Geschichten:Keilholtzer Neuordnung - Unerwartete Nachrichten: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 28. Februar 2014, 15:49 Uhr

Greifenfurt, Gasthaus Grafenhaupt, Anfang Rondra 1036 BF

Das Gasthaus Grafenhaupt war an diesem Abend gut besucht. Nur mit Mühe hatte Wulfhart noch einen kleinen Tisch in der hintersten Ecke gefunden. Ein halbes Stundenglas lang wehrte er alle Tischnachbarn ab, bis endlich sein Sohn das Lokal betrat. Schneidig sah er aus in seiner Uniform und mehr als eine Frau im Raum warf ihm einen zweiten Blick zu, als er sich durch die Stühle und Bänke seinen Weg bahnte.

"Vater." Fast förmlich neigte Rondwin den Kopf, bevor er sich setzte. Mit einem kurzen Handzeichen gab er bei der nächsten Schankmaid seine Bestellung auf. Sie verstand sofort und beeilte sich, denn der junge höfliche Offizier war ein gern gesehener und häufiger Gast. "Du hast mich wissen lassen, dass du mich noch heute Abend hier sprechen willst?" Wulfhart verließ Kressenburg selten genug, um seinen Sohn ahnen zu lassen, dass er wegen etwas Wichtigem gekommen war. Das machte Rondwin neugierig.

"So ist es. Es gibt ein paar wichtige Sachen, die du erfahren sollst, denn sie betreffen die Familie aber auch dich direkt. Ich war bis vorgestern auf Reisen, sonst hätte ich dich eher aufgesucht, und was ich dir zu sagen habe, wollte ich keinem Brief oder Boten anvertrauen."

"Bitte Vater, rede nicht so lange um den heißen Brei herum. Du siehst mich bereits über die Maßen aufmerksam." Ein mildes Lächeln stahl sich auf die ersten Züge des jungen Keilholtzers. "Du weißt doch, für Geheimnisse war ich schon immer zu haben."

"Nun ja, es ist in diesem Sinne kein Geheimnis und soll es auch nicht sein. Aber die vereinbarten Termine zwingen uns zu einer gewissen Dringlichkeit." Wulfhart unterbrach sich, um von der Schankmaid sein Bier entgegenzunehmen. Sein Sohn schenkte der jungen Frau ein warmes Lächeln, als er seinen Krug nahm, und bat den Vater dann mit einem Nicken fortzufahren. "Gut. Zuerst will ich dir sagen, dass ich wieder heiraten werde. Der Bund wird Mitte Travia in Dreihügeln geschlossen, unten im Nardesfeldschen."

Rondwins Augen weiteten sich und sein Mund blieb ihm vor Überraschung offen stehen. "Nicht möglich! Vater du siehst mich vollkommen überrumpelt. Wer ist sie? Dreihügeln? Ich habe gehört dort soll es eine neue Perlvögtin aus dem Schlund geben, die mit uns entfernt verwandt ist."

Wulfhart nickte leicht. "So ist es. Junkerin Gramhild stammt aus einer Seitenlinie des jüngeren Hauses. Sie ist in etwa in meinem Alter, etwas jünger, und eine alte Bekannte des Barons. So kam sie an das Amt, als der alte Perlvogt verstarb."

"Ich verstehe." Der junge Mann lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und sann darüber nach, was es für ihn wohl bedeuten würde eine Stiefmutter zu haben. "Und diese Junkerin Gramhild wirst du nun also heiraten?"

"Nein," antwortete der Ältere schmunzelnd. "Ich heirate ihre Tochter Rahjamunde."

Vor lauter Verblüffung vergaß Rondwin nun vollends den Mund wieder zu schließen. "Die Tochter? Aber wenn die Junkerin jünger ist als du, dann...?"

"Ja, Rahjamunde ist in deinem Alter, etwas jünger sogar noch." Wie schon beim Gespräch mit seinem ältesten Sohn Ardo konnte sich Wulfhart ein leichtes Grinsen ob der Reaktion nicht verkneifen. "Jetzt tu nicht so, als ob dein alter Vater nicht im Stande wäre seinen Travia-Pflichten nachzukommen und gewöhne dich besser schnell an den Gedanken, dass deine Stiefmutter eine ausnehmend hübsche junge Maid ist. Du und deine Brüder werdet uns nämlich vor den Geweihten geleiten."

"Mit dem größten Vergnügen. Ich kann es kaum erwarten sie kennenzulernen." Noch immer vor Unglauben den Kopf schüttelnd trank Rondwin ein paar große Schlucke aus seinem Krug, um die Nachricht zu verdauen. "Das wäre also die erste Botschaft. Verrate mir lieber schnell die nächste, sonst falle ich vor Staunen noch vom Stuhl."

"Die zweite Nachricht, die ich für dich habe, mein Sohn, ist die, dass du noch vor mir den Travia-Kreis beschreiten wirst." Wulfhart bemühte sich seine Gesichtszüge zu bändigen, damit Rondwin seine Aussage nicht als Scherz missverstehen konnte.

"Moment bitte." Der junge Mann stellte den Bierkrug mit zitternden Händen auf dem Tisch ab. Als er feststellte, dass sein Vater sich keinen Spaß mit ihm erlaubte, versteinerte seine Miene förmlich. "Das ist dein Ernst?"

"Ja, das ist es." Wulfhart nickte nachdrücklich und stellte seinen Humpen ebenfalls beiseite. "Der Baron von Sindelsaum, einer unserer Koscher Nachbarn und Waffengefährte deines älteren Bruders, hat uns gebeten, für seine Tochter Yolande einen Ehegatten aus der Familie Keilholtz zu finden. Er wünscht sich einflussreiche Freunde in Greifenfurt und ist gewillt einen nicht unbeträchtlichen Teil seines ebenfalls nicht unbeträchtlichen Vermögens in die Wacht am Finsterkamm fließen zu lassen. Natürlich wird das auch unserer Familie zu Gute kommen."

"Aber warum ausgerechnet ich, Vater?" In Rondwins Stimme lag ein Hauch von Verzweiflung. "Ich habe noch zwei Brüder, die dem sicherlich offener gegenüberstehen würden."

"Ganz einfach," begann Wulfhart ruhig zu erklären. "Für Firnward habe ich bereits andere Pläne und Travhelm steht sowieso nicht zur Debatte. Du und Yolande seid in etwa im selben Alter. Sie hat zuletzt an der Seite ihren Schwertvaters in der Wildermark gekämpft und nach der Märkischen Schlacht dort den Ritterschlag erhalten. Ihr Vater hat sich beim neuen Meister der Mark um ein Lehen für seine Tochter bemüht. Soweit ich weiß, wird sie ein Junkerngut in Weihenhorst erhalten. Du machst also eine blendende Partie." Der Ritter wusste, dass er seinen Sohn böse überrumpelt hatte und versuchte ihm nun alles schmackhaft zu machen. Auch wenn es letztlich nicht darauf ankam, denn Wulfhart war das Familienoberhaupt und seine Söhne hatten ihm zu gehorchen.

"Ich will diese Yolande von und zu Sindelsaum nicht ehelichen, Vater." Mit merkwürdiger Ruhe hatte Rondwin die Worte gesprochen, mit denen er seinem Vater das erste Mal im Leben widersprach. "Wärst du damit vor einigen Wochen gekommen, hätte ich mich deinem Wunsch ohne zu Zögern gefügt, doch jetzt sehe ich mich dazu außerstande."

"Was soll das heißen, Junge?" Jetzt war es Wulfharts Miene, die zu Stein wurde, während er seinen Zweitgeborenen streng musterte. "Hast du dich etwa ohne mein Wissen bereits gebunden?"

"Nein, das nicht. Zumindest nicht vor Travia," wand sich Rondwin verlegen und sah auf die Tischplatte. "Aber es gibt da ein Mädchen, Vater, und... sie erwartet mein Kind. Ich habe ihr versprochen sie zu heiraten, bevor ihr Zustand allgemein bekannt wird." Kaum war es heraus, schaute der junge Mann auf und sah seinen Vater besorgt an. Das letzte, was er provozieren wollte, war ein Familienstreit in einer vollbesetzten Taverne.

Wulfhelm indes blieb für ihn selbst überraschend ruhig. Auch er war nicht auf Streit aus, sondern versuchte das Beste aus der Situation zu machen. Er atmete dreimal tief durch und lehnte sich dann zu seinem Sohn nach vorn. Um ein wenig Zeit zu bekommen seine Gedanken zu ordnen, stellte er erst einmal nur eine einfache Frage. "Wer ist das Mädchen?"

Rondwin sah sich um und deutete dann mit einem Nicken zu der Schankmagd, die sie beide bedient hatte. "Ihr Name ist Hildelind. Sie und ihre Familie sind aus der Wildermark geflohen und sie arbeitet seit ein paar Monden hier. Sie ist ein gescheites und hübsches Mädchen und ich hatte von Anfang an eine Schwäche für sie. Bei der letztjährigen Zwölfgöttlichen Turney im Rahja hatte ich dann wohl zu viel getrunken und erwachte am nächste Morgen mit ihr auf einem der Zimmer." Flehend griff er nach des Vaters Hand. "Ich bitte dich, Vater, ich habe es ihr bei meiner Ehre versprochen. Außerdem wird ihr Vater sie zum Stadttor hinausprügeln, wenn er es erfährt. Sie hat furchtbare Angst deswegen. Nachdem sie es mir gebeichtet hatte, konnte ich sie nur mit Mühe davon abbringen sich in die Breite zu stürzen. Hab auch Mitleid mit ihr und lass sie nicht für meinen Fehler büßen. Es ist meine Verantwortung und ich akzeptiere jede Strafe, wenn sie nur nicht darunter zu leiden hat."

"Es ehrt dich, dass du die Verantwortung übernimmst und sie zu schützen versuchst. Doch zu einer rahjagefälligen Nacht gehören immer zwei." Noch immer grübelte Wulfhart über die Folgen des Geschehenen. "Wann hattest du eigentlich vor es mir zu sagen?"

"Ich weiß es selbst erst seit ein paar Tagen. Seitdem habe ich gegrübelt, wie ich dich um deine Segen bitten sollte. Dann kam gestern deine Nachricht, dass du mich treffen willst. Da dachte ich, die Götter hätten es so gefügt und wollte es dir heute offenbaren."

Der Vater betrachtete die Hand seines Sohnes lange, ehe er zu einem Entschluss gekommen war. Er löste den Griff und beugte sich vor, damit er sicher war, dass nur Rondwin ihn verstehen würde. "Hör mir genau zu mein Sohn. Du wirst Yolande von Sindelsaum am 30. Tag des Rondramondes auf der Kressenburg ehelichen und ihr in Travias Namen ein treuer Ehegatte sein, mit allen Rechten und Pflichten. Ich verlange nicht, dass du sie liebst, aber du wirst deine Pflicht tun. Betrachte es meinethalben als deine Strafe. Um dein Liebchen werde ich mich kümmern. Ihr geschieht nichts Böses, das verspreche ich dir. Ich sorge dafür, dass es ihr und dem Kinde an nichts mangeln wird. Doch von dir verlange ich, dass du dich ab sofort und in Zukunft von ihr fernhälst. Du wirst noch heute deine Sachen packen und mich morgen früh zurück nach Kressenburg begleiten. Sollte irgendetwas davon herauskommen und unseren Vertrag mit dem Sindelsaumer gefährden, werde ich das Mädchen wie eine heiße Rübe fallenlassen. Hast du mich verstanden?"

"Klar und deutlich Vater." Rondwins Stimme war leise und tonlos. "Ich bin dein getreuer Sohn und gehorche." Seine Gestalt sackte auf dem Stuhl zusammen bevor er sich daran erinnerte wo er sich befand und um Haltung bemüht den Rücken und die Schultern durchstreckte. "Wenn du mich entschuldigst Vater, ich möchte jetzt zur Garnision zurückkehren und anfangen zu packen."

"Natürlich mein Sohn. Ich erwarte dich bei Sonnenaufgang an Answins Sicht." Mit einem stummen Nicken verabschiedete sich Rondwin vom Vater und verließ eiligen Schrittes das Gasthaus, während Wulfhart sich mit einem schwerem Seufzen wieder seinem Bier zuwandt.