Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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= Fische im Netz =
= Ein Ende und ein Anfang =
== Ein guter Fang ==
Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]
 
== Schwester ==
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Zsfg: Gerlinde von Altjachtern sucht ihren Bruder Drego in einer dringenden Angelegenheit auf.
 
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 13. Rahja 1046 BF
 
„Ah, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]“, entfuhr es mir beinahe etwas atemlos. Ganz unvermittelt blieb ich auf der großen Treppe stehen. „Hier bist du also.“ Mein Bruder stand wenige Schritte über mir, hielt seinen [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Sohn]] in den Armen. Der Knabe, der so sehr meinem Bruder glich, schaute mich aus den großen Augen seines Vaters neugierig an. Umringt waren beide von Mitgliedern seines Hofstaates, darunter seine Pagen und Knappe, einige seiner Hausritter, die Hofkaplanin [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]] und die Vögtin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]].
 
„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er an und zog die Stirn kraus, „Der Leuin zum Gruße.“
 
„Die Leuin auch mit dir, Bruder“, erwiderte ich und erbrachte ihm den Kriegergruß. Daraufhin nahm der Knabe seine kleine Hand, ballte sie zur Faust und führe sie zu seinem Herz. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, aber es war deutlich zu erkennen, dass er sich gerade ebenso an diesem Gruß versucht hatte. Alle begannen zu grinsen – auch ich. Dann schmiegte sich der Knabe ganz dicht an die Brust seines Vaters und schaute noch kecker drein wie zuvor.
 
„Er ist so groß geworden“, merkte ich an, „Er wird eines Tages gewiss ein großer Krieger werden.“
 
Das Grinsen meines Bruders wurde breiter, wobei er zärtlich seinem Sohn über das blonde Haar strich: „Du warst schon lange nicht mehr hier, Gerlinde.“
 
„Du kannst mich jederzeit im Rondra-Tempel in [[Garetien:Stadt Überdiebreite|Überdiebreite]] antreffen“, erwiderte ich daraufhin nickend, „Es ist gar nicht weit von hier und du und die deinen sind mir dort jederzeit willkommen.“
 
Ernst schaute er mich an: „Ich kann nicht vergessen, was mit den [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteinern]] damals vorgefallen ist. Noch heute träume ich in so mancher Nacht von [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]].“
 
Ich biss mir auf die Lippen. Daran hatte ich gar nicht gedacht. „Die Diener des [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] könnend dir gewiss dabei helfen“, schlug ich vor, „Es gibt doch auch einen [[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel]] ihrer Diener hier?“
 
„[[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]“, seufzte er schwer und nickte bestätigend, „Dieser Tempel untersteht den Erlenfallern und diese haben eindrücklich bewiesen wozu sie fähig sind. Nicht einmal meiner einstigen Knappin [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun]] oder gar Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] ...“ Nun wandte er sich der Hofkaplanin zu. „... genießen mein uneingeschränktes Vertrauen.“ Schwester Lindegard wich dem Blick meines Bruders aus.
 
Einen Augenblick war es still. Ich war keine Frau großer Worte. Ich war eine Dienerin der Leuin. Und ich begriff, dass ich beinahe nichts über meinen Bruder und dessen Leben wusste. So fand ich keine Worte. Was hätte ich auch sagen sollen? Die Situation schien kompliziert. Zu kompliziert um sie innerhalb weniger Wimpernschläge zu erfassen.
 
Indes riskierte der Knabe immer wieder scheue Blicke. Das ein oder andere Mal wandte er sich mir gar mehr zu, schmiegte dann jedoch wieder eilig sein Gesicht an die Brust seines Vaters. Dass meine Bruder einmal Frau, Kinder und ein Baronsreif sein eigen nennen würde ...
 
„Du hast dich nicht angekündigt. Warum bist du gekommen, Gerlinde?“
 
Nun straffte ich mich: „Drego, du musst mich begleiten. Es bleibt uns nicht viel Zeit.“
 
Er legte seinen Kopf leicht schräg: „Worum geht es?“
 
„Vertraust du mir?“
 
„Selbstredend!“, entfuhr es ihm ohne Zögern, „Du bist nicht nur eine Dienerin der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]], sondern auch meine Schwester.“
 
„Wir müssen nach [[Garetien:Gut Jachtern|Hause]]“, eröffnete ich ihm und nickte energisch, „Sofort. Wir haben nicht viel Zeit.“
 
„Nach ...?“, echote er tonlos und seine Augen verengten sich, „... Hause?“
 
Äußerst langsam, aber überdeutlich nickte ich.
 
„Was ...?“, seine Stimme brach.
 
„[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, brachte ich nur heraus.
 
„Sie ... sie ... sie hat meine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] beleidigt. Sie hat ...“
 
„Das ist nicht mehr wichtig, Drego“, ich schüttelte den Kopf und fasst an seine Schulter, „Es ist nicht mehr wichtig.“
 
Mein Bruder wurde blass. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
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== Vater ==
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Zsfg: Gerlinde und Drego kommen auf Gut Jachtern an und treffen auf ihren Vater.
 
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], 13. Rahja 1046 BF
 
Über [[Garetien:Dorf Wegscheide|Wegscheid]] und [[Garetien:Gut Roßsprunk|Roßsprunk]] ritten wir nach Gut Jachtern. Ich schwieg. Drego schwieg. Seine Bedeckung, ein [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Knappe]] kurz vor seinem Ritterschlag und eine [[Leudane von Leuenberg|kaisermärker Ritterin]], schwieg. Wenig nach unserem Aufbruch setzte Regen ein. Zuerst waren die Tropfen ganz fein, gleich dem feinen Nebel der am Morgen gerne entlang der Raller lag. Eine willkommene Abkühlung in der Hitze des Rahjamondes. Dann jedoch wurde der Horizont zunehmend finsterer, der Regen wurde heftiger, die Tropfen dicker.
 
Vollkommen durchnässt kamen wir mitten in der Nacht auf Gut Jachtern an. Die Praiosscheibe war seit Stunden untergegangen. Die Sterne hatten uns den Weg gewiesen und der Regen war unser ständiger Begleiter gewesen. Eilig brachten wir die Pferde in den Stall. Während Knappe und Ritterin sich mit dem Stallknecht um die Tiere kümmerte, ging ich mit Drego in das nahezu finstere Guthaus hinein und wurden von Dunkelheit empfangen. Es war ungewöhnlich still. Totenstill. Nur das Tropfen des Wasser von unseren gänzlich durchweichten Umhängen durchbrach die Stille. Hinter uns fiel die Tür ins Schloss. Drego erschrak hörbar.
 
Da trat jemand mit einer Kerze zu uns in den Flur. „[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]] und ... und [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]?“
 
„[[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]]?“, entfuhr es meinem Bruder leise. Unschlüssig machte er einige Schritte nach vorne.
 
„Ja, Drego“, bestätigte sein Gegenüber, „Ich bin es. Dein Vater.“ Sein Gesicht lag noch immer im Dunkeln. Die Kerze spendete nur spärliches, düsteres Licht. Er machte einige Schritte auf seinen Sohn zu und schloss ihn in die Arme, ließ aber sogleich wieder los. „Ganz nass. Du bist ja ganz nass. Schreckliche Efferdnacht dort draußen.“
 
Drego schluckte schwer als er unserem Vater gegenüberstand: „Es muss ernst um [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] stehen.“
 
„Ja“, erwiderte er, „So ist es. Es geht zu Ende, Drego. Golgari ist bereits auf dem Weg.“
 
Nun war es Vater, der schwer schluckte. Schemenhaft konnte man erkennen, wie er nickte. „Und Gerlinde“, fuhr er fort und nahm auch mich kurz in die Arme, ließ aber noch schneller von mir ab als von meinem Bruder, „Auch ganz nass. Allesamt seid ihr ganz nass. Alle beide. Eine wirklich grässliche Efferdnacht dort draußen.“
 
„Ist [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Mori]] ... ?“, wollte ich wissen.
 
„... am Bett eurer Mutter“, vollendete er meinen Satz, „Er wacht dort zusammen mit [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]].“ Erneut nickte er. „Ihr solltet eure nassen Kleider ablegen, etwas Trockenes anziehen und sie dann ablösen. Sie wachen dort schon recht lange.“
 
„Sie hat mich fortgeschickt“, hob nun Drego an, „Das letzte Mal hat sie mich fortgeschickt. Ich sollte, nein, durfte ihr nicht unter die Augen treten.“
 
Erneut nickte Vater: „Das Rauschen Golgaris in den Ohren deiner Mutter hat sie sanftmütiger gemacht, nicht milde, aber sanftmütiger, ein Lämmchen ist aber dennoch nicht aus ihr geworden. Selbst mit mir hat sie einige vernünftige Worte gewechselt, ehe sie mich angekeift und fortgeschickt hat, ich bin aber sicher, dass sie noch einmal nach mir rufen wird. Ganz gewiss sogar.“
 
„Hm“, machte mein Bruder da noch immer zweifelnd.
 
„Sie ist und bleibt deine Mutter“, fuhr unser Vater nun fort, „Und sie liebt dich, so viel kann ich dir sagen.“
 
Da lachte Drego: „Ich war ihr doch nie gut genug! Ganz gleich was ich getan, wie sehr ich mich bemüht habe. Nun bin ich sogar Baron, habe [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] und [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Ki]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|nd]][[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|er]], doch gut genug bin ich ihr noch immer nicht.“
 
Er seufzte: „Ach, Drego, du kennst deine Mutter. Du kennst sie lange genug. Sie ist eine harte Frau. Hart zu sich, aber auch zu anderen. Keiner kann es ihr recht machen. Nicht einmal sie selbst kann es sich recht machen. Sie hat dir das Leben geschenkt, da kannst du ja wohl auch bei ihrem Tod dabei sein.“
 
Da nickte er: „Dennoch hat sie meine Frau beleidigt. Sie angefeindet. Sie beschimpft.“
 
„Ich weiß“, wusste auch unser Vater, „Ich habe keine rechte Erklärung dafür. Wobei ...“ Er hielt einen Moment inne. „Vielleicht verachtete sie sie so, weil dir und ihr etwas vergönnt war, was uns nie vergönnt war.“ Drego horchte auf. „Aus liebe den Bund vor der Herrin [[Travia-Kirche|Travia]] zu schließen. Unser Bund war bestimmt. Nicht durch uns.“
 
„Neid?“, raunte Drego leise, „Aber warum seid Ihr nicht so? Ihr teilt doch dasselbe Schicksal.“
 
Da zuckte er nur mit den Schultern: „Vielleicht weil ich vor Götterläufen entschieden habe, der Enge dieses Heimes und dieses Seins zu entfliehen.“ Er warf einen Blick auf mich. Ich straffte mich. Flucht, dass war nichts für eine Geweihte der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]]. „Außerdem seid ihr meine Kinder, mein Fleisch und Blut und ich wünsche mir, dass euch nur Gutes widerfahre und liebe euch alle gleichermaßen aus der tiefe meines Herzens heraus.“
 
„Mutter hat immer nur Gerlinde bedingungslos geliebt“, mein Bruder blickte mit gesenktem Haupt zu mir, „Du warst ihr immer das Wichtigste. Die einzige, die alles im Leben richtig gemacht hat.“
 
„Was hätte sie auch zu einer Geweihten der Herrin Rondra anderes sagen sollen?“, stellte sich unser Vater schützend vor mich, „Lass es gut sein, Drego. Das Ende ist nah. Ihr Zorn wird dich danach nie wieder treffen können. Versuche deinen Frieden mit ihr zu machen. Noch ist Zeit. Noch.“
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== Mutter ==
<!--Zsfgh: Die alte Junkerin zu Altjachtern stirbt und ihre Kinder sind an ihrer Seite.
 
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF


Es war [[Garetien:Isida Uthjane von Isppernberg-Sommerheide|Isida Uthjane von Isppernberg-Sommerheide]], die als letzte gefangen genommen worden war uns als erstes wieder frei kam und das obwohl sie der beste Fang für [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] und die seinen gewesen war. Die Kaisermärkerin stammte aus einer nicht gerade unbedeutenden [[Garetien:Familie Isppernberg|Familie]] und obwohl die Verhandlungen über ihr Lösegeld vermutlich am längsten hätten andauern müssen, so hatten sie es nicht getan. Erstaunlich schnell war der Kontakt zu ihrer Familie hergestellt und die Lösegeldforderung überbracht worden. Ebenso schnell hatte man sich auf die genaue Höhe geeinigt. Die geforderte Summe war überbracht worden und die Isppernbergerin war freigekommen. Dass das alles so rasch gegangen war, war vermutlich alleine ihrem [[Garetien:Malwart Borodan von Doriant|Gatten]] zuzuschreiben oder viel mehr dem Umstand, dass er aus der [[Garetien:Familie Doriant|Familie Doriant]] stammte, die in [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] ansässig war. Die genaue Höhe der Forderung war nicht offen bekannt, doch wollten die Gerüchte nicht verstummen, dass sie unverschämt hoch gewesen sein solle. So unverschämt hoch, dass ihre Familie über weitere Schritte nachdachte.
[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]], dürr klang Mutters Stimme als ich an ihr Bett herantrat und mich auf die Bettkante setzte. Fahl war ihr Gesicht. Kraftlos ihre Augen. Seit meinem Aufbruch schien sie noch weiter gealtert zu sein.


Nach ihr war [[Garetien:Lonnert von Scheuerlintz|Lonnert von Scheuerlintz]] freigekommen, obgleich es eine ganze Weile gedauert hatte bis die Verhandlungen zwischen seiner [[Garetien:Familie Scheuerlintz|Familie]] und Baron Drego zu einem Ergebnis gekommen waren. Schlussendlich hatte man sich dann doch geeinigt. Eine beträchtliche Summe soll es gewesen sein. Weitere Bedingung war die Überstellung eines Kindes im knappenfähigem Alter. So kam [[Garetien:Olorande von Scheuerlintz|Olorande von Scheuerlintz]] nach Scharfenstein. Sie war das Drittgeborene des Scheuerlintzers. Ob es schwer für ihn gewesen war sein Kind in die Hände jener zu geben, die ihn gefangen genommen hatten? Im knappenfähigem Alter war das Mädchen jedoch nicht. Sie war zu jung. Baron Drego akzeptierte dennoch. Ein jüngeres Kind war noch formbarer und darüber hinaus konnte sie noch länger als Pfand gegenüber ihrer Familie eingesetzt werden, abgesehen davon gab es kein weiteres Kind innerhalb der Familie Scheuerlintz. Sie war ein nettes und fröhliches Kind. Sie haderte nicht. Sie nahm die Dinge so, wie sie kamen. Man hörte sie oft lachen. Beneidenswert.
[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]], erwiderte ich ihr und nahm ihre Hand zwischen meine. Ein müdes Lächeln legte sich über ihre Wangen. Für einen winzigen Moment kehrte ein Leuchten in ihre Augen zurück, dann verschwand es jedoch sofort wieder.


Nur sie, [[Garetien:Leudane von Leuenberg|Leudane von Leuenberg]], sie war noch hier. Und ihr Freikommen war nicht absehbar.
„Ich habe dir jemanden mitgebracht, Mutter“, hob ich an und schaute mich kurz zu meinem Bruder um, der einen Schritt hinter mir gewartet hatte, „[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] ist hier.


== Noch immer nicht frei ==
Da trat mein Bruder zu uns an das Bett heran und grüßte mit einem Nicken: „Mutter.“
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]


„Und was passiert jetzt mir mit?“, wollte [[Garetien:Leudane von Leuenberg|sie]] mit brüchiger Stimme wissen.
Die Sterbende schaute ihn lange an. Sehr lange. Schwer atmete sie. „Du warst ... schon lange ... nicht mehr hier. Drego.“


„Ich kann Euch nicht einfach gehen lassen“, erwiderte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] und nickte um seine Aussage zu bekräftigen als müsste er sich selbst seiner Worte versichern, „Nein, dass geht nun wirklich nicht.
Er nickte, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an das Bett. Hilfesuchend blickte er mich an. Doch da lag ja auch meine Mutter im Sterben und so zuckte ich nur mit den Schultern. Ich konnte ihm nicht helfen. Seinen Frieden musste er mit ihr schon alleine machen.


Sie schluckte schwer: „Und... was heißt das jetzt?“
„Ja“, erwiderte er lediglich.


„Ich würde Euch wirklich gerne gehen lassen, aber... aber wie sähe das aus?“, er zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern, „Ja, wie sähe das aus... Der Baronsreif ruht noch locker auf meinem Haupt. Ein [[Garetien:Nimmgalf von Hirschfurten|Baron Nimmgalf]], ja ein Baron Nimmgalf könnte sich das leisten, da bin ich mir sicher, aber ein Baron Drego?Er schüttelte energisch seinen Kopf und schien einen Moment in Gedanken versunken zu sein. „Wo kein Lösegeld gezahlt wird, kann auch keine Heimkehr stattfinden“, schloss er.
„Du hättest ... vorbeikommen ... sollen.“


Verstehend nickte sie.
„Ich habe es versucht“, wieder suchte sein Blick meinen, „Ihr wolltet mich nicht sehen.


„Dass Euer [[Garetien:Familie Leuenberg|Familie]] womöglich die Summe gar nicht aufbringen kann, spielt dabei keine Rolle. Wer sich in eine Fehde stürzt, muss mit einer Lösegeldforderung rechnen. Und wer eine Familie hat, die nicht zahlt, muss mit den Konsequenzen leben.“
„Als es begann ... das Rauschen der ... Schwingen, da ... da dachte ich ... es sei die ... [[Garetien:Ailsa ni Rian|Krähe]], sie lachte kehlig und ein schlimmer Husten begann sie augenblicklich zu schütteln. Ich nahm ihre Hand fester in meine. Sie beruhigte sich. „Doch dann ...“ Zaghaft nickte sie. „... begriff ich.“


Erneut nickte sie, obwohl sie nie über die Möglichkeit einer Gefangennahme und einer damit verbundenen Lösegeldforderung nachgedacht hatte. Dutzende Briefe hatte sie an ihre Familie schreiben müssen, immer wieder ging es um das Lösegeld und die genauer Höhe. Doch nie war eine Einigung zustande gekommen. Ihre Familie war nicht sonderlich groß und das [[Garetien:Herrschaft Tatzenhof|Lehen]], welches ihr [[Garetien:Orlan von Leuenberg|Bruder]] inne hatte, warf nicht genug ab. Er hätte sich Geld leihen können, gewiss hätte er, aber er konnte oder wollte das Geld auf diese Art nicht auftreiben. Manchmal drängte sich ihr der Verdacht auf, dass er nicht wollte, dass er diese Gefangennahme als die Gelegenheit ansah mich loszuwerden. Doch sie verwarf diesen düsteren Gedanken nach geraumer Zeit immer wieder nur um ihn später wieder herauszukramen. Ihr Verhältnis war nie sonderlich gut gewesen, aber auch nie sonderlich schlecht. Sie waren Geschwister, sie stritten miteinander, sie vertrugen sich wieder, sie stritten mit...
Drego atmete hörbar ein und aus: „Ich bin ein weiteres Mal Vater geworden. Ein kleines, wunderschönes Mädchen hat uns die Herrin Tsa da zum Geschenk gemacht. Bereits im Phex 1045. Sie trägt den Namen [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]].


„Ihr werdet also hier bleiben müssen“, schloss er und blickte sie direkt an, „Hier in [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] und zwar so lange bis die Angelegenheit zu meiner Zufriedenheit geklärt wurde.“
„Ederlinde also“, wiederholte sie, „Was ihr nur alle ... an diesem Namen ... an diesem Namen habt.“


Mehr als ein schwaches Nicken brachte sie nicht zustande. Obgleich sie damit gerechnet hatte, war sie dennoch enttäuscht. Sie wollte Heim. Sie plagte das Heimweh. Am Schlimmsten fand sie es jedoch, hier eingesperrt zu sein. Sie hatte zwar alles, was ich brauchte, aber sie konnte diesen Raum hier nicht verlassen. Zwar konnte sie zum Fenster in den Hof der Burg hinausblicken, aber dort hinuntergehen konnte sie selbtredend nicht. Es war eintönig in ihrem Gefängnis, eintönig und langweilig. Ein jeder Tag war wie der andere und ein Ende war nicht in Sicht.
„Sie ist [[Garetien:Ederlinde von Luring|Graf Dregos Schwester]]“, erwiderte er ihr, „Und ich verehre ihn. Noch immer.“ Bitterkeit schwang bei seinen letzten Worten mit. Ich horchte auf. Schon immer hatte Drego [[Garetien:Drego von Luring|diesen Mann]] verehrte, zu ihm aufgeschaut, doch inzwischen schien da noch etwas anderes zu sein.


„Euch hier allerdings weiter einzusperren, davon halte ich nichts.“
„Dass diese ... diese diebische Elster ...“, hob sie an und Dregos Miene verfinstere sich, „... das schafft, was ... dieses [[Garetien:Boriane von Altjachtern|dumme Weib]] ...“ Damit meinte sie Boriane, die sie ebenso wenig leiden konnte wie die Gattin Dregos. „... erst nach [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|mehr]][[Garetien:Jermorane von Altjachtern|facher]] ... Schande ... geschafft hat.“ Fassungslos schüttelte sie fast unmerklich ihren Kopf. „Bei den ... Zwölfen!


Verblüfft blicke sie auf.
„Ihr solltet nicht so über Boriane sprechen“, wies ich sie sanftmütig zurecht, nicht nur, dass sie meine Mutter war, sondern sie lag auch im Sterben, „Die Götter haben uns dieses Schicksal auferlegt. Es war nicht Borianes Entscheidung und erst recht keine Absicht.


„Wenn Ihr mir vor den Göttern Gefolgschaft schwört und erkennbar meine Symbole tragt, die Euch offen sichtbar für alle als meine Gefangene ausweisen, werdet Ihr Euch freier bewegen können. Zuerst nur hier in diesem Gebäude, später – nachdem Ihr Euch bewährt habt – vielleicht in der gesamten Baronie. Es liegt nun an Euch: Soll ich den Geweihten des [[Praios-Kirche|Götterfürsten]] bestellen?“
„Und da bist ... bist du dir ... sicher?“ Schwer sog die Sterbende die Luft ein. „Und Drego ...“ Erneut wandte sie sich an meinen Bruder. „Wo ... wo sind denn ... meine [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|En]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|kel]]? Warum sind sie ... nicht hier?“


== Bedenkzeit ==
„Die Kinder kennen dich doch überhaupt nicht, Mutter“, half ich nun doch meinem Bruder, „Und sind noch viel zu klein, um zu begreifen, was hier vor sich geht. Sie sind auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]. Dort, wo sie hingehören.“
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]


[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
„Hm“, machte sie da, ihre Augen fielen ihr langsam zu und ihr Kopf rollte zur von uns abgewandten Seite, „Hm.


= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
Der Blick Dregos suchte meinen. Ich hielt noch immer die Hand unserer Mutter.
== [[Geschichten:Albtraumgestalt – Petze|Petze]] ==
== Allein ==
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''


Als [[Garetien:Kysira Rosna|sie]] erwachte, war es dunkel. Es war kalt. Sie war komplett nass. Fror. Sie zitterte. Ihre Lunge brannte. Ihre Brust schmerzte. Sie bekam kaum Luft. Um sie herum war es stockfinster. Sie machte mich ganz klein, zog ihre Beine ganz dicht an sich heran, umfasste sie mit ihren Armen und begann leise zu wimmern. Ihr Wimmern hallte wieder. Regelrecht bedrohlich grollte es über sie hinweg. Da presste sie sich erschrocken ihre Faust auf den Mund. Wieder war es still. Ganz still. Totenstill. Sie schloss ganz fest die Augen und nahm sich fest vor, gleich wieder aus diesem schrecklichen Albtraum aufzuwachen.
„Ich kann nicht vergessen, was sie über ''Orknäschen'' gesagt hat“, wisperte er ernst, „Nicht einmal zu unserem Traviabund ist sie gekommen. Unsere Kinder hat sie nie besucht, dabei war ihr Weg genauso weit wie meiner. Sagt man nicht, dass der nahende Tod einem die eigenen Fehler vor Augen führt und man bereut?“


Doch als sie erwachte, umgab sie schummrig, schauriges Licht. Sie setzte sich auf und schaute sich um. Das Glimmen ging vom Wasser neben ihr aus. Oft hatte sie dieses Glimmen schon gesehen. Es lag nicht nur hin und wieder über der [[Garetien:Ruine Praiosborn|Ruine Praiosborn]] sondern auch über dem See. Sie war also noch immer am Praiosborn oder... oder viel mehr darunter? Ihr Blick glitt weiter und sie erkannte eine Höhle. Sie war also in einer Höhle unter dem Praiosborn? Oder... oder war sie etwa... tot?
„So heißt es“, bestätigte ich, „Doch kein einziges Wort der Reue oder gar eine Entschuldigung wird je über ihre Lippen kommen. Falls du deswegen gekommen bist, Drego, dann bist du vergebens gekommen. Sie wird nicht um Verzeihung bitten. Bei keinem von uns. Bei den Unsterblichen ...“ Ich ließ meinen Blick schweifen. ... wird sie es jedoch gewiss tun. Sie ist eine göttergefällige Frau.


Sie hatte noch nie so richtig über den Tod nachgedacht. Sie war jung. Und genaugenommen viel zu jung zum Sterben, aber... aber das spielte keine Rolle. Irgendwann starb man. Manche starben früher. Manche starben später. War sie nun an der Reihe? War sie tot? Und war dies hier jener Ort, an dem man gelangte, wenn man an der Brache starb? Die zwölf Götter waren fern, folglich kam man vermutlich nicht in eines ihrer Paradiese. Wo kam man aber dann hin? In die Niederhöllen? Waren sie das hier? Die Niederhöllen?
Scharf sog er die Luft ein.


Sie stand auf und schaute sich weiter um. Das seltsame Glimmen spendete gerade so viel Licht, dass sie im halbdunkeln die Wände der kleinen Höhle erkennen konnte. War sie denn etwa durch das Wasser gekommen? Sie fröstelte. Noch immer war sie nass. Vermutlich war es wohl wirklich so. Sie musste durch den See gekommen sein. Durch das Wasser. Und wie kam ich hier wieder raus? Oder war sie doch tot?
„Verzeih ihr“, bat ich ihn für sie, „Sie ist einfach nur ein Mensch. Ein fehlbarer Mensch. Eine Mutter, die im Sterben liegt und sich nicht mehr wünscht als, dass ihre Kinder an ihrer Seite sind, um sie bei ihrem letzten Atemzug zu begleiten.“ Ich nahm seine Hand und legte sie auf die unserer Mutter. Widerwillen stand in seinen Augen, in seiner gesamten Gestik und Mimik, doch er ließ es geschehen.


Vorsichtig tastete sie sich an den Wänden der Höhle entlang. Das Gestein war kalt und glitschig. Sie fand einen schmalen Durchgang, durch den sie sich vermutlich hindurchquetschen würde können, doch sie zögerte. Die dahinter liegende Dunkelheit schien geradezu undurchdringlich und sie machte ihr Angst, schreckliche Angst. Noch nie war sie allein in der Finsternis gewesen und so fürchtete sie sich. Was mochte in dieser Finsternis liegen oder gar dahinter? An der Brache hatte sie schon von Vielerlei gehört. Schreckliche Dinge. Unvorstellbare Dinge. Auch das ein oder andere hatte sie gesehen, viel jedoch nicht, ihr [[Garetien:Yann Faad|Vater]] hatte sie immer geschützt, aber sie konnte sich Vieles vorstellen und das, ja das genügte.
So verging die Nacht. Mal hielt er die Hand unserer Mutter, mal ich. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] und Boriane und auch unser [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] schauten immer wieder vorbei. Es war still. Erstaunlich still. Niemanden war so recht nach reden. Abwechselnd dösten mein Bruder und ich. An richtigen Schlaf war nicht zu denken.


Sie versuchte durch das glimmende Wasser zu kommen, doch sie schaffte es nicht. Sie schaffte es nicht ihre Augen unter Wasser zu öffnen. Blind tastete sie sich durch das Wasser und fand doch nichts. Da war nur Wasser. Eine endlose Menge Wasser. Und einfach kein Durchgang. Kein Durchgang. Absolut nichts. Erschöpft legte sie sich am Rande des kleinen Sees nieder und weinte bittere Tränen. Dem leisen Säuseln des Wassers lauschend fiel sie in einen bibbernden, traumlosen Schlaf.
Mutter erwacht nicht mehr. Zumindest nicht mehr richtig. Gelegentlich redete sie unverständliches, wirres Zeug. Mitten in der Nacht, draußen war es stockfinster, nur eine kleine Kerze spendete Licht, schreckte ich hoch. Ein scharfes Geräusch hatte mich geweckt. Ich blickte zu den beiden hinüber. Sah, wie meine Mutter Drego am Kragen gepackt hatte. Mit aller Kraft hielt sie ihn fest. Ihre Knöchel traten noch weißer hervor. Mit gestürzten Lippen blickte sie ihn streng an. Drego war wie erstarrt.


== Fette Spinne ==
Und mit unheimlicher, nahezu körperloser Stimme sprach sie: „''Kein Kind aus deinem Blut wird je den Baronsreif tragen, ohne dass sein junges Leben nicht sinnlos verlischt.''
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''


Als sie wieder erwachte, war das Glimmen nicht weniger geworden, aber die Finsternis war näher gekommen. Sie war aus diesem Spalt herausgekrochen. Beklemmung befiel sie und eine panische Angst breitete sich in ihr aus. Sie wollte schreien, schreien obgleich dieser entsetzlichen Dunkelheit, aber es war ihr, als drücke ihr jemand die Kehle zu. Ihr fehlte die Luft. Ihr fehlte die Kraft. Und die Dunkelheit griff nach ihr.
Sie ließ ihn los. Sackte auf das Bett zurück. Und starb. Ein kalter Schauder jagte meinen Rücken hinab. Dregos und mein Blick trafen sich.
-->


Da war etwas. Da saß etwas in diesem Spalt. Ein Wesen aus Finsternis. Aus tiefer Dunkelheit. Sie war sich sicher. Sie wusste, es war da. Sehen konnte sie es nicht, aber sie konnte es spüren. Gänsehaut kroch ihre Arme hinauf und breitete sich über ihren ganzen Körper aus. Es war in diesem Spalt. Es saß da. Es hauste da. Wie eine widerliche, haarige, fette Spinne. Mit seinen langen tentakelgleichen Beinen suchte es nach ihr, tastete sich aus seinem Spalt heraus, dabei schnüffelte und schniefte es, seufzte und ächzte, wagte sich immer weiter heraus und damit immer mehr zu ihr. Es wollte nach ihr greifen. Sie robbte weiter weg, weiter und weiter, bis sie nicht mehr weiter konnte, bis da nur noch der blanke Fels neben ihr war. Die kauerte sich daran. Drücke sich dagegen. Doch es kam näher. Und je näher es kam, desto schmerzlicher wurde die Gänsehaut, die sich über ihren Körper zog, desto mehr zitterte sie, desto mehr bibberte sie. Plötzlich packte es sie, umschlang mit seinen haarigen Tentakelbeinen ihre Beine. Sie nahm ihren ganzen Mut und ihre ganze ihr verbliebene Kraft zusammen und schrie: „GEH WEG! LASS MICH IN RUHE!“
== Bruder==
<!--Zsfg: Drego und sein älterer Bruder sprechen sich aus.


Da ließ es sie fallen. Hart schlug sie auf dem Boden auf. Ihr Mund füllte sich augenblicklich mit Blut. Sie rang verzweifelt um Atem. Und das Wesen zog sich zurück.
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF


== Unterredung ==
Der Tod unserer [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] setzte uns allen zu. Wir lagen uns weinend in den Armen und hielten uns aneinander fest. Auch [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] war da. Selbst er weinte. Und so fühlten sich selbst meine Tränen nicht falsch an, dabei konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint hatte.
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''


''IcH KaNN DiR HelFEn.''
Nachdem wir alle am Bett versammelt waren, bat ich den [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] um Geleit für unsere Mutter. So wie sie es sich gewünscht hatte. Danach bracht [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] Haselnussbrand. Warm und weich rann er meine Kehle hinab und vertrieb das Gefühl der Enge in meiner Brust – vorerst zumindest. Vater öffnete die Fenster. Kühle, feuchte Luft der Efferdnacht drang zu uns hinein.


„Lass mich in Ruhe!“, schrie sie panisch und hielt sich die Ohren zu.
„Die Mädchen“, hob die neue Hausherrin an, „werden bittere Tränen um ihre Großmutter weinen.


''IcH kaNn dIR HeLFen.''
[[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] nickte bestätigend. Er war ganz blass.


“Geh weg!“, erwiderte sie dieses Mal und presste nur noch fester ihre Hände gegen ihre Ohren.
„Sie haben sie so sehr geliebt“, fügte Boriane noch hinzu und rieb sich schniefend über die Augen. Selbst sie, für die Mutter nie auch nur ein einziges freundliches Wort übrig gehabt hatte, war von Trauer und Schmerz erfüllt. Liebevoll legte sie ihren Arm um Moribert und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. So vertraut mit meinem Bruder hatte ich sie noch nie gesehen. „Vielleicht sollten wir eine Kleinigkeit essen“, schlug die Scheupelburgerin vor, „Es war eine lange Nacht und bis zum Morgengrauen wird auch noch die ein oder andere Stunde vergehen.Erneut hauchte sie meinem Bruder einen Kuss auf die Wange, strich ihm nachdenklich über sein Kinn und verschwand. Die Tür ließ sie offen. Wenig darauf konnte man Geklapper und leises Summen aus der Küche hören. Sie hätte auch die Magd wecken können ...


''ICh HabE Dir GEholFEn.''
„Weißt du eigentlich“, hob da Moribert an und schaute zu dem noch immer sehr blassen Drego hinüber, „wie sehr ich dich beneide, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]? Du hast es weiter gebracht als jeder einzelne von uns.


„Du lügst“, erwiderte sie. Diese Stimme, diese entsetzliche Stimme, sie kam nicht von außen, sie war in ihr. Sie war irgendwie in ihr und ganz gleich, wie sehr sie versuchte sie auszusperren und sich die Ohren zuzuhalten, die Stimme ging nicht weg. Sie war einfach in ihr. Sie war in ihr drin. Nur wenn sie schrie, wenn sie gegen sie an schrie, dann verstummte sie.
Drego blickte nur zwischen mir und Moribert umher, dann zuckte er mit den Schultern und entgegnete: „Eine Fügung des [[Phex-Kirche|Herrn Phex]], denn mehr als mein Name war es nicht, der den [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]] dazu veranlasst hat, mich mit [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] zu belehnen. Vielleicht dachte auch so mancher bei Hofe, mit mir sei ein leichtes Spiel zu treiben. Gegen die [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteiner]] stand ich alleine.“ Sein Blick schweifte zu mir. „Bis zum heutigen Tag haben sie es nicht mehr gewagt, anzugreifen.“ Er wusste genauso gut wie ich, dass die Angelegenheit nicht so einfach war, aber ich widersprach ihm nicht. „Diese Prüfung der Götter, denn etwas anderes war es nicht, habe ich bestanden.“ Langsam, aber überdeutlich nickte er. „Ich habe mich bewährt und deutlich gemacht, dass man mich ernst nehmen muss – auch wenn das noch nicht jeder wahrhaben will.


''iCH habE DIcH GereTTEt.''
Moribert nickte.


„Du lügst“, versuchte sie es erneut, „Du bist böse.“
„Glaube mir, an vielen Tagen wünsche ich mir, ich hätte mich nie in diese Fehde gestürzt. Die Waldsteiner haben mich angegriffen und auch wenn sie sich bis jetzt ruhig verhalten, so konnte bisher einfach keine endgültige Einigung erzielt werden – auch bis zum heutigen Tag nicht. Sie verhalten sich ruhig, aber wie lange noch?“ Fragend schaute er uns an. „Nach den Waldsteinern waren da die [[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]. Sie trachtete nach meinem Baronsreif und dabei war es ihnen vollkommen gleichgültig, ob sie ihn mit oder ohne meinen Kopf in Händen hielten. Mein [[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]] hätte diesen Irrsinn fast mit ihrem Leben bezahlt. Und meine [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|jüngste Tochter]] ...“ Seine Stimme brach. Betreten schaute er drein. Ich sah ihm deutlich an, dass er kurz davor gestanden hatte, etwa zu offenbaren, worüber er besser geschwiegen hätte. „Oft denke ich darüber nach, wie alles gekommen wären, wenn ich mit ihr einfach in ihre Heimat gegangen wäre ...“


''icH HABe DiCH gErettET. WiE KanN IcH Da bÖSe sEIn?''
„Aber du bist dein eigener Herr“, erwiderte ihm Moribert, „Ich habe, solange ich denken kann, unter dem Zorn und der Wut unserer Mutter gelitten. Von Boriane und unseren [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Kindern]] ganz zu schweigen. Du konntest dich mit deiner Gattin in Schwarztannen verstecken, aber für uns hat es nie ein Entkommen gegeben.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Unsere [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|Erstgeborene]] hat Mutter ausbrennen lassen, weil sie Magie für Madas Fluch hielt. Alle habt ihr nur zugesehen, aber keiner hat unsere Mädchen beigestanden. Unsere [[Garetien:Jermorane von Altjachtern|Zweitgeborene]] wurde an den Namenlosen Tagen geboren und Mutter hat verfügt, sie in die Obhut ihres [[Garetien:Firunian von Altjachtern|Oheim]] im [[Garetien:Ritterherrschaft Gnadenthal|Hüter des Gnadenthals]] zu geben. Wieder habt ihr alle nur zugesehen, aber keiner hat etwas unternommen. Wenig vor ihrem Tod hat sie Jemorane dorthin bringen lassen, obwohl sie noch viel zu jung war, als habe sie geahnt, dass wir das nie ohne sie getan hätten. Unsere [[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Drittgeborene]] soll an den Grafenhof ...“


„Du bist böse!“, wiederholte sie erneut, „Du bist durch und durch böse. Nichts was aus dem Praiosborn kommt kann gut sein.“
„Tu das nicht!“, entfuhr es Drego entschieden. Energisch schüttelte er den Kopf. „Das ist kein guter Ort. Glaub mir. Bei all dem, was dir von Mutter angetan wurde, das ist kein guter Ort für deine Tochter. Wirklich nicht.“


''dANn WAr eS NicHt gUt, daSs IcH DIcH GErettET hABe?''
„Was willst du damit sagen?“, wollte ich da nun wissen, „Du bringst schwere Anschuldigungen vor! Ich hoffe, du hast dir deine Worte wohlüberlegt!“


Sie schwieg.
„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er da an, „Mir ist klar, was ich da sage und ich habe gute Gründe, warum ich es sage. Doch kann ich nichts Genaueres sagen. Ihr müsst mir vertrauen. Bei allem, was passiert ist, ist mir doch eines klar geworden: Meine Familie ist das Wichtigste für mich. Ich würde sie in Gefahr bringen. Ich würde euch in Gefahr bringen. Jeder, der mehr weiß, ist in Gefahr. Und außerdem ...“ Er musterte mich eindringlich. „... dürftest du darüber nicht einfach hinwegsehen, Gerlinde.“


''HäTTe IcH DicH BeSsEr IM waSsER LiEGen LasSeN soLLeN? IHr meNSchEN HänGT aN EurEM LEbEN. wENn dU Es NichT WillSt, DanN kANNst Du ES jETzT Zu enDE bRInGEn. gEH iNS wAsSEr oDer… OdEr lASSe DiR vOn Mir heLFen. IcH WeRDe hIEr aUF dEInE enTSchEIDunG wARtEN. ICh WerDe hIEr wARtEn. hIEr iN dIEseM SPalt. iCH BiN hIeR. DU WeißT, wO Du MiCH FinDEN kANnsT.''
„Dann muss ich es erst recht erfahren“, energisch nickte ich, „Also sprich, Bruder, sprich.


== Verhängnis ==
Doch Drego schüttelte seinen Kopf: „Nein, nein und noch einmal nein. Und ganz gleich wie sehr du mir zusetzt, ich werde nicht reden. Mehr als einen Verdacht habe ich nicht, Gerlinde. Einen begründeten Verdacht, aber ...“ Er hielt inne. Ich straffte mich und schenkte ihm einen scharfen Blick. „... das reicht nicht. Mir ist das klar. Außerdem ist das nicht deine Angelegenheit. Das ist eine Angelegenheit des Reichsforstes und nicht einer der Waldsteiner.
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''
Es dauerte, geraume Zeit verstrich, aber dann, ja dann kam sie zu ihm oder… zu ihr? Wer vermochte das denn schon so genau zu sagen? Irgendwann war Hunger, Kälte und Verzweiflung einfach zu viel für das Mädchen. Und in jenem Augenblick, da sie entschied, es könne ja nicht noch schlimmer werden, entschied sich ihr Schicksal.


„Hilf mir“, bat sie.
„Ich diene der Himmlichen Leuin und ...“


In dem Spalt war es ruhig. Dort war nur Dunkelheit.
„Ja, Gerlinde“, erwiderte er mir da, „Mutter wurde nie müde das zu betonen. Niemals.
-->


„Hilf mir hier raus“, versuchte Kysira es erneut.
== Nichte ==
<!--Zsfg: Alrike Herdane wird Pagin bei ihrem Oheim, Baron Drego.


Es blieb ruhig. Die Dunkelheit war einfach nur Dunkelheit. Leise gluckerte das Wasser hinter ihr. Hatte sie sich das alles nur eingebildet?
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF


„Bitte“, flehte sie nun.
[[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Alrike Herdane]] und ihre kleine Schwester [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Ederlinde]] weinten unablässig. Träne um Träne kullerte von den Wangen der beiden Mädchen hinab, als wir [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] auf dem Boronanger beisetzte. Ich sprach den Grabsegen, so wie es ihr Wunsch gewesen war. Die Praiosscheibe stand am wolkenfreien Horizont. Dieser Tag war schön. Viel zu schön.


Doch auch dieses Mal tat sich in dem Spalt nichts. Wieder war da einfach nur Dunkelheit. Gewöhnliche Dunkelheit. Dann… dann musste sie sich das doch eingebildet haben? Ja, dann… dann musste sie es sich wirklich eingebildet haben.
Noch am selben Tag brach ich mit meinem Bruder gen [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] auf. Die drittgeborene Tochter unseres ältesten Bruders, Alrike Herdane, ritt mit uns. Ohne eine Regung war sie auf Anweisung ihres Vaters mitgekommen. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] hatte ihm versichert, dass [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] es ihm sicher nicht übel nähme, wenn er seine Tochter erst einmal zu seinem Bruder an den Hof gäbe. Noch sei das Mädchen jung, hatte er erklärt, noch könne man gut begründen, dass es besser für sie war innerhalb der Familie Pagin zu sein. Drego war ungewöhnlich unbeugsam gewesen und von einer noch ungewöhnlicheren Entschlossenheit erfüllt. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] widersprach nicht. Er war gewohnt, zu folgen. [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] hatte bitterlich geweint, ihre Tochter geherzt und geküsst. Alrika Herdane war teilnahmslos geblieben.


Kysira ließ ihren Kopf resigniert hängen, wandte sich um und entfernte sich einige Schritte und war plötzlich von vollkommener Finsternis umfangen und bittere Kälte. Ihr Herz setzte einen Moment aus. Es war so finster, dass sie ihre eigene Hand vor ihren Augen nicht einmal mehr erkennen konnte. Die unsägliche Kälte machte ihr das Atmen schwer. Und hinter ihr pulsierte die Finsternis...
„Ganz sicher wird es dir in Scharfenstein gefallen“, erklärte mein Bruder unsere Nichte auf dem Weg nach Scharfenstein, „Es gibt dort viele Kinder, darunter auch meine Pagen. Außerdem natürlich meine eigenen Kinder: Du wirst [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Drego]], [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Lechmin]] und [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]] kennenlernen. Und mein ''[[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]]''.“ Er seufzte. „Meine Frau.


IcH HElfE DiR UnD dU HilFsT mIR.  
„Die diebische Elster?“, entfuhr es dem Kind da.


Kysira begann zu zittern. Die Finsternis wurde noch undurchdringlicher, pulsierte zunehmend stärker
Dregos Miene verfinsterte sich: „Das ist deine Großmutter, die da aus dir spricht.“ Er hielt inne. „Niemand, der mein ''Orknäschen'' kennt, kann so über sie reden. Gar niemand. Auch du wirst so nie wieder von ihr reden. Nie! Hast du das verstanden?“


HiLFe gEGen hilFE.
Betreten blickte das Mädchen zu Boden und nickte.


„Gut“, brachte sie hervor, „Was... was willst du?
„Anstatt die Worte einer alten Frau nachzuplappern, solltest du dir lieber selbst ein Bild machen. Irgendwann wirst du begreifen, wessen Worten zu trauen ist und wessen nicht.“ Er hielt inne. „Aufrichtige und Ehrbare sind selten.“
-->


Die Finsternis hatte sie umschlungen, hielt sie fest. Sie spürte deren pulsieren in ihrem Körper.
= Fische im Netz =
== Bedenkzeit ==
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]


niMM eTWas miT DiR. NimM eS MIT hINauS. Es GEhöRT nUn Zu dIR. VeRLIEre ES nICHT. eS Ist dEIn. UnD dU bIST SeIN.
[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.


= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
== Einhornfrau ==
== Einhornfrau ==
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''
'''[[Garetien:Ritterherrschaft Praiosborn|See Praiosborn]], Praios 1045'''
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= Das dritte Kind =
= Das dritte Kind =
== Vernunft ==
== Albträume ==
[[Garetien:Burg Praiosborn|Burg Praiosborn]], Anfang Hesinde 1045 BF
'''[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Firun 1045 BF'''


Zärtlich strich [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai]] ihrer ältesten Schwester das Haar aus der schweißnassen Stirn. Die Reichsritterin war blass und erschöpft.
''Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.''


„So geht das nicht weiter, ''weiße Lilie''“, hob sie an, „Du kannst nichts mehr bei dir behalten. Das ist nicht gut.“
''„Ist es... ist es... tot?, wisperte er leise der [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Hofkaplanin]] neben ihm zu.''


[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]] ließ sich erschöpft in ihre Kissen gleiten.
''„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „[[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Es]] ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]]. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.''


„Du liegst seit Tagen nur in deinem Bett, kannst kaum aufstehen, noch weniger essen und davon nichts bei dir behalten. Das geht so nicht weiter.“
''Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“''


„Dann hilf mir“, flehte die Reichsritterin mit halbgeöffneten Augen während sie mit ihren Fingern nach ihrer Schwester zu greifen versuchte, doch ihr fehlte die Kraft auch nur ihre Finger auszustrecken, „Bitte, ''blühende Narzisse'', bitte.“
''Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...''
 
Nurinai deckte ihre Schwester zu, wobei sie nahezu beiläufig anmerkte: „Wir müssen [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]] bitten zu kommen.“
 
„Nein“, erwiderte Ailsa da so energisch sie konnte und schüttelte schwach ihren Kopf, „Nein.“
 
„Doch“, nun setzte sie sich zu ihr und strich ihr erneut das feuchte Haar aus der Stirn, „Doch. Es führt kein Weg daran vorbei.“
 
„Aber... aber warum hilfst du mir denn nicht, ''blühende Narzisse''? Warum nur?“, mit glitzernden Augen schaute sie die Geweihte an.
 
„Ich bin eine Dienerin des [[Boron-Kirche|Schweigsamen]]“, erklärte sie mit ruhiger und leiser Stimme, „So lange dieses Kind nicht tot ist kann ich nichts tun. Wir brauchen jemanden, der sich nicht nur mit den Lebenden beschäftigt sondern auch jemanden, der sich mit Schwangerschaft und Geburt auskennt. Lindegard ist die beste Wahl.“
 
„Sie ist [[Garetien:Drego von Altjachtern|Dregos]] Hofkaplanin!“, entfuhr es der Ritterin entsetzt, „Sie wird ihm alles verraten. Alles.“
 
„Nein“, nun schüttelte Nurinai den Kopf, „Gewiss nicht, ''weiße Lilie'', gewiss nicht. Sie wird dir helfen und sie wird schweigen, weil wir sie darum bitten.“
 
„Das kannst du nicht wissen“, raunte sie, „Sie ist ihm loyal, nicht mir.“
 
„Sie ist vor allem ihrer [[Peraine-Kirche|Herrin]] loyal und jenen, denen sie beisteht. Sie ist eine Geweihte, was denkst du eigentlich von uns? Wenn man einen Geweihten bittet zu schweigen, dann muss dieser schweigen. Außerdem was hätte sie davon, dich zu verraten?“
 
Noch immer schüttelte Ailsa unwillig den Kopf: „Ich will sie nicht hier haben.“
 
Nun seufzte die Geweihte: „Ist dir überhaupt klar, dass du da möglicherweise das Todesurteil über dein [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Kind]] sprichst? Du brauchst dringend jemanden, der dir hilft. Jemand, der etwas davon versteht. Jetzt sei doch einmal vernünftig. Ein einziges Mal. Soll dein Kind leben oder sterben?“
 
Fassungslos schaute die Reichsritterin nun ihre Schwester an.
 
„Also?“
 
„Leben“
 
„Dann schicken wir nach Schwester Lindegard.“
 
„Gut.“
 
== Vorläufig ==
[[Garetien:Burg Praiosborn|Burg Praiosborn]], Ende Hesinde 1045 BF
 
„Ich mache mir ernsthaft Sorgen“, erklärte [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]] mit fester Stimme nachdem sie die Reichsritterin gründlich untersucht hatte, „Was Ihr mir erzählt, dass klingt wirklich nicht gut. Wie lange geht das schon so?“
 
„Es war eine geraume Zeit mal besser“, erwiderte [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] mit brüchiger Stimme, „Seit Beginn des Winters ist die Übelkeit dann wiedergekommen und das schlimmer als zuvor.“
 
Einfühlsam nickte die Hofkaplanin: „Ich kann Euch nur dringend raten mich nach [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] zu begleiten. Dort kann ich mich jederzeit um Euch kümmern, der Peraine-Tempel ist nicht weit und Euer Gatte...“
 
„[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] weiß es nicht“, fiel ihr Ailsa ins Wort.
 
„Oh?“, entfuhr es Lindegard sichtlich fassungslos, „Aber... aber... aber warum das denn nicht?“
 
Die Reichsritterin blickte betreten drein, machte aber keine Anstalten etwas zu sagen. Die Hofkaplanin blickte hilfesuchend zu den Schwestern der Baronin.
 
„Na“, meinte [[Garetien:Scanlail ni Rian|Scanlail ni Rían]] da mit leicht spöttischem Unterton, „Denkt mal scharf nach.“
 
„Halt den Mund, ''thorwalsche Rose''“, zischte Ailsa.
 
„Ich habe überhaupt nichts gesagt. Ich hab nur gesagt, dass sie mal scharf...“
 
„Klappe zu“, polterte [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]] da energisch und brachte damit ihre beiden älteren Schwestern zur Räson, „Ihr werdet ihm nichts sagen.“
 
„Ähm“, Lindegard stutzte. Sie zog ihre Stirn kraus. „Ja. Also... also wenn Ihr das so wünscht, dann... dann werde ich natürlich schweigen, aber... ich... ich verstehe nicht warum.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Warum solltet Ihr Eurem Gatten und Vater des Kindes Tsas erneuten Segen vorenthalten?“
 
Da lachte die Skaldin: „Erstaunlich, wie schnell ihr zum Kern des Probl...“
 
„SCHNAUZE“, schrie Ailsa wütend und warf ein Kissen nach ihrer Schwester.
 
„Oh, jetzt habe ich aber Angst“, foppte Scanlail sie da.
 
„Ich hasse dich!“, entfuhr es der Reichsritterin, „Du bist echt das Letzte.“
 
„Ja, ja“, winkte die Angesprochene da ab, „Ich dich auch. Ich dich auch.“
 
Nurinai verdrehte nur genervt die Augen.
 
Und die Hofkaplanin begriff plötzlich was das Problem war und ihr entfuhr ein: „Oh Herrin [[Peraine-Kirche|Peraine]] steh mir bei.“ Dann war es einen Moment still. „Ich hallte es trotzdem für besser, wenn ihr mit mir nach Scharfenstein kommt. Ja, ich könnte hier bleiben, aber meine Mittel hier sind begrenzt und zudem weiß ich in [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] ganz genau wo ich Hilfe finde, wenn ich mit meinem Können am Ende bin.“
 
„Nein“, erwiderte die Baronin entschieden, „Ich gehe nicht zurück. Ich will das nicht.“
 
Lindegard seufzte: „Gut. Dann... dann werden wir es so versuchen.“ Sie schluckte. „Ich werde Euch das ein oder andere da lassen und Euer Gnaden darin unterweisen, wie es anzuwenden ist. Wenn es jedoch nicht besser wird oder gar noch schlimmer, dann muss euer Weg nach [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] führen ansonsten fürchte ich, dass nur Golgari auf Euer Kind und vielleicht auch sogar auf Euch wartet.“
 
== Heimkehr ==
[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], Firun 1045 BF
 
Es ging nicht lange gut, dann sah selbst [[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa]] ein, dass ihr ganzer Starrsinn nicht half und es besser war sich zu fügen und bei Drego zu kreuze zu kriechen. Die Reise nach Scharfenstein war eine unfassbare Tortur, aber es gelang. Unglücklicherweise war der erste, der sie aufsuchte ihr Gatte...


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„''Orknäschen''?“, rief [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]] und eilte eilig in das Zimmer hinein, „''Orknäschen''! Da bist du ja endlich! Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich freue. Oh, ''Orknäschen'', mein liebes ''Orknäschen'', jetzt bist du endlich wieder hier. Endlich.
... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Jast]] trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?
 
Die Reichsritterin saß auf dem Bett und blickte auf. [[Garetien:Stordan Raulfried von Gerbachsroth|Stordan]] und [[Garetien:Lorine von Boltansroden|Lorine]] zogen ihre gerade die Stiefel aus. Die Schneeflocken auf ihrem Umhang begannen zu schmelzen.
 
„Ich habe die [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Kin]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|der]] mitgebracht“, erklärte sie ihrem Gatten erschöpft.
 
„Du bist ja ganz blass“, stellte er fest, „Geht es dir immer noch nicht besser?“
 
„Hat [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Schwester Lindegard]] mit dir gesprochen?“
 
Nun schluckte er: „Sie hat nur gesagt, dass es dir gerade nicht gut geht. Mehr wollte sie mir nicht sagen. Auch nicht, was genau mit dir ist.“
 
„Drego“, sie schluckte schwer, „Wir müssen reden. Setz dich zu mir. Lorine und Stordan lasst uns allein.Die Pagen ginge. Schwerfällig setzte sich Drego neben sie auf das Bett. Sie trug noch immer ihren schweren Umhang.


„Was ist mit dir, ''Orknäschen''?“
„Wo ist ''Orknäschen''?“, wollte er wissen.


„Ich bin schwanger.“
„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner [[Garetien:Rondrara von Treleneck|Mutter]] bringen lassen, Hochgeboren.“


Erst breitete sich ein erfreutes Lächeln auf seinem Gesicht aus, dann jedoch verfinsterte sich zunehmend seine Miene. „Das kann nicht sein“, erwiderte er kopfschüttelnd und fügte mit schriller werdenden Stimme hinzu: „Seit der Geburt unserer Kinder hast du mich immerzu abgewiesen.“
„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“


„Ja“, sie wandte ihren Blick von ihm ab. Vor diesem Augenblick hatte sie sich seit Monden gefürchtet und immer gehofft, er würde nie kommen. Nun war es so weit und es war noch entsetzlicher als sie es sich ausgemalt hatte. Sie wusste, dass er sie liebte. Aus tiefem Herzen liebte er sie und sie musste ihm jetzt das Herz brechen.
„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.


„Aber... aber... aber das hieße doch...“ Er konnte nicht aussprechen, was doch jeder von ihnen wusste.
Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach [[Garetien:Wehrhof Esenfeld|Esenfeld]] zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“


„Ja“, bestätigte sie, „Das heißt es.
„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.


„Wer?“, verlangte er zu wissen, „Wer war es?“
„Welche?“


Sie schüttelte ihren Kopf.
Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden [[Garetien:Elerea ni Rian|Elerea ni Rian]].


„Du sagst mir jetzt sofort seinen Namen“, er packte sie an ihrer Schulter, „Sag ihn mir. SOFORT!
„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem [[Garetien:Tempel zu Ehren der Heiligen Thalionmel zu Schwarztannen|Heimattempel]] in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore [[Garetien:Stadt Schwarztannen|Schwarztannens]] geschlossen. Soll ich Euer Gnaden [[Garetien:Nurinai ni Rian|Nurinai ni Rían]] wecken?


Doch wieder schüttelte sie ihren Kopf.
„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“


„Ich habe ein Recht es zu wissen. Ich habe die Pflicht es zu wissen. Ich werde ihn zur Rechenschaft ziehen. Ich muss ihn zur Rechenschaft ziehen. Du bist MEINE FRAU. MEINE.“
== Bitte ==
Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld


„Nein.“
{{Brief
|Adressat=An Euer Hochgeboren [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego von Altjachtern]], Baron zu [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]], [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]<br/><br/>
Liebster Drego,


Da packte er sie noch fester, schüttelte sie und verlangte erneut und dieses Mal noch energischer und unnachgiebiger: „Sag ihn mir.
|Text=so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.


„Du tust mir weh!“, wimmerte sie, „Geh jetzt. Geh bevor du etwas tust, was du bereuen wirst.“
|Absender=[[Garetien:Ailsa ni Rian|Ailsa ni Rían]]<br/>Reichsritterin zu Praiosborn
 
Abrupt ließ er sie los, als wäre sie ein ekelerregende Spinen, die er versehentlich mit den Fingern gepackt hatte: „Ich... ich... ich wollte nicht... Ich...“
 
„Ja, ich weiß“, erwiderte sie und strich sich eine einzelne Träne von ihrer Wange. Es schmerzte sie ihn so zu sehen. Das hatte sie so doch nicht gewollt. Nein, ganz gewiss hatte sie das so nicht gewollte und deswegen sagte sie etwas, was ihr zum Vorteil gereichen sollte: „Ich auch nicht, Drego. Ich auch nicht. Geh jetzt bitte, ich muss mich hinlegen. Mir ist nicht gut.“
 
{{Trenner Garetien}}


Er verließ das Zimmer und kaum hatte er die Tür hinter sich geschlossen verlangte er mit tosender Stimme: „Ich will meine Hofkaplanin sprechen. SOFORT.“
}}


=Weitere Ideen=
=Weitere Ideen=

Aktuelle Version vom 26. April 2024, 04:54 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.


Ein Ende und ein Anfang

Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.

Schwester

Vater

Mutter

Bruder

Nichte

Fische im Netz

Bedenkzeit

Burg Scharfenstein

Sie bat sich Bedenkzeit aus. Baron Drego verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.

Albtraumgestalt

Einhornfrau

See Praiosborn, Praios 1045

(...)

Der Raller treu

Verschwunden

Markt Rallingen, im Travia 1044 BF

Zeit zu sterben

Prolog

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Es war ein winziger Augenblick, ein Moment nicht länger als ein Atemzug, ein Wimpernschlag oder gar ein Herzschlag nur der Unachtsamkeit, des Zögerns, des Nachdenkens, des Verweilens, des Müßigganges oder auch nur der Neugierde der das Leben vom Tod trennte. Und so wie es so manchem Menschen auf Dere erging, erging es auch dem Hasen, der unerwartet meinen Weg kreuzte oder kreuzte ich den seinen? Er zögerte zu lange. Schaute mich zu lange an. Dachte zu lange nach. Verweilte zu lange. Da packte ihn der vom Himmel herabstürzende Habicht mit seinen kräftigen, gelben Krallen und hielt ihn fest. Das Tier kämpfte und schrie verzweifelt um sein Leben, doch der Habicht hielt es fest. Es sprang und tobte, doch unerbittlich hielt der Habicht es fest.

Und einen winzigen Augenblick später tauchte ein Hund auf. Ein brauner, alter, etwas zotteliger Hund. Auch er verharrte. Zögerte. Schaute mich an. Interessiert. Neugierig. Er dachte nach. Er dachte angestrengt nach. Schnupperte. Ob er mich kannte? Und einen winzigen Augenblick später tauchte eine Frau auf, eilte an die Seite des Habichts, kniete sich nieder, packte den Hasen und machte ihm den Garaus, wobei sie die Bauchdecke des Tieres mit seinem Eberfänger öffnete um dem Habicht seinen Anteil zu geben. Gierig fiel der Vogel über die Eingeweide der Beute her.

So war er, mein Herr, Gebieter über Schlaf und Tod. Unablässig und unerbittlich schickte er seine Diener aus. Und nun hatte er mich hierher geschickt: Nach Hause...

Wiedersehen

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Blut tropfte von der schimmernden Klinge des Eberfängers. Die Frau richtete sich auf und erst da fiel ihr Blick auf mich. Einen Moment verharrte auch sie, zögerte, dachte nach. Ob sie sich wohl fragte, warum ihr Hund nicht gebellt hatte?

„Dela?“, Tessia von Haselbusch musterte mich, „Nein! Marbo... Marbodane?“

Langsam nickte ich. Gemächlich trottete der Hund auf mich zu.

„Ich... ich hätte dich fast nicht erkannt“, erklärte sie etwas verwundert, „Du... du hast dich verändert und doch...“ Sie legte ihren Kopf etwas zur Seite und musterte ihre Gegenüber. „... bist du irgendwie dieselbe geblieben.“ Etwas verwundert zuckte sie mit den Schultern. „Lediglich älter bist du geworden. Ja...“ Ein verschmitztes Lächeln legte sich über ihre Wangen. „... älter.“

Ich erwiderte ihr Lächeln: „Älter bin ich geworden, Tessia.“ Der Hund – besser gesagt eine Hündin – war nun ganz nahe bei mir. Interessiert roch sie an mir, leckte mir über den Handrücken, ehe sie sich vor mir ins Gras warf, mir ihren nackten Bauch entgegen reckte um von mir gestreichelt zu werden. „Aber Irmi...“, ich ging in die Knie und kraulte das Tier ausgiebig, „Irmi hat mich erkannt.“

„Ja...“, die Jägerin säuberte eilig ihren Eberfänger und steckte ihn zurück in die Scheide, „Es verwundert mich. Sie ist alt geworden, Marbodane. Ich meine, wie lange ist es her, dass du nicht mehr hier warst?“ Unwissend zuckte sie mit den Schultern. „Ich hatte nicht erwartet, dass sie dich nach all den Götterläufen noch erkennt. Sie erkennt ja geradeso noch Dankwart und mich, aber dich?“ Fragend blickte sie ihre Gegenüber an.

„Tiere haben ein Gespür für den Tod“, wusste ich, „Das sagt man auch uns nach oder viel mehr unserem Herrn...“

„Dann bist du gekommen, weil... ?“, die Frau schluckte schwer, „... jemand von uns sterben wird?“

Ich nickte.

Erinnerung

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

Tessia schluckte schwer und versuchte sich an einem Lächeln während sie mir kehlig erklärte: „Sterben müssen wir alle eines Tages, nicht wahr?“

„So ist es“, erwiderte ich und sah in ihren Augen die Angst, die Angst jemanden den sie von Herzen liebte zu verlieren. Ich kannte diese Angst nur zu gut, zwar nicht von mir selbst, aber von jenen Menschen, denen ich begegnete. Mein Herr war bei den meisten gefürchtet, so nahm er ihnen doch das Liebste. Und obgleich er doch auch der Herr über den Schlaf und auch über die Träume war, so dachte kaum jemand an diese Aspekte wenn er meiner ansichtig wurde...

„Nun gut“, schloss die Junkersgemahlin sichtlich ernst, „Dann wollen wir mal auf die Haselburg gehen. Ich würde gerne sagen, dass Dankwart sich freuen wird, dich zu sehen, Marbodane, aber ich fürchte, dass das nicht der Wahrheit entspricht...“

Verständnisvoll nickte ich: „Ich weiß, Tessia, ich weiß. Er grollt mir noch immer...“

„Tief in seinem Herzen weiß er wohl, dass du keine Schuld trägst“, nun klang ihre Stimme bitter, „Aber...“ Regelrecht hilflos zuckte sie nun mit den Schultern. „Schon bevor wir dich und deine Schwester nach dem Tod eures Vaters auf der Haselburg aufgenommen haben, haben wir Kinder verloren. Das letzte kurz bevor du dein Noviziat begonnen hast...“ Damals hatte es meinem Oheim gereicht. Er hatte meine Anwesenheit einfach nicht mehr ertragen. So hatte er mich fortgeschickt. Ein Noviziat in der Boron-Kirche war ihm passend erschienen, schließlich hatte ich stets gewusst, wann jemand stirbt, eine seltsame Gabe, die nicht nur ihn verängstigt hatte. Zu jenem Zeitpunkt hatte man mir meinen heutigen Namen gegeben: Marbodane. „... danach hat uns Tsa diese zweifelhafte Gnade nicht mehr zuteil werden lassen.“

„Bist du traurig darüber?“

„Ich weißt nicht recht“, meinte sie da unsicher, „Irgendwie schon und irgendwie auch nicht. Ich... ich weiß es einfach nicht. Ich meine...“ Wieder zuckte sie mit den Schultern. „Dankwart und ich haben immerhin Lechdan und das ist mehr als manche andere haben. Ich will auch nicht undankbar sein, aber... aber manchmal frage ich mich schon, warum ausgerechnet uns das passieren musste...“ Etwas fragend blickte sie die Geweihte an.

„Darauf kann ich dir keine zufriedenstellende Antwort geben“, erwiderte ich leise seufzend, „Aber vielleicht ist euch das passiert, weil ihr das ertragen konntet, jemand anders wäre vermutlich daran zerbrochen...“

Tessia schwieg sich dazu aus, aber an ihrer Reaktion sah ich deutlich, dass sie meine Worte nicht richtig an sich heranlassen konnte und auch gar nicht wollte.

Wenige Augenblicke als die Haselburg – eher ein befestigtes Haus als eine Burg – vor uns auftauchte, wollte sie sehr ernst von mir wissen: „Ist es Lechdan? Wird er sterben?“

Ich schüttelte den Kopf: „Es ist jemand hier. Hier auf der Haselburg.“

Seltsamerweise schien sie erleichtert. Vermutlich lag es einfach daran, dass die größte Sorge meines Oheims stets jene gewesen war, auch noch Lechdan zu verlieren. Er war eben ihr einziges Kind und der designierte Erbe. Aus diesem Grund hatte mein Oheim mich auch fortgeschickt, ganz so als könnte er damit verhindern, dass es weitere Tote gäbe...

Mutter

Junkertum Haselbusch, Efferd 1044 BF

„Wie geht es...“, Tessia stockte einen Moment während sie ihren Habicht in die Voliere brachte, entschied sich dann aber ihre Frage zu Ende zu formulieren, „... deiner Mutter?“

Es dauerte entsetzlich lange, bis ich eingestand: „Ich habe sie schon sehr lange nicht mehr gesehen. Sehr lange.“

„Hm“, machte die Haselbuscherin da, „Ist sie denn nicht mehr... im... im Kloster?“

„Das Kloster ist groß“, erwiderte ich ihr da, „Vielleicht ist sie noch da, vielleicht aber auch nicht.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht.“ Dann hielt ich einen Moment inne. „Abgesehen davon war ich auch nicht sonderlich oft im Kloster, eigentlich war ich nur dann da, wenn es sich nicht vermeiden ließ. Das war nicht oft. Die meiste Zeit war ich unterwegs. Manchmal glaube ich, dass das die Absicht meiner Lehrmeisterin war. Sie wollte mich nicht zu sehr mit der Vergangenheit konfrontieren...“

„Schade“, kommentierte die Junkerin seufzend, „Schade ist es trotzdem. Sie ist immerhin deine Mutter.“

„Ja“, entfuhr es mir kehlig, „Das schon, aber... sie könnte mir ohnehin nichts erzählen. Sie hat... hat vor geraumer Zeit eine Schweigegelübde abgelegt...“

„WAS?“, entfuhr es der Älteren vollkommen fassungslos als sie die Voliere wieder verließ, „Warum?“

Wieder zuckte ich mit den Schultern: „Auch das weiß ich nicht. Meine Lehrmeisterin hat es mir gesagt. Vor meiner Weihe. Zu dieser Zeit hatte ich nämlich überlegt sie aufzusuchen und nach... nach meinem Vater zu fragen. Aber...“ Meine Stimme brach. Über meinen Vater wusste ich kaum etwas. Er war seit langem tot. Ich hatte ihn nie kennengelernt. Selbst meine ältere Schwester Daria konnte sich kaum an ihn erinnern. „... dafür war es zu spät.“ Ich versuchte mich an einem Lächeln, denn ich spürte den mitleidigen Blick meiner Base auf mir Ruhen. „Als sie es mir sagte, hatte sie Tränen in den Augen. So wie du jetzt...“

„Ach, Marbodane“, schniefte sie, „Ich hatte so gehofft, dass sie dir irgendwann alles erklären könnte, denn ich...“ Sie schluckte schwer. „... ich weiß nicht, ob es Dankwart je tun wird und ich selbst weiß zu wenig. Und... und wenn er es nicht tut dann... dann...“ Tessia zuckte sichtlich hilflos mit den Schultern. „... dann wird es für ewig im Dunkeln liegen.“

„Und du?“, wollte ich zaghaft wissen, „Weißt du nichts?“

Tessia schaute zu Marbodane auf. Die Boron-Geweihte war inzwischen etwas größer als ihre Base. „Ich weiß nur das, was man sich darüber erzählt. Was man sich hier darüber erzählt“, erwiderte sie mit rauer Stimme und zuckte sogleich entschuldigend mit den Schultern, „Ich weiß nichts darüber, was wirklich war, denn man erzählt sich viel, auch Dinge, die nicht wahr sind und da ich nicht weiß, was war...“ Sie hielt inne. „Was soll ich dir da erzählen?“

Das dritte Kind

Albträume

Burg Scharfenstein, Firun 1045 BF

Im Zimmer war es nahezu finster, obgleich draußen die Praiosscheibe hoch am Himmel stand. Die Luft war stickig und muffig, es roch nach kaltem Schweiß und nach Blut. Einige Kerzen versuchten die düstere Stimmung mit ihrem diesigen Licht zu vertreiben und vermochte es doch einfach nicht. Es war still. Entsetzlich still. Totenstill. Ailsa lag ruhig auf dem Bett, nahezu reglos.

„Ist es... ist es... tot?“, wisperte er leise der Hofkaplanin neben ihm zu.

„Ja“, hauchte sie fast tonlos und nickte zaghaft, „Es ist tot und... und Eure Gattin...“ Erleichtert seufzte Baron Drego. Erleichtert, weil er sich nun nicht mehr entscheiden musste, wie er mit einem Kind umgehen sollte, dass doch nicht seines war. Die Götter hatte ein einsehen gehabt und ihn von dieser Entscheidung freigesprochen. „Die Götter haben weise entschieden“, schloss er und nickte ernst.

Die Peraine-Geweihte blickte ihn fassungslos an und schüttelte ihren Kopf. Mit anklagender Stimme erklärte sie: „Hochgeboren, wie könnt Ihr von einer weisen Entscheidung der Götter sprechen? Es war Eure Entscheidung! Eure allein! Und dadurch das Ihr nichts entschieden habt und untätig wart haben die Götter nun ihre weise Entscheidung gefällt das Ungeborene nicht allein übers Nirgendmeer zu schicken.“

Ein kalter Schauer ergriff von ihm Besitz, seine Hände begannen zu zittern, ungläubig schüttelte er seinen Kopf, dann stürzte er an das Bett seiner Liebsten nur um...

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... schweißgebadet und schreiend zu erwachen. Drego von Altjachtern setzte sich auf und rang um Atem und noch mehr um Fassung. Kaum einen Wimpernschlag nachdem er von diesem entsetzlichen Traum aus dem Schlaf gerissen worden war, klopfte es an der Tür und Jast trat herein: „Hochgeboren, braucht Ihr etwas?“

„Wo ist Orknäschen?“, wollte er wissen.

„Ähm“, der Knappe schien einen Moment irritiert, „Ihr habt sie am Morgen nach Esenfeld zu meiner Mutter bringen lassen, Hochgeboren.“

„Ja“, stimmte Baron Drego ihm tonlos zu, „Dann... dann... dann bringt mir Schwester Lindegard. Sofort.“

„Ja“, erwiderte der Knappe da, „Sehr wohl.“

Doch nach einiger Zeit kam er ohne die Geweihten zurück: „Schwester Lindegard ist nach Esenfeld zu Eurer Gattin aufgebrochen. Meine Mutter hat nach ihr geschickt.“

„Dann... dann bring mir Euer Gnaden Rían“, verlangte er.

„Welche?“

Er verdrehte die Augen: „Euer Gnaden Elerea ni Rian.“

„Hält sich derzeit wahrscheinlich in ihrem Heimattempel in Schwarztannen auf“, konnte er nur vermuten, „Auf Scharfenstein ist sie jedenfalls nicht. Doch zu dieser nachtschlafenden Zeit sind die Stadttore Schwarztannens geschlossen. Soll ich Euer Gnaden Nurinai ni Rían wecken?“

„Nein“, entschied er, „Nein. Es wird auch so gehen. Gehen müssen. Ich möchte beten, geh jetzt.“

Bitte

Gegeben im Tsa 1045, Esenfeld

An Euer Hochgeboren Drego von Altjachtern, Baron zu Schwarztannen, Burg Scharfenstein

Liebster Drego,
 
 
 
 
so gerne ich unsere Kinder auch sehe und sie um mich habe, so sehr muss ich Dich nun darum bitten, sie nicht mehr zu mir bringen zu lassen. Nicht nur, dass der Weg für sie aufgrund ihres Alters doch recht beschwerlich ist, sondern ich kann mich derzeit auch nicht richtig um sie kümmern. Sie lernen gerade die Welt zu entdecken und ich bin ihnen dabei mehr Last als Hilfe. Abgesehen davon ist es mein Wunsch, dass sie sich nicht so an mich erinnern. Trotz der Ruhe und Pflege die mir hier zuteilt wird bessert mein Zustand sich leider bisher nicht. Ich bete zu den Göttern, dass sie mir beistehen. Mehr bleibt mir nicht zu tun. Die Zeit wird zeigen, ob die Götter mich erhören werden. Bis dahin gib gut auf unsere Kinder acht.
 
 
 
 
Ailsa ni Rían
Reichsritterin zu Praiosborn

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