Geschichten:Familienbande 4: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 25. Januar 2014, 07:13 Uhr
Dramatis Personae:
Nach und nach trudelte die Familie im Speisesaal ein. Trotz ihrer beachtlichen Leibesfülle waren die Brüder Geppert und Darian die Ersten bei Tisch. Sie würden auch die Letzten sein, die ihre Stühle nach dem Essen wieder verließen. Dicht hinter ihnen folgten ihre Frauen, die Schwestern Vana und Nana. Ähnlich fett wie ihre Männer, schwebten sie in dem wie üblich vergeblichen Versuch grazil zu wirken, in einer Duftwolke aus diversen Parfüms heran. Als sie sich gerade am unteren Ende des Tisches auf ihre Plätze setzten, traten durch zwei gegenüberliegenden Türen die Cousinen Elwene und Losiane ein. Die beiden alten Frauen waren die Mütter von Geppert und Darian und von Vana und Nana. Bis aufs Blut zerstritten lebten sie in den zwei am weitesten voneinander entfernten Ecken der Burg. Die Turmzimmer waren jedoch stets besonders zugig, was der Gesundheit der alten Damen nicht gerade zuträglich war. Doch der Hass aufeinander hielt sie seit Jahren am Leben, wollte doch keine der anderen die Genugtuung gönnen und zuerst zu Boron gehen.
Kurz darauf erschien auch Ondwine, eine Cousine von Vana und Nana. Im Gegensatz zu den beiden war sie klapperdürr und ihre Haut hatte eine fast leichenhafte Blässe. Seit dem frühen Tod ihres Mannes bei einem Jagdunfall nahm sie nur noch das Nötigste an Nahrung zu sich, sprach nicht mehr als notwendig und hüllte sich stets in die Farben Borons. Die Burg verließ sie nur noch einmal im Jahr, um am Todestagtag ihres Mannes im nächsten Borontempel zu beten. Ihre einzige Tochter, Edala, war erst vor kurzem mit dem zweitem Sohn ihres Cousins Darian, Quanion, vermählt worden. Ondwina hatte zwar auch dazu nichts gesagt, aber seitdem sprach und aß sie noch weniger als zuvor und fast hatte es den Anschein, als wolle sie sich nun zu Tode hungern.
Auch Quendan, Darians erster Sohn und Ehegatte von Gepperts Tochter Berna, kam jetzt zur Tür hinein. Wie so oft in den letzten Wochen war er schlecht gelaunt. Er äußerte seinen Unmut auch deutlich, indem er bei jeder Gelegenheit nach Gegenständen trat oder seine Diener schlug. Denn leider hatte Hesinde ihre Gaben bei Quendan sehr knapp bemessen und so war er nie über das geistige Niveau eines Kindes hinausgekommen. Diesem Kind im Körper eines Mannes hatte man zuletzt auf Herdans Befehl hin sein Lieblingsspielzeug, seine Berna, entzogen und deswegen quengelte er herum.
Ungewöhnlich spät kamen als letztes Quanion und Edala zu Tisch. Beide waren nur spärlich bekleidet und Quanion hatte sich nicht einmal bemüßigt, seinen Gemächtschutz zu schließen. Offensichtlich waren sie durch den Essensgong beim Rahjaspiel gestört worden und schienen sich auch nicht lange bei Tisch aufhalten lassen zu wollen. Bis auf die beiden Plätze direkt rechts von Herdan Lucius waren nun alle Stühle besetzt. Dort saßen sonst Heiltrud von Bugenhog und ihre Tochter Ulmia. Doch seit Quendan auf der Suche nach einem neuen Spielzeug mehrfach versucht hatte, sich Ulmia auf unsittliche Weise zu nähern, bestand ihre strenge Mutter Heiltrud darauf, mit ihrer Tochter auf dem Zimmer zu speisen. Auch sonst ließ sie ihre junge Tochter nicht mehr aus den Augen. Nachdem ihr Mann und ihr Sohn für Answin auf dem Schlachtfeld gestorben waren, fühlte sie sich auf Burg Keilholtz gefangen. Vor allem seit Bogumil ihr untersagt hatte, gemeinsam mit der Tochter die Burg zu verlassen, um ihre Familie in Greifenfurt zu besuchen.
Ulmia hingegen litt sehr darunter, sich nicht einmal mehr auf der Burg frei bewegen zu dürfen. So träumte sie in der wenigen freien Zeit, den der Unterricht ihrer Mutter ihr ließ, oft von einem strahlenden Ritter, der sie auf seinem edlen Ross von Burg Keilholtz und ihrer unheimlichen Verwandtschaft fort holen würde.
Schließlich erhob sich Bogumil, um vor dem Essen noch ein paar Worte zu sagen. „Da nun die Familie versammelt ist, möchte ich ein paar Worte der Trauer verlieren. Wir gedenken hiermit des Kindes, das unserer Berna von Tsa gegeben und doch von Boron zugleich wieder genommen wurde. Freuen wir uns, dass uns zumindest Berna erhalten geblieben ist und bitten wir Boron, die Seele des Kindes gnädig in seinen Hallen zu empfangen… Und nun tragt endlich die Speisen auf; ich habe einen Bärenhunger und wenn mein Weinglas nicht sofort aufgefüllt wird, sterbe ich auch noch vor Durst.“