Geschichten:Nie Wider Fron und Lehen - Belagert: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 4. Februar 2016, 17:33 Uhr

Burg Yossenfels, 16. Travia 1036 BF

Noch am ersten Tag der Belagerung hatte der Schartensteiner im Namen seines Lehnsherrn Mjesolf von Norden die Herausgabe der Burg gefordert, doch hatte Helmbrecht von Yossenstein dem natürlich nicht zugestimmt. Helmbrecht hatte eigentlich nicht genug bewaffnete Männer, doch um die Burg zu halten reichten sie aus und für den Schartensteiner wäre eine Eroberung im Sturm eine zu riskante Angelegenheit gewesen.

So dauerte die Belagerung nun schon vier Tage und Thyria mußte jeden Tag mehrmals in den tiefsten Keller gehen, und etliche Treppenstufen hinter sich lassen, um Wasser aus dem Brunnen zu holen. Nachdem sie ihre zwei Eimer voll Wasser hatte, hiefte sie sie hoch um wieder die etlichen Treppen zu erklimmen. Bei der Hälfte machte sie Pause und verschnaufte eine Weile, bevor sie die zweite Hälfte in Angriff nahm. Das Wasser brachte sie in die Küche. Dort würde man es den Bewohnern als Trinkwasser zur Verfügung stellen. Dort angekommen unterhielt sie sich ein wenig mit Lydia, die in der Küche aushalf.

Danach wollte sie das Tablett nehmen, worauf das Essen für die Gefangenen war. Es war nicht viel, nur zwei Scheiben Brot und ein Krug Wasser; seit der Belagerung wurden die Nahrungsmittel streng rationiert. Und das hieß sie würde wieder etliche Stufen erklimmen müssen, denn die Gefangenen waren im höchsten Turm untergebracht.

Zumindest war das bisher immer ihre Aufgabe gewesen, doch diesmal hielt sie Zelda, die Köchin, zurück.

"Das macht heute Lydia", sagte sie. "Du sollst in Helmbrechts Quartiere gehen und ihm dort aufwarten."

Thyria machte sich sogleich auf den Weg; als Pagin war das eh ihre Aufgabe am Tische des Hausherrn zu bedienen. Helmbrecht befand sich im großen Speisesaal, zusammen mit Ronwina, der Hauptfrau seiner Burgwache, Erlwin, der für die handvoll Söldner sprach, die Helmbrecht vor einigen Wochen angeheuert hatte, und dem finsteren Krieger mit der Stahlhand. Offensichtlich hielten sie eine Planbesprechung ab.

"Ah, Thyria", polterte Helmbrech los, kaum daß sie den Raum betreten hatte. "Bring mir Wein." Sie ging der Aufforderung sofort nach. Sie holte den Krug Wein vom Beistelltisch und schenkte in den Becher ein, das ihr Helmbrecht entgegen hielt.

"Unsere Vorräte reichen vielleicht noch für zwei Wochen, Herr", sagte Ronwina und fuhr mit ihrem Bericht fort, während Thyria sich gehorsam an die Wand stellte, den Krug im Arm, und wartete darauf, daß sie wieder benötigt würde. "Wenn wir die Vorräte weiter rationieren, vielleicht drei Wochen."

"Laßt uns einfach einen Ausfall versuchen", meinte Erlwin. "Sie würden das wahrscheinlich nicht erwarten und wir könnten ihre Verteidung zerschlagen."

"Nein", sagte Helmbrecht bestimmt. "Für einen Ausfall sind wir nicht genug Männer."

"Herr", sagte Ronwin und schien tatsächlich Verlegen zu sein. "Wir haben etwa zwei Dutzend Waffenträger, davon mehr als die Hälfte ausgebildete Kämpfer. Wenn wir den richtigen Augenblick wählen, können wir dem Schartensteinern einen empindlichen Schlag ..."

"Ich sagte Nein!", brüllte Helmbrecht und schlug mit der Faust so sehr auf den Tisch, das der Becher umkippte. Thyria eilte zum Tisch und füllte den Becher wieder auf, bevor sie sich wieder zur Wand zurückzog.

Als sie den Blick wieder hob, bemerkte Thyria, daß der finstere Krieger sie schon die ganze Zeit beobachtet hatte. Ihr lief ein Schauer den Rücken herunter. Als er ihren Blick bemerkte lächelte er nur und wandte sich wieder dem Gespräch zu.

"Sicher, Euer Wohlgeboren", schaltete er sich im Gespräch ein, "ein Ausfall würde das Wohlergehen Eurer Schwester gefährden." Es war nur ein Hauch von Sarkasmus in der Stimme des Kriegers zu hören, doch Helmbrecht schien es nicht gehört zu haben. "Doch eine Belagerung können wir nicht länger als drei Wochen aushalten. Unsere beste Chance besteht in einem Ausfall."

Helmbrecht hob den Blick und es lag ein gefährliches Funkeln darin. "Nein, Herr Al'Ceelar. Es gibt noch eine Möglichkeit." Zu Ronwina gewandt sagte er: "Hol mir den Jungen von Thordenin, diesen Walderion oder wie der heißt. Sie sollen sehen, was geschieht, wenn sie mich erzürnen."

Ronwina blickte die anderen Unheil ahnend an, befolgte aber den Befehl.

Helmbrecht stand von seinem Stuhl auf, und schritt zu den großen Flügeltüren im Osten der Mauer und riß sie auf. Diese führten zu der großen Aussichtsplattform, das dutzende Meter über dem Boden lag und einen weiten Blick über das Land freigab. Unten, gerade außerhalb der Bogenschußreichweite, konnte man die Lager der Sternensöldner erkennen. Erlwin folgte ihm.

Thyria blieb im Speisesaal, doch plötzlich lag die eiserne Hand des finsteren Kriegers auf Thyrias Schulter, der sie umdrehte.

"Hey, kleine Krähe", sagte er und zog den Dolch aus seiner Scheide. Ihr blieb das Herz stehen. Wollte er sie jetzt erstechen? Warum? Doch dann reichte er ihr den Dolch mit dem Griff voran. "Dein Burgherr hat den Verstand verloren. Lauf zu Thordenin und gib ihm das hier. Und laß dich nicht sehen! Verstanden? Gut."

Thyria wollte sofort loslaufen. Hauptsächlich um diesen Mann loszuwerden, doch hielt er sie noch fest.

"Wenn du diesen Tag überleben willst, kleine Krähe, solltest du schnell machen", drohte er. Dann ließ er sie los. Und sie rannte.