Geschichten:Hungrige Mäuler 1: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 28. Februar 2014, 16:49 Uhr
Residenz des Grafen von Eslamsgrund, Tage des Namenlosen, 1031 BF
Der Fallwind vom nahen Raschtulswall überzog Eslamsgrund in der Nacht
des letzten Rahja. Die geschlossenen Fensterläden wurden vom Sturm mit
grobem Griff gerüttelt, wie durch Heerscharen von unsichtbaren
Eindringlingen.
Niteo von Illgeney im Grund sank erst spät in Mitten von üppigen
Seidenkissen in einen unruhigen Schlaf, während Schwaden von Weihrauch
durch die Residenz des Grafen zogen.
Der massige Leib des Hofkaplans nahm einen guten Teil des Bettes ein, zu
beiden Seiten wanden sich Novizinnen.
Unbändiges Gebrüll erschütterte den Träumer. Untermalt von wildem
Trommelschlag bewegte sich eine erhabene Raubkatze über die Felsen des
Gebirges und mit ihrem kraftvollen letzten Sprung sprang die Kreatur zu
Niteo, der sich in kümmerlicher Nacktheit auf einem blutüberströmten
Opferplatz wiederfand, ungeschützt vor dem gewaltigen Maul eines
Säbelzahntigers, welcher den massigen Prälaten überragte. Stinkender Atem
der Bestie umfing ihn und machte ihn benommen.
Er stürzte als fette Beute übergangslos ins tiefe Dunkel ihres Schlundes und war umgeben von
Verwesungsgeruch. Unzählige Leichen hingen von einem Baum dessen Geäst
sich blattlos über ihm erstreckte und sich endlos weiter zu verästeln
schien. Niteo wandte seinen Blick, im Versuch bei Verstand zu bleiben
mit einem bitteren Geschmack auf der Zunge, ab und erspähte mit wundersam klaren Blick durch das Zwielicht eines anbrechenden Tages von den
Anhöhen des Gebirges in die Ebenen nach Eslamsgrund, wo sich verwüstete
Ortschaften mit wahllos verstreuten abgenagten Knochen erstreckten.
Irres Kichern ließ ihn eine Person bemerken, die in
Lumpenkleidung im Staub neben ihm hockte und mit dem Finger verzerrte Symbole in
den Heideboden zeichnete. Als das erste Blut vom rücksichtslos
malträtierten Finger den Boden benetzte, da glommen Runen auf.
Schließlich blieb von ihrem Zeigefinger nurmehr ein blutiger Stumpf. Ein
verstörendes Knistern begann. Die von Zeichen durchzogene Erde begann zu
rotieren und mit einem klagenden Jaulen brechender Zaubersiegel entstand
ein Riss in den darunterliegenden Felsen.
Niteo zog die Aufmerksamkeit des Wesens auf sich und aus einem
menschlichen Schädel auf heraus fixierten die Augen eines Monsters ihn.
Die geweiteten schwarzen Pupillen waren von einer roten Iris
umschlossen. Irrsinn durchsetzt mit Grausamkeit entlud sich in einem
Schrei nach frischem Fleisch und Blut.
Noch immer fuhr der Wind mit unheilvollem Wispern durchs Gehölz als
Niteo nach Luft keuchend und schweißbedeckt erwachte. Die aufschreckten
Novizinnen wagten nur angstvoll zu raunen. Die Fensterläden waren vom
Sturm aufgerissen worden. Das Blau des Himmels war einem blassen Violett
gewichen, durchzogen von schwarzen Schlieren. Die schwache Sonne
erleuchtete die Landschaft matt in geisterhaften Grautönen. Es war schwül.
Die Tage des Namenlosen waren angebrochen. Niteo entschied sich entgegen
seinen Gewohnheiten sein Morgenmahl auszulassen, die Residenz trotz
allem zu verlassen und im Tempel des Strahlenden Lichts zu beten.