Benutzer:Bega/Briefspiel in der Kaisermark: Unterschied zwischen den Versionen

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==Tag der Verhüllung Korgonds==
==Tag der Verhüllung Korgonds==
Gedenken an Schwingenrauschen, den Wächter Korgonds.
Gedenken an Schwingenrauschen, den Wächter Korgonds. Weinweihung von Hadrumirs Wacht, einem Aussichtsturm mit einer Statue von Schwingenrauschen mit Blick auf die Drodontmulden.


=Eine gräfliche Hochzeit=
=Eine gräfliche Hochzeit=
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==Knochenspur==
==Knochenspur==
'''Herzogtum Weiden, Firun 1045 BF:'''
Mit vollendeter Haltung stand Reichsvogt [[Garetien:Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor|Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor]] wie versteinert da. Gwendolyn von Dûrrnwangen musterte den Aranier, doch es gab nichts zu beanstanden. Offensichtlich hatte er ein Auge für den Lichteinfall, für das Spiel von Licht und Schatten. Der Reichsvogt ließ sich wohl nicht zum ersten Mal auf eine Leinwand bannen. So stand die Hofmalerin an der Staffellage und war dabei ein wahres Kunstwerk zu erschaffen.
Um Reto stromerten aufgeregt seine beiden Leibpagen [[Garetien:Siyandrion von Palmyr-Donas|Siyandrion von Palmyr-Donas]] und [[Garetien:Salix Eorcaïdos von Aimar-Gor|Salix Eorcaïdos von Aimar-Gor]] herum. Auch seine beiden Knappen [[Garetien:Tolmario Silem von Aralzin|Tolmario von Aralzin]] und [[Garetien:Wulthos von Pandlaril|Wulthos von Pandlaril]] blickten wie gebannt auf die Szenerie. ‚Reto im Blautann‘, war der Arbeitstitel des Gemäldes.
Der zweite Salix, nämlich Retos Leibritter [[Garetien:Salix Borontreu von Zolipantessa|Salix Borontreu von Zolipantessa]], betrat zusammen mit Tobor von Grîngelbaum und dem Diener [[Garetien:Amar Feqzaïl|Amar Feqzaïl]] den Raum. Letzterer brachte heißen Gewürzwein für Retos Entourage. „Wir platzen vor Neugier“, begann Salix, „wie wars im Blautann?“
„Treffen sich zwei Weidener, ein Albernier, eine Horasierin und ein Aranier im Blautann … aber der Reihe nach!“
Reto, der es immer noch gekonnt schaffte, Haltung zu bewahren, begann zu erzählen.
„Ach, voller Vorfreude auf die bevorstehende Jagd hatte ich mich von meinem guten Amar in meine äußerst dekorative Jagdkleidung kleiden lassen, die wie gewohnt hervorragenden Stil und Funktionalität miteinander verbunden hatte. An meiner Seite hatte ich meinen Säbel ‚Radschas Rache‘ gegürtet und auch meine Armbrust war mit von der (Jagd-)Partie. Wie bei all meinen Gewändern, hatte ich auch nicht an Zierrat und Schmuck gegeizt. Doch besonders lieb war mir der silberne Luchsanstecker, den ich bei meinem letzten Besuch von der Bärwalder Gräfin bekommen hatte.“ Ein liebevoller Blick wanderte zu Wulthos, den dieser erwiderte.
„Mit gewohnt wachen Augen und einem Blick für jedes noch so kleine Detail, hatte ich das adelige Treiben auf dem herzoglichen Jagdgut Waldleuen verfolgt und parlierte dabei mit unserer hochgeschätzten und erfrischend wortgewandten Hofmalerin Gwendolyn von Dûrrnwangen über die Weidener Buchmalerei, als Prinz Arlan höchstselbst sein Wort an Reto richtete.“ 
Staunend blickten sich die beiden Pagen Siyandrion und Salix an.
„Wenige Augenblicke später fand ich mich zusammen mit der geschätzten Gwendolyn in einer äußerst illustren Gruppe wieder, bestehend aus den Ritterinnen Etilia von Ehrwald und Yandebirg von Leufels sowie dem Ritter ehrenhalber Coran ui Branghain. Der prinzliche Auftrag sollte uns nach … ehm Tobor?“
„Zur Ruine Kranewitt“, führte der junge Weidener Ritter fort.
„Ah ja, genau und dann sollte es weiter in den Blautann gehen. Was erzählt sich das Volk nochmal über den unheimlichen Forst?“
„‚Den Blautann sehen und sterben‘, Hochgeboren.“ 
„Sehr richtig! Das versprach also wenig erheiternd zu werden. Doch ich muss sagen, ich wurde ein aufs andere Mal überrascht. Nicht zuletzt vom Blautann, der, auch wenn er zu Recht als gefährlich und abweisend gilt, doch viel Schönes und Erhabenes in sich trägt. Besonders hervorheben möchte ich die Begegnung mit dem Einhorn Tirnavir, ein mächtiges Exemplar seiner Gattung. Es war mir eine Ehre und tiefstes innerliche Verlangen diesem vollkommenen Wesen dienlich zu sein. Noch immer hallt die Stimme dieser Kreatur in meinem Kopf nach. Wahrlich ein Erlebnis.“ Die Augen der Pagen begannen zu leuchten. „Doch besonders berührt, das muss ich unumwunden zugeben, hat mich das Schicksal des jungen Holberkers namens Nadik.“
„Holberker?“, fragte Siyandrion mit runzelnder Stirn.
„Ja, das passiert, wenn sich Elfen und Orks paaren“, antwortete der zweite Salix wie gewohnt abgeklärt.
„Oh, das ist ja … wild.“ Siyandrion wirkte etwas irritiert.
„Der junge Nadik wurde von diesen wenig dekorativen Schnitter-Kultisten gefangen gehalten. Natürlich haben wir ihn befreit und im Gegenzug hat er uns bei der Orientierung im Blautann geholfen. Irgendetwas an seinem Blick berührte mich, vielleicht, weil er auch fern der Heimat weilte, oder dass er nach etwas Größerem suchte.“
„Auch wenn er ‚nur‘ ein Halbork war … wie haben das die Weidener aufgenommen?“, wollte Tobor wissen.
„Nun, alles Orkische ist hier zulande natürlich etwas delikat – verständlicherweise. So haben wir ihn vor unserem Zusammentreffen mit den anderen Suchtrupps nahegelegt, zu seiner eigenen Sicherheit auf unsere weitere Gesellschaft zu verzichten.“
„Deregewandtheit kann wohl nicht überall vorausgesetzt werden“, schnaubte Salix 2.
„Ah, es empfiehlt sich, ins Herz eines jeden zu blicken, mein lieber Salix, nicht alles, was für uns selbstverständlich ist, kann anderenorts als Norm angesehen werden. Wir sind hier nicht in Gareth oder Perricum. Doch, meine Lieben, was lernen wir daraus?“ Reto scherte sehr zum Unbehagen der Malerin aus seiner Pose aus und blickte in die Runde.
„Den Menschen immer ins Herz sehen“, plapperte Salix 1 seinem Herrn nach.
„Ja, mein Guter“, sprach Reto gönnerhaft. „Wir können nicht erwarten, dass andere so denken und handeln wie wir es tun. Wir sind auf uns und unsere Stärken zurückgeworfen. Ein Beispiel: Im Blautann waren wir im Kampf mit finsteren Ketzern verwickelt, die, wie wir später herausfinden sollten, auch Nadik gefangen hielten. Unsere Weidener Ritterinnen folgten ihrem Ehrenkodex, auch gegen diese finsteren Kultisten. Am Ende oblag es mir die Angelegenheit zu Ende zu bringen.“
„Wie?“, wollte Siyandrion wissen.
„Ich habe sie getötet! Also die Kultisten, nicht die Weidener Ritterinnen versteht sich. Sie hatten ihr Leben bereits verwirkt, da musste das Reich Stärke zeigen. Ich denke, unsere Schicksalsgemeinschaft war deshalb so erfolgreich, weil wir so unterschiedlich waren und ein jeder etwas zum Erfolg unserer Mission beitragen konnte. Besonders hervorheben möchte ich jedoch die edle Dame von Dûrrnwangen, die uns mit ihren Bogenschießkünsten eine große Unterstützung war, wiewohl der Blautann wohl nicht ihr bevorzugtes Terrain war.“ Reto lächelte der Hofmalerin wohlwollend zu.
„So wurde der Holberker verschont, die Schnitter jedoch getötet“, stellte Tolmario fest.
„Sehr wohl, Nadik war nicht unser Feind, er ist seiner Natur gefolgt. Seine Belange betrafen die des Reiches nicht. Die Schnitter hingegen, haben sich ganz bewusst gegen die Reichsordnung gestellt. Da darf das Reich keine Gnade zeigen!“
„Also gibt es manchmal ungewöhnliche Verbündete, denen wir ins Herz schauen sollen und Feinde, die nichts anderes als unsere volle Härte verdient haben?“
„Sehr richtig, mein guter Siyandrion! So und nun lassen wir der tüchtigen Künstlerin ihr Meisterwerk vollenden.“

Aktuelle Version vom 16. Oktober 2023, 14:51 Uhr


Bund der vier Eichen

Tag der heiligen Erde

Palas der Barone von Vierok in Hallklee, 20. Praios 1044 BF:

„Dann erhob sich das Land selbst. Um die Verräter des Landes wuchsen Ranken aus dem Boden, Mutterboden griff mit großen Pranken nach Dämonen. Äste, Zweige, Wurzeln zerrissen Chimären. Golems wurden einfach zu Schlamm aufgeweicht. Magier verschwanden in Erdspalten. Die Pflanzen schlugen um sich in einem unbeschreiblichen Inferno. Wurzeln schienen aus dem Himmel zu wachsen, Baumstämme verbogen sich, Äste peitschten. Das Gras war messerscharf und stahlhart – es war ein Gemetzel. Und dann – es dauerte Stunden! Oder doch nur eine Minute? – war es wieder ruhig. Die Pflanzen standen still, die Luft roch nach Regen, nach frisch gemähtem Gras, nach Waldboden. Der Himmel war klar, die Sterne, die Sterne wiesen nach Norden. Die Büsche nickten gen Norden, die Hecken schienen in dieselbe Richtung geöffnet: Korgond!“

Als Salvan von Pfiffenstock mit der 'Offenbarung des Elements Humus in der Kaisermark' geendet hatte, lag bedächtige Stille in der großen Halle. Besonders die Pagen und Knappen hatten dem charismatischen Nebachoten mit der zauberhaften Stimme an seinen wohlgeformten Lippen gehangen. Aber auch andere Anwesende wirkten sichtlich berührt. Die Macht des Landes wurde am Hofe Vieroks zelebriert und das hatte seine Gründe.

Erhaben und mit strenger Miene saß Baronin Rimiona von Aimar-Gor auf dem Eichenthron. An ihrer Seite standen Borro von Agur und Hesander Munter. Der Kämmerer und der Hofkaplan gehörten zu den wichtigsten Beratern der alternden Baron, die erst seit wenigen Monden den Baronsreif von Vierok trug. Die beiden Hausritterinnen Doranthe von Trenck und Mechtessa von Cronenfurt flankierten den Eichenthron.

Musikanten entlockten ihren Instrumenten die wohlklingendsten Melodien, was die Höflinge zum Tanze inspirierte. Besonders die temperamentvolle Nichte der Baronin, Amira von Palmyr-Donas und Oleana von Greifenstolz zogen dabei die meisten Blicke auf sich.

Mit Falkenaugen ließ Baronin Rymiona ihren Blick schweifen. All ihre Vasallen waren gekommen – das war durchaus nicht zu erwarten gewesen. Die Junker Vieroks waren reich und mächtig und hatten somit ihren eigenen, freiheitsliebenden Kopf. Besonders kopfstark waren die Kaisermärker Bergs vertreten. Neben Junkerin Lechmin Selissa vom Berg zu Schellenpfort war ebenfalls Ritter Marbert vom Berg zugegen, der angeregt mit Junker Alrik Leuwin von Trenck zu Untergardeln plauderte. Während der wohlgestaltete Ritter Roban Leuenstolz vom Berg zu Achenpflock nur Augen für seinen Liebsten Thyrian von Zweifelfels hatte. Die Bergs hatten in der Fehde massiv an Einfluss gewonnen, nicht nur hier in Vierok, sondern vor allem in der Raulsmark. Vom Raulsmärker Burggrafen wiederum wurden Ambitionen nach dem Vieroker Baronsreif für seine Familie nachgesagt. Diese verliefen freilich im Sande, aber dennoch waren mit den Edlen Roban von Weyringhaus-Rabenmund zu Lechdansfelden und Orlan von Weyringhaus-Rabenmund zu Menzelsweiler gleich zwei Weyringhäuser Lehensnehmer in Vierok. Letzterer dürfe sich ob seiner Heirat mit Baronin Berdina von Vierok sogar für wenige Monate selber 'Baron zu Vierok' nennen. Der grausame Feuertod der jungen Baronin war allen Anwesenden noch sehr lebhaft im Gedächtnis - die Hinrichtung von Berdinas Nachfolgerin Waltrude von Borstenfeld ebenfalls. Nicht wenige Höflinge tuschelten schon über einen Fluch von Vierok. Waren deswegen alle gekommen? Um zu sehen wie lange sich die Aimar-Gor auf dem Eichenthron hielt? Rymiona wusste was getuschelt wurde und sie kannte die Geschichte Vieroks. In den letzten vier Götterläufen saßen vier Herrscher auf dem Thron von Vierok. Der Baronin war nur allzu bewusst, wenn es einen Fluch gab, musste sie ihn brechen.Auf ihre Vasallen konnte sich Rymiona dabei nur bedingt verlassen. Ihre Machtbasis bildete der 'Bund der vier Eichen', deren Mitglieder neben dem Haus Aimar-Gor die Familien Heiterfeld, Vairningen und Pfiffenstock waren. Besonders die ebenfalls neu ernannte Junkerin Leonore von Vairningen zu Borstenfeld galt als große Stütze für die Aimar-Gor. So nickte diese der Vairningen und ihren Begleiterinnen Rimiona von Heiterfeld und Sibela von Pfiffenstock wohlwollend zu. Die vier Damen waren die Gesichter des Bundes der vier Eichen. Allen war gemein, dass sie Auswärtige waren und nicht in Vierok verwurzelt. Dies galt es zu ändern.

Die erhobene rechte Hand der Baronin signalisierte den Musikanten innezuhalten. Erwartungsvoll blickten alle Anwesende auf Rymiona von Aimar-Gor.

„Heute zelebrieren wir den Tag der heiligen Erde, dem ersten Feiertag des Korgonder Festtagskalenders. Ehrerbietung und Demut gegenüber dem Land, das uns an seinem Busen nährt, soll uns auch über diesen Tage hinaus erfüllen und unsere Taten leiten. Der Tag gemahnt die Herren des Landes an die gerechte Herrschaft und die Untertanen an Gehorsamkeit gegenüber ihrem Herrn. Der ewige Kreislauf der Herrschaft. Doch nicht alles was andauert, soll Bestand haben. In den Zeiten des Blutes und der Zerstörung sind die Lande der vier Eichen gestärkt hervorgetreten. Herrscher, die das Land nicht geehrt haben, wurden hinweggefegt. Neue, die das Land ehren, sind angetreten es mit ihrem Leben zu schützen.“

Einige der Anwesenden blickten sich derweil fragend an, während die Baronin ungerührt fortfuhr.

„Heute wollen wir eine besondere Heldin der Lande der vier Eichen ehren. Mit Mut, Stärke und Raffinesse hat sie maßgeblich dazu beigetragen, unsere Lande vor den Verheerungen der Fehde zu schützen.“

Die Aimar-Gor machte eine Kunstpause und genoss die angespannte Stille im Festaal.

„Hohe Dame Rimiona von Heiterfeld, tretet vor den Eichenthron und empfangt die Insignien einer Junkerin von Jalming!“

Die Gerufene tat wie ihr geheißen und kniete vor dem Eichenthron nieder. Baronin Rymiona legte der Heiterfelderin den Junkerreif an, der eine verästelte Eiche mit drei Perlen zeigte.

„Rimiona von Heiterfeld, Junkerin von Jalming, schwört der Herrin der Vieroker Lande Eure Treue, gelobt dem Land der vier Eichen bis zu Eurem Tod zu dienen und mit Eurem Blut zu schützen!“

Rimiona von Heiterfeld sprach den Schwur der vier Eichen und wurde somit in den Kreis der Junker der Vieroker Lande aufgenommen. Ein jeder der Vasallen des Eichenthrons fragte sich nun wo denn dieses besagte Junkertum liegen sollte, denn bis dato gab es das nicht. Unruhe machte sich breit, denn dies konnte nur heißen, dass einige von ihrer liebgewonnenen Macht etwas abgeben mussten.

Tag des Windvogels

Palas der Barone von Vierok in Hallklee, 4. Rondra 1044 BF:

Die Aufrechten strömten in schwarz umhüllter Trauer zur Stätte der Heiligen, um den Ritterlichsten unter ihnen, den tugendhaften Debrek, Herr der Lande Zweiflingen, zu gedenken. Mit gebrochenen Augen trugen sie den in den Schlachten des Ostens gefallenen Helden zu Grabe, als ein urtümlicher Windhauch die Trauergemeinde umspielte. Ein großer, nachtschwarzer Vogel erhob sich kreischend und das Rauschen seiner Schwingen breitete absolute Stille über die Trauernden aus. Aus mehreren Mündern formte sich in das Schweigen, das auch durch das Tosen des Windes nicht mehr gebrochen wurde, das Wort ihrer Erkenntnis: "Korgond". Der Windvogel, der Verkünder des Wiedererwachen des Landes war erwacht.

Die wohlklingende Stimme Salvan von Pfiffenstock ebbte ab, als er mit der 'Offenbarung des Elements Luft zu Sankt Henrica' geendet hatte. Mit großen Augen schauten ihn die Pagen Barnemund, Alwene, Danaris und Menzel an. Einzig Sighelm wirkte gelangweilt.

„Das war eine langweilige Geschichte“, motzte Sighelm los.

„Gar nicht“, schrie Menzel und ballte seine Fäuste.

„Das ist auch keine Geschichte, das ist wirklich so passiert“, maßregelte Danaris. Das von Hesinde geküsste Mädchen konnte sogar bereits Lesen und Schreiben.

„Was ist hier los?“ Die laute Stimme von Sylara Feqzaïl ließ die Pagen aufschrecken. Die kleine, quirlige Küchenmeisterin hatte etwas matronenhaftes und war ihrer Körpermassen zum Trotz ständig in Bewegung. „Solltest ihr nicht schon längst im Hof sein und eure Windspiele aufhängen?“

„Der Herr Kastellan hat gesagt, wir sollen zu Herrn Salvan gehen“, merkte Alwene naseweis an, „es ist doch heute ein Feiertag!“

„So, kleines, neunmalkluges Fräulein, was feiern wir denn heute?“ In Gedanken verfluchte sie den Kastellan für seine Nachsichtigkeit bei den Pagen.

„Ähm … den Wind?!“, kam es mehr fragend als wissend aus Alwene heraus.

„Nein!“, verbesserte sie Danaris sogleich, „wir feiern den Tag des Windvogels … Salvan hat uns doch gerade davon erzählt. Der Windvogel ist der Verkünder des Wiedererwachens des Landes.“

„Sehr vorbildlich, Danaris und nun ab mit euch und bringt eure Windspiele nach draußen.“ Die Kleinen flitzten begeistert los, nur Sighelm trottete lustlos hinterher. Offenbar konnte er mit diesem ganzen Trubel so gar nichts anfangen. „Ich hoffe der Heiterfeld hat wenigstens dafür gesorgt, dass die Kinder auch ihre Windvögel für die Prozession gebastelt haben.“

„Das haben sie, keine Sorge.“ Amira von Palmyr-Donas war an Sylara und Salvan herangetreten. „Ich habe sie vorhin mit den Kleinen fertiggestellt.“

„Welche ein Glück.“ Mit einem Lächeln verabschiedete sich die Küchenmeisterin. „Ich muss jetzt wieder in meine Küche. Dank des Heiterfelders muss ich heute auf die Hilfe der Pagen verzichten.“

„Aber, aber, verehrte Sylara, heute ist doch ein Feiertag.“ Ein verführerisches Grinsen umspielte die vollen Lippen des Rahja-Geweihten aus Rashia'Hal.

„Jetzt fangt Ihr auch noch damit an.“ Kopfschüttelnd entfernte sich die Küchenmeisterin. Mit einem amüsierten Schmunzeln ging auch Amira ihre Wege.


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Unaufgeregt schritt Amira den langen Gang des Hallkleer Baronspalas entlang. Ihre Tante, die Baronin, hatte sie rufen lassen. Unvermittelt stürmten drei Personen auf die junge Adlige aus Perricum zu und begannen auf sie einzureden.

„Das ist doch wohl ein schlechter Witz“, polterte Ritterin Junivera von Drostenberg los und auch Ritterin Rondriga von Geronstreu stieß ins selbe Horn. „Wir haben immer treu unserem Baron gedient. Solch eine Zurücksetzung haben wir nicht verdient.“ Der Edle Rodman von Linschenaue verlangte hingegen nur lautstark Kompensation. „Also, für ein kleines Handgeld … .“

Verdutzt und ein wenig überfordert blickte Amira die drei offenkundig erzürnten Herrschaften an.

„Meine Familie war schon immer nur direkt dem Baron untertan“, begann die Drostenberg erneut loszuschnattern, „das wir nun einer Heiterfelder Junkerin dienen sollen, ist nicht hinnehmbar.“

Nun dämmerte es Amira. Ihre Tante hatte am 'Tag der heiligen Erde' eine Gebietsreform angekündigt. Nun waren Einzelheiten bekannt geworden. So sollten die beiden direkt der Baronin unterstellten Herrschaften Geronstreu und Drostenberg zu einem Junkertum zusammengefasst und um die Herrschaft Linschenaue aus Borstenfeld erweitert werden. Den betroffenen Adligen missfiel es offensichtlich nunmehr der neuen Junkerin Rimiona von Heiterfeld – einer enger Vertrauten der Baronin - unterstellt worden zu sein.

„Herrschaften“, begann Amira mit fester Stimme, „ein jeder hat seinen Platz in den Landen der vier Eichen, der Eure hat sich nun geändert, aber immerhin habt Ihr noch einen Platz! Ein Umstand, den die Baronin auch ändern kann.“

Das betretene Schweigen der drei Schreihälse wunderte Amira etwas, doch nutzte sie den sich so bietenden Moment um sich aus der verbalen Umklammerung der Unzufriedenen zu lösen. Das Arbeitszimmer ihrer Tante war schon zum greifen nah.


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Schließlich konnte sich Amira in das Arbeitszimmer ihrer Tante retten. Neben besagter Baronin Rymiona von Aimar-Gor waren hier auch ihre beiden wichtigsten Berater Borro von Agur und Hesander Munter, sowie die beiden Junkerinnen Leonore von Vairningen und Rimiona von Heiterfeld anwesend.

„Kindchen, du siehst so abgehetzt aus als seien Dämonen hinter dir her gewesen“, bemerkte die Baronin mit trockener Stimme.

„Nun, lieber Tante, in gewisser Weise war dies auch so.“

„Meine neuen Vasallen?“, fragte Rimiona von Heiterfeld fast schon rhetorisch und ein Nicken Amiras sollte ihr recht geben. „Die lassen aber auch nicht locker.“

„Die werden sich fügen, das ist nur eine Frage der Zeit. Wir haben im Moment andere Sorgen.“ Die Baronin stemmte sich auf und ließ ihren wachen Blick über die vor ihr ausgebreitete Landkarte gleiten.

„Die Prozession?“, wollte Amira wissen.

„Sehr richtig“, antwortet der der Hesinde-Geweihte Hesander. „Der Schlüssel zum Bund mit dem Land müssen die Drodontsmulden sein. Daher wird die Prozession dorthin führen.“

„Ich habe, wie gewünscht, eine Route festgelegt“, begann Amira, „sie führt zu einem Plateau mit atemberaubender Aussicht über die Vieroker Lande. Doch ob der Bund … .“

„Da sind wir also noch keinen Schritt weiter“, unterbrach die Baronin ihre Nichte, „es fehlt uns dort noch der richtige Ort, der Ursprung des Bundes mit dem Land. Leonore, was könnt Ihr uns über die Drodontsmulden berichten?“

„Sie sind schroff, zerklüftet und gelten als unbewohnt – von ein paar Baumdrachen mal abgesehen.“

„Den alten Legenden zufolge soll dort gar der Höhlendrache Ebroxpir in seinem ewigen Schlaf liegen“, bemerkte Hesander an.

„Schlafender Drache … schlafendes Land … hm“, dachte die Heiterfeld so vor sich hin.

„Was ist eigentlich mit diesem Hexenzirkel? Seit der Herrschaft der Schellenpforts gibt es Geschichten, oder vielmehr Gerüchte über die. Sollen die nicht auch hinter dem Tod der jungen Vierok stecken?“, warf der bis dato recht schweigsame Borro von Agur ein.

„Leonore, Ihr werdet alles über dieses ominösen Hexenzirkel in Erfahrung bringen, um den Tod der glücklosen Vierok werdet Ihr, Rimiona, Euch kümmern.“ Dann blickte die Baronin in die Runde. „Ich muss keinem von euch erklären wie wichtig dies ist, sonst verlieren wir alles.“ Mit Schwung erhob sich die Aimar-Gor. „Aber nun wollen wir den Kindern mit ihren Windspielen zusehen.“

Tag der ehernen Schlange

Ritterturnier zu Ehren der großgaretischen Rittertugenden


Vor den Toren der Stadt Vierok, 19. Rondra 1044 BF:

"In den fruchtbaren Weiten der Goldenen Au ritt eine alte Frau ihrer letzten Bestimmung entgegen. Aurona, aus der Familie Caldach ward sie geheißen. Im Herzen Kaiser Alrik den Tugendhaften tragend, mit wachen Blick und doch schon bald nicht mehr auf Dere wandelnd. Direkt vor ihr riss die Erde auf und ein windendes Band von Felsbrocken brach hervor. Eine Schlange - ja, einer Schlange gleich, wandt es sich nach Norden und grub dabei das Feld um. Ein Rauschen von Schwingen, das fühlte sie, kündigte ihren eigenen Tod an. Aber da war noch ein leises Geräusch: Es schwankte zwischen kreischendem Missklang aneinander reibender Steine und deren wohlklingenden Grollen. Und aus den Tiefen ihres sonst so leeren Geistes erhob sich ihr letztes Wort auf den blutigen Lippen: "Korgond"."

Leuchtende Kinderaugen sahen Salvan von Pfiffenstock an, als er mit der Offenbarung des Elements Erz in der Goldenen Au geendet hatte. Besonders Rohaja strählte über das ganze Gesicht. Die Enkelin von Baronin Rymiona von Aimar-Gor liebte die Erzählungen des charismatischen Rahja-Geweihten.

Das prächtige Turnierzelt der Baronin war gut gefüllt. Pagen und Bedienstete wuselten umher, Adlige gingen ein und aus um der Aimar-Gor ihre Aufwartung zu machen. Der Adel Vieroks und gar einige Auswärtige hatten sich in einer Zeltstadt vor den Mauern der Stadt Vierok versammelt um das Turney der vier Eichen zu zelebrieren. Baronin Rymiona von Aimar-Gor hatte dieses am Jahrestag der Offenbarung der ehernen Schlange ausgerufen. Wider erwarten hatte der Stadtrat Vieroks dem Ansinnen der Baronin zugestimmt. Sicherlich, ein Turnier bot einer Stadt durch die vielen Reisenden und Zuschauer einen ordentlichen Batzen gutes Gold, allerdings war die Vögtin der Stadtmark und Bürgermeisterin Vieroks niemand geringeres als Giselda von Borstenfeld – eine enge Verwandte der gestürzten Baronin Waltrude von Borstenfeld und nunmehr Stachel im Fleisch des Bundes der vier Eichen. Besonders die Vairningen hasste Giselda, wie allerorts bekannt war, denn die saßen nun auf dem ehemaligen Stammlehen ihrer Familien.

Auf einem prächtigen, mit filigranen Eichensymbolen verzierten Diwan saß Baronin Rymiona von Aimar-Gor. An ihrer Seite ihre beiden Zofen Laitha von Zolipantessa und Mandaia von Agur, die alle Anwesenden interessiert begutachteten. Die beiden Hofdamen der Aimar-Gor, Sadia von Waraqis und Ramira von Barûn-Bari wichen ihrer Herrin ebenso wenig von der Seite und wie ihre Nichte Amira von Palmyr-Donas. Etwas abseits standen ihre Berater Borro von Agur und Hesander Munter, die sich angeregt mit den beiden Ehrengästen der Baronin, Abt Adran von Feenwasser und Magistra Thesia von Quintian-Quandt, unterhielten. Vor dem herrschaftlichen Zelt hatten die barönlichen Hausritter Aufstellung genommen. Rymiona beugte sich zu ihrer Nichte zu und sprach mit gesenkter Stimme.

„Hast du der guten Thornia etwas über den Gesundheitszustand des alten Raben entlocken können?“

„Tut mir Leid, Tante.“ Die Angesprochene schüttelte ihren Kopf. „Die Magistra macht wie gehabt gute Miene zum bösen Spiel.“

„Was bleibt ihr auch anderes übrig. Ich sehe schon das Boronsrad über den Raben schweben. Es kann nur noch eine Frage der Zeit sein.“ Die Baron schnipste mit den Fingern.

„Vielleicht hätten wir doch nach Perricum reisen sollen …“, begann Amira, doch würde sie sogleich von ihrer Tante unterbrochen.

„Nein, unser Platz ist hier, im Land der vier Eichen, mein Kind. Reto und Sulamith werden unsere Interessen auf dem politischen Parkett im Umfeld der Heerschau schon zu vertreten wissen. Mein Sohn kennt den Paligan schon von Kindesbeinen an, er wird in Erfahrung bringen was den Kaiserinnengemahl umtreibt. Fakt ist, der Wind steht auf Veränderung.“

„Die Borstenfeld sollen in Perricum auch hochrangig vertreten sein, wie es heißt“, bemerkte Amira.

„Dieser Pöbel hätte nie in den Hochadel aufsteigen dürfen“, echauffierte sich Rymiona, „Was für eine Schande. Deren Fall lässt mich an das Gute der Götter glauben. Dennoch, sie sind noch nicht besiegt und sitzen wie ein Stachel in unserem Fleisch. Sie gilt es im Auge zu behalten. Die garstige Giselda hat es doch tatsächlich vollbracht, ihren elenden Gemahl zum Hauptmann der königlichen Reiter zu Vierok zu machen. Unfassbar. Die setzen sich nun in der Stadt fest.“

„Ich frage mich, was der Witwer deiner Vorgängerin im Schilde führt. Auch er hält sich immer noch in Vierok auf. Noch haben sie keine nennenswerten Verbündeten, aber das kann sich ändern.“

„Wir brauchen jemanden den wir vertrauen können in der Stadt. Erstelle mir eine Liste von jenen, die im Stadtrat sitzen und von jenen, die im Magistrat arbeiten.“ Die Baronin blinzelte ihrer Nicht zu. „Es wäre doch gelacht, wenn wir diese Parasiten nicht loswerden.“


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Kaum auffällig in dieser illustren Gesellschaft war die Stallmeisterin des Hofes und Edle von Liebfelden, wären da nicht die wachen Augen Nahilas von Pfiffenstock und der stattliche, offensichtlich nebachotische Krieger an ihrer Seite. Beide beobachteten das Spektakel mit neutraler Miene und hielten sich im Hintergrund, sie hatten sich noch nicht vollständig eingelebt. Vorallem ihr Bruder - der Krieger - fremdelte noch sehr mit Vierok und wäre vermutlich lieber in der Heimat bei ihrem Vater und seinem Erbe, vor allem jetzt wo sich etwas in Perricum zu regen schien. Nahila selbst hatte sich - ab von solchen Großereignissen und den politischen Strukturen - schon etwas besser eingelebt, zumindest wenn es um ihre Position als Stallmeisterin ging, denn dies war ihre Welt und da konnten ihr nur wenige etwas vor machen, schon gar nicht die Raulschen hier. Sie (er)kannte die Seele der Tiere und sprach und verstand ihre Sprache, die Art wie sie sich verhielten. Und auch mit dem ihrem Lehen Liebfelden machte sie große Schritte, der Hilfe der mitgereisten Dienerinnen der 3 lieblichen Schwestern sei Dank. Dafür würde sie diese Prägung der Glaubensgemeinschaft hier etablieren und ihnen dazu alles Nötige zukommen lassen. Es würde sich gut einfügen, wenn sie sich die Festivitäten hier so besah, ihr Vetter Selo wurde ja auch nicht müde die Geschichte von den drei betenden Schwestern am ebenfalls korgondsch geprägten Rothandfelsen zu erzählen, wenn er schrieb oder vor Ort war. Alles würde sich fügen, dachte sich Nahila, Sorgen bereiteten ihr nur die Alteingesessenen, die keinen Hehl daraus machten wie wenig sie von den vielen Neuerungen hier hielten. Dabei hatte speziell die praiotische und erzkonservative Familie Greifenstolz es auf sie, ihren Bruder und die Gemeinschaft der drei lieblichen Schwerstern mit ihren angeblichen "frivolen Anwandlungen" abgesehen. Denn die neue Baronin hatte bei ihrer Umstrukturierung ihr Lehen in das der Greifenstolzer gelegt, welche sich natürlich darüber echauffierten und als ihre direkten Lehensherrinnen ihr das Leben schwer machten. Aber auch dies würde sich fügen, zumal ihre Verwandten Selo und Sibela dafür gesorgt hatten, dass sie hier gute Verbündete hatten. Die Baronin selbst, aber auch Leonore von Vairningen, sowie die ihr äußerst sympathische Neujunkerin Rimiona von Heiterfeld, auch und gerade weil diese es faustdick hinter den Ohren hatte, wie Nahila bereits vernommen hatte. Viellicht fühlte sie sich auch deswegen von dieser Frau so angezogen, welche sich just zu ihr gesellte, mit einem verwegenen Lächeln und einem Zwinkern, an sie und ihren Bruder gerichtet. "Geniesst Ihr das Schauspiel, Euer Edelgeboren? Davon wird es hier noch viel mehr geben, seht nur in die Gesichter dortdrüben, da bahnt sich etwas an..."


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Auch wenn Leonore von Vairningen das gern anders gesehen hätte, hat ihre Familie keine Ritter in das Turnier geschickt - andere Pflichten hatten die Klingen derer von Vairningen gebunden, und angesichts dieses Wüterichts war dies womöglich auch besser, so wie es war. Mit ihrer eigenen Entourage hatte sie jedoch auch neben dem Turnierfeld zahlreiche kleine Scharmützel auszufechten. Spitzen und Attacken der Stadtvögtin, die sie - wo sie nur konnte - versuchte zu diskreditieren oder ihr Steine in den Weg zu legen. Es fehlte ihr jedoch an der notwendigen Klasse, denn auch wenn sie eine halbwegs fähige Verwalterin der Stadt war, so fehlte es ihr an vielen Götterläufen Erfahrung höfischen Lebens.


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Das Turney der vier Eichen strebte seinem Höhepunkt entgegen und es war bisher nicht annähernd so verlaufen, wie es sich die Baronin wohl gedacht hatte. Es sollte ein Hort der Ritterlichkeit werden, doch Amira traute ihren Augen kaum. Mit äußerster Brutalität und am Rande des Erlaubten holte Rothger von Garm jeden Gegner vom Pferd. Im Halbfinale traf es die herrschaftliche Hausritterin Doranthe von Trenck, die gar ins Zelt der Heiler verbracht werden musste. Dieser Hund, dachte sich Amira, der Plan der Borstenfeld schien aufzugehen. Sie schien zu wollen, dass das Turnier für seine Unritterlichkeit in die Geschichtschroniken einging. Es drohte zu einem Fiasko zu werden.

Doch im Finale stand der Garm der Fuchsritterin Hesine von Wasserburg gegenüber. Diese hatte einem äußerst packenden Halbfinale ihren Bundesgenossen Marnion von Sturmfels in einem sehr ritterlichen Wettstreit bezwungen. Die Perricumer Ritterin aus dem Raschtulswall besuchte als Abordnung des Barons von Sturmfels das hiesige Turnier und brachte der Baronin von Vierok auf diesem Wege die besten Grüße vom Berg.

Im Finale standen sich also die Wasserburgerin und der Garm mit grimmen Blick gegenüber. Wie zuvor, sollte das Lanzenreiten keine Entscheidung bringen. Der Schwertkampf würde entscheiden ob Ritterlichkeit oder Ehrlosigkeit siegen würde. Amira konnte kaum hinsehen, sah sie die Perricumerin doch schon am Boden. Doch, die Ritterin konnte sich den brachialen Attacken des gebürtigen Eslamsgrunders mehr und mehr erwehren. Mit der Kraft des Sturmfelses im Rücken, so schien es Amira, konnte der Garm von Hesine von Wasserburg schließlich besiegt werden. Welch ein Glück, die Ritterlichkeit hatte am Ende doch gesiegt.


Autor: Bega, Jan & Vairningen

Tag der tugendhaften Kvorvina

Eheschließung zwischen Emer von Heiterfeld & Salvan von Pfiffenstock

Tag von Orlans Fingerzeig

Orlan weißt den Weg (zum Bund mit dem Land)

Tag der drei lieblichen Schwestern

Weihe des Klosters der drei lieblichen Schwestern

Fest der Wiederkehr

Wiederentdeckung der Insignien der Herrschaft über Vierok

Tag der Verhüllung Korgonds

Gedenken an Schwingenrauschen, den Wächter Korgonds. Weinweihung von Hadrumirs Wacht, einem Aussichtsturm mit einer Statue von Schwingenrauschen mit Blick auf die Drodontmulden.

Eine gräfliche Hochzeit

Dramatis Personae, oder: Die illustre Reisegesellschaft aus dem Herzen des Reiches:


Burg Rotdorn, Gräflich Pallingen, Grafschaft Bärwalde, Herzogtum Weiden, 14. Travia 1043 BF:

Die Reisekoffer und -kisten waren verstaut, nun hieß es warten. Die schwarze Kutsche des Hauses Aimar-Gor stand abfahrbereit im Burghof der gräflichen Feste Rotdorn, was für den ein oder anderen Schaulustigen zu einem sehenswerten Spektakel wurde. Mit gebotener Haltung standen die Leibpagen Salix und Siyandrion vor dem Gefährt, auf dem das Wappen des Hauses, ein roter Hummer (manche mögen sagen Malmer) auf Weiß prangerte und warteten auf ihren Herren. Der noch jugendlich wirkende Privatsekretär Romelio von Agur schritt die Szenerie ab, strich den beiden Knappen Salix Borontreu von Zolipantessa und Tolmario Silem von Aralzin noch einmal ihren Waffenrock zurecht und nahm dann neben dem Leibdiener Amar Feqzaïl ebenfalls vor der Kutsche Aufstellung.

Was für eine bemerkenswerte Hochzeitfeierlichkeit, dachte sich Romelio im Stillen. Wobei, war nicht eigentlich jede Grafenhochzeit bemerkenswert? Sein Dienstherr reiste gerne nach Weiden, sei es wegen der Ursprünglichkeit des Landes oder der stattlichen Weidener Ritter, für die sein Dienstherr bekanntermaßen eine Schwäche hatte, Romelio war sich nicht sicher. Vermutlich eher letzteres.

Schließlich war es soweit und Reichsvogt Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor trat an der Seite von Baron Arbolf von Pandlaril aus dem Palas. Beide sahen sehr zufrieden aus und schüttelten sich lächelnd die Hände. Der junge, überaus gutaussehende Neffe des Weideners, Wulthos von Pandlaril, folgte ihnen einen Augenblick später.

„Es ist Zeit aufzubrechen“, mit diesen Worten klettert Reto in die schwarze Kutsche, Romelio folgte ihm. Die beiden Pagen nahmen hinten auf der Kutsche Platz, während die Knappen Salix, Tolmario und Wulthos auf ihren Pferden Platz nahmen. Zwei mit Säbeln bewehrte Kriegerinnen der Rash'Waharis, der Hausgarde der Aimar-Gor, bildeten den Abschluss. Mit einem Ruck setzte sich die Kutsche in Bewegung.

„Wie mir scheint, bringt ihr von Hochzeiten immer irgendjemanden mit nach Hause… bei der Rommilyser war es der Aralzin, dieses Mal den Pandlaril“, bemerkte Romelio und konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Wird das zu einer Marotte?“

„Nun, am Ende fügt sich stets alles, wie es sich fügen soll“, Reto lächelte süffisant, „womöglich ist es so eine Rabenmund-Sache, bedenke, bei beiden Hochzeiten war das Haus Rabenmund beteiligt. Nicht, dass ich dieses Haus groß schätzen würde, das sicher nicht. Alles Verräter in meinen Augen.“

„Glaubt Ihr, mit dem Pandlaril wird’s funktionieren?“, Romelio runzelte zweifelnd seine Stirn. „Zwei Knappenväter haben ihn schon rausgeworfen.“

„Es ist alles eine Sache der Herangehensweise, mein lieber Romelio. Jeder hat seinen Platz, doch nicht jeder hat ihn bereits gefunden. Erinnere dich an Tolmario, wie unglücklich er war, weil er eine klassische Ritterausbildung in Weiden beginnen sollte. Und nun, der Junge ist aufgeblüht wie eine aranische Rose. Und warum? Weil ich ihm den Raum und die Möglichkeiten gebe, sich zu entfalten. Sein Steckenpferd ist die Alchemie, nicht die Tjoste. Sei es drum. Wird er ein passabler Tjoster und Schwertkämpfer werden? Vermutlich nicht. Dafür aber ein überaus begabter Alchemist. Eine ritterliche Seele wird er jedoch trotzdem haben. Das Reich kann nicht nur aus Tjostern und Schwertmeistern bestehen. Auch unser neuer Begleiter Wulthos hat sein Herz am rechten Fleck, das hat er während der letzten Tage sehr eindeutig und eindrucksvoll gezeigt. Er mag noch ungestüm und haltlos sein, aber auch er wird eine Begabung für etwas haben und das werde ich dann fördern. Womöglich ist er für das Feld der Diplomatie zu begeistern? Für das höfische Zeremoniell? Wir werden es sehen.“

„Ihr seid ihm wohl schon jetzt sehr zugetan, Herr.“ Romelio wusste, diese kleinen Unverschämtheiten durfte er sich seinem Herrn gegenüber erlauben.

„Ja, du magst recht haben, mein Lieber. Vermutlich sehe ich sehr viel von mir in ihm, du wirst es kaum glauben, auch ich war mal jung.“ Reto zwinkerte seinem Privatsekretär zu. „Doch bin ich am Perricumer Hof aufgewachsen, nachdem meine Familie unsere aranische Heimat verlassen musste. In Perricum ist vieles anders als im Herzen des Reiches oder gar in der Mittnacht.“

„Aber Weiden hat es Euch angetan, nicht war, Herr?“ Wieder war da so ein verschmitztes Lächeln.

„Ach Romelio, ich habe den Spendenzug für die Ostmarken organisiert, an dem Vertragswerk von Mantrash'Mor zwischen den Kaiserreichen mitgewirkt, die Geheimakte 'Jadekrieger' zwischen dem Reich und Al'Anfa verhandelt, die den Status von Hôt-Alem auf alle Zeiten festsetzt. Bei der letzten großen hochadligen Hochzeit in Rommilys habe ich den Knappen-Vertrag, der die Ausbildung der Knappen zwischen den Reichen definiert, mit verfasst. Ich muss gestehen, diese Hochzeit war erfrischend anders und ja, ich bin hier gerne zu Gast.“ Reto blickte auf den Orden, den ihm die Bärwalder Gräfin verliehen hatte. Romelio erkannte sofort, sein Herr war aufrichtig gerührt über diese Ehre. „Nie werde ich das weidnerisch rustikale Frühstück mit der nunmehrigen Altgräfin vergessen, das unsere Schicksalsgemeinschaft zusammengeführt hat. Wusstest du, dass sich der hiesige Adel Otter als tierische Gefährten hält? Faszinierend, oder etwa nicht?“

„Was die Weidener wohl über Euch und Eure Extravaganzen denken mögen?“

„Mein Lieber Romelio, auch ich spiele nur eine Rolle, eine Rolle, die mir wahrlich auf den stattlichen Leib geschneidert wurde, das wohl“, Reto kicherte vergnügt. „So mag mich einer affektiert, oberflächlich oder was auch immer schimpfen. Bedenke, wenn das Reich mich ruft, oder ein treuer Versal der Krone, dann stehe ich bereit. Ich mache das alles nicht für Gold oder Anerkennung. Ich bin ein Mann des Reiches, das zu tun ist meine Pflicht. Mein einziger Lohn sind Verbindungen, lieber Romelio, Netzwerke, das ist mir Dank genug. Dank meines 'Ausfluges' in den Bärwald mit meinen unerschrockenen Kampfgenossen, die wahrlich bemerkenswert angenehme und aufrichtige Abenteuer-Gefährten waren, wird mich das Schicksal sicherlich wieder in die Mittnacht führen und wer weiß, vielleicht hat unser neuster Gefährte“, Reto blickte mit einem verschmitzten Lächeln zu Wulthos, der neben der Kutsche herritt, „ja dann auch die Muße uns in seine Heimat zu begleiten, um Weiden zu zeigen, was für ein toller Recke des Reiches aus ihm geworden ist. So oder so, ich freue mich auf ein Wiedersehen!“

Nachdem die Kutsche die Holzbrücke von Burg Rotdorn überquert hatte, nahm die Reisegesellschaft deutlich an Fahrt auf. Unvermittelt tauchte linker Hand ein Reiter neben der Kutsche auf. Erstaunt gab Reto dem Kutscher zu verstehen, langsamer zu fahren und öffnete das Fenster.

"Hochgeboren", sprach der Reiter etwas außer Atem, "verzeiht die Störung, aber ich muss Euch bitten, Eure Abreise zu verschieben." Mit diesen Worten überreichte er dem Reichsvpgt der Gerbaldsmark einen gesiegelten Umschlag.


Eine gräfliche Jagd

Vorbereitungen

Schloss Ginsterhold, Goldene Au, Königreich Garetien, Ende Hesinde 1045 BF:

Friedlich, ins Weiß der winterlichen Landschaft gebettet, lag das malerische Wasserschloss Ginsterhold, das seit über 50 Götterläufen dem aus Aranien stammenden reichstreuen Haus Aimar-Gor – neben dem Alcazaba Aimar-Gor in der Reichsstadt Perricum - als Stammsitz diente. Der Reichsrat und zeitweise kommissarische Reichserzkanzler des Raulschen Reiches Pelion Eorcaïdos von Aimar-Gor hatte das einst verschlafene Schloss durch seine pompösen Bälle und Empfänge zu einem gesellschaftlichen Brennpunkt der Reichen und Mächtigen der Goldenen Au gemacht. Vielmehr, seine Frau Rymiona von Aimar-Gor zeichnete sich dafür verantwortlich.

Reichsvogt Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor blickte aus dem Fenster auf den gefrorenen Schlosssee, während sein Leibdiener Amar Feqzaïl einen silbernen Luchskopf-Anstecker an seinen goldbestickten Brokatmantel befestigte. Bald schon, wenn der Frühling in der Goldenen Au wieder Einzug hielt, würde er wieder auf ein Meer aus roten und weißen Seerosen blicken, die nahezu die gesamte Oberfläche des Sees ausfüllten. Reto liebte diesen Anblick – wohl auch, weil die Farben Rot und Weiß die Farben seines Hauses waren.

Das Läuten eines Glöckchens verriet Reto die Ankunft seines Gastes, seinen väterlichen Freund Borro von Agur. Retos Vetter Timshal von Palmyr-Donas, der ihm in seiner Eigenschaft als Reichsvogt der Gerbaldsmark als Kammerherr diente, führte den Agur herein. Beide Männer begrüßten sich innig mit einer Umarmung.

„Mein lieber Borro, wie schön dich vor meiner Abreise noch einmal anzutreffen.“

„Selbstredend, mein Bester!“ Der sehr gepflegte und tadellos in der neusten Garether Mode gekleidete Agur lächelte erfreut. „Wie ich hörte, wirst du den Winterball deiner Frau Mutter nicht mit deiner Anwesenheit beehren, um … nach Weiden zu reisen?“

„Zwitschern sich dies die Vöglein am Hof meiner Mutter zu? Ja, mein Lieber, so ist es. Graf Emmeran von Löwenhaupt lädt zur ersten Heldentrutzer Grafenjagd und du weißt doch, seit der Grafenhochzeit in Bärwalde habe ich womöglich eine kleine Schwäche für die Weidener Lande.“

„Für das Land oder für ihre strammen Recken?“ Borro lächelte süffisant und nahm ein Kristallglas mit Perricumer Rotwein von einem Tablett, welches ihm Retos Leibpage Siyandrion offerierte.

„Wie gewohnt werde ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, bester Borro.“ Reto nahm sich ebenfalls ein Glas. „Und was die Weidener Recken angeht, so habe ich nun meinen eigenen.“

„Ah, den jungen Wulthos von Pandlaril, ja ja, wahrlich ein Bild von einem Mann.“ Der Agur nickte anerkennend. „Dazu noch aus bestem Weidener Hause. Er ist bestimmt sehr aufgeregt nach zwei Götterläufen wieder seine Heimat zu besuchen, oder etwa nicht?“

„Er redet von kaum etwas anderes.“ Reto rollte mit den Augen. „Versteh mich nicht falsch, ich kann ihn gut nachvollziehen, er will sich beweisen. Gerade jetzt, wo er kurz vor seinem Ritterschlag steht.“

„Wird er seiner Familie denn gerecht werden?“, wollte Borro wissen.

„Er ist ein ganz besonderer junger Mann, mit gutem Herzen“, begann Reto zu schwärmen, „und ja, nach seinem Ritterschlag wird er zum Reichsedlen von Briskengrund erhoben werden. So die Kaiserin meinem Gesuch folgt.“

„Hast du nicht unweit vom Schloss Briskengrund nicht auch ein kleines Schlösschen?“. Borro grinste schelmisch.

„Das Schloss Vulperquell, da hast du recht. Ist das nicht ein Zufall?“ Nun war es Reto der breit grinste.

„Ist das nicht eines der früheren Lustschlösser von Kaiser Bardo? Ausstaffiert mit entsprechendem ‚Mobiliar‘?“ Die Betonung des letzten Wortes war überdeutlich.

„Nun, meine selige Gemahlin hatte dort mit ihrer Rahja-Geweihtin ein außergewöhnlich erquickendes Leben. Es wird Zeit, dass das Pendel in die andere Richtung, in meine, schlägt. Und wir sind ja auch nicht in der Rommilyser Mark, wo man gar als unverheirateter Knappe nach der Zeugung eines Bastards den Bußgang antreten muss. Wahrlich lachhaft. Da lobe ich mir, dass hierzulande die Travia-Kirche nur eine Kirche des einfachen Volkes ist.“

„Wahr gesprochen, Ganter gehören nicht an einen Adelshof, zu viel Geschnatter um nichts.“ Beide Männer prosteten sich zu. „Wer wird dich auf deiner Reise nach Weiden begleiten?“

Salix und Tolmario werden mich wieder begleiten, dazu noch eine Handvoll Kriegerinnen der Rash'Waharis. Und mein lieber Wulthos natürlich. Wir werden seinem Onkel, Arbolf von Pandlaril unsere Aufwartung machen und dann mit diesem gemeinsam in die Heldentrutz reisen. Auch der junge Grîngelbaum wird uns begleiten. Salix und Tolmario haben mich nahezu angefleht, aber er ist auch ein sehr unterhaltsames Bürschchen. Die beiden haben sich mit ihm während der Bärwalder Grafenhochzeit angefreundet.“

„Ist es nicht ein wenig heikel jetzt, wo das Meilersgrunder Krongericht tagt, nach Weiden aufzubrechen? Wie du weißt, geht es um viel bei dem Prozess. Wird der großfürstliche Prinz verurteilt, oder freigesprochen? Womöglich werden nicht wenige adlige Köpfe rollen.“

„Gerade diese wenig erheiternde Aussicht ist ein Grund für mich nach Weiden zu reisen, mein Lieber. Mit dem Vairninger habe ich meinen besten Mann vor Ort.“

„Nicht wenige Stimmen flüstern, du könnest Truchsess an einem möglichen Großfürstenhof werden.“ Borro zog herausfordernd eine Augenbraue hoch.

„Noch ein Grund für meine Reise, denn sollte es so kommen, werde ich in Garetien gebunden sein. Aber erst einmal werden wir abwarten, wer seinen Kopf verliert, oder behält.“

Liebevoll tätschelte Reto den Luchskopf-Anstecker an seinem Mantel.

Knochenspur

Herzogtum Weiden, Firun 1045 BF:

Mit vollendeter Haltung stand Reichsvogt Reto Eorcaïdos von Aimar-Gor wie versteinert da. Gwendolyn von Dûrrnwangen musterte den Aranier, doch es gab nichts zu beanstanden. Offensichtlich hatte er ein Auge für den Lichteinfall, für das Spiel von Licht und Schatten. Der Reichsvogt ließ sich wohl nicht zum ersten Mal auf eine Leinwand bannen. So stand die Hofmalerin an der Staffellage und war dabei ein wahres Kunstwerk zu erschaffen.

Um Reto stromerten aufgeregt seine beiden Leibpagen Siyandrion von Palmyr-Donas und Salix Eorcaïdos von Aimar-Gor herum. Auch seine beiden Knappen Tolmario von Aralzin und Wulthos von Pandlaril blickten wie gebannt auf die Szenerie. ‚Reto im Blautann‘, war der Arbeitstitel des Gemäldes.

Der zweite Salix, nämlich Retos Leibritter Salix Borontreu von Zolipantessa, betrat zusammen mit Tobor von Grîngelbaum und dem Diener Amar Feqzaïl den Raum. Letzterer brachte heißen Gewürzwein für Retos Entourage. „Wir platzen vor Neugier“, begann Salix, „wie wars im Blautann?“

„Treffen sich zwei Weidener, ein Albernier, eine Horasierin und ein Aranier im Blautann … aber der Reihe nach!“

Reto, der es immer noch gekonnt schaffte, Haltung zu bewahren, begann zu erzählen.

„Ach, voller Vorfreude auf die bevorstehende Jagd hatte ich mich von meinem guten Amar in meine äußerst dekorative Jagdkleidung kleiden lassen, die wie gewohnt hervorragenden Stil und Funktionalität miteinander verbunden hatte. An meiner Seite hatte ich meinen Säbel ‚Radschas Rache‘ gegürtet und auch meine Armbrust war mit von der (Jagd-)Partie. Wie bei all meinen Gewändern, hatte ich auch nicht an Zierrat und Schmuck gegeizt. Doch besonders lieb war mir der silberne Luchsanstecker, den ich bei meinem letzten Besuch von der Bärwalder Gräfin bekommen hatte.“ Ein liebevoller Blick wanderte zu Wulthos, den dieser erwiderte.

„Mit gewohnt wachen Augen und einem Blick für jedes noch so kleine Detail, hatte ich das adelige Treiben auf dem herzoglichen Jagdgut Waldleuen verfolgt und parlierte dabei mit unserer hochgeschätzten und erfrischend wortgewandten Hofmalerin Gwendolyn von Dûrrnwangen über die Weidener Buchmalerei, als Prinz Arlan höchstselbst sein Wort an Reto richtete.“

Staunend blickten sich die beiden Pagen Siyandrion und Salix an.

„Wenige Augenblicke später fand ich mich zusammen mit der geschätzten Gwendolyn in einer äußerst illustren Gruppe wieder, bestehend aus den Ritterinnen Etilia von Ehrwald und Yandebirg von Leufels sowie dem Ritter ehrenhalber Coran ui Branghain. Der prinzliche Auftrag sollte uns nach … ehm Tobor?“

„Zur Ruine Kranewitt“, führte der junge Weidener Ritter fort.

„Ah ja, genau und dann sollte es weiter in den Blautann gehen. Was erzählt sich das Volk nochmal über den unheimlichen Forst?“

„‚Den Blautann sehen und sterben‘, Hochgeboren.“

„Sehr richtig! Das versprach also wenig erheiternd zu werden. Doch ich muss sagen, ich wurde ein aufs andere Mal überrascht. Nicht zuletzt vom Blautann, der, auch wenn er zu Recht als gefährlich und abweisend gilt, doch viel Schönes und Erhabenes in sich trägt. Besonders hervorheben möchte ich die Begegnung mit dem Einhorn Tirnavir, ein mächtiges Exemplar seiner Gattung. Es war mir eine Ehre und tiefstes innerliche Verlangen diesem vollkommenen Wesen dienlich zu sein. Noch immer hallt die Stimme dieser Kreatur in meinem Kopf nach. Wahrlich ein Erlebnis.“ Die Augen der Pagen begannen zu leuchten. „Doch besonders berührt, das muss ich unumwunden zugeben, hat mich das Schicksal des jungen Holberkers namens Nadik.“

„Holberker?“, fragte Siyandrion mit runzelnder Stirn.

„Ja, das passiert, wenn sich Elfen und Orks paaren“, antwortete der zweite Salix wie gewohnt abgeklärt.

„Oh, das ist ja … wild.“ Siyandrion wirkte etwas irritiert.

„Der junge Nadik wurde von diesen wenig dekorativen Schnitter-Kultisten gefangen gehalten. Natürlich haben wir ihn befreit und im Gegenzug hat er uns bei der Orientierung im Blautann geholfen. Irgendetwas an seinem Blick berührte mich, vielleicht, weil er auch fern der Heimat weilte, oder dass er nach etwas Größerem suchte.“

„Auch wenn er ‚nur‘ ein Halbork war … wie haben das die Weidener aufgenommen?“, wollte Tobor wissen.

„Nun, alles Orkische ist hier zulande natürlich etwas delikat – verständlicherweise. So haben wir ihn vor unserem Zusammentreffen mit den anderen Suchtrupps nahegelegt, zu seiner eigenen Sicherheit auf unsere weitere Gesellschaft zu verzichten.“

„Deregewandtheit kann wohl nicht überall vorausgesetzt werden“, schnaubte Salix 2.

„Ah, es empfiehlt sich, ins Herz eines jeden zu blicken, mein lieber Salix, nicht alles, was für uns selbstverständlich ist, kann anderenorts als Norm angesehen werden. Wir sind hier nicht in Gareth oder Perricum. Doch, meine Lieben, was lernen wir daraus?“ Reto scherte sehr zum Unbehagen der Malerin aus seiner Pose aus und blickte in die Runde.

„Den Menschen immer ins Herz sehen“, plapperte Salix 1 seinem Herrn nach.

„Ja, mein Guter“, sprach Reto gönnerhaft. „Wir können nicht erwarten, dass andere so denken und handeln wie wir es tun. Wir sind auf uns und unsere Stärken zurückgeworfen. Ein Beispiel: Im Blautann waren wir im Kampf mit finsteren Ketzern verwickelt, die, wie wir später herausfinden sollten, auch Nadik gefangen hielten. Unsere Weidener Ritterinnen folgten ihrem Ehrenkodex, auch gegen diese finsteren Kultisten. Am Ende oblag es mir die Angelegenheit zu Ende zu bringen.“

„Wie?“, wollte Siyandrion wissen.

„Ich habe sie getötet! Also die Kultisten, nicht die Weidener Ritterinnen versteht sich. Sie hatten ihr Leben bereits verwirkt, da musste das Reich Stärke zeigen. Ich denke, unsere Schicksalsgemeinschaft war deshalb so erfolgreich, weil wir so unterschiedlich waren und ein jeder etwas zum Erfolg unserer Mission beitragen konnte. Besonders hervorheben möchte ich jedoch die edle Dame von Dûrrnwangen, die uns mit ihren Bogenschießkünsten eine große Unterstützung war, wiewohl der Blautann wohl nicht ihr bevorzugtes Terrain war.“ Reto lächelte der Hofmalerin wohlwollend zu.

„So wurde der Holberker verschont, die Schnitter jedoch getötet“, stellte Tolmario fest.

„Sehr wohl, Nadik war nicht unser Feind, er ist seiner Natur gefolgt. Seine Belange betrafen die des Reiches nicht. Die Schnitter hingegen, haben sich ganz bewusst gegen die Reichsordnung gestellt. Da darf das Reich keine Gnade zeigen!“

„Also gibt es manchmal ungewöhnliche Verbündete, denen wir ins Herz schauen sollen und Feinde, die nichts anderes als unsere volle Härte verdient haben?“

„Sehr richtig, mein guter Siyandrion! So und nun lassen wir der tüchtigen Künstlerin ihr Meisterwerk vollenden.“