Geschichten:Kressenburger Stadtgeflüster - Garafans Segen: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. September 2014, 19:19 Uhr

Garafans Segen

16.Praios 1035 BF, auf der Kressenburg

Tanz und Gesang schienen kein Ende nehmen zu wollen in dieser Nacht. Die ganze Burg war von Fackeln erleuchtet und an mehr als einer Stelle hörte man Lautenspiel und Gesang. Im großen Saal, der bei weitem nicht ausreichte, um die zahlreiche Gästeschar auf einmal zu beherbergen, hatten sich Familie und enge Freunde des Brautpaares eingefunden. Praiadne tanzte ein ums andere Mal ausgelassen mit ihren Brüdern, während Ardo im Kreise der Garafanisten gefeiert wurde. Von der verlustreichen Schlacht am Stein nur zwei Monde zuvor sprach keiner, doch merkte man es einem jeden Anwesenden an, dass dieser Anlass zu Ausgelassenheit und Freude hochwillkommen war.

Die Greifin stand indes Arm in Arm mit ihrem Gatten zwischen den Feiernden und hatte für jeden der Anwesenden ein freundliches Wort. Schließlich ließ sie sich aber zu einem Platz am Rande des Raumes geleiten, während Edelbrecht sich unter die Garafanisten mischte.

„Werter Ardo, entschuldigt, wenn ich diese traute Runde stören muss, doch hättet Ihr die Güte, mir einen Augenblick zu folgen? Meine Gemahlin wünscht Euch auf ein Wort zu sprechen.“

Der junge Baron war wenig überrascht. Eigentlich hatte er schon seit der Ankunft der Markgräfin mit diesem Gespräch gerechnet. Dass es erst so spät erfolgte, machte ihm ein wenig Sorge. Hatte seine Lehnsherrin bewusst Rücksicht auf ihn nehmen wollen, um die Feierlichkeiten nicht zu stören? Immerhin hatte er seine Baronie in kurzer Zeit ziemlich heruntergewirtschaftet, wenn auch kaum aus eigenem Verschulden. Er wusste um das Hilfegesuch, welches Phexian der Greifin in seinem Namen unterbreitet hatte. Hatte er vielleicht zu viel gewagt, seine letzte Hoffnung in die Markgräfin zu setzen? Ardo warf einen Blick zu Praiadne. Seine junge Frau lachte glücklich mit ihren Brüdern und wusste noch nichts über die Dimensionen, die Kressenburgs Schulden bald annehmen würden, wenn sie keine Hilfe bekamen. Ihr Anblick wärmte ihm das Herz. Was auch immer kommen würde, Ardo fühlte sich gewappnet. Mit einem energischen Nicken trat er aus der Runde der Garafanisten heraus und folgte Prinz Edelbrecht.

„Euer Erlaucht.“ Ardo verneigte sich artig, wenn auch ein wenig steif vor seiner Lehnsherrin. „Ihr habt nach mir rufen lassen.“

Seine Förmlichkeit schien die Markgräfin zu amüsieren. Sie schenkte dem Baron ein warmes Lächeln und deutete auf den Stuhl ihr gegenüber. „Nehmt bitte Platz werter Ardo. Unser Gespräch wird ein wenig länger werden und ich möchte Euch unter keinen Umständen zu sehr ermüden. Immerhin wartet Eure Braut noch auf Euch.“

Der Keilholtzer errötete leicht, kam der Aufforderung jedoch ohne zu zögern nach. Der Prinz stellte sich indes an die Seite seiner Frau und hielt den Blick diskret auf die Feiernden gerichtet, so als ginge ihn das folgende Gespräch nicht das Geringste an.

„Ich will nicht lange um den heißen Brei herumreden.“ Stimme und Mimik der Greifin wurden sogleich eine Spur ernster. „Mit dem Euch anvertrauten Lehen steht es nicht zum Besten, werter Ardo, und damit kann ich nicht zufrieden sein. Die Zeilen, die Euer Vogt mir schrieb, lassen tief blicken und werfen kein gutes Licht auf Eure Lehensführung. Obschon der gute Phexian Euch zu schützen trachtete, entnehme ich dem Schreiben trotzdem, dass Ihr Euch in aller Hast verkalkuliert habt und nun meiner Hilfe bedürft. Ist dem so?“

Mit festem und offenem Blick sah Ardo die Markgräfin an. Er hatte mit dieser Art der Anschuldigungen gerechnet und wusste, wie er als praiosfürchtiger Mann von Stand darauf zu antworten hatte. Die Zeit der Ausflüchte war endgültig vorbei. „Ja, Euer Erlaucht. Ich habe die Situation zu verantworten. Wider dem besseren Rat meines erfahrenen Vogtes, der mich zu Zeiten gemahnte, Maß zu halten und Sicherheiten anzulegen, habe ich Ein aufs Andere begonnen, ohne abzuwarten, ob es den Ertrag bringt, den ich mir davon versprochen habe. Ich habe mir in meinem Bemühen, die Mark zu schützen, Feinde gemacht, wo es vielleicht nicht notwendig gewesen wäre, und damit wahrscheinlich mehr geschadet als genützt. Nun bin ich an dem Punkt angelangt, dass nur die Gunst meiner Freunde und die Gnade meiner Lehnsherrin mich noch aus meiner prekären Lage befreien können. Denn allein mit den Mitteln, die mir in Kressenburg noch zur Verfügung stehen, kann ich die Situation nicht mehr retten.“

Irmenella von Wertlingen nickte zustimmend. Sie war erfreut, dass der junge Baron den Ernst seiner Lage erkannt hatte. Das war, wenn sie den Berichten Glauben schenkte, die sie bisher über den jungen Keilholtzer erhalten hatte, in der Vergangenheit nicht der Fall gewesen. Als sie fortfuhr, war ihre Stimme wieder so sanft wie zu Beginn des Gesprächs.

„Ihr habt Euch hohe Ziele gesteckt, werter Ardo. Das ist im Grunde nicht verkehrt, denn nur wer strebt, kann auch etwas erreichen. Dass Ihr dabei Fehler macht, ist nur natürlich. Auch ich war jung, als ich zur Markgräfin erhoben wurde. Jünger als Ihr mit noch größerer Verantwortung und der Aufgabe kaum gewachsen.“ Irmenellas Hände legten sich unbewusst wie schützend um ihren Bauch. „Doch ich hatte stets Menschen um mich, auf die ich mich verlassen konnte. Jene, die so wie ich allein das Wohl der Mark im Sinn hatten, und jeder hat auf seinem Gebiet getan, was er konnte. An ihrer Seite konnte ich wachsen und reifen, um zu der Person zu werden, die ich heute bin.“ Sie machte eine Pause und warf ihrem Gatten neben sich einen liebevollen Blick zu. Edelbrecht strich ihr dankbar und aufmunternd über die Schulter und richtet seinen Blick dann wieder zur Gästeschar. „Um es klar zu sagen, junger Ardo, sucht Euch solche Menschen, denen Ihr vertrauen könnt. Oder besser, fangt endlich an auf jene zu hören, die bereits treu an Eurer Seite stehen und das Wohl Kressenburgs im Sinn haben. Ihr könnt Dere nicht an einem Tag verändern. Jeder Schritt will wohl überlegt sein, denn seid Ihr einmal vorgeprescht, gibt es nur selten ein Zurück. Wollt Ihr diesen Rat in Zukunft beherzigen?“

„Das will ich sehr gerne, denn ich habe erkannt, dass ich dieses Rates bedarf.“ Ardo senkte demütig den Blick. Er bemühte sich, nicht die Hoffnung zu verlieren. Denn wenn die Greifin nichts für ihn hatte als gute Ratschläge, dann würde es ihm trotz der guten Vorsätze nicht gelingen, Kressenburg vor der totalen Verschuldung zu retten. Als er wieder aufblickte, hielt die Greifin die Hand des Prinzen und beide sahen ihn an.

„Ihr habt viele Fürsprecher, werter Ardo. Eslamsroden, Hexenhain, Pechackern, die Garafanisten und nicht zuletzt mein geliebter Gatte selbst haben sich für Euch ausgesprochen. Sie kennen Euch und haben an Eurer Seite gestritten, im Namen der Zwölfe und zum Ruhme Greifenfurts. In dem Bemühen, die Mark zu schützen, habt Ihr Euch nicht nur Feinde gemacht, wie Ihr zu glauben scheint. Jenen, auf die es ankommt, ist Euer Streben nicht entgangen, was Euch spätestens seit der Aufnahme in den Orden des Garafan bewusst gewesen sein sollte.“ Beschämt wandte Ardo den Blick ab. Selbst als er sich und der Markgräfin seine Fehler eingestanden hatte, war er noch dem Selbstmitleid verfallen. „Wie ich bereits erwähnte, ist es das Vorrecht der Jugend, Fehler zu begehen, auch wenn sie nicht immer so zahlreich sein sollten wie bei euch.“ Die Belustigung in der Stimme Irmenellas ließ den Baron wieder aufschauen. „Trotz aller Fehler, die Euch unterlaufen sind, wart Ihr der Mark, und somit auch mir und meiner Familie, doch stets treu ergeben. Treue aber soll belohnt werden, so wie es Euer Lehnseid besagt.“

Ardo sah hoffnungsvoll von Irmenella zu Edelbrecht und zurück. Beide lächelten und die Greifin schaute so gütig drein, als hätte sie eines ihrer Kinder vor sich, dem sie gleich ein Stück Zuckerwerk schenkten wollte.

„Ich werde Euren Wünschen folgen, die Ihr so dringlich an mich gerichtet habt. Die Mark wird den Tempelneubau zu Ehren des Greifenfürsten Garafan zu einem Drittel finanzieren. Das sollte der Kirche des Götterfürsten zu Greifenfurt ein klares Zeichen sein, wer sich um die Belange der Gläubigen kümmert." Über das Gesicht der Greifin huschte ein feines, wenngleich grimmes Lächeln, das ebenso schnell verschwand, wie es gekommen war. "Mich würde es nicht wundern, wenn sich die Praios-Kirche nicht dazu durchringen würde, ihrerseits einen angemessenen Beitrag zu leisten. Zumindest wird es mir Freude und Vergnügen sein, den Illuminatus Praiomon von Dergelstein höchstselbst von der großzügigen Finanzierung durch die Mark in Kenntnis zu setzen." Ardo war sich nicht sicher, warum die Greifin auf diesen Punkt bestand, schwieg aber geflissentlich, da es sich in seinen Ohren sehr nach höherer Politik anhörte. Dafür sprach auch der Blick, den die Greifin ihrem Gatten zugeworfen hatte, während wieder dieses feinsinnige Lächeln über ihr Gesicht geglitten war, das er selbst unweigerlich mit Füchsen oder zufriedenen Katzen assoziierte. Wenn er es vermeiden konnte, wollte er in Derlei nicht hineingezogen werden.

"Des Weiteren werde ich mich dafür einsetzen, dass der Bund des Garafan sich an den Unterhaltskosten beteiligt," fuhr Irmenella von Wertlingen in gleichem Ton fort, "wie es sich für einen Stiftstempel gehört. Ich erwarte pünktliche und genaue Abrechnungen, so wie ich sie aus Kressenburg bisher gewohnt bin. Zudem gewähre ich dem Marktflecken Kressenburg das Stadtrecht zu den Bedingungen und dem Zeitpunkt, den Ihr mit den Bürgern aushandeln werdet. Außerdem erhaltet Ihr von der Mark ein zinsfreies Darlehen, um Eure aktuellen Verbindlichkeiten zu begleichen, welches Ihr innerhalb von sechs Götterläufen zurückzuzahlen habt.“ Zuletzt wurde die Stimme der Greifin wieder ein wenig strenger. „Wie ihr seht, setze ich großes Vertrauen in Euch, werter Ardo. Ihr habt viel Gutes begonnen, das zu einem guten Ende geführt werden muss, und ich erwarte, dass dergleichen in Zukunft nicht noch einmal von Nöten sein wird. Enttäuscht mich nicht.“

Der junge Keilholtzer war wie vom Donner gerührt. Die Markgräfin hatte tatsächlich jedem einzelnen der Punkte zugestimmt, die ihm Phexian geraten hatte. Wenn sie Recht behielt und die Praioskirche tatsächlich einen dem märkischen ebenbürtigen Beitrag leistete und er vielleicht noch den einen oder anderen Adligen zu einer Spende überreden konnte, dann würde er Kressenburg einen Tempel spenden können, der ihn nicht einen Kupfer kosten würde. Voll ungläubigem Staunen vergaß er für einen Moment, dass ihm der Mund offenstand und er dabei einen ziemlich dümmlichen Eindruck machen musste. Schließlich schluckte er seine Überraschung herunter, erhob sich und machte einen tiefen Diener vor der Markgräfin und ihrem Gatten.

„Ich stehe tief in Eurer Schuld, Euer Erlaucht. Ich gelobe, Euch nicht zu enttäuschen und auch weiterhin mit Schwert und Blut treu zur Seite zu stehen.“

Irmenella nickte ernst. „Ich nehme Euch beim Wort, Ardo. Doch nun solltet Ihr Euch wieder Euren Gästen widmen. Es wäre sehr unhöflich von mir, wenn ich Euch weiter über die Gebühr beanspruchen würde.“ Würdevoll erhob sie sich, griff dabei aber nach der stützenden Hand Edelbrechts. „Mein Herz,“ wandte sie sich an ihren Gatten. „Ich werde mich nun zurückziehen. Der Tag war lang und ich fühle mich etwas unwohl.“ Wieder lag der Greifin Hand auf ihrem Bauch und der Prinz beeilte sich, ihrem Wunsch zu entsprechen.

Der Baron begleitete das gräfliche Paar noch bis vor die Tür des Großen Saales, wo er sie den treusorgenden Händen seines Majordomus Ugrimm übergab. Zurück im Raum spielte der Barde am Kamin gerade die letzten Takte eines wilden Tanzes, den Praiadne mit ihrem jüngsten Bruder getanzt hatte. Nun sollte ein langsames Stück folgen und gerade als seine Frau sich den nächsten Tanzpartner ausgesucht hatte, trat Ardo dazwischen.

„Tut mir Leid Greifwin, aber dieser Tanz gehört mir.“ Glücklich und befreit von den Sorgen, die ihn in den letzten Monden gequält hatten, nahm der Baron seine Frau in den Arm.

„Ich dachte schon, du hättest mich vergessen,“ tadelte Praiadne ihn neckisch. „Ich hoffe, du vernachlässigst mich nicht weiterhin so, sonst muss ich mich bei deiner Tante, der Travia-Geweihten, über dich beschweren.“

„Keine Sorge, meine Liebste, von nun an gehöre ich ganz dir.“ Den ganzen Tanz über lagen Ardos verliebte Blicke nur auf seiner jungen Braut und als das Stück geendet hatte, führte er sie unter den aufmunternden Rufen der Gäste aus dem Saal, um im ehelichen Gemach der angenehmsten Pflicht des langen Hochzeitstages nachzukommen.