Geschichten:Verschollene Eber - Der rechte Zungenschlag: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 28. Februar 2014, 16:07 Uhr
Baronie Zalgo, Gut Zalgo
Im Rittergut des Barons von Zalgo
Der alte Kammerherr betrat die Schreibstube mit dem Maß an Würde, welches die lange Familientradition und das stolze Wissen darum geboten – und welches das hohe Alter noch zuließ. „Eine Nachricht aus Greifenfurt, Herr!“, schnarrte er und präsentierte dabei den verbliebenen Schneidezahn.
Tyrian von Schelentorff-Zalgo, der Baron von Zalgo, blickte nicht vom zerlesenen Buche auf und antwortete wenig interessiert: „Was denn, Odil, hat der Kämmerer immer noch Tauben aus unserm Schlag? Er ist früh dran diesmal. Antworte ihm, wir hätten Verständnis für seine Lage, wüssten um die zwingenden Notwendigkeiten, sind der Lehnspflicht mit unseren Abgaben getreulich nachgekommen, allerhöchsten Respekt, Verbundenheit und unsere besten Empfehlungen, uns so weiter und so weiter, …“
„Die Nachricht kam mit unserem Mann aus Hexenhain“, schnarrte der Alte. „Tatsächlich?“, entgegnete der Baron nun und nahm die Nachricht mit wachsendem Interesse entgegen. „Ork und Donnerschlag noch eins! Denk dir, da hat man die Eberstammer Erbprinzen geraubt. Und Prinz Edelbrecht ist auf in Richtung Kosch, um sie zu suchen.“ Nachdem er dies gesagt hatte, blickte er nachdenklich aus dem schmalen Fenster. „Oh, Herr Praios“, stöhnte der alte Odil, „was ist nur los mit dem hohen Adel des Raulschen Reiches? Welch Unglück!“ „Ja“, sagte der Baron lakonisch vom Fenster her, „es ist schon sehr merkwürdig, wenn man die letzten Jahre bedenkt: Yppolita verbannt nach Festum, der Bruder anfällig und seltsam in Punin, die Greifin schwachsinnig im Turme, mancher Edle gar ermordet und Kaiser Hal wieder zurück, dann entrückt in der Schlacht, in der auch Answin von Rabemund fiel. Und nun werden noch der Koscher Erbprinz samt Gemahlin entführt. Wie schändlich.“
Odil richtete sich auf (soweit sein Rücken dies zuließ): „Ihr sprecht dies so leichthin, Herr Tyrian, aber es sind alles Prüfungen der Götter. Wir alle werden in unserer Standhaftigkeit geprüft. Und ihr tätet gut, euch aufrecht solchen Herausforderungen zu stellen, anstatt den Dukaten hinterher zu jagen, mit eurem süßen Wein zu handeln und nun diese Koschspatzen züchten zu wollen.“
„Was denn, Odil“, sagte der Baron und hob eine Augenbraue, „wollt ihr den letzten Zahn an einen trockenen Brotkanten verlieren? Geht es uns nicht besser, als noch vor ein paar Jahren? Und außerdem heißen diese Spatzen Koschammern und ihre Zungen sind eine wahre Delikatesse. Und wertvoll!“ Odil grummelte Unverständliches, hob dann aber wieder an: „Es ist eine Schande, Herr Tyrian, eine Schande! Die Farben des Hauses Zalgo sollten endlich wieder öfter kühn und sichtbar getragen werden. Euer Vater, Boron möge über seine Ruh wachen, wäre jetzt nicht sitzen geblieben. Ich weiß noch, damals, als der heilige Answin in Gareth auf dem Throne saß, da hat euer Vater vom Torhaus her die Feinde verlacht. Keinen Brinianer haben wir hier rein gelassen, wir waren standhaft!“
Lakonisch sagte der Baron: „Nun ja, wir sind aber auch nicht herausgekommen. So etwas nennt man eine Belagerung.“
Der alte Kammerherr war jedoch nun in Wallung gekommen: „Eures Vaters Wort galt noch in der Mark. Und bedenkt noch dies: Wenn Prinz Edelbrecht fort ist, wer wird dann die Mark führen? Oh, wie lagt ihr mir so oft in den Ohren: Der Nebelsteiner hat zu viel Einfluss, das sollte ich besser mit dem Prinzen besprechen; der Nebelsteiner wird dem so nicht zustimmen. Je länger der Prinz fort ist, desto länger wird der Meister alleine walten. Hier in Zalgo habt ihr die Dinge wohl geregelt, Herr Tyrian. Eil euch, Herr! Ihr solltet da sein, wo ihr etwas tun könnt und helfen, den Prinzen an einem Stück und heil zurückzubringen.“
„Außerdem“, fügte der Alte noch hinzu, „sollte euer Knappe noch etwas anderes lernen als den großen Fluss rauf und runter zu fahren und Vögel zu züchten. Für seine Ausbildung käme eine solche Queste sehr recht. Derzeit ist er ein jämmerlicher Waschlappen. Kaum vorzeigbar, wirklich peinlich.“
Der Baron war nachdenklich geworden. Er legte das zerlesene ‚Prems Tierleben’ zurück in die Truhe und schloss den Deckel sorgsam. „Vielleicht hast du recht, Odil. Die anderen Dinge hier können warten.“
„Recht so, Herr!“, bekräftigte nun Odil. „Zeigt dem Prinzen und dem übrigen märkischen Adel, dass ihr aus märkischer Eiche geschnitzt seid. Und überhaupt, warum wollt ihr ausgerechnet diese winzigen Koschspatzen züchten, wenn ihr am Ende doch nur ihre Zunge braucht. Warum nehmt ihr nicht Tauben? Davon haben wir den ganzen Schlag voll.“
„Ein interessanter Gedanke, Odil …“, sagte der Baron.
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