Geschichten:Vom Baume - Da hockt einer: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 22. Februar 2017, 17:05 Uhr
Baronie Gnitzenkuhl, Burg Friedburg, Später Travia 1040 BF
Es pochte steif und lautstark an die Türe der Kammer der Baronin, die leicht aufschreckte aus ihren düsteren Gedanken, die sie seit Monden nicht recht losließen, auch wenn es sich besserte.
Sie gab dem Mann mit einem kurzen „Herein!“ die Erlaubnis einzutreten, raffte ihr Kleid und nahm Haltung an neben ihrem Schreibpult.
Hauptmann Deredan von Zillingen trat ein und verbeugte sich: „Euer Hochgeboren.“
„Was gibt es, Hauptmann, was zu so später Stunde nicht warten kann?“
„Euer Hochgeboren, Eure Gardisten kehrten gerade von einer Patrouille am Darpat zurück, sie haben einen Nebachoten aufgegriffen.“
„Wäre Leomara noch da, wüßte Sie genau, was ich von derlei Störung noch dazu um jene Zeit halte!“ meinte Geshla leicht genervt und ihr strenger Blick ruhte auf dem Hauptmann. Dann schaute sie irritiert. Sie hatte das tatsächlich laut gesagt? Das erste Mal, dass sie wieder ohne Beklemmungen den Namen der toten Halbschwester offen ausgesprochen hatte. Schnell sprach sie weiter:
„Aber da ihr mich schon nun gestört habt, was ist an jenem Eseltreiber nun so besonders, dass er meine Aufmerksamkeit verdienen soll?“
Der Hauptmann versuchte sich nichts anmerken zu lassen: „Nun, Euer Hochgeboren, er saß in einem Baum – nahe dem Rothandfelsen. Wohl schon über Tage, wie ansässige Fischer berichteten. Ist wohl keiner der unsrigen Hitzköpfe.“
Die Baronin schaute ihn ungläubig an. „Ich bin mir gerade unsicher Hauptmann, sagtet ihr in einem Baum?“ Für gewöhnlich war sie weder schwerhörig, noch nuschelte der Hauptmann, sondern wählte seine Worte sehr genau. Aber hier musste es sich um einen Verhörer handeln, oder, das schien ihr jetzt plausibel, der Mann war ein entlaufener Geisteskranker aus Perricum. Solche Fälle hatte man schon häufiger gehabt. Das wäre dann allerdings eher ein Fall für die Heilerin, oder den Boroni.
Wieder ruhte ihr Blick fragend auf dem Hauptmann.
Korrekt wie stets gab der Zillinger nur schlicht zur Antwort: „Nein, Euer Hochgeboren, Eure Ohren trügen Euch nicht, die sind in bestem Zustand. Ich sagte sehr wohl, dass man ihm in einem Baum vorfand.“
„Bringt ihn her, ich weiß zwar nicht, warum ICH mich jetzt mit den irren Nebachoten rum schlagen muss, noch dazu zu dieser Zeit, aber bitte, wenn ich nun schon dabei bin…!“
Die ungeduldige Geste und ihr Auftreten ließen ahnen, dass der Mann wenig Gnade zu erwarten hatte. Mit verschränkten Armen wartete die Baronin also ab, bis der Hauptmann den Mann hatte hereinbringen lassen.
„Nun, Euer Hochgeboren, deswegen störe ich Euch ja überhaupt damit. Er ist Eurer Garde kurz vor den Toren Friedburgs wieder entwischt. Erneut auf einen Baum, Euer Hochgeboren, einen hohen Baum. Man besorgt gerade eine Säge. Doch der Eselreiter beteuert Euch sprechen zu wollen. Er sei von einer „Halle der Ahnen“, oder so einem Gedrösel. Man versteht die ja immer nur halb.“
„Ihr wollt wegen dem einen Baum fällen? Seid ihr von Sinnen? Zur Not schießt man ihn herunter. Allerdings sollte man zugegebener Maßen wissen, wen man da vor sich hat. Am Ende ist es Aurel von Brendiltal, zuzutrauen wäre es dem Säufer.“ Sie raffte seufzend die Röcke, verfluchte innerlich, dass sie keine Reitkleidung mehr trug und befahl: „Bringt mich zu ihm!“
Auf dem Weg zu dem Baum überlegte sie wen sie da wohl antreffen würde. Ob es auch wieder einer derjenigen war, der glaubte Raulsche mit diesem Irrglauben der Nebachoten fehl leiten zu können. So dumm wie die Gluckenhangerin würde sie nicht sein. Oder ob es eine Finte von Selo war, um sein Junkertum zurück zu ergaunern? Sie musste schmunzeln. Fast freute sie sich über diese Ablenkung. Sie passierten das Tor der Burg. Weit konnte es ja nicht sein.
Der Auflauf um den Baum, und die harschen Worte die fielen, kündeten an, dass sie nicht weit würde gehen müssen. Als man ihres Hauptmannes samt ihrer Person ansichtig wurde, kehrte allerdings Ruhe ein. Doch zahlreiche Augenpaare warteten jetzt ihre Reaktion auf den Mann ab.
Dieser, lässig in der Astgabel der großen Sommer/Praios-Linde fletzend, war sehr einfach gekleidet – sein nackter Oberkörper war nur mit einer schlicht bestickten Weste bekleidet, dazu eine Pluderhose, keine Schuhe. Und ein dichter dunkler Vollbart umspielte sein breites, zufriedenes Lächeln. Gelassen sah er auf die Szenerie herab.
Eine weiterere Gardistin kam auf die Ankommenden zu und verbeugte sich: „Ah, Euer Hochgeboren. Hauptmann, die Säge ist heran geschafft. Diesen frechen Tunichtgut haben wir in Bälde da runter. Stellt euch vor, er rief dreißt vom Baume herunter, wir sollten dem Baum den Schatten nicht stehlen, da wir eh nur in dessen stehen könnten, weil er einen längeren wirft als wir. Was immer das auch heissen soll.“
Der Zillinger antwortete harsch: „Nein, keine Säge, schießt ihn runter. Viel effektiver. Säge…pfff.“
„Aber Herr Hauptmann, war das nicht Eure…“, mit einem harten Blick wurde die Gardistin abgestraft.
„Was sollen wir tun, Euer Hochgeboren?“
Als wären die Gardistin samt Hauptmann nur eine lästige Plage, wedelte Geshla die Fragen mit einer Geste beiseite, und trat nun ihrerseits an den Baum heran, wo sie den Mann musterte. Es musste ein Gemeiner sein. Kein Anzeichen eines Ranges.
Leider entsprach dieser Mann ansonsten nicht dem Bild, dass sie sich ausgemalt hatte. Weder ein Irrer aus Perricum, zumindest nicht auf den ersten Blick, vor allem nach diesen Informationen. Noch war er ein Krieger des Kor.
„Geht an eure Arbeit!“ herrschte sie die Umstehenden an. Es reicht, wenn der Hauptmann da bleibt.“
Kurz sah man dem Zillinger an, das er protestieren wollte, eines Besseren wissend, kommandierte er dann allerdings seine Gardisten ab.
Als sie schließlich alleine waren richtete sie das Wort an den ihr Unbekannten.
„Was in Traviens Namen führt dich hierher? Du kannst froh sein, dass meine Wachen so milde reagiert haben bei diesem wirklich fremdartigen Gebaren. Ich kam nur her, weil ich dachte, ihr seid ein Fall für die Noioniten. Erklär dich, und sage mir deinen Namen, Herkunft und Begehr. Audienzen gewähre ich wohl, allerdings ziemt es sich keineswegs eine solche mit diesem Verhalten zu erpressen. Es wäre schade um den Baum gewesen, den du scheinbar opfern wolltest.“
„Aäh, Ihr musst diä Marba Gizien’Chuls sain von där hir allä sprächän. Hoch’ärfeut und Vär’zaith, dasz wir unsz untär solchön Um’ständän träffän mussän. Abär Aire Gardä ist rächt grob, wie diä Sägä äs doch zaigt. Ich wollt däm Baum gansz bäs’stimmt nicht ain ainzig Blatt krümmän, sind Bäumä doch där bästä Ort szum schwälgän. Und wär ist schon kain Fall fur die Noi’Onidiim? Abär lassän wir das, das würdä uns in ain äwiglichäs Gäspräch fuhrän. Odär said Ihr in’tärrssiert an ainäm solchän? Mh, nicht, denkä ich. Abär gä’stattät mich doch zuärst vor’szuställän, ich bin Ezen a Ba’umesh, odär Eseniäl vom Baumä. Mainäs Zaichäns, Schulär und Lährär där Hallä där Ahnän szu Mantikors‘szahn, abär nännt mich doch Ezen. Und um ainä Audiänsz habä ich mainäs Wissäns gar nicht gä’bätän…oh, äs sai dänn…alsz Airä Wachän mich…aufsuchtän gä’standt ich ihnän dasz ich nach däm Härr’schär däs Landäs suchä, das habän sie wohl falsch vär’standän. Vär’szaith diesä Värwirrungh, abär wo ihr schon da said…“ Während er mit Geshla sprach, wendete er nur den Kopf in Richtung der Baronin und vollführte eine legere aber ehrerbietige Geste mit dem Arm.
Die Stirn der Baronin hatte eine große Zahl an Falten hinzu erhalten, während der Nebachote sprach einige aus Ärger, andere aus Verwunderung. Sie hatte ihm konzentriert auf den Mund geschaut, da allein die Worte die er sprach für ihr Ohr kaum zu verstehen gewesen waren.
„Schule der Ahnen von Mantikorszahn?“ echote sie seine Worte. „Nie gehört! Was soll das sein? Eine Schule für…Nebachoten?“ Sie schaute irritiert, da sie den Mann noch immer nicht zuzuordnen verstand. Er hatte nicht wie ein Bauer geredet, also schien er schreiben zu können. Ein Gelehrter dieser Eseltreiber so vermutete sie. Aber sicher kein Adliger…vom Baume, was für ein aberwitziger Titel- vielleicht eine Art Hofnarr?
„Solange du dich in Gnitzenkuhl aufhältst, bin ich die Herrscherin dieser Lande, solltest du von GANZ Perricum reden, dann ist wohl der Markgraf für dich zuständig.“ Irgendetwas schien sie an der Vorstellung zu amüsieren, dass dem so sein könnte, denn diese Worte ließen ihr Gesicht wieder erstrahlen. Die Aussicht ihn weiter reisen zu sehen, oder die Vorstellung an eine Audienz am Hofe schienen sie zu erheitern.
Fragend schaute sie jedoch ihn weiter an, da sie noch immer nicht verstand, was er hier wollte!
Flux, fast akrobatisch, aber mit allergrößte Ruhe schwang der Nebachote sich in der Astgabel auf und saß nun, die Beine baumelnd, leicht nach vorn gebeugt auf dem Ast, die Baronin nun genauer anvisierend, so dass Hauptmann Zillingen schon unruhig wurde. Doch der seltsame Narr dort oben lächelte und blinzelte ein paarmal mit seinen Lidern, deren lange, dunkle Wimpern der Baronin wie Fächer vorkamen, selbst aus dieser Entfernung. Der Mann musste wunderschöne Augen besitzen. Dann legt er den Kopf schief: „Marba Gizien’Chuls, Ihr said wohl die Rä’gäntin diesär Landä, ja, abär said Ihr auch wirk’lich sainä Härr’schärin?“
Bei dem Satz wurde der Zillinger barsch, fluchte lauthals und unschicklich auf den unverschämten "Schwarzkopf" und rief nach einer Armbrust, doch die Baronin orderte ihren Hauptmann harsch zurück: „Hier gebe immer noch ich die Befehle, Zillingen.“
Irgendetwas in ihr regte sich, eine vage Erinnerung, nur was war es was da in ihr rumorte. Aber es konnte genauso gut eine Finte sein. Vorsicht war geboten.
„Hör zu Ezen, komm runter, dann müssen wir nicht mehr so merkwürdig miteinander reden, und meine Leute sind auch gleich wesentlich entspannter. Eure verwirrenden Reden tragen auch nicht dazu bei, dass sie sich entspannen. Gemeinhin sind die Begriffe die du hier vorbringst nur zwei Worte einer gleichen Sache.“
Geshla schaute diesen fremden Mann an und fragte sich was er hier wollte. Ihre Brust spannte, sicher würde gleich wieder ihre Tochter gestillt werden wollen.
„Da es aber außer mir hier keinen gibt, der hier das Sagen hätte, sollten vielleicht wir beide einfach miteinander reden? Drin in der Burg?“ setzte sie nach in der Hoffnung er würde zur Vernunft kommen.
Der kecke Nebachote wirkte kurz als würde er überlegen, schaute kurz zum Hauptmann hinüber, der als einziger jetzt noch in der Nähe der Baronin stand und machte sich dann daran behände den Baum hinabzusteigen. Unten angekommen, stemmte er die Arme in die Seiten und lächelte freundlich. Das zeigte deutlich seinen jungen, wohlgeformten Körper. „Nun, Marba han Gizien’Chul, ainä solchä Ainladungh kann ich gansz sichär nicht ausschlagän. So kann ich Aich auch viellacicht dän Untär’schied szwischän dän baidän Dingän ärläutern, so Ihr dänn mögt. So ist zwar där Rabä ainä Krähä abär die Krähä nicht immär ain Rabe. Wie man bai unsz sagt. “
Geshla von Gnitzenkuhl betrachtete ihn irritiert. Sie konnte nicht riskieren, dass ihr Ruf litt, andererseits hatte er bis auf merkwürdige Reden wie diese hier bislang nichts getan, was eine Kerkerhaft rechtfertigte. Die Einladung hatte sie jetzt ausgesprochen, wenn auch nur in Anwesenheit ihres Hauptmannes, daran ging wohl vorerst kein Weg vorbei.
„Hauptmann, derweil ich mich meiner Tochter kurz widme, werdet ihr bitte Ezen als Gast in die Wachstube mitnehmen, ich lasse dann nach euch schicken, sobald ich Zeit habe.“
Bevor der Hauptmann etwas erwideren konnte rief Ezen: „Wachstubä?“, irritiert schaute er zu der Baronin, schaute noch einmal zum Baum hinauf während der Zillinger auf ihn zu ging.
„Folg mir, Nebachote.“, raunte er verächtlich. „Gut, Raul'schär.“, antwortete dieser belustigt.