Burg Basilstein]], Anfang Peraine 1043
 
<!--Meare nimmt Abschied von ihren Kindern.-->
 
 
 
[[Garetien:Meara ni Rian|Meara]] trat in den dunklen Raum hinein, er folgte ihr mit der Laterne, schloss die Tür und blieb dort stehen.
 
 
 
„Mutter?“, wisperte eine leise Kinderstimme.
 
 
 
„[[Garetien:Emer von Nadoret|Emer]]“, schluchzte Meara herzzerreißend, wandte sich um und erkannte ihre Tochter, „Emer!“ Sie eilte zum Bett des Mädchens und schloss sie in die Arme, herzte und küsste sie und hielt ihre Tränen zurück. Meara wollte nicht vor ihren Kindern weinen. Es würde schwer genug für sie sein, schwer genug ohne ihre Mutter zu sein. Das Einzige, ja das Einzige was sie noch für ihre Kinder tun konnte, war ihnen den Abschied so leicht wie möglich zu machen. Und eine Erklärung für die Trennung zu liefern.
 
 
 
„Emer. Meine kleine Emer“, hob die Rían leise an, während sich ihre Tochter liebevoll an sie schmiegte, „Ich werde eine Zeit lang fort gehen.”
 
 
 
„Weggehen?“, fragte das Mädchen verschlafen.
 
 
 
„Ja, weggehen.“
 
 
 
„Weit weggehen?“
 
 
 
„Nein, nicht weit weg. Ich bin ganz in eurer Nähe. Und...“, beschwichtigte die Mutter ihre Tochter, „... so lange ich fort bin, wirst Du mit deinem Bruder auch fort gehen.“
 
 
 
„Emer auch weggehen?“, wiederholte das Kind.
 
„Ja, Emer du gehst auch weg. Du und dein Bruder Reto. Zu Verwandten deines Vaters. Die werden dann gut auf euch beide aufpassen. Und bald, ja ganz bald werde ich euch auch besuchen“, log sie weiter, „Ganz, ganz, ganz bald. Also sei schön anständig und benimm dich, hörst du?“
 
 
 
Emer nickte.
 
 
 
„Aber jetzt... jetzt musst du wieder schlafen, Emer“, damit bettet sie das Mädchen in ihr Bett, strich sich die nahenden Tränen aus den Augen, deckte sie liebevoll zu und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, „Schlaf gut, Emer. Möge Boron dir schöne Träume schenken.“
 
 
 
Sie küsste ihre Tochter ein letztes Mal. Tränen in ihren Augen, die sie sich noch nicht zugestand zu weinen. Dann erhob sie sich und trat an das Bett ihres Sohnes.
 
Reto schlief ruhig in seinem Bettchen. Er zählte knapp eineinhalb Götterläufe und würde seinen Vater nie kennenlernen, sich nie an ihn erinnern, sehr wahrscheinlich würde das auch Emer nicht. Ob ihre Kinder sich an sie erinnern würden? An ihre Mutter?
 
 
 
„Irgendwann...“, wisperte sie leise und strich ihrem Sohn sanft über sein feines Gesicht. Bereits jetzt ähnelte er seinem Vater. Er ähnelte ihm sehr. „... werden wir uns wieder sehen. Eines Tages. Nur die Götter wissen wann. Bis dahin wirst Du wachsen und gedeihen und ich... ich werde jeden Tag an dich und deine Schwester denken. Jeden einzelnen Tag bis...“ Da brach ihre Stimme. Heiße Tränen kullerten ihr über die Wangen. „... bis zu unserem Wiedersehen.“ Auch ihrem Sohn hauchte sie einen Kuss auf die Stirn. Einen Abschiedskuss. „Ich liebe dich, [[Garetien:Reto von Nadoret|Reto]]. Du bist mein Sohn und das wird auch immer so bleiben, ganz gleich wo auch immer du bist...“
 
 
 
Meara wollte gerade gehen, da sagte Emer: „Emer hat Mutter lieb.“
 
 
 
„Ich liebe dich auch, meine kleine Emer.“
 
 
 
„Und Emer hat auch [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Vater]] lieb!“
 
 
 
„Ja, ich ihn auch“, erwiderte die Rían mit zugeschnürter Kehle, „Ich ihn auch...“
 
 
 
==Die Flucht der Katze==
 
[[Garetien:Markt Goldlinden|Goldlinden]], Anfang Peraine 1043
 
<!--Auf dem Weg in den Schoß ihrer Familie, machen Unswin und Meara in Goldlinen halt.-->
 
 
 
[[Garetien:Meara ni Rian|Meara]] hatte keine Zeit gehabt ihrem [[Garetien:Sionnach ui Rian|Vater]] zu schreiben. Sie hatte auch sonst niemandem schreiben können. Vielleicht hätte sie es ohnehin nicht getan. Vielleicht hätte die [[Garetien:Hildana von Nadoret-Luring|alte Hexe]] ihre Briefe auch abgefangen. Zugetraut hätte sie es ihr, ganz abgesehen davon, dass sie ohnehin nicht gewusst hatte, was sie hätte schreiben sollen...
 
 
 
Noch in der Nacht brachen sie nach Schwarztannen auf. Die Pferde fanden sie bereits gezäumt und gesattelt vor. Viel Gepäck hatten sie nicht, waren dennoch nicht sonderlich schnell. Die Dunkelheit verlangsamte sie. Sobald es heller wurde, ging es dann merklich schneller. Gegen Mittag erreichten sie Goldlinden. Dort suchten sie sich eine Unterkunft. Stellten ihre Pferde unter. Nahmen ein Zimmer und ließen sich etwas zu essen bringen. Der [[Greifenfurt:Unswin von Keilholtz|Keilholtzer]] ließ sie nicht allein.
 
  
 
{{Trenner Garetien}}
 
{{Trenner Garetien}}
  
„Esst“, forderte Unswin sie auf und deutet auf die noch volle Schale vor ihr, „Ihr müsst Essen, um bei Kräften zu bleiben.
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... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Jast]] trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?
  
„Wozu?“, wollte Meara erschöpft wissen. Wie ein Häufchen Elend saß sie zusammengesunken auf ihrem Stuhl. Aus verweinten Augen blickte sie ihn an. „Ich habe alles verloren: Meinen [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Mann]], [[Garetien:Emer von Nadoret|meine]] [[Garetien:Reto von Nadoret|Kinder]]. Wozu das alles noch?“
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„Wo ist ''Orknäschen''?“, wollte er wissen.
  
„Weil Ihr lebt!“, erwiderte er ihm entschieden.
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„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner [[Garetien:Rondrara von Treleneck|Mutter]] bringen lassen, Hochgeboren.
  
Meara entfuhr ein kehliges Lachen, wandte ihren Blick ab und murmelte: „Ach, was wisst Ihr denn schon...“
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„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“
  
Da straffte der Greifenfurter sich und ergriff mit seiner linken ihre rechte Hand. Seine war ganz warm, ihre ganz kalt. Und Meara blickte zu ihm auf.
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„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.
  
„Ich weiß, wie es sich anfühlt“, hob er an, „Ich kennen diesen Schmerz, habe ihn selbst erleben, erleiden, ertragen müssen.“ Gebannt begann sie ihn anzustarren. „Wenn es einem das Herz zerreißt, man nicht weiß, wie es weitergehen soll, weil man sich ein Leben ohne den anderen einfach nicht vorstellen kann und… auch nicht will. Ich kenne diesen Schmerz. Ich kenne ihn ganz genau.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich habe meine [[Perricum:Leomara von Keilholtz|Frau]] verloren. Ich habe sie sehr geliebt. Der Liebe wegen haben wir geheiratet.“
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Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach [[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Esenfeld]] zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“
  
„Wir auch“, erwiderte sie tonlos, „Gegen den Willen seiner Familie. Er sollte eine andere heiraten. Eine bessere Partie. Aber...“ Sie zuckte mit den Schultern. „... wir liebten uns.“ Kurz holte sie Atem. „Es ging nur weil... weil... Emer war unterwegs. Wäre sie nicht gewesen, dann...“ Meara schluchzte. „Meine süße, kleine Emer...“ Ruckartig entzog sie ihm ihre Hand und wischte sich die nahenden Tränen aus den Augen.
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„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.
  
„Ihr seid nicht allein!“, versicherte er ihr, „Und deswegen müsst Ihr das nicht allein ertragen. Ich will für Euch da sein. Euch beistehen. Euch Hilfe und Stütze sein. Ihr könnt auf mich zählen.
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„Welche?
  
„Von...“, wandte sie da ein, „Von Greifenfurt aus?
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Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rian]].“
  
Er dachte kurz nach, ehe er vorschlug: „Dann kommt doch mit mir. Kommt mit nach Greifenfurt. Mit nach [[Greifenfurt:Gut Friedheim|Friedheim]]. Mit auf mein Gut.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Dort seid Ihr sicher und...
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„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem [[Garetien:Tempel zu Ehren der Heiligen Thalionmel zu Schwarztannen|Heimattempel]] in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannens]] geschlossen. Soll ich Euer Gnaden [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]] wecken?
  
„Das geht nicht“, wisperte sie leise, „Meine [[Garetien:Familie Rian|Familie]]... meine Kinder... sie sind alle hier und dort... dort ist niemand, niemand außer... außer Euch.“
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„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“
  
==Die Katze bei Nacht==
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== Bitte ==
[[Garetien:Markt Goldlinden|Goldlinden]], Anfang Peraine 1043
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Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld
<!--Bei Nacht in Goldlinden werden bedeutende Gespräche geführt.-->
 
  
“Herr von Keilholtz?”, fragte Meara leise in die Nacht hinein. Erst war da nur Stille, dann jedoch ein leises Rascheln. Da fuhr sie fort: “Wie ist das passiert?”
+
{{Brief
“Sie ist an der Gaulsfurt gefallen”, erwiderte er ihr leise, “Gemeinsam sind wir in die Schlacht hinein geritten. Ich kam heraus, sie nicht…”
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|Adressat=An Euer Hochgeboren [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]], Baron zu [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]], [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]<br/><br/>
Einen Moment herrschte Stille.
+
Liebster Drego,
“Das… das… das tut mir sehr leid”, erwiderte die Rían mitfühlend, “Deswegen sagtet Ihr, dass Ihr mich versteht, weil… weil Ihr mich versteht.” Sie hielt einen Moment inne. Dann seufzte sie. “Irgendwie ist es beruhigend zu wissen, das man selbst nicht die einzige Person ist, die so empfindet, auch wenn es den Schmerz in keinster Weise lindert... ”
 
Wieder kehrte Ruhe ein.
 
“Wie ist das passiert?”, wiederholte sie ihre vorherige Frage, “Das, mit Eurem Gesicht.”
 
“Ich dachte schon, Ihr fragt nie.”
 
“Meine Tränen und mein Kummer haben mir meinen Blick verschleiert”, versuchte sie kehlig zu erklären, “Und so ist mir erst vorhin aufgefallen…”
 
“Ich weiß, Ihr habt mich angestarrt. Aber da seid Ihr nicht die erste…”
 
“Verzeiht”, bat sie reumütig, “Es liegt mir fern Euch zu kränken! Es ist nur so, dass ich… ich so etwas nicht erwartet hatte. Mitten in der Nacht habt Ihr mich aus den Fängen dieser alten Hexe befreit. Ein tugendhafter, mutiger, ja gar tollkühner Mann, der sein eigenes Wohl zurückgestellt hat um die Gattin seines Kampfgefährten aus den Händen dessen Familie zu entreißen. Ein Mann mit warmen Händen und einer markanten, aber vertrauensvollen Stimme und so voller Tatkraft und Mitgefühl. Und wenn Ihr mich nun fragt, ob ich erwartet habe, dass das die eine Seite des Gesichtes meines Retters entstellt ist, dann sage ich Euch: Nein, erwartet habe ich das nicht. Aber einem Mann, der all das für eine vollkommen Fremde getan hat, nur weil er mit ihrem Mann zusammen gekämpft hat, tut so etwas keinen Abbruch. Ich fürchte mich nicht vor Euch. Auf eine merkwürdige Art und Weise, seid Ihr mir irgendwie vertraut. Vielleicht weil Ihr meinen Gatten kanntet.” Sie hielt einen Moment inne. “Für mich seid Ihr nicht entstellt, sondern gezeichnet. Und dieses Zeichen hat gewiss auch eine Geschichte.”
 
“Eine Flammenlanze, in der Schlacht der drei Kaser. Der Schmerz streckte mich sofort nieder. Ich erwachte erst sehr viel später wieder und musste leidvoll erkennen, dass wir nicht nur die Schlacht verloren hatten, sondern ich auch meinen Vater, an dessen Seite ich als Knappe in den Kampf geritten war.”
 
Von solchen Dingen verstand Meara recht wenig: “Das klingt… schrecklich! Fürchterlich! Die Schlacht verloren und dann noch den Vater! Unfassbar. Es klingt aber, als hättet Ihr noch wesentlich mehr verlieren können…”
 
“Das hätte ich wohl...”
 
“Dann will ich den Göttern danken, dass sie ihre schützende Hand über Euch gehalten haben und Euch Euer Leben ließen.”
 
  
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|Text=so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
  
==Die Flucht der Katze geht weiter==
+
|Absender=[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]]<br/>Reichsritterin zu Praiosborn
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Anfang Peraine 1043
 
<!--Meara und Unswin kommen auf Burg Scharfenstein an.-->
 
  
Meara schlief lange und tief. Und Unswin ließ sie schlafen. So brachen sie erst spät auf und erreichten erst gegen Abend Burg Scharfenstein, deren mächtige Schildmauer man bereits von Weitem ausmachen konnte. Zwei Wappenbanner hingen von deren Zinnen herab. Das eine zeigte das Wappen der Altjachterner, das andere das ihrer Familie: Schwarze Krähe auf silbernem Grund.
+
}}
Am Tor zur Vorburg trafen sie auf zwei Gardisten. Der Ältere richtete das Wort an sie: “Den Zwölfen zum Gruße, was ist euer Begehr?”
 
“Die Zwölfe mit Euch”, erwiderte der Keilholtzer den Gruße, “Ich bin Unswin von Keilholtz und das ist…” Er deutete auf seine Begleiterin. “... Meara ni Rían. Wir wünschen mit Euer Hochgeboren zu sprechen.”
 
“Euer Hochgeboren ist heute nicht zu sprechen”, erwiderte der Jüngere entschieden. Der Ältere jedoch wollte zuerst wissen: “In welch dringender Angelegenheit wünscht ihr ihn denn zu sprechen?”
 
“Eine familiäre Angelegenheit”, antwortete der Greifenfurter.
 
“Es geht um den Tod meines Gattens Bolzer von Nadoret”, fügte Meara steif hinzu.
 
“Mein Beileid”, bekundete der Ältere betroffen.
 
“Dann handelt es sich um eine Angelegenheit… ”, stellte der Jüngere fest, “... die die Familie Rían betrifft?”
 
Die beiden nickten.
 
Der Ältere erklärte: “Baron Drego von Altjachtern feiert heute mit der Reichsritterin Ailsa ni Rían Verlobung.” Und der andere fügte hinzu: “Demzufolge ist heute keiner von beiden zu sprechen.”
 
“Welch freudiger Anlass”, merkte Meara mit ausdrucksloser Miene an.
 
“Selbstredend werden wir warten, bis Hochgeboren oder seine Verlobte Zeit für uns findet”, schloss der Keilholtzer diplomatisch.
 
“So lange werdet Ihr als Mitglied ihrer Familie Gastung hier erhalten. Und Ihr, Herr von Keilholtz, selbstredend als ihr Begleiter auch”, stellte der Ältere klar und wies den Jüngeren an: “Bring die Hohen Herrschaften in die Burg und sorge dafür, dass Unterkunft erhalten und ihre Pferde versorgt werden.” Da wandte er sich wieder den beiden Reitern zu: “Wenn Ihr ihm folgen mögt.”
 
Und sie folgte.
 
 
 
 
 
==Die Katze und das falsche Täubchen==
 
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Anfang Peraine 1043
 
<!--Später am Abend erhalten Meara und Unswin auf Burg Scharfenstein noch Besuch.-->
 
 
 
Später, da war es bereits tiefe Nacht, klopfte es an ihre Tür. [[Garetien:Meara ni Rian|Meara]] und [[Greifenfurt:Unswin von Keilholtz|Unswin]] hatten sich die Zeit mit einem Kartenspiel vertrieben.
 
 
 
„Tretet ein“, bat die Rían den Gast herein und eine hübsche Frau mit blondem wallenden Haar und grünen Augen in Begleitung einer Boron-Geweihten trat ein. Die beiden erhoben sich.
 
 
 
„Ich bin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]]“, stellte sich die Fremde vor, „Vögtin zu Schwarztannen. Und das ist...“ Sie deutet auf die Geweihte neben sich. „Ihro Gnaden [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]].“
 
 
 
„Meara ni Rían“, stellte sie sich nun selbst vor und deutete dann auf ihren Begleiter: „Und das ist Unswin von Keilholtz. Er war so freundlich mich nach Scharfenstein zu begleiten.“
 
 
 
Sie setzten sich in die kleine Sitzecke. Auf der einen Seite Meara und Unswin und auf der anderen Yolande und Nurinai.
 
 
 
„Ich habe nicht erwartet, Euch noch wach anzutreffen“, stellte die Vögtin fest, „Bin aber umso erfreuter, dass ich niemanden aus dem Schlaf reißen musste...“
 
 
 
„Im Augenblick kann ich keinen Schlaf finden, Euer Hochgeboren“, seufzte Meara schwer, „Und der Hoher Herr von Keilholtz war so nett mir noch Gesellschaft zu leisten.“
 
 
 
„Ach, die Feier!“, Yolande nickte verständnisvoll, „Sie wird sich wohl noch bis in die frühen Morgenstunden ziehen.“ Wie zur Bestätigung nickte sie.
 
 
 
„Dann seid ihr die Schwester von [[Garetien:Eilein ni Rian|Eilein]] und [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea]]?“, wollte nun die Geweihte wissen und musterte ihre Gegenüber genau.
 
 
 
Sie nickte zustimmend. „Aus dem garetischen Zweig“, erklärte sie weiter, „Ich hoffte hier auf meinen [[Garetien:Sionnach ui Rian|Vater]] zu treffen.“
 
 
 
Fragend schaute Nurinai sie an: „Auf...  Euren Vater?“
 
 
 
„Er ist Kammerherr am Hof der Landvögte von Rubreth. Mein [[Garetien:Fael ui Rian|Bruder]] ist dort Hausritter.“
 
 
 
„Und warum sucht Ihr sie dann hier und nicht in...“, die Geweihte hielt einen Moment inne, „... Rubreth?“
 
 
 
„Weil ich hörte, dass Rubreth nicht sicher sei und meine Familie Schwarztannen halte...“
 
 
 
Da lachte Yolande: „Ja, so kann man das nennen. In der Tat. So kann man das wirklich nennen.“
 
 
 
Meara blickte ausdruckslos drein. Unswin schwieg. Nurinai musterte die Rían noch immer.
 
 
 
„Und was wolltet Ihr denn von Eurem Vater?“, fuhr die Raukenfelserin nun fort.
 
 
 
„Obdach“, erwiderte die Rían direkt, „Mein Gatte, [[Garetien:Bolzer von Nadoret|Bolzer von Nadoret]], ist gefallen. Ich weiß wo, ich weiß wann, ich weiß wie. Ich weiß, dass er tot ist, auch wenn ich ihn nicht habe sehen können. Und auch wenn ich gedacht hatte, die Verbindung zwischen uns sei so stark, dass ich es gewiss gespürt hätte, so hatte ich es nicht. Er ist einfach so gestorben. Und ich habe es nicht gemerkt.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. „Unsere [[Garetien:Emer von Nadoret|gemeinsamem]] [[Garetien:Reto von Nadoret|Kinder]] haben die Nadoreter zu sich genommen, dass ich ihre Mutter bin, hat sie nicht gekümmert. Ich sei nicht würdig sie zu erziehen, hieß es nur...“
 
 
 
„Das... das... das tut mir aufrichtig leid!“, drückte die Vögtin ihr Mitgefühl aus, „Ich habe selbst Kinder. Ich...“
 
 
 
„Und jetzt...“, Meara begannen dicke, heiße Tränen über ihre Wangen zu laufen, „... jetzt weiß ich einfach nicht wohin...“
 
 
 
Autor: [[Benutzer:Orknase|Orknase]]
 
  
 
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*Iwo und Iwana
 
*Iwo und Iwana
 
*Die Krähe und ihr falsches Täubchen
 
*Die Krähe und ihr falsches Täubchen
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*Hühnerbeinchen für Drego

Aktuelle Version vom 26. April 2024, 04:54 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.


Ein Ende und ein Anfang

Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.

Schwester

Vater

Mutter

Bruder

Nichte

Fische im Netz

Bedenkzeit

Burg Scharfenstein

Sie bat sich Bedenkzeit aus. Baron Drego verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.

Albtraumgestalt

Einhornfrau

See Praiosborn, Praios 1045

(...)

Der Raller treu

Verschwunden

Markt Rallingen, im Travia 1044 BF

Zeit zu sterben

Prolog

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.

Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute mich an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine Frau auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.

So war er, mein Herr, Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach Hause...

Wiedersehen

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?

„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... Marbodane?“

Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.

„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“

Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, Tessia.“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.“

„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch Dankwart und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.

„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem Herrn...“

„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“

Ich nickte.

Erinnerung

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Tessia schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“

„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein Herr war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...

„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die Haselburg gehen. Ich würde gerne sagen, dass Dankwart sich freuen wird, dich zu sehen, Marbodane, aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“

Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“

„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine Schwester nach dem Tod eures Vaters auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns Tsa diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“

„Bist du traurig darüber?“

„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.

„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“

Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.

Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es Lechdan? Wird er sterben?“

Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“

Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...

Mutter

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

„Wie geht es...“, Tessia stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner Mutter?“

Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“

„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im Kloster?“

„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“

„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“

„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...“

„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“

Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach meinem Vater zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester Daria konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“

„Ach, Marbodane“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es Dankwart je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.“

„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“

Tessia schaute zu Marbodane auf. Die Boron-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“

Das dritte Kind

Albträume

Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF

Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. Ailsa lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.

„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der Hofkaplanin neben ihm zu.

„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „Es ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte Baron Drego. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.

Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“

Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...

Trenner Garetien.svg

... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und Jast trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?“

„Wo ist Orknäschen?“, wollte er wissen.

„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner Mutter bringen lassen, Hochgeboren.“

„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“

„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.“

Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach Esenfeld zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“

„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.

„Welche?“

Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden Elerea ni Rian.“

„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem Heimattempel in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore Schwarztannens geschlossen. Soll ich Euer Gnaden Nurinai ni Rían wecken?“

„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“

Bitte

Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld

An Euer Hochgeboren Drego von Altjachtern, Baron zu Schwarztannen, Burg Scharfenstein

Liebster Drego,
 
 
 
 
so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
 
 
 
 
Ailsa ni Rían
Reichsritterin zu Praiosborn

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