Geschichten:Altes Blut - Ein Schwert ohne Heft: Unterschied zwischen den Versionen
(Die Seite wurde neu angelegt: „'''''5. Praios 1037 – Stadt Rallerspfort, Handlungsort ist::Garetien:Stadt Rallerspfort|Stadt Rallerspfor…“) |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 83: | Zeile 83: | ||
|Vor=Geschichten: Altes Blut - Zu unser aller Sicherheit | |Vor=Geschichten: Altes Blut - Zu unser aller Sicherheit | ||
|Zurück=Geschichten: Altes Blut - Befürchtete Antwort | |Zurück=Geschichten: Altes Blut - Befürchtete Antwort | ||
|Datum= | |Datum=5.1.1037 | ||
|Zeit= | |Zeit= | ||
|Autor={{Briefspieler|Benutzer:FKC|Frank}} | |Autor={{Briefspieler|Benutzer:FKC|Frank}} |
Version vom 19. März 2014, 14:38 Uhr
5. Praios 1037 – Stadt Rallerspfort, Stadt Rallerspfort (Baronie Rallerspfort)
Seit einer knappen Woche war Haldan von Rallersgrund nun schon in Rallerspfort. Der Hinweis von der Magd, deren Name, soweit er sich erinnern konnte, Selma lautete, war brauchbar gewesen. Es stellte sich heraus, dass Drego tatsächlich in der Stadt gewesen war und Haldan hatte die Gelegenheit bekommen, mit seinem Vertrauten Rudon zu sprechen. Auch wenn dieser nur in Phrasen geantwortet hatte, war sich Haldan sicher, dass er das Interesse des Mannes geweckt hatte. Zwar hatte er beim ersten Gespräch den Raum verlassen und war in dieser Nacht auch nicht wiedergekommen, doch am nächsten Tag hatte Rudon das gleiche Gasthaus erneut aufgesucht und dort, in Abwesenheit der anderen Kumpanen, erneut das Gespräch mit ihm gesucht. Er hatte die Urkunde sehen wollen, doch Haldan sagte ihm, sie sei an einem sicheren Ort; dass dieser sichere Ort schlicht und ergreifend seine Satteltasche war, die neben ihm auf dem Fußboden lag, konnte er dabei natürlich nicht ahnen. Haldan hatte kein Interesse daran, ihn in seinen gesamten Plan einzuweihen, geschweige denn ihm seine einzige Sicherheit in die Hand zu geben. Er brauchte Rudon nur als letzte Sicherheit, wenn sonst gar nichts ging. In jedem anderen Fall konnte er gerne bleiben, wo er war und gar nichts tun. Er würde früher oder später etwas dafür verlangen, das war Haldan durchaus bewusst, doch noch wusste er nicht, was das sein würde und was er ihm geben würde.
Während der Tage, die er in Rallerspfort verbrachte, hatte er versucht die Zeit bestmöglich zu nutzen. Es war eine schöne Stadt, wenn auch nicht besonders groß. Die Hauptwege waren einfach gepflastert, während die Seitengassen aus über die Jahre festgestampfter Erde bestanden. Bei Regen mochten sie schnell schlammig werden, doch da es seit einiger Zeit schon nicht mehr geregnet hatte, waren sie staubtrocken. Die Häuser waren auf Bodenebene gemauert, während die oberen Stockwerke aus Fachwerk bestanden und weit in die Straßen hineinragten. Umgeben wurde die Stadt von einer etwa zehn Schritt hohen Mauer mit offenem Wehrgang und einigen Verstrebungen und genau einem Turm über jedem der drei Tore der Stadt.
Haldan fühlte sich wohl in Rallerspfort. Es gab drei Gasthäuser unterschiedlicher Qualität, mit dessen Wirten er mittlerweile per Du war. Es gab sonst nicht viel zu tun und so freute sich Haldan, als endlich der Markttag kam. Wie überall spülte auch hier der Markt die Leute der gesamten Gegend in die Stadt und nie gab es so viele Gerüchte auf einmal zu hören wie während des Marktes. Man sprach über die bald anstehende Ernte, die Kinder, die so schnell alt wurden und andere Belanglosigkeiten, sodass Haldan bald schon einem Prediger sein Ohr schenkte, der auf dem Kleinen Markt stand und mit lauter Stimme die Leute belehrte. Er trug eine rote Robe aus guter Wolle und darüber einen gelben Überwurf. Alles wurde durch einen Gürtel, den zwei Sphärenkugeln schmückten, gehalten und durch ein Sonnenmedaillon um den Hals geschmückt. Obwohl er nicht besonders groß war, schien er während des Redens die Umstehenden zu überragen, wobei die Augen seines Allerweltsgesichts glänzten.
„…und nun da das neue Jahr durch den Götterfürsten eingeleitet wurde, wird sich der Alrik fragen ‚Was soll’s? Bleibt ja doch alles wie es war.‘ Und was hört ihr mich ihn dann fragen? Richtig. ‚Warum so entmutigt, Alrik?‘ Wenn alles beim Alten bleibt, geht auch dieses Jahr jeden Morgen die Sonne auf und lässt deine Ernte reifen. Wenn alles beim Alten bleibt, wachst du auch dieses Jahr jeden Morgen unter deinem eigenen Dach auf und kannst dich deiner Familie erfreuen. Das sind Dinge, die es anzustreben gilt, die aber nicht jedem vergönnt sind und so gelten unsere Gebete jenen, die den Weg ebnen für unseren Herrn Praios, jenen, die Ordnung schaffen, wo Chaos herrscht, jenen, die das Gerüst der Welt stärken, anstatt daran zu rütteln. Also tadelt dies neue Jahr nicht dafür zu sein wie jedes andere zuvor, sondern betet dafür, dass es so sein möge! Die letzten Jahre waren gute Jahre und es ist die Beständigkeit, die eure Speicher füllt, nicht der Wandel. Es ist die Beständigkeit, die eure Kinder zu anständigen Leuten heranwachsen lässt, nicht das Abenteuer. Und letztendlich ist es auch die Beständigkeit, die den Frieden sichert, während der Wandel stets nur für Krieg und Zerwürfnisse in der Weltordnung gesorgt hat.“
Zustimmendes Murmeln erhob sich, als der Priester geendet hatte und die Leute zerstreuten sich wieder. Haldan blickte ihnen einen Moment hinterher, als plötzlich der Prediger vor ihm stand. „Euer Gnaden“, grüßte Haldan und neigte den Kopf. Sein Gegenüber war älter, als er aus der Menge heraus betrachtet gewirkt hatte. Er war vielleicht doppelt so alt wie Haldan, hatte aber eher die fünfzig Götterläufe bereits überschritten.
„Wie kann ich Euch helfen?“
„Gelungene Rede, auch wenn ich den Anfang verpasst habe.“
„Meine Worte haben Euch angesprochen?“
„Ja, durchaus. Ich fragte mich, ob Eure Verpflichtungen es zulassen würden, mit mir zu speisen. Es gäbe noch das ein oder andere, was mir auf dem Herzen liegt.“ „Selbstverständlich. Nichts ist wichtiger als die Anliegen der Leute und ein voller Magen zur Mittagsstunde.“
„Die offiziellen Lehren der Praios-Kirche?“, fragte Haldan amüsiert.
„So ähnlich“, gab der Geweihte mit einem Schmunzeln zurück und reichte Haldan die Hand. „Ludomar von Wystern, freut mich.“
Haldan schüttelte seine Hand und zögerte einen Augenblick. Er konnte schlecht einen Praios-Geweihten anlügen, also sagte er: „Haldan von Rallersgrund.“
„Rallers…grund?“ Die Stirn des Priesters legte sich in Falten. „Ich denke, ihr tatet recht damit, mich um ein Gespräch zu bitten. Kommt.“ Haldan folgte ihm.
Gemeinsam schoben sie sich an den Leuten vorbei, die noch immer den Kleinen Markt bevölkerten. Die Sonne stand hoch am Himmel und brannte den Leuten auf den Kopf, sodass sich bei Haldan Erleichterung breit machte, als er die Gewitterwolken am Horizont erblickte, die sich bedrohlich wie ein Bär auftürmten, der seine Beute mit der Pranke zerschmettern wollte. Ludomar bemerkte Haldans Blick. „Wird wohl Regen geben“, sagte er trocken und ging weiter. Nach wenigen Augenblicken hatten sie ein Gasthaus gefunden. Haldan kannte es: Das Gasthaus „Zum Winterkönig“ war das beste Haus am Platz und bot seiner Kundschaft gutes Essen zu erschwinglichen Preisen in gesitteter Atmosphäre. Aus diesem Grund war es erste Anlaufstelle für Reisende, die Rallerspfort durchquerten und auch für Ortsansässige ein beliebter Treffpunkt.
Wie üblich war es zur Mittagsstunde gut gefüllt und so mussten Haldan und Ludomar einen Augenblick suchen, bis sie einen freien Tisch fanden. Sie nahmen Platz und bestellten sogleich. „Nun Haldan“, nahm Ludomar von Wystern das Gespräch wieder auf. „Was für ein Zufall, dass wir uns auf diesem Wege kennenlernen. Euer Name erweckt Aufsehen. Erzählt mir doch etwas über Euch.“ „Nun, mein Name lautet zurzeit eigentlich Haldan Rallersgrunder, doch wie ihr nun vermuten werdet, steht dort mehr dahinter.“
„Seid Ihr nun adlig oder nicht?“
„Wie gesagt: Zurzeit nicht, aber eigentlich schon. Meine Familie stellte einst die Barone dieses schönen Landes.“ Ludomar zog erstaunt die Augenbrauen hoch, nahm seinen Humpen und trank einen Schluck Bier. Haldan fuhr fort. „Seit der Erbfolgekriege, als uns die Familie Rallerspfort stürzte und vertrieb, leben wir als Familie Rallersgrunder in Hornbach und Hirschfurt.“ „Und nun seid ihr hier, um Euer altes Recht einzufordern?“
„Im Prinzip schon, ja.“
„Warum jetzt und nicht schon vor fünfzig Jahren, oder gar hundert?“
„Es hieß immer, dass wir mal adlig gewesen seien, doch beweisen konnte es niemand, da die Familie Rallerspfort sehr gründlich war, als sie unsere Hinterlassenschaften vernichteten, so auch die Abschrift der Lehensurkunde, die in Luring hinterlegt worden war.“
„Was hat sich seitdem geändert?“, fragte Ludomar, dessen Interesse offensichtlich geweckt war.
„Nun, während des Sortierens der alten Schriftstücke in den Archiven in Hirschfurt stieß mein Vetter auf die zweite angefertigte Abschrift, die dort hinterlegt wurde. Vor den Reformen Rohals des Weisen, waren, wie Ihr sicher wisst, die Grafschaft Reichsforst und der westliche Teil der Grafschaft Waldstein ein Lehen mit dem Namen Reychsforst. Aufgrund der Nähe zu Hirschfurt, hielt man es für weise, auch in dieser Stadt eine Abschrift zu hinterlegen. Dieser Schritt war für die Familie Rallerspfort nach den Reformen und nach der Übernahme der Baronie wohl nicht mehr nachvollziehbar und die Urkunde überdauerte dort in den Archiven.“
Ludomar blickte Haldan nachdenklich an und nickte kaum merklich mit dem Kopf, als ginge er alles noch einmal durch.
„Demnach seid Ihr und Eure Familie die rechtmäßigen Herrn über diesen Landstrich und könnt es beweisen.“ Haldan nickte. „Weswegen proklamiert Ihr dann nicht öffentlich Euren Anspruch?“ „Wer würde uns anhören, geschweige denn glauben?“
Erneut schwieg Ludomar einen Augenblick und blickte Haldan tief in die Augen. In Gedanken fuhr er sich mit der Hand durch die Haare und griff nach seinem Medaillon, welches er um den Hals trug. Schließlich fuhr er fort. „Ich kann Euch lediglich sagen, wer es tun sollte: Jeder aufrechte Mann in diesen Landen, doch lasst mich das Dokument einmal betrachten.“ Haldan konnte sich ein leichtes Schmunzeln nicht verkneifen, da er wusste, dass er den Geweihten gewonnen hatte. „Ihr enttäuscht mich nicht, Ludomar von Wystern. Ihr seid so weise, wie ich es angenommen hatte.“ Er reichte das Dokument dem Geweihten, welcher die Siegel prüfte und den Inhalt mehrmals las.
„Gäbe es mehr Männer wie Euch, die in schwierigen Fragen göttlichen Rat erbitten würden, wäre diese Welt eine gerechtere“, gab Ludomar zu bedenken, während er Haldan das Schreiben reichte, es jedoch festhielt. Haldan verstand und zog es ihm aus der Hand.
„Sollte ein Baron da nicht mit gutem Vorbild voran gehen, wo er doch ständig schwere Fragen zu beantworten hat? Ein Platz am Hofe wäre denkbar.“
Ludomar schmunzelte zufrieden und nickte wieder langsam mit dem Kopf. In dem Moment, als er den Mund öffnen wollte, um etwas zu sagen, trat ein Mann zu den beiden.
„Haldan Rallersgrunder?“, fragte er.
„Ja..?“, gab Haldan zurück und fragte sich, wie viel der Bote mitbekommen hatte.
„Ich bringe ein Schreiben des Junkers von Zerbelhufen.“ Er reichte es ihm. „Die Nachricht gilt als überstellt.“
„Habt Dank.“ Neugierig besah Haldan den Umschlag, brach das Siegel und las den Inhalt. Nach dem Lesen blickte er auf. „Der Junker lädt zur Jagd.“
Ludomar umschloss mit der Faust sein Medaillon. „Das ist nicht verwunderlich.“ Haldan blickte ihn fragend an. „Dies ist das Land der Füchse und Ihr seid unbestreitbar einer von ihnen, doch vergesst bei alldem nicht: Auch ein Fuchs benötigt bei seiner Jagd das Licht, mag es auch nicht viel sein.“ Langsam öffnete Ludomar die Faust und gab den Blick auf sein Sonnenmedaillon frei. Haldan hatte scheinbar soeben ein Schwert ohne Heft erworben und war schlau genug sich nicht zu sehr darüber zu freuen.