Geschichten:Erlenstammer Hofgeschichten - Teil 3: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 1. Juli 2011, 07:31 Uhr
Ein wenig später, nachdem Alissa die Magd hinausgeschickt hatte, entledigte sie sich ihrer verschmutzten und staubigen Kleider und stieg vorsichtig in den Badezuber. Das Wasser war heiß, tat ihren geschundenen Muskeln und Knochen jedoch sehr gut. Zudem hatte die Magd das Wasser leicht parfümiert und Alissa ließ sich genüsslich bis zum Hals in das Wasser gleiten.
Nachdem sie ein paar Augenblicke einfach nur die wohlige Wärme und den Duft des Wassers genoss, fing sie wieder an, über das Flüchtlingsproblem nachzugrübeln. Irgendwie müssen die Leute mehr oder minder unbeschadet, aber dennoch schnell an die südliche Grenze Erlenstamms eskortiert werden. Ihre Tante konnte kaum ein Interesse daran haben, dass viele Leute in ihrer Baronie zu Schaden kommen. Das würde irgendwann alles auf sie zurückfallen und sie in Verruf bringen.
Alissa überlegte hin und her, was man tun könnte. Schließlich kam ihr eine Idee. Das einzige Problem an der ganzen Sache war, dass Alissa ihre Tante von dieser Idee begeistern müsste. Aber das würde ihr schon irgendwie gelingen.
Zufrieden mit ihren Gedanken holte Alissa einmal tief Luft, um dann gänzlich im Zuber unterzutauchen. Prustend kam sie wieder an die Oberfläche und in diesem Moment klopfte es an der Tür.
"Wer ist da?", fragte Alissa ein wenig ungehalten. Die Magd, die das Bad bereitet hatte trat ein und erklärte Alissa kurz, wer dort draußen auf sie wartete. "Dann stell einen Paravent zwischen der Tür und dem Zuber auf, so dass ich mich nicht zeigen muss. Und dann verlass diesen Raum, warte aber vor der Tür, falls ich dich doch noch brauchen sollte." Die Magd tat wie ihr geheißen und ließ den Anklopfer eintreten. Sie selbst wartete draußen vor der Tür.
"Nun, was ist von so großer Dringlichkeit, dass ihr mich beim baden stört?", fragte Alissa. "Mia Bella", sagte ihr Gast. "Ich war so geblendet von Euch und mein Herz hat Euch derart vermisst, dass ich nicht umhin kam, Euch aufsuchen zu wollen." Die Stimme des Dottore zitterte ein wenig vor Aufregung, malte er sich doch gerade aus, was sich hinter dem Paravent verbarg.
Alissa plätscherte ein wenig mit dem Wasser und antwortete: Nun, werter Luigi, ich fühle mich durchaus geschmeichelt, aber seid ihr sicher, dass meine Tante mit dem einverstanden ist, was ihr hier grad tut?"
"Ich bin mir nicht sicher, ob eure Tante das gutheißt, mia Bella, aber Euer Liebreiz hat mich vorhin in der Halle völlig aus der Bahn geworfen." Alissa kicherte in sich hinein. Sie hatte dem armen Dottore tatsächlich derart den Kopf verdreht, dass er völlig aus dem Häuschen war.
"Ich habe hier eine Sammlung von Gedichten mitgebracht", sagte der Dottore ruhig. "Ich bin mir sicher, Ihr würdet Gefallen daran finden." Alissa überlegte kurz, welche Sammlung von Gedichten das sein könnte. Da Belcampo in letzter Zeit nicht ausserhalb von Freudenstein gewesen war, konnte es nur ein Buch aus der Bibliothek ihrer Tante sein. Und die hatte Alissa mindestens schon drei Male gelesen. Aber um ihren Schmeichler nicht zu kränken antwortete sie: "Ich würde mich freuen, wenn ihr mir daraus vortragen würdet."
"Sehr gern, mia Bella." Luigi Belcampo hatte sich diesen Kosenamen für Alissa einfallen lassen, benutzte ihn aber nur, wenn die beiden ungestört waren. Alissa gefiel diese kleine Aufmerksamkeit und so ließ sie ihn gewähren.
Belcampo hob an und Alissa überlegte hart, ob sie diese Gedichte denn schon kannte. Aber so sehr sie auch überlegte, sie konnte die Gedichte nicht einordnen. Sie unterbrach den Dottore ganz ungeniert: "Sagt, lieber Dottore, woher sind diese Sonette? Sie kommen mir sehr unbekannt vor, aber sie sind von äußerster poetischer Qualität."
Belcampo freute sich wie ein Schneekönig, als er Alissas Worte vernahm. "Ich hatte in den letzten Wochen wenig zu tun. Und da ich nicht müßig gehen wollte, habe ich diese Gedichte geschrieben. Die ganze Zeit hatte ich Euer Gesicht vor Augen, mia Bella. Daher ist jedes einzelne Gedicht auch nur Euch gewidmet."
Alissa fühlte sich äußerst geschmeichelt. Es war noch nie vorgekommen, dass tatsächlich jemand nur für sie etwas geschrieben hatte. Wirklich überrascht antwortete Alissa: "Dann fahrt bitte fort. Ich möchte schon wissen, zu was ich Euch inspiriert habe."
Während Belcampo ein Sonett nach dem anderen vorlas, wusch sich Alissa den Staub und Dreck der letzten Wochen von der Haut. Sie wusch sich die Haare und plätscherte dabei unaufhörlich. Belcampo räusperte sich ein wenig, fuhr dann aber mit seinem Vortrag fort und Alissa überlegte, wie sie ihren Verehrer noch ein wenig aus der Fassung bringen könnte. Alissa fiel etwas ein und ließ ihre Seife ausserhalb des Zubers fallen. "Oh, nicht doch!", rief sie. "Jetzt ist mir doch tatsächlich die Seife aus der Hand gerutscht. Werter Luigi, wärt ihr so nett?"
Belcampo schluckte den Kloß in seinem Hals herunter. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet, aber es schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. Als er hinter den Paravent trat, lugte nur Alissas Kopf aus dem Badezuber. Alles andere hatte sie mit umher liegenden Tüchern verdeckt.
Belcampo suchte kurz nach dem Seifenstück. "Wo ist es Euch denn hingerutscht?", fragte er. "Es liegt hier gleich neben dem Zuber", antwortete Alissa. Sie warf ihrem Verehrer eines ihrer verführerischsten Lächeln zu. Dieser bekam einen leicht roten Schimmer auf den Wangen, hob aber die Seife auf und gab sie Alissa in die Hand. "Habt Dank, mein Retter!", flüsterte Alissa. "Ich denke, ich bin euch etwas schuldig." "Nein, nein, es war mir eine Ehre." Belcampo verneigte sich. Er wäre gern weiterhin in der Nähe von Alissa geblieben, ging aber anstandshalber zurück hinter den Paravent.
Er hob wieder an, seine Gedichte vorzutragen und in aller Seelenruhe wusch sich Alissa ihr Haar, um dann anschließend aus dem Zuber zu steigen und sich in ein großes dickes Laken zu hüllen, welches ihr als Handtuch diente. Belcampo war ein wenig irritiert, da er nicht erwartete, Alissa so schnell aus dem Zuber steigen zu hören, aber er ließ sich nichts anmerken und las weiter, obwohl sich in seinem Kopf die Gedanken nur noch um die Dame auf der anderen Seite des Paravents drehten. Alissa trocknete sich die Haare um sie daraufhin mit einem betörenden Öl zu bearbeiten.
Belcampo stieg der Duft sogleich in die Nase und flötete: "Hach, ein wundervoller Duft für eine wundervolle Frau." Alissa kicherte leise, erwiderte aber nichts.
Belcampo fuhr noch ein wenig mit seinem Vortrag fort, bis Alissa ihn schließlich unterbrach: "Verzeiht, mein lieber Luigi, aber ich muss euch nun bitten, euch für eine Weile zurück zu ziehen. Leider liegen meine Kleider in meiner Kammer und da ich nicht umhin komme, durch die Tür hinter euch in diese zu gehen, muss ich Euch nun bitten, zu gehen."
"Ja, ich verstehe, mia Bella. Wir werden uns ja ohnehin später beim Diner sehen. Ich freue mich sehr darauf." Daraufhin verschwand er aus der Tür.
Alissa wartete noch ein wenig, denn es hätte durchaus sein können, dass Belcampo noch im Gang war. Dann wickelte sie sich vollkommen in ihr Laken ein und begab sich in ihre Kammer.
Dort machte sie sich sofort daran, sich anzukleiden. Nach den Wochen über Wochen in der Waldläuferkleidung war sie froh, endlich einmal wieder ein hübsches Kleid anziehen zu können. Sie hatte sich ein schlichtes Kleid in Veilchenblau ausgesucht, welches perfekt zu ihr passte. Nicht zu aufdringlich und für den heutigen Abend genau das Richtige.
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