Turney und Lanzengang: Unterschied zwischen den Versionen
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Es versteht sich, daß es – obschon mit stumpfen Waffen gefochten – gerade bei dieser Disziplin zu bisweilen schwersten Verletzungen kommt. Die Buhurt oder auch das ungleich gefährlichere Gestampfe wird in einem Pulk ausgetragen, wobei es im Vorfeld zu einer Aufteilung in zwei Lager kommt. Ziel ist – in Anlehnung an einen Ernstkampf – der Sieg des eigenen Lagers. Doch alleine die Aufteilung der angereisten Ritter samt Gefolge fordert vom Turnierherold einiges an Können und umsichtiges Planen, um eine genügend ausgewogenen Kampfeskraft zu beiden Seiten zu erzielen. Oft bilden sich die Gruppierungen zwangsläufig aus dem jeweiligen Lehnsverhältnis bzw. der landsmannschaftlichen Zugehörigkeit oder aber aus der Mitgliedschaft in einem der Ritterbünde oder Orden. | Es versteht sich, daß es – obschon mit stumpfen Waffen gefochten – gerade bei dieser Disziplin zu bisweilen schwersten Verletzungen kommt. Die Buhurt oder auch das ungleich gefährlichere Gestampfe wird in einem Pulk ausgetragen, wobei es im Vorfeld zu einer Aufteilung in zwei Lager kommt. Ziel ist – in Anlehnung an einen Ernstkampf – der Sieg des eigenen Lagers. Doch alleine die Aufteilung der angereisten Ritter samt Gefolge fordert vom Turnierherold einiges an Können und umsichtiges Planen, um eine genügend ausgewogenen Kampfeskraft zu beiden Seiten zu erzielen. Oft bilden sich die Gruppierungen zwangsläufig aus dem jeweiligen Lehnsverhältnis bzw. der landsmannschaftlichen Zugehörigkeit oder aber aus der Mitgliedschaft in einem der Ritterbünde oder Orden. | ||
Alleine im Hauen und Stechen während einer Buhurt sehen viele Adelige eine Chance, ihrem Konkurrenten und Widersacher mit handfesten Argumenten beizukommen. | Alleine im Hauen und Stechen während einer Buhurt sehen viele Adelige eine Chance, ihrem Konkurrenten und Widersacher mit handfesten Argumenten beizukommen. | ||
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Viele der alteingesessenen Barone und Grafen lassen es sich nicht nehmen, während der Turniersaison, die hierzulande von Anfang Ingerimm bis Ende Rondra dauert, zu einem eigenen Turnier zu laden. Oft geschieht das als formlose Einladung. Bisweilen enthalten diese jedoch eine geschickt und der Etikette genügend versteckte Forderung zu einem Duell, das häufig persönliche Gründe hat. Das Turnier wird traditionell an einem Markttag ausgetragen. Je nach Regularien wird nach dem KO-Prinzip gestritten bzw. nach Aufforderung. Dazu erwählt der Ritter seinen Gegner indem er mit seiner Lanze eines der Wappenschilder potentieller Rivalen berührt. Die Bedingungen eines Kampfes können von den betroffenen Kombattanten frei gewählt werden. Sie müssen jedoch grundsätzlich konform mit den Erlassen der Kanzlei S,G & K sein, die zu Beginn der jeweiligen Kampfdisziplinen durch den Turnierherold laut verkündet werden. Insbesondere die Wahl der Waffen im Gestampfe ist Privileg der Teilnehmer, sowie auch die Entscheidung über einen Kampf zu Pferd oder zu Fuß. Hier gilt das Prinzip der Gleichheit unter Gleichen | Viele der alteingesessenen Barone und Grafen lassen es sich nicht nehmen, während der Turniersaison, die hierzulande von Anfang Ingerimm bis Ende Rondra dauert, zu einem eigenen Turnier zu laden. Oft geschieht das als formlose Einladung. Bisweilen enthalten diese jedoch eine geschickt und der Etikette genügend versteckte Forderung zu einem Duell, das häufig persönliche Gründe hat. Das Turnier wird traditionell an einem Markttag ausgetragen. Je nach Regularien wird nach dem KO-Prinzip gestritten bzw. nach Aufforderung. Dazu erwählt der Ritter seinen Gegner indem er mit seiner Lanze eines der [[:Kategorie:Wappen Garetiens|Wappenschilder]] potentieller Rivalen berührt. Die Bedingungen eines Kampfes können von den betroffenen Kombattanten frei gewählt werden. Sie müssen jedoch grundsätzlich konform mit den Erlassen der Kanzlei S,G & K sein, die zu Beginn der jeweiligen Kampfdisziplinen durch den Turnierherold laut verkündet werden. Insbesondere die Wahl der Waffen im Gestampfe ist Privileg der Teilnehmer, sowie auch die Entscheidung über einen Kampf zu Pferd oder zu Fuß. Hier gilt das Prinzip der Gleichheit unter Gleichen. | ||
Während die Turnierkämpfe in kleineren Baronien meist nur die unmittelbare Nachbarschaft anlocken, finden sich auf den großen Grafen- oder gar Königsturniere neben den geladenen Gästen auch eine unüberschaubare Zahl an fahrenden Rittern ein, die hier ihr Glück versuchen. Da diesen Edelleuten neben einer Ausbildung im Umgang mit Schwert und Lanze keine weiteren ihrem Stand gemäßen Verdienstmöglichkeiten zur Verfügung stehen sind diese Glücksritter auf die Aulobung eines Turniers angewiesen. So sieht man denn während der Sommermonde die reisenden Adelssprösse, die von einer Turnierwiese zur nächsten ziehen, wohl wissend, daß ihnen als Zweit- oder Drittgeborenen kein Anrecht auf Lehnsland zusteht und einzig eine Siegprämie ihren hohen Lebensstand finanzieren kann. Wurde früher noch die eigene Rüstung bei Niederlage und ‚Gefangenschaft‘ durch den Sieger erbeutet, so stellt heute der Ausrichter des Turniers meist eine Prämie in Aussicht, die von einer veritablen Mastsau bis zu einem stolzen Schlachtross reichen mag. | |||
== Das ritterliche Ideal des Adels == | == Das ritterliche Ideal des Adels == |
Version vom 23. August 2006, 20:03 Uhr
Turnierwesen & Ritterlichkeit – Das Lebensgefühl des garetischen Adels
„Garetien, Du stolzes Königreich, Land erhabener Ehrenmannen und edelmütiger Adelsleut. Dies ist die Heimat der glorreichen Ritterschaft, die es verstehet, die Turney zu reiten und der Frowen Herzen zu erobern, wie es keiner anderswo vermag. Garetien, Du Glanzvolle, erstrahle im Lichte des alveranischen Fürsten auf immer dar!“,
aus der Hymne „Garetien, Du Land meiner Ahnen“ von Ebernhelm von Zankenblatt, Baron zu Syrrenholt in den Jahren 241 bis 219 vor Hal
Wer an Garetien denkt, der denkt zugleich auch an die alles überragenden Turniere, bei denen sich der Ritterstand feiert und von den einfachen Landleuten bejubeln läßt. Wie aber kann sich der Ortsunkundige ein typisch garetisches Turnier vorstellen? Die folgenden Zeilen mögen all jenen zur Information gereichen, denen es bisweilen nicht vergönnt war, mit eigenen Augen das in einem farbenprächtige Fahnenmeer umrahmte garetische Turnier zu bewundern. Der Text soll Kenntnis vermitteln über die besondere Form des adeligen Turnierkampfes. Der volksnähere Teil eines Turniers, der sich in einfachen Disziplinen wie Bogenschießen, Raufen und dergleichen mehr wiederfindet, sei hier nicht weiter von Belang.
Das Turneyen – Die Geschichte eines adeligen Privilegs
Während in Arivor ganz im Sinne der alveranischen Leuin die Wettkämpfe gleichsam einen sakralen Charakter aufweisen bzw. das Aufeinandertreffen weidenscher Panzerreiter zu Trallop mehr an eine markige militärische Waffenübung gemahnt, erfolgt das Turneien nach garetischer Art vielmehr aus einem sportlichen Ehrgeiz heraus, ja man könnte fast sagen es ist eine Art von selbstdarstellerischem Schauspiel, in dem der feierliche Einzug, das Spalieren, Eskotieren, und Paradieren fast einen höheren Stellenwert genießt, als der eigentliche Wettkampf. Noch vor etwa 70 Jahren, zu Zeiten des gefürchteten und für seine Turnierpraktiken berüchtigten Kaiser Perval, war das Turnierwesen, das seinerzeit ausdrücklich nur mit scharfen Waffen auszutragen war, zu einer an al’anfanische Gladiatorenkämpfe gemahnende Veranstaltung verkommen. Im Laufe der folgenden Regentschaften kam es zu einer verständlichen Stagnation des Turnierwesens und erst unter Kaiser Reto fanden sich wieder junge und heißspornige Rittersleut, die ihr Glück im Bestreiten eines der nunmehr wieder zahlreicheren Turniere suchten. Nicht zuletzt ist es seiner kaiserlichen Hoheit Hal von Gareth und der kaiserlichen Kanzlei für Scharmützel, Gestech und Allerlei Kurzweil – nachdem hier einige noch zu pervals Zeiten eingesetzte Räte dankend in den Ruhestand entlassen worden waren – zu verdanken, daß das Turnier, wie es heute praktiziert wird, so großen Zuspruch hat.
Die Anfänge des garetischen Turniers liegen weit in der Vergangenheit. Quellen bezeugen einen Reiterwettkampf nach dem Siege Rauls des Großen über die horaskaiserlichen Truppen im Jahre der Zwölfe 1 nach Bosparans Fall, welches in den Chroniken als Tornoi deklariert und im schönen Eslamsgrund ausgetragen wurde. Es kann hingegen bezweifelt werden, daß die Turnierpraxis jener Tagen mit denen heutiger moderner Turniere vergleichbar ist. Alleine die Art, eine Lanze zu führen –eingelegt unter der Achsel und mit dem Oberarm stramm an den Brustkorb gepreßt – war den damaligen Rittern noch fremd. Diese schwangen vielmehr einen kurzen Speer über dem Kopf, um ihn bei Anritt wider den Gegner zu schleudern, ehe sie in den Nahkampf übergingen. Das Reiten mit eingelegter Lanze, das heute das Bild des Ritters prägt, wurde erst im Laufe der Jahre entwickelt und man darf vermuten, daß es sich hierbei um eine garetische Erfindungen handelt, denn in glaubwürdigen Traktaten wurde diese Art zu Kämpfen erstmals als „Lanzenreiten nach garetischer Art“ betitelt. Daher beansprucht Garetien, als Wiege des traditionellen Tjostens, eine Vorreiterrolle, die es gilt mit viel Esprit und Innovation zu verteidigen. So ist eine Turniertradition entstanden, die beinahe ununterbrochen bis in die heutigen Tage hinein Wirkung zeigt.
Während der Ära der Priesterkaiser wurde das in jenen Tagen noch formlose Turnieren im Königreich erstmals rigoros unterbunden, galt es doch als Ausdruck des verhaßten rondrianischen Tuns und wurde als Sammelbecken umstürzlerischen Gedankengutes defamiert und als Hort rondrianischer Rebellen gebranntmarkt. Auch nach Sturz der Praioten vom Kaiserthron war und ist es bis heute ein Anliegen der Praioskirche, das distinguierte Getue stolzer Adeliger zu unterbinden, nicht zu letzt das Argument der zahlreichen Todesfälle zeigte hier bisweilen Wirkung. Doch dieser Wehrmutstropfen kann einen wahren garetischen Edelmann nicht davon abhalten, seine Brünne anzulegen und sein stolzes Roß zu besteigen. Vielmehr haben es die Generationen an garetischen Barone und Grafen geschafft, einen Ausweg aus besagter Misere zu finden. Nicht zu letzt dank der rigorosen Hetztiraden der Praioskirche wider den unnötigen Blutzoll, den das Turnieren bisweilen fordert, ist es zu verdanken, daß sich auf dem Gebiet des Turnierreglement und der Ausrüstung einiges getan hat.
Ausstattung und Ausrichtung einer Turney
Um ein unkontrolliertes und ungeordnetes Aufeinandertreffen zu unterbinden, wurde bereits im Jahre 153 vor Hal das Anreiten entlang einer geraden Bande („Schranke“) eingeführt. So finden sich heute innerhalb des Königreiches zahlreiche Turnierplätze, die eigens zur Auslegung einer Tjoste hergerichtet sind. Ein weitestgehend ebener Platz bildet dabei die oft bis zu 30 Schritt lange Gestechbahn. Bei größeren Turnieren finden sich gar mehrere Bahnen parallel nebeneinander, so daß gleichzeitig mehrere Paarungen durchgeführt werden können. Die Zuschauer halten sich derweil ähnlich dem Immanspiel an den Längsseiten auf, wobei eine strikte Trennung zwischen einfachem Volk und hochgestellten Persönlichkeiten erfolgt. Letztere kommen meist in den Genuß, dem Turnieren auf einer – oft auch überdachten – Tribüne sitzend bzw. von hohen Mauern einer nahen Burg oder Stadt schauend beiwohnen zu können.
Ein typischer garetischer Turnierreiter ist immer von Adel, es sei denn er wurde als Adjutant zu einem Stellvertreterkampf durch einen Adeligen entsandt. Dies gilt je nach Lesart entweder als feige oder aber als Affront gegen den Widersacher. Allen ist gemein, daß sie prunkvoll anzuschauen und, in farbenprächtigen Ornaten und Röcken gekleidet, anhand von Wimpeln und bunten Schabracken von den Kundigen zu erkennen sind. Doch auch derjenige, der der Heraldik nicht mächtig ist, wird durch lautes Ausrufen des Herolds erkennen, welch hoher Herr in die Schranken reitet. Der Turnierritter verfügt, so er denn der Königsdisziplin, dem Tjosten, beizuwohnen beabsichtigt, neben seiner Handwaffe über eine Lanze, deren Schaft eine durch den Turnierherold genau geprüfte Länge und Beschaffenheit aufweist. Die Lanze ist meist in den Farben des Ritters gehalten und weist an ihrem vorderen Ende ein sogenanntes Turnierkrönlein auf. Der Schaft einer Turnierlanze selber unterscheidet sich auffallend von dem einer scharfen Kriegslanze. Während eine Kriegslanze aus harten Hölzern besteht, ist es bei den verwendeten Turnierlanzen wichtig, daß als Material nur weiches Holz in einer bestimmten Stärke zur Anwendung kommen darf. Oft ist der Schaft zudem gerieft oder hohl, damit dieser beim Aufprall in einer Wolke splitternden Holzes zerbirst und den Getroffenen nicht gar zu sehr verletzt. Das Zersplittern der eigenen Lanze wird mit Punkten bedacht und entscheidet öfter über den Sieg, als daß einer der Kombattanten aus dem Sattel gestoßen würde. Um die Wucht eines aus vollem Galopp geführten Stoßes unbeschadet zu überstehen, steht dem Tjostenier ein von fachkundiger Hand erstellter Turnierschild zur Verfügung. Dieser bietet zum einen eine Halterung zur Stabilisierung der eigenen Lanze und zum anderen eine leicht konkave Form, die es ermöglicht, den gegnerischen Angriff, der stets wider den Schild des Kontrahenten zu führen ist, abgleiten zu lassen. Das selbe Prinzip des Verleitens findet sich auf der Brustpanzerung, der Brünne, die einen meist senkrecht verlaufenden Grat aufweist und so den gegnerischen Stoß zur Seite leiten kann. Die empfindlichste Stelle eines jeden Kämpfers ist sein Haupt. Gerade im Hinblick auf den Schutz des Kopfes haben sich die Meisterschmiede in den vergangenen Jahren geradezu übertroffen und dank neuester Entwicklung scheint das Verhältnis zwischen Schutz des Gesichtes und genügender Sicht- und Atemfreiheit in Form des sogenannten Froschmaulhelms weitestgehend optimiert. Gerade letzteres ist ein nicht zu unterschätzendes Problem, da dem erschöpften Ritter während des Wartens in heißer Sonne oft die Sinne schwinden und er einen ehrlosen Sturz vom Pferd – oft schon vor Beginn des Tjostens – befürchten muß. Generell sei angemerkt, daß das Tragen einer dieser Gestechrüstungen alleine während einer Tjost angeraten sei, sind sie doch für den Ernstkampf ob ihres Gewichtes denkbar ungeeignet. Sofern der Ritter neben der Tjoste auch der Buhurt beizuwohnen gedenkt, sei ihm angeraten, seinen Helm mit einer Helmzier zu versehen. Diese wird ebenfalls vor Beginn des Kampfes durch den Turnierherold in Augenschein genommen, gilt es doch eben jene Zier im Tumult des Zweikampfes von des Gegners Helm zu schlagen, auf daß dieser aus dem Kampf ausscheidet.
Es versteht sich, daß es – obschon mit stumpfen Waffen gefochten – gerade bei dieser Disziplin zu bisweilen schwersten Verletzungen kommt. Die Buhurt oder auch das ungleich gefährlichere Gestampfe wird in einem Pulk ausgetragen, wobei es im Vorfeld zu einer Aufteilung in zwei Lager kommt. Ziel ist – in Anlehnung an einen Ernstkampf – der Sieg des eigenen Lagers. Doch alleine die Aufteilung der angereisten Ritter samt Gefolge fordert vom Turnierherold einiges an Können und umsichtiges Planen, um eine genügend ausgewogenen Kampfeskraft zu beiden Seiten zu erzielen. Oft bilden sich die Gruppierungen zwangsläufig aus dem jeweiligen Lehnsverhältnis bzw. der landsmannschaftlichen Zugehörigkeit oder aber aus der Mitgliedschaft in einem der Ritterbünde oder Orden.
Alleine im Hauen und Stechen während einer Buhurt sehen viele Adelige eine Chance, ihrem Konkurrenten und Widersacher mit handfesten Argumenten beizukommen.
„Das Turnier ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln!“
Zitat eines berüchtigten Grafen von Perricum im Jahre der Zwölfe 676 BF
Doch auch hier zeigt sich die garetische Nobles, da sich vornehmlich junge Adeligen der Buhurt ergehen während die Älteren alleine das Tjosten als ihrer würdig ansehen. Mithin wird der garetische Adel nicht selten wegen seines vornehmen Getues von Teilnehmern anderer kaiserlichen Provinzen verlacht. Doch was schert das einen eslamsgrunder Baron, wenn ein weidenscher Ritter inmitten des aufgewirbelten Staubes einer enfesselten Buhurt und von Dreck starrend lachend über die Bahn reitet, nur um kurz darauf durch den noch immer in glänzender Rüstung einreitenden Baron im anschließenden Gestech in den ihm schon bekannten Staub gestoßen wird. Man kämpft in Garetien nicht verbissen, man kämpft um des einzelnen gekonnten Stoßes willen. Man kämpft, um eine gute Figur zu machen. Man reitet in die Schranken in dem Bewußtsein, einem hohen Stande anzugehören, dessen vornehmste Pflicht es ist, dem Untertan ein leuchtendes Vorbild an Ritterlichkeit und Tugend zu sein. Und dazu gehört in den Augen vieler garetischer Turnierteilnehmer sicherlich nicht das wilde Wühlen im Dreck. Ein garetischer Adeliger streiten nicht, um des unbedingten Siegens Willen, sondern zur Verdeutlichung des ritterlichen Ideals, was da wäre Uneigennützigkeit und Maßhaltigkeit. Der Edelmann kämpft nicht, um seinem Gegner Gewalt anzutun. Dies wäre äußerst unhöfisch, und ein solcherart rüpelhaftes Benehmen würde zur gesellschaftlichen Ächtung führen.
„Wo das reine Gewinnen des Streites den Sieger kürt, da mag ein ehrenvoller Verlierer das Herz manch holder Frowe erlangen.“
Hilbert von Hartsteen, Reichsvogt zu Kaiserlich Sertis
Viele der alteingesessenen Barone und Grafen lassen es sich nicht nehmen, während der Turniersaison, die hierzulande von Anfang Ingerimm bis Ende Rondra dauert, zu einem eigenen Turnier zu laden. Oft geschieht das als formlose Einladung. Bisweilen enthalten diese jedoch eine geschickt und der Etikette genügend versteckte Forderung zu einem Duell, das häufig persönliche Gründe hat. Das Turnier wird traditionell an einem Markttag ausgetragen. Je nach Regularien wird nach dem KO-Prinzip gestritten bzw. nach Aufforderung. Dazu erwählt der Ritter seinen Gegner indem er mit seiner Lanze eines der Wappenschilder potentieller Rivalen berührt. Die Bedingungen eines Kampfes können von den betroffenen Kombattanten frei gewählt werden. Sie müssen jedoch grundsätzlich konform mit den Erlassen der Kanzlei S,G & K sein, die zu Beginn der jeweiligen Kampfdisziplinen durch den Turnierherold laut verkündet werden. Insbesondere die Wahl der Waffen im Gestampfe ist Privileg der Teilnehmer, sowie auch die Entscheidung über einen Kampf zu Pferd oder zu Fuß. Hier gilt das Prinzip der Gleichheit unter Gleichen.
Während die Turnierkämpfe in kleineren Baronien meist nur die unmittelbare Nachbarschaft anlocken, finden sich auf den großen Grafen- oder gar Königsturniere neben den geladenen Gästen auch eine unüberschaubare Zahl an fahrenden Rittern ein, die hier ihr Glück versuchen. Da diesen Edelleuten neben einer Ausbildung im Umgang mit Schwert und Lanze keine weiteren ihrem Stand gemäßen Verdienstmöglichkeiten zur Verfügung stehen sind diese Glücksritter auf die Aulobung eines Turniers angewiesen. So sieht man denn während der Sommermonde die reisenden Adelssprösse, die von einer Turnierwiese zur nächsten ziehen, wohl wissend, daß ihnen als Zweit- oder Drittgeborenen kein Anrecht auf Lehnsland zusteht und einzig eine Siegprämie ihren hohen Lebensstand finanzieren kann. Wurde früher noch die eigene Rüstung bei Niederlage und ‚Gefangenschaft‘ durch den Sieger erbeutet, so stellt heute der Ausrichter des Turniers meist eine Prämie in Aussicht, die von einer veritablen Mastsau bis zu einem stolzen Schlachtross reichen mag.
Das ritterliche Ideal des Adels
Bedingt durch das ausgeprägte Turnierwesen einerseits und des Bedeutungsverlustes der adeligen Reiterschwadrone andererseits führen gerade die in jüngster Vergangenheit statt gefundenen Umwälzungen und die teils anarchistisch Zustände im Zuge der Verheerungen der letzten Kriegsmonate zu einer Rückbesinnung auf ur-ritterliche Tugenden. Während die Piken starrenden Landsknechtshaufen fortan das Schlachtfeld beherrschen und die einstigen Ritter im Pfeil und Projektilhagel feindlicher Artillerie ruhmlos verenden, erfindet der garetische Hochadel das Rittertum neu. Es ist kein vorrangig kriegerischer Stand im eigentlichen Sinne mehr, sondern folgt vielmehr starken sozialen Regeln der Etikette, Moral und Religiosität. Dieses neue Ritterbild vereint verschiedenste Grundgedanken in sich und gibt sich selbst als niemals zu erlangendes Ideal vor. Doch gerade über diese fundamentalen Grundwerte wird unter den Adeligen des Königreiches viel gestritten. So ist es nicht verwunderlich, daß sich unterschiedlichste Richtungen herausgebildet haben. In diesen Tagen, da die alte ritterliche Welt hinweg gefegt erscheint, treffen sich Gleichgesinnte und schließen sich zu Bruderschaften zusammen. Die beiden bekanntesten und wohl auch politisch aktivsten innerhalb des Königreiches sind zum Einen die Bruderschaft der Trollpfortensieger, die sich nach der 3. Dämonenschlacht und dem Sieg über Borbarad in dem Bewußtsein gründete, daß alleine der rechtschaffene und uneigennützige Edelmann im Angesicht des Verderbens bestehen kann. Zum Zweiten sei der Bund zur Wahrung der praiosgefälligen Ordnung zu Puleth genannt. Diese Vereinigung firmierte nach der Einweihungsfeierlichkeiten der Rondra-Apsis des glorreichen Siegestempels zu Puleth und gilt als politisches Gegengewicht zu den Pfortenrittern.
Während sich die Pfortenritter als Turniergemeinschaft verstehen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die ehemals glorreichen Zeiten in hehren Turnierspielen wiederzufinden, zeichnen sich die Pulethaner durch eine harte Hand aus, die keine Mittel scheuen, die von Praios gewollte Weltordnung – insbesondere das Feudalsystem – zu verteidigen. Welche dieser beiden sich bisweilen auf dem Feld der Politik scharf bekämpfenden Parteien die Zeiten des Umbruchs besser meistern wird, muß sich noch zeigen. Trotz dieser Differenzen in der politischen Richtung ist der garetische Adel mitnichten uneins, wenn es gilt das Reich zu verteidigen. Hier zeigt sich die wahre Würde eines Edelmannes, was sich vortrefflich im Spruch des Barons von Leihenbutt wiederspiegelt:
„Im Tjost mein Feind, im Felde vereint!“
Der Adel entdeckt das Rittersein als seiner einzig würdigen Kultur. Entgegen der althergebrachten Tradition der Knappschaftsdienste und anschließender Schwertleite erfolgt der nominelle Ritterschlag des ohnehin von Geburt an adeligen Aspiranten im Rahmen der Aufnahme in einen der Ritterbünde. Diese Ernennung wird gleichsam als soziale Aufwertung gewertet und setzt je nach Bruderschaft weniger ein kämpferisches Geschick als vielmehr eine hohe moralische Integrität voraus.
Will man von einzelnen Ausprägungen einmal absehen, so kann man das Ritterideal des garetischen Adels mit folgenden Worten beschreiben:
„Tapfer und edelmütig sei derjenige, welcher strebet nach der hehren Ritterlichkeit, wie es der Frowe Rondra ein Wohlgefallen ist. Gehorsam und ein fester Glaube an des Götterfürsten Ordnung sei sein Sinnen. Sein Handeln sei sittsam und maßvoll. Gütig sei sein Walten gegen die Schwachen im Namen der gutherzigen Mutter. Gedenk des Wappentieres des Lehnsherrn soll sein Tun zudem scharfsinnig, gewitzt und frei jedweder Habgier sein.“ Sinnspruch
Man erkennt, daß sich das ritterliche Ideal gleich über vier Götter des alveranischen Pantheons erstreckt. Es reicht nicht, alleine ein rondra- oder praiosgefälliges Leben zu führen. Auch die Sitten der Traviakirche sind zu befolgen. Zudem steht es einem garetischen Ritter gut zu Gesicht, wenn er mit Witz und Raffinesse manch heikles Vorhaben bestreitet. Über die Gewichtung der einzelnen Aspekte wird – wie bereits angemerkt – in vielen Disputen gerungen. Gerade der letzt genannte Bezug auf die phexischen Tugenden zieht insgeheim manch ein garetischer Baron allen anderen Tugenden vor und bildet damit unbewußt die Grundlage für das Besondere und markantes Merkmal des garetischen Adels. Kein stumpfsinniges und selbstverachtendes Festhalten an leuenhafter Ehre wie es die heißspornigen Almadanis pflegen, noch ein borniertes Pochen auf praiosgerechte Regularien findet sich unter den ritterlichen Adeligen des Königreiches. Vielmehr zeichnet den garetischen Adel eine bisweilen weltfremde Träumerei aus, die es ihm ermöglicht, abseits der Realität seinem Ideal nachzueifern. Diese Darstellung des garetischen Adeligen sei indes lediglich als überzeichnetes Klischee zu verstehen, dem gerade die Bundesbrüder der Pulethaner, die als reaktionäre Realisten zu wissen meinen, wann dem Bauernvolk mit der Knute zu begegnen sei, in keinster weise entsprechen dürften. Auch der nebachotische Adel zu Perricum steht diesem verweichlichten Gebaren ‚skeptisch‘ gegenüber, ziehen sie doch im Zeichen Kors voller Inbrunst in eine Schlacht und niemals würde ein Nebachote einen Kampf als sportliche Betätigung betrachten.
(C. Jeub)