Geschichten:Der uralte Bund - Einhorngruß II: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 10. September 2023, 14:40 Uhr
Pfalz Randersburg, Ende Hesinde 1043 BF:
Andächtig stand Nurinai vor dem Bett der Toten. Was für ein Mensch war Loderia gewesen? Was hatte sie getan oder gewusst, um so zu enden? Es war, als hatte Satinav die Zeit angehalten und so konnte Nurinai nicht genau sagen, wie lange sie auf das Eintreffen der Wachen warten musste.
Ein Klopfen an der halboffenen Zimmertür schreckte die Boron-Geweihte aus ihren Gedanken. Ein Mann um die 40 Götterläufe mit braunen Haaren und dem Wappen der Kaiserlichen Lande Randersburg auf der Brust, trat ein, gefolgt von zwei Bewaffneten.
„Boron zum Gruße, Eure Gnaden, mein Name ist Hagen von Rallerau, Hauptmann der Kaiserlichen Garde zu Randersburg. Das hier“, Rallerau deutete zu den beiden Männer hinter ihm, „sind die hohen Herren Aldemar von Plitzenberg und Albur von Nordingen. Der Pfalzgraf hat darauf bestanden, zwei seiner Hausritter mitzuschicken. Der Wirt hat mich über dieses schreckliche Verbrechen bereits in Kenntnis gesetzt.“
„Meine Herren“, sie nickte den Anwesenden ernst zu, „Ich bin Nurinai ni Rían.“ Dann musterte sie alle kurz nacheinander, wobei ihr Blick auf Albur von Nordingen ein wenig länger ruhte als auf den anderen. So, dachte die Geweihte bei sich, das ist er also, der Liebhaber meiner Schwester. Bisher hatte sie lediglich seinen Namen und seine… hm… besonderen Begabungen, die Scanlail in den höchsten Tönen lobte, gekannt. Nun hatte sie endlich auch ein Gesicht dazu. Und auch der Ritter schien sofort zu begreifen, wer da gerade vor ihm stand, da er die Geweihte etwas intensiver musterte als es eigentlich notwendig gewesen wäre. Kaum verwunderlich, war doch die Ähnlichkeit unter den Schwestern unbestreitbar.
„Nun“, hob die Rían da an, „Dann muss ich Euch ja nichts mehr erklären. Was werdet Ihr jetzt tun und wohin werdet Ihr sie bringen?“
Der Hauptmann der Kaiserlichen Garde zu Randersburg kratzte sich am Kopf und schien über die nächsten Schritte nachzudenken. „Wir werden Ihre Gnaden Pilperquell auf die Pfalz bringen denke ich … in einen der Keller … diskret … wir wollen ja keinen Aufruhr wegen dieser … frevelhaften Abscheulichkeit. Der Körper muss untersucht werden … wir werden auch einen Magier zu Rate ziehen.“ Nun wandte er seinen Blick zu den beiden Hausrittern. „Nordingen, Plitzenberg, besorgt eine Karre … und Leinentücher.“ Der Blick des Hauptmanns fixierte nun die Tote. „Die Zunge … was geht hier nur vor?“
„Es soll wohl ein Exempel darstellen“, meinte die Geweihte, „Sie war scheinbar etwas oder jemanden auf der Spur. Seid besonders vorsichtig, wenn Ihr dieser Angelegenheit nachgeht. Wer solch einen Frevel begeht, der ist gewiss noch zu ganz anderen Dingen fähig.“ Ihre Aussage bekräftigte Nurinai mit einem nachdrücklichen Nicken. „Gewiss habt Ihr recht, auf der Pfalz ist sie am besten aufgehoben.“ Wieder nickte sie. „Ich werde Euch begleiten. Doch zuerst… zuerst… zuerst…“ Jetzt wirkte sie zerstreut. „… zuerst muss ich was essen.“ Sie ging in Richtung Tür. „Ihr entschuldigt mich.“
Es dauerte nicht lange und Salix und Yolande hatten den Aufenthaltsort der Erzäbtissin des Garether Drakoniter-Hortes gefunden. Es lag irgendwie auch auf der Hand. Wie viele Diener und Verehrer der Allwissenden, hielt sie sich in dem Gasthaus 'Silberfeder' auf.
Canyraith von der Lohe saß gemeinsam mit den Geweihten Yurika Eorcaïdos von Aimar-Gor und Linai Josmine von Feenwasser sowie der Novizin Malveda von Vierok an einem Tisch und nahm etwas Gebäck und Gewürzwein zu sich.
„Verzeiht“, hob Yolande mit fester Stimme an, nachdem sie zusammen mit Salix an die versammelte Geweihtenschaft herangetreten war, „dass wir Euch stören, doch wir kommen in dringender Angelegenheit. Euer Ehrwürden…“ Sie fixierte die Canyraith von der Lohe. „… wir bringen Euch schlechte Kunde von Ihrer Gnaden Pilperquell.“ Ach, wie sehr sich Yolande in diesem Moment Nurinai an die Seite wünschte! Die Boron-Geweihte fand in solchen Situationen nicht nur stets den richtigen und angemessenen Tonfall, sondern auch immer versöhnliche Worte. „Sie wird Euch keinen Bericht mehr erstatten können. Sie ist tot. Ermordet.“ Die Ritterin schluckte schwer.
Mit weit aufgerissenen Augen blickte die Erzäbtissin die Raukenfelserin an. Dann wanderte ihr Blick zur Aimar-Gor und dann der Feenwasser. „Was sagt Ihr da“, begann die Drakoniterin mit leiser und gebrochener Stimme. „Bei der Allwissenden, setzt Euch zu uns und berichtet!“
Der Perricumer räusperte sich, nachdem er sich verbeugt hatte. „Euer Ehrwürden, es tut uns aufrichtig leid, Euch auf diese Art und Weise vom gewaltsamen Dahinscheiden Ihrer Gnaden Pilperquell berichten zu müssen“, er musterte die Anwesenden und blickte sich dann im Schankraum um. „Gibt es vielleicht einen Ort an dem wir… ungestörter reden können?“.
Die Erzäbtissin nickte knapp und winkte den Wirt herbei. Dieser führte die Geweihten, sowie Yolande und Salix in einen kleinen Raum hinter dem Schankraum.
Als sich alle an den kleinen Tisch gesetzt hatten, faltete Salix seine Hände auf der Platte zusammen und blickte, wie zuvor schon, mit sorgenvoller Miene zu der Geweihtenschar, ehe er seinen Blick auf Canyraith von der Lohe ruhen ließ. „Nun, ich möchte uns kurz vorstellen. Dies ist Yolande von Raukenfels und ich bin Salix von Hardenstatt“, er sammelte sich kurz und atmete durch.
„Wir haben jüngst Ihre Gnaden Pilperquell aufgefunden, zu unserem aller Bedauern wurde sie Opfer einer schrecklichen Tat, ihr Dahinscheiden war nicht natürlicher Art“. „Ihr habt mein Mitgefühl und Mitleid“, setzte Salix nach.
Die Erzäbtissin nickte, während die Geweihte mit den kurzgeschorenen Haaren, Yurika Eorcaïdos von Aimar-Gor, ihre Stimme erhob. „Verehrte Herrschaften, bitte klärt uns über die Todesumstände Ihrer Gnaden Pilperquell auf.“ Die Prolocutorin des Hesinde-Klosters St. Ancilla machte eine kurze Pause. „Eins noch, die Dame von Raukenfels ist uns bekannt, aber wie steht Ihr, Herr von Hardenstatt, zu der Verblichenen?“
Einen Moment wartete Yolande die Stille ab. „Es scheint, dass es etwas mit diesen Fuchsstatuen zu tun hat“, spekulierte die Ritterin, „So wie Ihr sagtet, hat Ihre Gnaden Nachforschungen dazu angestellt und muss dabei auf irgendetwas gestoßen sein, dass so brisant war, dass es jemand dazu veranlasst hat, selbst vor dem Mord an einer Geweihten nicht zurückzuschrecken. Wer auch immer es war, er wollte, dass sie schweigt. Für immer. Hat sie Euch gegenüber erwähnt, wie ihre Nachforschungen ausgesehen haben?“
Salix nickte zustimmend, während die Ritterin die Situation erläuterte. Dann räusperte er sich, „wie ich zur Verblichenen stand? Nun, wir haben uns gemeinsam Gesellschaft beim Mittagsmahl geleistet und Gedanken ausgetauscht.“ Mit einem kurzen Lächeln setzte er nach, „ah, bevor Ihr fragt, nein, es hatte nichts mit irgendwelchen Fuchsstatuen zu tun“.
Der Adlige legte seinen Kopf etwas schief und schien zu überlegen, währenddessen knetete er seine Unterlippe. Schließlich schien er zu einem Ergebnis gekommen zu sein, denn er richtete sich auf und fixierte die Erzäbtissin, „Sagt, Euer Ehrwürden, könnt ihr mit den Initialen E.v.K. etwas anfangen?“
Die Erzäbtissin blickte zu Yolande. Ihr Gesichtsausdruck wirkte ehrlich betroffen. „Die gute Loderia ist … war im Besonderen von den Geschenken der Allwissenden gesegnet. Eine wahre Koryphäe und das nicht nur auf einem Gebiet. Wie ich der Dame von Raukenfels und ihrer Gefährtin bereits bei unserem letzten Treffen erzählt habe, war Loderia in Gareth auf diese Fuchsstatuen gestoßen und verfolgte diese Spur bis nach Randersburg. Sie glaubte an eine Verschwörung im Umfeld der Winterhochzeit, war in ihren Aussagen allerdings wie gewohnt sehr kryptisch.“
Zu Salix gewandt, ergänzte die Hesindianerin: „Ein Person mit den Initialen E.v.K. ist mir persönlich nicht bekannt.“ Ihr Blick richtete sich nun fragend an die anderen beiden Geweihte der Hesinde.
„Es könnte sich um Elenore von Karseitz handeln“, antwortete Linai Josmene von Feenwasser nach einem kurzen Augenblick. Die Geweihte am Kaiserlichen Hof der Gerbaldsmark kniff ihre Augen zusammen. „Sie gehört zum Gefolge des Königlichen Wägevogtes und war schon oft am Gerbaldsmärker Hof, da ihr Enkel dort als Knappe dient. Eine wenig hesindegefällige Frau, wenn mir die Bemerkung erlaubt ist.“
„Ist diese Eleonore von Karseitz eine ältere Frau mit gefärbtem braunem Haar?“, wollte daraufhin die Raukenfelserin wissen und fügte sogleich erklärend hinzu: „Falls dem der Fall ist, dann ist sicher, dass sie sich vor zwei Tagen in der Herberge Einhorngruß nach Ihrer Gnaden Pilperquell erkundigt hat.“
Salix nickte verstehend und blickte dann mit einer hochgezogenen Augenbraue zu den Geweihten. Interessiert verfolgte er die Reaktion auf Yolandes Frage.
Die Hesinde-Geweihte überlegte einen Moment. „Als diese illiterate Person das letzte Mal am Hof weilte, hatte sie graue Haare, soweit ich mich erinnern kann.“
„Hm“, machte die Ritterin da nur nickend, „Wir werden sehen. Vermutlich sollten wir ohnehin mal hoch auf die Pfalz, dort sei besagte Person nämlich beschäftigt. Dann werden wir sehen.“
Der Adlige legte die Stirn in Falten und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. Es schien so, als würde er im Kopf die bisherigen Erkenntnisse durchgehen. „Eine Verschwörung im Umfeld der Winterhochzeit würde erklären, weshalb Sie sterben musste. Auch die abgetrennte und auffällig drapierte Zunge würde dadurch erklärt. Ihre Gnaden Pilperquell hat etwas herausgefunden, etwas Wichtiges, doch leider fand jemand anderes heraus, dass sie ihm oder ihnen auf die Schliche gekommen ist und sorgte dafür, dass Sie für immer schweigt“, Salix ließ seinen Blick mit einer bedeutungsschwangeren Pause durch die Gesichter der Anwesenden gleiten.
„Eure Ehrwürden, kennt Ihr oder jemand aus eurem Umfeld“, er blickte kurz zu den anderen Geweihten, „einen gewissen Friedbert Jungerich?“.
„Friedbert Jungerich?“, antwortete die Erzäbtissin beherzt, „aber natürlich, er ist DER Traumdeuter Gareths, zudem noch ein hervorragender Maler und ein persönlicher Freund von mir und auch der guten Loderia. Als Freund des Schönen in Vers und Gesang wollte er uns beim gestrigen Bardentreffen Gesellschaft leisten, doch haben sein schlechter Gesundheitszustand und sein stolzes Alter eine Reise von der Reichsstadt nach Randersburg leider unmöglich gemacht.“ Canyraith von der Lohe hob ihre rechte Augenbraue. „Seid Ihr auch schon in den Genuss der Dienste von Meister Jungerich gekommen, Herr von Hardenstatt?“
Salix lächelte sanft, während er leicht den Kopf schüttelte, „Nein, die Dienste von Meister Jungerich habe ich noch nicht in Anspruch genommen“. Dann fügte er noch hinzu, „Gareth ist dann doch etwas weiter von meinem Wohnort entfernt“.
Der junge Adlige rutschte etwas auf seinem Stuhl hin und her. „Ihr sagtet ‚Maler‘? Dann wird ihre Gnaden Pilperquell ihn wohl bezüglich der Statuen befragt haben. Hm“, Salix begann wieder zu grübeln. „Wissen Eure Ehrwürden, ob und wenn ja, wen Ihre Gnaden Pilperquell gestern Abend treffen wollte?“
„Nun, Meister Jungerich ist ein Virtuose darin, Träume und ihre Deutungen in Bildern festzuhalten und sie zu interpretieren.“ Die Augen der Erzäbtissin begannen zu leuchten. Offenkundig hielt sie sehr viel von der Schaffenskraft des Meisters. „Ob Loderia den großen Meister bezüglich der Statuen zu Rate gezogen hat, vermag ich nicht zu sagen. Es würde mich jedoch wundern, ist doch diese Art der bildlichen Sprache nicht die seine, sondern eher meine.“
„Vielleicht hatte Ihrer Gnaden ihn aufgrund eines Traumes kontaktiert?“, vermutete Yolande da, „Wenn er ihr nicht bei den Statuen weiterhelfen konnte. Die Frage ist allerdings, warum sie sich dann an Meister Jungerich wandte und nicht etwa an einen Diener Bishdariels.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Hat sie erwähnt, dass sie geträumt hat?“
„Um ihren Erkenntnisgewinn nicht zu gefährden, hat sich die gute Loderia mit ihrer Korrespondenz sehr zurückgehalten. Sie hatte schon immer ein gewisses Misstrauen gegenüber dem Botenwesen. Daher hat sie Meister Jungerich stets persönlich in Gareth aufgesucht.“ Als die Stimme der Erzäbtissin abebbte, war es an Yurika Eorcaïdos von Aimar-Gor die ihre zu erheben. „Wohin wird Ihre Gnaden Pilperquell verbracht werden? Es geziemt sich, unserer Schwester im Geiste die letzte Ehre zu erweisen.“
Salix rieb sich kurz das Nasenbein, um dann knapp mit dem Kopf zu schütteln, „Das wissen wir nicht. Darum hat sich Ihre Gnaden ni Rían gekümmert. Oder wollte es zumindest“. Er lehnte sich Richtung Tischplatte und legte seine Hände gefaltet darauf. „Die Wache wurde verständigt, ich denke dort wird man Euch sicherlich weiterhelfen können“.
An die Erzäbtissin gewandt, „sagt, können wir Euch hier antreffen, sollten sich uns noch weitere Fragen stellen? So sehr ich auf die Kompetenz der offiziellen Stellen vertraue, Ihre Gnaden ni Rían hat mich überzeugt, mit Ihr und Frau von Raukenfels dieser Sache auf den Grund zu gehen“.
„Möge die Allwissende Euch auf Euren Pfad zur Wahrheit leiten. Doch wisset, oft gibt es mehr als nur eine Wahrheit.“ Die Erzäbtissin lächelte und blickte flüchtig zur Aimar-Gor, die sich darauf an Yolande und Salix wandte. „Malveda, die Scholarin der Schlange, wird Euch bei Euren Bemühungen gerne unterstützen und uns verständigen wenn dies von Nöten ist.“ Die Genannte, die das ganze Gespräch über ruhig und nahezu regungslos mitverfolgt hatte, nickte kurz.
Yolande und Salix nickten ebenfalls zustimmend, verabschiedeten sich von den Hesinde-Geweihtinnen und gingen, mit der Novizin Malveda im Schlepptau, zur Herberge 'Einhorngruß' zurück.
Vor der Herberge angekommen, sahen die beiden Adligen, wie Nurinai an einem Karrenwagen stand. An ihrer Seite die beiden Randerburger Hausritter Ademar von Plitzenberg und Albur von Nordingen, sowie Hauptmann Hagen von Rallerau. Weiße Leinentücher umhüllten den Leichnam der Hesinde-Geweihten Loderia Pilperquell und schützen diesen vor neugierigen Blicken. Hauptmann Rallerau war bemüht, so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Was er nicht gebrauchen konnte, war ein panischer Aufruhr im Umfeld der Winterhochzeit.
Während sich Yolande und die Novizin Malveda dem Totenzug auf die Pfalz anschlossen, entschuldigte sich Salix und versprach, sobald es ihm möglich sein würde, nachzukommen.
So setzte sich der Karren mit der brisanten Fracht in Bewegung. Stumm folgten Nurinai, Yolande und die junge Malveda dem Totenzug, der sich quälend langsam den Weg zur Pfalz bahnte. Während der Hauptmann der Kaiserlichen Garde vorweg ritt, versuchten die beiden Hausritter an den Flanken des Karrens dessen Inhalt vor neugierigen Blicken zu schützen.
Die Wachen am unteren Burgtor musterten interessiert den Karren, wie auch die Begleitung im Schlepptau, doch ein Blick des Hauptmanns genügte und sie zogen sich wieder zurück und ließen passieren. Im oberen Burghof der Pfalz angekommen, setzte Hagen von Rallerau ab.
„Nordingen, du holst Radewitz und Sandelbruch, die sollen uns beim Transport helfen. Plitzenberg, du benachrichtigst die Seneschallin! Und jetzt ab mit euch!“
Die beiden Hausritter taten, wie ihnen geheißen und entfernten sich schnellen Schrittes. Im Burghof war noch einiges los, viele Menschen, seien sie Bewohner, Gesinde oder Gäste, wuselten über den großen, länglichen Platz, an dem sich nicht nur der große Bergfried und der Palas befanden, sondern auch die Tempel des Herrn Praios und der Frau Rondra sowie ein Schrein des Herrn Ingerimm.
Geschwind kam Albur von Nordingen mit einem Mann mittleren Alters und einem sehr jungen Mann wieder. Diese stellten sich als Ischtan von Radewitz und Danos von Sandelbruch vor. Die Hausritter luden den in Leinen gewickelten leblosen Körper auf eine mitgebrachte Bahre. Mit dem Hauptmann als Speerspitze verschluckte der nur mäßig beleuchtete Bergfried die Gruppe wie ein nimmersatter Moloch. Schier unzählige Stufen führten in die Tiefe und beinahe wäre Albur abgerutscht, doch konnte er sich und die Bahre gerade noch halten. Nicht auszudenken, der Leichnam wäre die Treppe runter gepurzelt. Wieviel Schmach sollte dem Körper der Geweihten noch zugemutet werden?
Der enge Treppengang öffnete sich nach gefühlt unendlich langer Zeit zu einem mächtigen Kellergewölbe. Von diesem zentralen Raum aus führten mehrere Gänge in nahezu alle Richtungen. Zielsicher steuerte Hauptmann Rallerau einen der Gänge an und nach zwei Dutzend Schritt machte er vor einer der Türen halt. Er holte einen Schlüssel hervor und schloss sie auf. In dem kühlen Raum befanden sich mehrere hüfthohe, tischartige Konstrukte. Augenscheinlich war dies der Totenraum der Pfalz. Die Hausritter platzierten den Leichnam auf einen der Tische. Nun hieß es warten auf die Seneschallin.
Nurinai und Yolande hatten abgewartet, bis man die Tote zumindest einen Teil der schmalen Treppe hinabbugsiert hatte, ehe sie folgten.
„Wir sollten der Vogtvikarin dringend Bericht erstatten“, raunte die Raukenfelserin ihrer Liebsten zu, „Auch Ihre Gnaden habe wohl eine Verschwörung im Umfeld der Winterhochzeit vermutet.“ Da nickte die Boron-Geweihte. Auch sie hatte über diese Möglichkeit bereits nachgedacht. „Wir sollten allerdings auf den Herrn von Hardenstatt warten, ich will dich nicht erneut alleine lassen…“
„Ich denke nicht, dass ich allein sein werde. Die Hesinde-Novizin wird sicherlich auch bei ihr sein.“
„Hm“, machte die Raukenfelserin da nur, „Gewiss hast du recht, trotzdem… Ob wir einen Boten schicken sollten?“
„Zu gefährlich“, meinte die Rían da nur, „Jeder, der in dieser ganzen Angelegenheit involviert ist oder wird, ist in Gefahr. Bedenke: Derjenige hat eine Geweihte auf dem Gewissen.“
„Vermutlich…“, schloss Yolande da, „… hast du recht, Narzisschen. Wie so oft. Wir werden auf den Herrn von Hardenstatt warten. Sobald ich weiß, wo ihr seid, werde ich draußen auf ihn warten.“
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Praios heller Schein | ▻ |
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In die Finsternis I | ▻ |