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[[Garetien:Burg Schwarzenfels|Burg Schwarzenfels]], Peraine 1043
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Schweigend blickten die beiden jungen Frauen aus dem Fenstern in den Hof hinab. Der erste Blick offenbarte ihr annähernd gleiches Alter, der zweite eine unbestreitbare Ähnlichkeit. Unten im Hof machte sich gerade eine kleine Reisegruppe zu Pferd zum Aufbruch bereit. Unter ihnen auch der Junker, [[Garetien:Travinyan von Perainsgarten|Travinyan von Perainsgarten]].
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„Noch könnt Ihr Euren Gatte begleiten“, hob die eine von den beiden an und bedachte die andere mit einem sorgenvollen Blick, „Soll ich hinuntereilen und Wohlgeboren bitten zu warten?“
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„Schon gut, Sibéal“, winkte die Junkerin da ab, „Ich bleibe. Es ist meine Pflicht zu bleiben. Travinyan ist noch nicht lange genug Junker um Schwarzenfels ohne die seinen zurück lassen zu können. Abgesehen davon...“ Sie schluckte schwer. „... ist es da draußen einfach nicht mehr sicher.“
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Der Zofe entfuhr ein kehliges Lachen: „Fürwahr. Wie recht Ihr doch habt.“
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„Wenn es selbst die Ritter nach Blut dürstet, wer soll uns denn dann noch schützen?“, wollte sie wissen und blickte Sibéal dabei fragend an, „Wer soll die Menschen denn schützen, wenn selbst die Ritter ihre Tugenden – all ihre Tugenden – plötzlich vergessen zu haben scheinen? Wenn nicht mehr Recht und Gesetzt gilt und die Ehre über allem steht, sondern es nur um Blut und noch mehr Blut geht?“
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Darauf wusste die Zofe natürlich keine Antwort, zuckte lediglich mit den Schulter und meinte: „Die Schlunder stehe gar nicht schlecht da.“
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„Was kümmern mich die Schlunder?“, zischte [[Garetien:Isleen ni Rian|Isleen]] leise, „Der Reichsforst blutet aus! Meine... unsere... Heimat blutet aus! Unsere [[Garetien:Familie Rian|Familie]]!“
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„Wohlgeboren, die [[Garetien:Familie Perainsgarten|Familie Perainsgarten]] ist nun Eure Familie und Schwarzenfels Eure Heimat.“
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Da konnte die Junkerin nur lachen: „Für die Schlunder sind wir Reichsforsterinnen und Reichsforsterinnen werden wird bleiben. Wir werden nie dazugehören. Wir werden immer Fremde bleiben.“ Sie blickte ihre Gegenüber an. „Du bist ein winziges Stück Heimat für mich hier in der Fremde. Ich bin sehr dankbar, dass du mich hier her begleitet hast. Du bist meine einzige Vertraute.“
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Nachdenklich nickte Sibéal: „Ihr werdet Euch an Schwarzenfels gewöhnen. Irgendwann werdet Ihr es als Eure Heimat betrachten.“
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„Der Schlund wird nie meine Heimat sein“, wisperte Isleen kopfschüttelnd, „Für unsere Kinder wird Schwarzenfels ihre Heimat sein. Sie werden Schlunder sein, so wie auch mein Gatte. Mich macht das aber nicht zu einer. Ich werde Reichsforsterin bleiben. Ich werde immer Reichsforsterin bleiben. So wie auch du.“
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„Die Geburt Eures ersten [[Garetien:Perainya von Perainsgarten|Kindes]], des Erben von Schwarzenfels, wird Eure Position hier sichern“, versuchte die Zofe da beruhigend auf ihre Herrin einzuwirken.
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„Wenn es denn geboren wird“, meinte die Rían da nur leidvoll.
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„Ihr habt Eurem Gatten noch immer nichts ges...“
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„Er muss es nicht wissen“, unterbrach Isleen sie harsch, „Es genügt, wenn du es weißt. Es wird unser Geheimnis bleiben. Zum Schutze Travinyans. Ein Geheimnis unter zwei Schwestern.“
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Sibéal rang sich ein Lächeln ab: „Wie Ihr wünscht, Wohlgeboren. Wie Ihr wünscht.“
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Einen Moment war es still.
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„Ihr fürchtet Euch, das verstehe ich gut, aber Euer Gatte wird sich stets schützend vor Euch stellen. Er liebt Euch. Ihr seid für ihn das teuerste und wichtigste, dass es geben kann. Vor allem jetzt, da sein [[Garetien:Perainyan von Perainsgarten|Zwillingsbruder]] gefallen ist...“
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Nun zuckte Isleen mit den Schultern: „Das mag sein, aber… aber wer ist Travinyan denn schon? Ein einfacher, gerade eben belehnter Junker, mehr nicht. Wie sollte er mich also schützen? Er konnte auch seinen Bruder nicht schützen.“ Betrübt schaute sie drein. „Selbst Graft Drego konnte seine Schwester Lechmin nicht schützen, wie sollte da Travinyan mich schützen können…“ Nachdenklich blickte sie aus dem Fenster hinaus. Die kleine Reisegruppe um ihren Gatten war bereits aufgebrochen. „Das Entsetzliche an der ganzen Sache ist ja, dass wir für unsere Familie, so wie auch für den restlichen Reichsforst, jetzt Schlunderinnen sind. Schlunderinnen.“ Sie lachte bitter. „Wenn man es genau betrachtet, dann sind wir nirgendwo mehr zugehörig. Vater hat mir das sehr deutlich gemacht. Für ihn sind wir jetzt Schlunderininnen. Für die Schlunder sind wir Reichsforsterin.“ Erneut lachte. Dieses Mal noch bitterer als zuvor.
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„Noch liegt die Kaisermark zwischen uns und dem Reichsforst.“
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„Noch“, meinte die Junkerin da, „Dass die Reichsforster gegen Hartsteen ziehen mussten, war den Kaisermärkern wohl bewusst und es scheint ihnen gar egal gewesen zu sein. Lechmins Schicksal scheint ihnen gar egal gewesen zu sein. Sie haben den Streit genutzt und sind hinterrücks eingefallen. Travinyan hat mir erzählt, wie so von uns reden. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sie von uns reden. Es sind durch und durch verderbte Menschen. Absolut verderbt. Und wie weit sind sie weg, die Kaisermärker?“ Nun blickte sie fragend ihre Zofe an.
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„Nicht mal einen Tagesritt“, musste Sibéal eingestehen, „Aber mit dem Schlund haben sie keinen Hader und der Schlund mit ihnen nicht.“
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Wieder lachte Isleen: „Ja. Scheint gar als haben Schlunder und Kaisermärker sich abgesprochen, nicht wahr? Als hätten sie Garetien untereinander aufgeteilt. Wir kriegen den Reichsforst und ihr Hartsteen. Göttergefällig, nicht wahr?“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Wie perfide muss man sein um das durch diesen Hartsteener ausgelöste Elend für seine Zwecke auszunutzen? Vermutlich waren diese anbahnenden Fehdehandlungen zwischen Schlund und Kaisermark pure Inszenierung um Hartsteen und Reichsforst in Sicherheit zu wiegen, um sie glauben zu machen, auch der Schlund und die Kaisermark würden demnächst in Fehde liegen.“
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„Nun, dennoch glaube ich nicht, dass wir hier in Gefahr sind. Die Kaisermärker mögen gegen den Reichsforst ziehen, aber wir sind hier sicher. Wir sind im Schlund und nicht in der Kaisermark.“
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„In Garetien ist niemand mehr sicher“, widersprach die Rían energisch, „Am wenigsten wir, denn wir sind Reichsforsterinnen und Reichsforsterinnen werden wir bleiben und was zählt schon das Leben von zwei Reichsforsterinnen?“
  
 
=Weitere Ideen=
 
=Weitere Ideen=

Version vom 19. Februar 2020, 17:18 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.

Drei Krähen und ein Räblein

Totgeboren

Ritterherrschaft Praiosborn, Donnerhof, Mitte Efferd 1042, am Morgen

Totenruhe

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042

Totenwacht

Ritterherrschaft Praiosborn, Ruine Praiosborn, Mitte Efferd 1042


Die Würfel sind gefallen

Die erste Nacht

Der Morgen danach

Donnerhof, Anfang Hesinde 1042

(...)

Der Götter Werk und Yolandes Beitrag

Lehrstunden (Dritter Teil)

Schloss Dryadenstein, 17. Ingerimm 1042

(...)

Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Befleckt

Der Götter Werk und Yolandes Beitrag – Yolandes Werk

Schwarz, Schwärzer, Schwarztannen

Honigkringel

Burg Scharfenstein

„Ich habe nicht gewusst, dass Ihr kommt“, eröffnete Nurinai ihren Eltern, nachdem diese im Jagdzimmer Platz genommen hatten. Zuvor hatten sie ihre Zimmer bezogen, sich ein wenig frisch gemacht und ihre staubigen Kleider gegen saubere getauscht. Nurinai wandte sich an Yolande: „Hast Du das etwa... gewusst?“

Die Angesprochene lächelte vielsagend und wollte gerade zu einer Antwort anheben, da zog die Schale mit Gebäck, die genau in diesem Augenblick auf den Tisch platziert wurde, Nurinais Blick auf sich. Erfreut entfuhr es ihr: „Koscher Honigkringel!“

„Deine Mutter war sich nicht sicher, ob Du die noch...“, begann ihr Vater da zu erklären und wurde sogleich von seiner Tochter unterbrochen.

„Bitte!“, die Geweihte verdrehte die Augen, stopfte sich eilig einen der Kringel in den Mund und fügte an: „Bin ich nu eure Tocher oder bin ich‘s nich?“

Darian grinste. Rianod lächelte. Nurinai nahm sich erneut einen Kringel und schob ihn unter dem wachsamen Blick ihrer Eltern mit den Worten „Pobier ma“ in den Mund der Vögtin. Diese nickte, um zu bekunden, dass er auch ihr mundete. „Sehr delikat“, fügte sie schlussendlich hinzu.

Eifrig nickte Nurinai und erklärte: „Echte Nurinai-Kringel. Das schmecke ich ganz deutlich.“

Yolande schaute fragend in die Runde.

„Jedes unserer Mädchen hatte seine eigenen“, erklärte Rianod, „So gab es keinen Streit.“

„Sie haben sich stattdessen um andere Dinge gestritten...“, merkte der Ritter trocken an.

„Ach“, winkte die Vögtin da freundlich lächelnd ab, „Das haben sie nicht verlernt...“

„Was soll das denn heißen?“, wollte nun die Geweihte von Yolande wissen. Diese ließ sich jedoch auf keinerlei Diskussion ein, obgleich ihre Liebste sie mit einem bösen Blick der besonderen Art strafte und erklärte stattdessen: „Hochgeboren wird erst gegen Abend zurückerwartet.“

„Er besorgt noch ein kleines Verlobungsgeschenk für die weiße Lilie“, fügte Nurinai nickend hinzu und dämpfte ein wenig ihre Stimme: „Er wollte es selbst abholen um sich zu vergewissern, dass es genau das ist, was er auch in Auftrag gegeben hat.“

„Dann meint Hochgeboren es wohl wirklich ernst“, kommentierte Darian von Trottweiher unter einem gerade panischen Blick seiner Gattin, „Wenn er eigens für sie etwas in Auftrag gegeben hat.“

„In der Tat, Hochgeboren, ihm ist es wirklich ernst. Er hat sogar bereits damit begonnen einen Ehevertrag aufsetzen zu lassen...“, belegte die Vögtin die Ernsthaftigkeit des Vorhabens die Reichsritterin zu Praiosborn zu ehelichen.

„Einen... Vertrag?“, wollte die Geweihte da irritiert wissen, „Warum denn das?“

„Nun, Narzisschen, das ist gerade bei Hochadeligen durchaus üblich“, erklärte Yolande von Raukenfels mit ruhiger Stimme, „In solch einem Vertrag werden allerlei rechtliche Dinge geregelt, wie zum Beispiel die Erbfolge.“

Narzisschen?“, fragte der Trottweiher ein wenig verwundert, ob der vertrauten Ansprache.

„Aber... aber...“, warf Nurinai ein, „Hattest Du denn einen Vertrag?“

„Bei mir ging es doch auch um nichts“, erwiderte die Vögtin schulterzuckend, „Kein Gut. Kein Erbe. Kein Vertrag. So einfach ist das.“

Das schien die Boroni zwar zufriedenzustellen, warf aber bei deren Vater weitere Fragen auf. „Und was“, hob der Ritter da an, „Und was sagt Euer Gatte zu...“ Er wusste nicht so recht was er sagen sollte, was höchst selten vorkam. „... zu all dem hier.“

„Ich sah keine Veranlassung meinen werten Gatten davon in Kenntnis zu setzten“, erwiderte Yolande kühl und nahm einen Schluck Tee, „Er ist vor geraumer Zeit an den kaiserlichen Hof nach Barbenwehr gegangen und hat mich betreffend seiner Entscheidung lediglich in Kenntnis gesetzt. Seitdem haben meine Söhne und ich ihn kaum ein Dutzend Mal gesehen.“

Rianod schüttelte verständnislos ihren Kopf, während ihr Gatte sich nur grinsend auf die Unterlippe biss und meinte: „Es scheint mir, als hättet Ihr hier Euer Glück gefunden, Hochgeboren.“

Da lächelte Yolande: „In der Tat, das habe ich.“ Und mit diesen Worten ergriff sie die Hand Nurinais und blickte ihr in die blauen Augen. „Oder vielmehr hat das Glück mich gefunden.“

Einen Moment hielten alle den Atem an.

Dann wandte sich Nurinai ihren Eltern zu: „Ja, ganz recht. Sie ist mein Honigkringelchen.“

(...)

Burg Scharfenstein

Ein Antrag mehr

Burg Scharfenstein, 3. Peraine 1043

(...)

Konspiratives Treffen

Burg Rallingstein, Peraine 1043

„Dass ich das noch einmal erleben darf“, begrüßte der Junker zu Erlenfall das Oberhaupt der Familie Schwarztannen mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Was für eine Ehre Euch hier auf Burg Rallingstein begrüßten zu dürfen, Euer Hochgeboren.“ Die beiden letzten Worte betonte er überdeutlich.

Enria von Schwarztannen holte Atem: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund, Euer Wohlgeboren. Meint Ihr nicht auch?“

„Oh, wie recht Ihr doch habt“, stimmte er ihr da vielsagend zu, „So recht.“

„Nun, angesichts der derzeitigen Umtriebe, die hier in Schwarztannen vonstatten gehen, scheint eine zeitweilige Allianz die einzige Möglichkeit zu sein, der Krähen Herr zu werden.“

„Dann setzt Euch doch an die bescheidene Tafel...“, lud der Vogt Emmeran von Erlenfall sie alle ein, „... unserer bescheidenen Burg.“

Es wurde Wein gereicht.

„Bescheiden“, spottete Helmrat von Schwarztannen-Scharfenstein, der natürlich auch einen Anspruch auf die Baronswürde erhob, den man aber gemeinhin als Hochstapler betrachtete, weil er seinen vermeintlichen Anspruch auf die Abstammung aus der längst erloschenen Linie der Familie Schwarztannen-Scharfenstein ableitete. „Äußerst bescheiden.“ Er trank einen großen Schluck Wein.

Bescheiden war freilich hier überhaupt nichts. Die Familie Erlenfall hatte sich mit Burg Rallingstein verewigt und zeigte damit überaus deutlich wer sie war und auch das sie für Höheres bestimmt war und das war mindestens der Baronsthron.

„Ich denke wir sind uns einig“, ergriff nun der wenig schweigsame Boronidan Eslam von Erlenfall, Prätor des Boron-Tempels zu Hexenmühle das Wort, „Das Problem ist nicht Baron Drego an sich. Er ist genauso beeinflussbar wie sein Namensv...

„Hört! Hört!“, rief der Schwarztannen-Scharfensteiner schadenfroh dazwischen, nahm einen kräftigen Schluck Wein und legte den Finger ganz tief in die Wunde, „Warum sitzt dann nicht eine Eurer Familien auf dem Baronsthron?“

„Es ist nicht der Baron. Es sind die Krähen. Sie umringen ihn. Schotten ihn ab. Lullen ihn ein. Und machen sich dabei überall breit. Fast sein ganzer Hof besteht aus ihnen. Und die schlimmste von ihnen, die Oberkrähe, diese Alisa...“

Ailsa“, gluckste Helmrath da amüsiert, „Ailsa. Ihr scheint nicht sonderlich gut informiert zu sein. Vielleicht ist daran Eure Einflussnahme gesch...“

„Sie ist das eigentliche Problem“, fuhr der Boron-Geweihte fort, „Wenn wir es schaffen sie in Misskredit zu ziehen, dann sind wir sie los und die restlichen Krähen auch.“

„Und was...“, meldete sich nun Sigmunde Brinhild von Schwarztannen zu Wort, „... schwebt Euch da so vor?“

„Ganz einfach“, meinte der selbsternannte Baron zu Schwarztannen, „Wenn sie eine Liebschaft mit einem anderen hat, noch besser wäre ein Kind, was glaubt Ihr, wird der Baron tun?“

„Er wird sie verstoßen“, schloss Raulbrin Reto von Schwarztannen, „Und wenn sie fällt, dann werden auch die anderen Krähen fallen.“

„Klug beobachtet“, pflichtete ihm der Junker bei, „Überaus klug.“

„Wir schmieden also ein Komplott“, fasste die Edle zu Gerbachsroth zusammen, „Gewissermaßen verabreden wir eine Allianz.“

„Eine zeitweilige Allianz“, korrigierte Enria von Schwarztannen unter dem Nicken Emmeran von Erlenfalls, „Die andauern soll, bis die Krähe fällt.“

„Bis die Krähe fällt“, stimmte der Junker ihr zu, „Danach kämpft wieder jeder allein.“

„Nun“, der Boron-Geweihte erhob sein Glas, „Fann lasst uns darauf trinken: Auf den Fall der Krähe!“

„Auf den Fall der Krähe!“, echoten sie.

Kindesraub

Wehrhof Gerbachsroth, Peraine 1043

Als Drego von Altjachtern zusammen mit seiner zukünftigen Gemahlin Ailsa ni Rían die Stube des Wehrhofes Gerbachsroth betrat, standen sie einem Knaben von ungefähr sechs Götterläufen gegenüber.

„Ihr seid ja...“, die Augen des Knaben wurden groß, als er begriff, wer da gerade vor ihn getreten war, obgleich man den Baron und seine Liebste angekündigt hatte, „... ja wirklich der Herr Baron!“

Milde lächelte dieser ihn an und blickte auf den vor ihnen stehenden Knaben herab: „Nun, der bin ich. Das hast du gut erkannt. Und wer bist du?“

Stordan Raulfried von Gerbachsroth, Euer Hochgeboren“, antwortete der Knabe sichtlich nervös und verbeugte sich, „Und in Abwesenheit meiner werten Frau Mutter Herr über dieses Haus.“

„Dann sei uns gegrüßt, Stordan Raulfried von Gerbachsroth“, erwiderte der Baron, „Herr über dieses Haus.“ Da deutete er auf die Frau neben sich. „Dies ist meine Verlobte und zukünftige Gemahlin Ailsa ni Rían.“

„Die Zwölfe mit Euch“, nun verbeugte sich der Knabe auch vor Ailsa, „Ähm... Euer... hm... Hochgeboren?“

Seine Frage blieb unbeantwortet, stattdessen lächelte Ailsa ihn an: „Sei auch du mir gegrüßt Stordan Raulfried von Gerbachsroth und seien die Zwölfe allzeit mit dir.“

Einen Moment herrschte Schweigen. Die Bediensteten beider Seiten standen unschlüssig herum, belauerten sich, niemand schien zu wissen, weswegen der Baron und seine Krähe gekommen waren.

„Nun, Stordan, ich habe viel von deinem werten Herrn Vater gehört.“

„Von meinem Vater, Hochgeboren?“, wollte der Knaben aufgeregt wissen, „Er war ein aufrechter Rittersmann!“

„Dann willst du ihm gewiss folgen? Als aufrechter Ritter?“

Da nickte Stordan energisch: „Das will ich, Euer Hochgeboren, das will ich. Sehr sogar. Und eines Tages meinem Vater als Edlem zu Gerbachsroth folgen.“

„Nun, Stordan, dann habe ich außerordentlich gute Nachrichten für dich“, hob der Baron an, hielt den Knaben dabei mit seinem Blick fixiert und deutete mit seiner Hand auf seine Verlobte, die zu seiner Linken stand, „Meine zukünftige Gattin wird dich in Pagenschaft nehmen.“

Fassungslose Blicke der hiesigen Bediensteten kreuzten sich, während sich ein breites Grinsen über das Gesicht des Knabens legte. Unruhig begann er von seinem einen auf das andere Bein zu hibbeln.

„Auf dass ein genauso aufrechter Rittermann aus dir werde, wie dein Herr Vater einer war. Und einer besseren Pagenmutter, Stordan, könnte ich dich nicht anempfehlen. Sie ist nicht nur bezaubernd schön, besitzt Liebreiz und Ausstrahlung, sondern sie ist auch eine ausgezeichnete Ritterin, was sie bereits auf mehreren Turnieren unter Beweis gestellt hat. Bei ihr wirst du viel lernen.“

Während der Ansprache des Barons, lächelte Ailsa den Knaben an, der wurde nur immer noch aufgewühlter und sein Grinsen immer noch breiter. Dann stellte die Ritterin die eine Frage: „Willst du mein Page werden und mir stets tr... ?“

„Aber, Euer Hochgeboren“, protestierte da Stordans Kindermädchen energisch, „Ihr könnt doch nicht einfach... ?“

Da hob Drego abwehrend die Hand und sie verstummte. Sichtlich verunsichert blickte der Knabe von seinem Kindermädchen zum Baron und anschließend zu dessen Verlobten.

„Nun“, versuchte es die Reichsritterin erneut und schenkte dem Knaben ein liebliches Lächeln, „Willst du mein Page werden und mir stets treu dienen, auf dass du eines Tages deinen Ritterschlag erhalten wirst und in die Fußstapfen deines werten Herrn Vaters treten kannst? Auf dass dir Ruhm und Ehre zuteil werde, du erfolgreich in Turnieren und Schlachten seist. Möchtest du ein stolzer, aufrechter Ritter sein, zu dem alle aufsehen werden?“

Und die Augen des Knabens leuchteten: „Ja, das will ich!“

Verschwörung auf Rallingstein

Burg Rallingstein, Peraine 1043

„Wir werden uns doch nicht etwa an diesem... irrwitzigen Plan beteiligen?“, hob Edlbrecht von Erlenfall an, nachdem ihre Besucher Burg Rallingstein verlassen hatten.

Der Junker lacht amüsiert: „Natürlich nicht.“

„Seit wann machen wir uns selbst die Finger schmutzig, wenn wir dafür unsere Schergen haben?“, warf Boronidan in die illustre Runde, „Die Schwarztanner werden unserer Schergen sein. Sie werden sich die Finger schmutzig machen. Für uns. Und wir werden davon profitieren.“

„Freilich gibt es auch keine zeitweilige Allianz“, stellte Emmeran klar, lehnte sich zurück und nahm einen Schluck Wein.

„Und das die Schwarztanner dies glauben...“, führte der Geweihte weiter aus, „... zeigt nur wieder einmal nicht nur ihre Dummheit sondern auch, wie wenig sie die Baronswürde verdient haben. Sie saßen dort viel zu lange und das auch noch vollkommen zu Unrecht.“

„Also warten wir, bis einer der Schwarztanner der Krähe ein Kind gemacht hat?“, wollte der Vogt wissen.

„So ist es“, pflichtete der Junker ihm bei, „Wir werden warten.“

„Und wenn es so weit ist. An wen wird sich der gramgebeugte Baron dann wohl wenden?“, sponn der Prätor den Plan weiter.

„Nicht an die Schwarztanner. Die haben ihn hintergangen. Sie werden genauso in Ungnade fallen, wie die Krähe. Und der Weg für uns ist frei. Ein ausgezeichneter Plan, der die Schwarztanner ausschaltet und uns den Baron auf dem Silbertablett serviert“, nun nahm auch Edelbrecht einen kräftigen Schluck Wein, „Und wenn er sich an Graf Drego wendet? Die beiden sollen gute Freunde sein. Nicht zuletzt deswegen, soll er den Baronsreif erhalten haben.“

„Er hat ihn wohl erhalten, weil er denselben Namen trägt“, spottete Boronida da höhnisch, „Andere, einem Baron würdige Qualitäten, hat er nicht.“

„Darum werde ich mich kümmern. Auch ich kenne Graf Drego“, erklärte der Junker. Dass er seine eigenen Pläne hatte, verschwieg er. Seine Familie musste nicht alles wissen. Und vielleicht, ja vielleicht trug dieses ganze Unterfangen genug Chaos in die Baronie um zu...

„Und warum ist es dir dann dennoch nicht gelungen, die Baronswürde für unsere Familie zu erlangen?“, wandte der Vogt ein.

„Weil Baron Drego seinen Namen mit Graf Drego teilt. Ganz einfach.“

„Ihr werdet hier die Stellung halten...“, entschied der Junker, „... und schnellstmöglich die Lücken füllen, die die Krähen hinterlassen haben. Mit uns loyalen. So sichern wir unseren Einfluss auf den Baron. Und von jenem Zeitpunkt an, wird der Baron tun, was wir ihm sagen. Als sonderlich Willensstark gilt er ja nicht gerade. Und mit den richtigen Worten zur richtigen Zeit, werden wir gewiss viel bewirken können.“

„Zu Baronen macht uns das aber nicht“, stellte Edelbrecht fest.

„Das stimmt wohl“, stimme der Geweihte nickend zu.

„Dafür wird Jesmina sorgen. In seiner Not und in seinem Elend, betrogen von der Krähe, wird es ein leichtes für meine Tochter sein, ihn mit geeigneten Mitteln um den Finger zu wickeln.“ Und das seine Tochter dazu fähig war, das bezweifelte er nicht und die Mittel, nun, über die Mittel verfügte sie freilich auch oder aber konnte sie sich verschaffen. „Sobald sie ein Kind von ihm erwartet, wird er sie heiraten – darauf werde ich sorgen. Und dann sitzt eine von uns auf dem Thron und die Baronie gehört uns.“

„Dann müssen wir eine mögliche Eheschließung mit allen Mitteln vermeiden“, dachte nun Edelbrecht weiter.

„Die werden wir vermeiden. Mit allen Mitteln. Koste es was es wolle. Dafür werde ich sorgen“, versprach der Geweihte, „Es wird mir eine Freude sein. Und vielleicht sind unsere Probleme, dann bereits alle gelöst...“

„Nun“, endete der Junker mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Dann lasst uns darauf trinken: Auf den Fall der Krähe!“

„Auf den Fall der Krähe!“, echoten die Brüder.

Verschwörung auf Gerbachsroth

Stacken, Peraine 1043

Erst als sie Stacken passiert hatten, brachen die drei Schwarztanner ihr eisernes Schweigen.

Diese eitlen Gockel!“, platze es aus Enria von Schwarztannen heraus, „Einer schlimmer als der andere. Mir ist richtig schlecht geworden.“

„Überhebliche Affen!“, kommentierte Raulbrin nickend.

„Eingebildetes Gesindel“, fügte Sigmunde hinzu, „Glauben tatsächlich sie seien etwas besseres.“

„Und genau deswegen, meine Kinder, werden wir sie auflaufen lassen“, eröffnete das Familienoberhaupt, „Und zwar so richtig. Sollen sie ruhig an eine Allianz glauben.“ Die Elde zu Gerbachsroth lachte: „Ich hätte mich auch an keine Allianz mit denen gehalten. Nicht mal an eine zeitweilige. Verschlagenes Pack.“

„So lange die daran glauben, reicht das auch vollkommen aus. Wir werden unterdessen unsere eigenen Pläne verfolgen und ihren Glauben an diese Allianz zu unserem Vorteil nutzen. Sollen sie nur die Füße stillhalten, weil sie an einen gemeinsamen Plan glauben.“

„Und“, hob der ehemalige Vogt mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend an, „Wie genau sieht unser Plan denn nun aus?“

„Gut, das du fragst, mein Sohn, sehr gut. Zu versuchen alle Krähen zu beseitigen, scheint mir nicht nur recht aussichtslos, sondern auch geradezu sinnlos zu sein“, führte Enria da aus, „Sie besetzten zu viele Ämter. Haben zu viel Macht. Besser ist es, sich mit ihnen zu verbünden.“

„Und den Erlenfallern damit in den Rücken fallen“, schloss Sigmunde.

„So ist es, mein Kind, so ist es. Die werden sich noch umschauen!“

„Der Plan, werte Frau Mutter, der Plan.“

„Die Krähe ist der Schlüssel. Die Krähe, mein Sohn. Die Krähe.“

„Das heißt, das wir den Baron beseitigen müssen“, dachte Sigmunde weiter.

„So viel ist mir auch klar, Schwesterchen. Ganz doof bin ich nun auch nicht“, murrte Raulbrin verstimmt, „Also wie genau stellt Ihr Euch das aber vor, Mutter?“

„Nun, mein Sohn. Da kommst du ins Spiel.“

„Wusst ich‘s doch!“, schimpfte der da drauf los, „Immer bleibt alles an mir hängen. Und, was ist es dieses mal, das ich für unserer Familie tun soll?“

„Deine Aufgabe, Raulbrin, ist eine recht einfache. Du wirst der Geliebte der Krähe.“

„Ach, wenn es nur das ist“, der ehemalige Vogt lachte laut und schallend auf, „Mutter! Ich habe eine Frau. Ich habe zwei Kinder.“

„Das hat dich sonst auch nicht gestört“, meinte da seine Schwester.

„Das musst du ja gerade sagen. Du hättest wohl noch weitere Bälger, wenn du noch jemand hättest, dem du sie anhängen könntest. Hast du aber nicht.“

„Und du willst mein Bruder sein?“

„Glaub mir, hätte mich je jemand gefragt, dann...“

„Genug!“, brachte die Mutter ihre beiden Kinder zum Schweigen, „Es reicht. Alle beide.“

Beleidigt schwiegen die beiden Geschwister.

„Raulbrin, deine Frau kann dich nicht leiden. Viel mehr verabscheut sie dich sogar.“

„Oh, vielen Dank, Frau Mutter. Welch nette Worte.“

Und weil Sigmunde schadenfroh zu grinsen begann: „Und du passt besser auf, dass du kein weiteres Kind empfängst. Deinem Gatten kannst du es ja nicht mehr anhängen.“

„Du bist so ungerecht, Mutter!“, schimpfte diese da gekränkt.

„Die Krähe ist eine ansehnliche Frau. Durchaus hübsch. Mit Liebreiz. Umgarne sie ein wenig. Sei nett und höflich zu ihr. Sei zuvorkommen. Wickle sie ein wenig ein. Schmeichle ihr. Mach ihr Komplimente. Und sei in jenen Stunden für sie da, in denen sie dich am meisten braucht. Es wäre doch nicht das erste mal, dass eine Frau deinem Charme erliegt, mein Sohn...“

Raulbrin atmete schwer.

„Und wenn sie dann erst einmal ein Kind von dir erwartet, dann wirst du der neue Baron werden und unsere Familie wird in neuem Glanz erstrahlen und zu seinem alten Recht kommen.“

„Ich denke Ihr vergesst da etwas, Mutter“, mahnte Raulbrin, „Was ist mit ihrem Gatten? Mit meiner Frau?“

„Nun, tragische Unfälle kommen immer wieder vor, nicht wahr mein Sohn?“, ein vielsagendes Lächeln zierte ihre Wangen, „Auch wenn deine Schwester und ich dann erst für welche sorgen müssen...“

Entsetzt blickte Sigmunde ihre Mutter an und wollte gerade etwas erwidern, da hörten sie aufgeregte Rufe: „Frau von Schwarztannen. Frau von Schwarztannen.“ In der Ferne tauchte eine Person auf. Die Gruppe Reiter eilte ihr entgegen.

„Frau von Schwarztannen. Frau von Schwarztannen“, rief die Frau unablässig und blieb plötzlich erschöpft stehen, „Es... es ist... zu spät.“

Nun erkannte Sigmunde die Frau: Das Kindermädchen ihres Sohnes.

„Was... was... was hat das zu bedeuten?“, fragte die Edle entsetzt.

„Euer... Sohn“, keuchte das Kindermädchen außer Atem, „Euer Sohn.“

Stordan?“, entfuhr es der Edlen vollkommen fassungslos, „Was ist mit ihm? Was ist mit meinem Sohn? Was ist mit Stordan?“

„Sie hat ihn“, würgte sie hervor, „Die Krähe. Sie hat ihn.“

Pfand

Burg Scharfenstein, Peraine 1043

„Ihr“, entfuhr es Sigmunde Brinhild von Schwarztannen aufgebracht, „Ihr... Ihr... Ihr... Ihr diebische Elster. Ihr durchtriebene Krähe. Ihr verdorbenes Stü...“

„Mäßigt Euch!“, schritt der Baron mit harscher Stimme ein, „Ihr sprecht mit meiner Verlobten!“

„Ich spreche mit einer diebischen Elster...“, wurde die Edle zu Gerbachsroth nicht müde zu betonen, „... die mir mein Kind geraubt hat!“

Llyr ui Rían, die Hauptmann der Krähengarde, stellte sich zwischen die aufgebrachte Mutter und die zukünftige Gemahlin des Barons und versuchte zuerst beschwichtigend auf diese einzuwirken: „Euer Wohlgeboren! Ich bitte Euch. Mäßigt Euren Ton. Eurem Sohn wird es hier an nichts mangeln.“

„Gestohlen hat sie ihn mir“, fuhr diese dennoch fort. In ihren Augen funkelte der pure Zorn. „Feige und hinterrücks!“

„Beruhigt Euch!“, rief Llyr die Schwarztannerin erneut auf. Dieses Mal legte er etwas mehr Nachdruck in seine Stimme. „Und reißt Euch zusammen.“ Er dämpfte ihre Stimme. „Was glaubst Ihr mit Eurem Verhalten eigentlich hier zu erreichen?“

„Ich will MEIN KIND ZURÜCK!“, brüllte die Edle da ungehalten und versuchte an Hauptmann der Krähengarde vorbeizukommen, der hielt sie jedoch zurück und weitere Mitglieder der Krähengarde umringten den Baron und seine Verlobte, „Ihr, diebische Elster, werdet mir MEIN KIND ZURÜCKGEBEN!“

„Es ist genug!“, entschied der Baron da wütend, „Ich werde nicht länger dulden, wie Ihr über meiner Liebste sprecht. Bringt sie mir aus den Augen.“ Und er setzte nach: „SOFORT!“

Da packten zwei Gardisten die zeternde Mutter und begannen sie unter lautem Geschrei aus dem Raum zu zerren. Nun erhob sich Ailsa und bat: „Wartet.“

Die Gardisten verharrten. Die Reichsritterin trat an die Edle heran.

„Euer Sohn, Euer Wohlgeboren, ist aus freien Stücken mit mir gekommen. Ich verbitte es mir daher, dass Ihr Euch herausnehmt von Raub zu sprechen, denn von Raub kann keine Rede sein.“

„Ihr müsst ihn gestohlen haben“, würgte Sigmunde hervor, „Er wäre nie mit Euch gekommen. Niemals! Mit so einer diebischen E...“

„Dann kennt Ihr Euren Sohn wohl schlecht, Euer Wohlgeboren, äußerst schlecht.“

„Er ist noch ein Kind. Wie konntet Ihr mir mein Kind stehlen. Er ist MEIN SOHN!“

„Und nun MEIN PAGE“, stellte Ailsa kühl fest, „Und daran wird sich auch durch Euer Gezeter nichts ändern. Findet Euch also damit ab.“

„Ich weiß...“, presste die Edle zu Gerbachsroth heraus. Ihre Stimme ein leises Zischen. „... dass Ihr meinen Sohn als Pfand haltet. Ich weiß es ganz genau.“

Ailsa schenkte ihr ein vielsagendes Lächeln und raunte ihr leise zu: „Dann wisst Ihr doch gewiss auch, Euer Wohlgeboren, dass die Dämonenbrache ein gar schrecklicher Ort ist.“ Die Reichsritterin hielt einen Moment inne. „Und sie – bedauerlicherweise – immer wieder Menschen verschlingt. Menschen, die nie wieder auftauchen. Menschen, die dort ihr Leben lassen. Menschen, deren Leichen nie gefunden werden. Sie erhalten nie eine göttergefällige Bestattung. Und, Euer Wohlgeboren...“, sie fixierte ihre Gegenüber, „... ich hoffe sehr, dass Eurem Sohn solch ein Schicksal erspart beleibt.“

„Das... das... das... werdet Ihr bereuen!“, drohte Sigmunde unverhohlen, „Dafür werdet Ihr bezahlen! Bei den Göttern, dafür werdet Ihr bezahlen! Ihr und... und Eure Krähen.“

„Gebt auf Euch Acht, Euer Wohlgeboren“, erwiderte die Rían mit einem vielsagenden Lächeln auf den Lippen, „Und ich werde dafür auf Euren Sohn Acht geben. Es wäre schließlich höchst bedauerlich, wenn ihm etwas zustieße...“

Krähe und Leuin

Aufbruch

(...)

Versprochen ist versprochen

... und wurde doch gebrochen

Hirsch, Krähe, Katze

Die frustrierte Krähe

Hirsch und Katze

Der Fall des Hirsches

Die Jungen von Hirsch und Katze

Der Hirsch kommt nach Hause

Doriant, Anfang Peraine 1043

Die Reichsforster zogen sich auf den Mühlbach zurück, ohne von den Waldsteinern verfolgt zu werden. Unswin bildete die Nachhut und hatte die ganze Zeit Bolzers Pferd mit der Leiche seines Freundes vor der Nase. Bäuchlings hatte man ihn notdürftig an den Sattel gebunden, die Beine zur einen, den Oberkörper zur anderen Seite leblos herabbaumelnd. Im Nacken steckte noch immer der abgebrochene Schaft des tödlichen Pfeils.

Nach ein paar Stunden hatten die Reichsforster endlich die Brücke über den Mühlbach erreicht. Eine halbe Meile praioswärts zog sich eine Landstraße von Ost nach West durch die Wiesen und wo der Weg aus Doriant auf sie stieß, stand eine kleine Herberge. Unswin ließ die Verwundeten dort unterbringen und schickte Boten nach Luring und in die nächsten Dörfer, um vor dem Überfall der Waldsteiner zu warnen.

Bolzers Leichnam hatte man derweil vom Pferd genommen, den Pfeil entfernt und ihn neben die Verwundeten gelegt, die im Hof der Herberge darauf warteten, ein Quartier zugewiesen zu bekommen. Der Keilholtzer stand eine Weile grübelnd neben dem Toten und dachte auch an die drei Soldaten, die er selbst im Kampf getötet hatte. Die Schützin, die er am Bein erwischt hatte, würde es vermutlich überleben, wenn die Waldsteiner einen halbwegs brauchbaren Feldscher dabeihatten.

Unswin ließ sich auf die Knie sinken, schloss die Augen und sprach leise ein langes Gebet an die Herrin Rondra. Die Verwundeten wurden nach und nach in den Schankraum gebracht, jedoch wagte niemand den in sein Gebet vertieften Ritter anzusprechen. So war er bei Einbruch der Dunkelheit allein mit dem Toten. Als er seine Zwiesprache mit der Göttin beendet hatte, blickte Unswin sich um und erhob sich, um den Branntweinschlauch aus seiner Satteltasche zu holen. Damit kam er zurück zu Bolzer. „Auf dein Wohl, mein Freund. Es war mir eine Ehre an deiner Seite zu streiten.“

Der Greifenfurter nahm einen tiefen Schluck. Dann legte er seinen Trinkschlauch beiseite, zog sein Schwert, stellte sich neben den Nadoreter an die Scheunenwand und begann seine einsame Totenwache.

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Durchgefroren beobachtete Unswin wie am nächsten Morgen die Praiosscheibe aufging. Mit steifen Gliedern ging er eine Runde um den kleinen Hof und besah sich, was alles zur Verfügung stand. Es dauerte nicht lange, da kamen die ersten Soldaten zum Austreten aus der Herberge. Auch die neue Hauptfrau des Haufens ließ sich blicken, um zu besprechen wie es weitergehen sollte. In der Nacht waren zwei weitere der Soldaten ihren Verletzungen erlegen. Nach der gestrigen Niederlage war die Moral der Truppe am Boden. Unswin mochte im Moment nur ein einfacher Greifenfurter Ritter fern der Heimat sein. Doch seine lange Zeit als Laienbruder im Zornesorden und die Erfahrung im Kampf gegen alles mögliche derische und niederhöllische Gezücht, hatten ihm bei den einfachen Reichsforster Soldaten einen Status verschafft, der fast an den eines richtigen Geweihten heranreichte. Zumal es der kleinen Einheit an einer echten Rondra-Geweihten zur spirituellen Erbauung mangelte.

Der Keilholtzer organisierte einen kleinen Rondra-Gottesdienst. Seine segenspendenden Worte mochten aus seinem Munde nur einfache Worte ohne höhere Wirkung bleiben, doch sah er in mehr als einem Gesicht, dass sie den Soldaten Trost und neuen Mut gebracht hatten. Auch für die beiden eilig hinter der Herberge verscharrten Soldaten sprach er ein Totengebet, schärfte dem Herbergswirt aber auf das Dringlichste ein, alsbald nach dem örtlichen Boron-Geweihten zu schicken, um die Gräber göttergefällig einzusegnen.

Danach requirierte er einen kleinen Karren, ließ Bolzers Pferd vorspannen und den Toten auf Stroh gebettet darauflegen. Es behagte ihm nicht die kleine Reichsforster Einheit zu verlassen, zumal in der gefährlichen Situation, in der sie sich befand. Das entsprach eigentlich nicht seiner Vorstellung von Pflichterfüllung. Andererseits war er Greifenfurter, ein Fremder hier, und nur in diese Situation geraten, weil er auf Wunsch seines Vetters Ardo die Interessen der Familie Keilholtz auf der Reichsforster Seite dieser Fehde vertreten sollte. Jetzt überwog sein Pflichtgefühl seinem Freund Bolzer gegenüber und Unswin sah es als seine Aufgabe, dem Freund ein angemessenes Begräbnis auf heimatlicher Scholle zu ermöglichen. Nach ein paar letzten Anweisungen an die Reichsforster Hauptfrau ließ er sein Pferd satteln. Er nahm Bolzers Pferd mit dem Karren an die kurze Leine und führte den Leichenwagen auf der Straße nach Osten, wo den Beschreibungen seines Freundes nach irgendwo die Burg Basilstein liegen musste, auf der seine Frau Meara und die Kinder auf ihn warteten.

Die Katze auf leisen Sohlen

Burg Basilstein, 2. Peraine 1043

Meara hatte sich in den Schlaf geweint. Ein tiefer Schlaf. Sie träumt von Bolzer. Von ihrem Liebsten. Er lag neben ihr. Hielt sie im Arm. Küsste sie. Ihre Nase hatte sie in das Bettzeug gedrückt. Es roch nach ihm. Noch...

Dann ein Geräusch direkt neben ihr. Sie schreckte auf. Jemand packte sie. Hielt ihr Mund und Nase zu. Zerrte sie aus dem Bett. Meara wehrte sich. Versuchte dem Griff zu entkommen. Rang um Atem. Kämpfte. Trat. Biss. Doch ihr Angreifer ließ nicht locker. Hielt sie fest. Ganz fest.

Es war ihr Ende. Bei den Göttern! Sie würde sterben. Die alte Hexe Hildana, das hatte sie also für sie vorgesehen. So wollte sie sie also beseitigen und den Weg zu ihren Kindern frei räumen. Ein hinterhältiger Mord. Mitten in der Nacht. Sie hatte Hildana viel zugetraut, aber das? Dass sie sie so hasste?

Die Finsternis um sie herum drohte an Kontur zu verlieren. Sie verschwamm vor ihren Augen, wurde schwammig und haltlos. Ihre Gegenwehr erstarb abrupt. Wenn, ja, wenn sie nun starb, schoss Meara durch den Kopf, dann wäre sie zumindest mit Bolzer wiedervereint...

Da lockerte ihr Angreifer seinen Griff. Gab Mund und Nase frei. Und während Meara Atem holte, raunte er ihr leise ins Ohr: „Ich kannte Euren Gatten. Ich habe ihn heimgebracht. Ich weiß... Ich... Rubreth ist für Euch nicht sicher. Ihr müsst nach Schwarztannen. Eure Familie hält Schwarztannen.“

Noch immer rang sie um Atem: „Wer... wer seid Ihr? Und warum... warum... tut Ihr das?“

„Ich bin Unswin von Keilholtz und Bolzer war mein Freund“, erwiderte der Mann, „Ich habe mit ihm zusammen gegen die Waldsteiner gekämpft. Und Kampfgefährten kümmern sich. Wir lassen einander nicht im Stich. Er hätte es so gewollt, da bin ich mir sicher...“

„Und jetzt?“, fragte sie weiter.

„Ich werde für Euch da sein, wenn Ihr mich braucht. Ihr seid die Gattin meines Freundes. Doch jetzt bringe ich Euch erst nach Schwarztannen. Dort seid Ihr sicher.“ Er half ihr auf. Warf einen Beutel auf ihr Bett. Erst da bemerkte Meara den diesigen Schein einer Laterne, die am Fußende neben ihrem Bett stand. Die Finsternis vermochte sie kaum zu lindern. Spendete nicht einmal genug Licht um die Gestalt des Fremden deutlich zu erkennen. Seltsamerweise fürchtete sie sich nicht mehr. Er hatte so eine liebe Stimme. Ein Mensch mit so einer Stimme, konnte ihr doch nichts böses wollen.

Meara packte eilig. Viel war es nicht. Ihr gemeinsames Leben mit Bolzer passte in ein schmales Bündel, mehr blieb ihr nicht, auch nicht von ihm, nicht einmal ihre Kinder, nur die Erinnerung, die blieb ihr, aber die würde bald verblassen und Bolzer würde nur noch ein Schatten unter Schatten sein..

Nachdem er das schwere Schloss wieder an der Tür angebracht hatte, brachen sie auf. Er trug ihr Bündel. Ging voran. Bewegte sich recht sicher durch die im finsteren liegende Burg. Die Laterne führte er mit sich. Ein feines Tuch dämpfte ihr Licht. Meara folgte ihm. Sie hatte das Gefühl im vertrauen zu können.

Nach einer Zeit blieb er vor einer Tür stehen. Sie hörte seinen Atem. Er wartete. Deutete mit Nachdruck auf die Tür und sprach dabei kein einziges Wort.

Autoren: Robert O., Orknase

Die Katze nimmt Abschied

Burg Basilstein, 2. Peraine 1043

Meara trat in den dunklen Raum hinein, er folgte ihr mit der Laterne, schloss die Tür und blieb dort stehen.

„Mutter?“, wisperte eine leise Kinderstimme.

Emer“, schluchzte Meara herzzerreißend, wandte sich um und erkannte ihre Tochter, „Emer!“ Sie eilte zum Bett des Mädchens und schloss sie in die Arme, herzte und küsste sie und hielt ihre Tränen zurück. Meara wollte nicht vor ihren Kindern weinen. Es würde schwer genug für sie sein, schwer genug ohne ihre Mutter zu sein. Das Einzige, ja das Einzige was sie noch für ihre Kinder tun konnte, war ihnen den Abschied so leicht wie möglich zu machen. Und eine Erklärung für die Trennung zu liefern.

„Emer. Meine kleine Emer“, hob die Rían leise an, während sich ihre Tochter liebevoll an sie schmiegte, „Ich werde eine Zeit lang fort gehen.”

„Weggehen?“, fragte das Mädchen verschlafen.

„Ja, weggehen.“

„Weit weggehen?“

„Nein, nicht weit weg. Ich bin ganz in eurer Nähe. Und...“, beschwichtigte die Mutter ihre Tochter, „... so lange ich fort bin, wirst Du mit deinem Bruder auch fort gehen.“

„Emer auch weggehen?“, wiederholte das Kind. „Ja, Emer du gehst auch weg. Du und dein Bruder Reto. Zu Verwandten deines Vaters. Die werden dann gut auf euch beide aufpassen. Und bald, ja ganz bald werde ich euch auch besuchen“, log sie weiter, „Ganz, ganz, ganz bald. Also sei schön anständig und benimm dich, hörst du?“

Emer nickte.

„Aber jetzt... jetzt musst du wieder schlafen, Emer“, damit bettet sie das Mädchen in ihr Bett, strich sich die nahenden Tränen aus den Augen, deckte sie liebevoll zu und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn, „Schlaf gut, Emer. Möge Boron dir schöne Träume schenken.“

Sie küsste ihre Tochter ein letztes Mal. Tränen in ihren Augen, die sie sich noch nicht zugestand zu weinen. Dann erhob sie sich und trat an das Bett ihres Sohnes. Reto schlief ruhig in seinem Bettchen. Er zählte knapp eineinhalb Götterläufe und würde seinen Vater nie kennenlernen, sich nie an ihn erinnern, sehr wahrscheinlich würde das auch Emer nicht. Ob ihre Kinder sich an sie erinnern würden? An ihre Mutter?

„Irgendwann...“, wisperte sie leise und strich ihrem Sohn sanft über sein feines Gesicht. Bereits jetzt ähnelte er seinem Vater. Er ähnelte ihm sehr. „... werden wir uns wieder sehen. Eines Tages. Nur die Götter wissen wann. Bis dahin wirst Du wachsen und gedeihen und ich... ich werde jeden Tag an dich und deine Schwester denken. Jeden einzelnen Tag bis...“ Da brach ihre Stimme. Heiße Tränen kullerten ihr über die Wangen. „... bis zu unserem Wiedersehen.“ Auch ihrem Sohn hauchte sie einen Kuss auf die Stirn. Einen Abschiedskuss. „Ich liebe dich, Reto. Du bist mein Sohn und das wird auch immer so bleiben, ganz gleich wo auch immer du bist...“

Meara wollte gerade gehen, da sagte Emer: „Emer hat Mutter lieb.“

„Ich liebe dich auch, meine kleine Emer.“

„Und Emer hat auch Vater lieb!“

„Ja, ich ihn auch“, erwiderte die Rían mit zugeschnürter Kehle, „Ich ihn auch...“

Autor: Orknase

Die Flucht der Katze

Goldlinden, 2. Peraine 1043

Meara hatte keine Zeit gehabt ihrem Vater zu schreiben. Sie hatte auch sonst niemandem schreiben können. Vielleicht hätte sie es ohnehin nicht getan. Vielleicht hätte die alte Hexe ihre Briefe auch abgefangen. Zugetraut hätte sie es ihr, ganz abgesehen davon, dass sie ohnehin nicht gewusst hatte, was sie hätte schreiben sollen...

Noch in der Nacht brachen sie nach Schwarztannen auf. Die Pferde fanden sie bereits gezäumt und gesattelt vor. Viel Gepäck hatten sie nicht, waren dennoch nicht sonderlich schnell. Die Dunkelheit verlangsamte sie. Sobald es heller wurde, ging es dann merklich schneller. Gegen Mittag erreichten sie Goldlinden. Dort suchten sie sich eine Unterkunft. Stellten ihre Pferde unter. Nahmen ein Zimmer und ließen sich etwas zu essen bringen. Der Keilholtzer ließ sie nicht allein.

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„Esst“, forderte Unswin sie auf und deutet auf die noch volle Schale vor ihr, „Ihr müsst Essen, um bei Kräften zu bleiben.“

„Wozu?“, wollte Meara erschöpft wissen. Wie ein Häufchen Elend saß sie zusammengesunken auf ihrem Stuhl. Aus verweinten Augen blickte sie ihn an. „Ich habe alles verloren: Meinen Mann, meine Kinder. Wozu das alles noch?“

„Weil Ihr lebt!“, erwiderte er ihm entschieden.

Meara entfuhr ein kehliges Lachen, wandte ihren Blick ab und murmelte: „Ach, was wisst Ihr denn schon...“

Da straffte der Greifenfurter sich und ergriff mit seiner linken ihre rechte Hand. Seine war ganz warm, ihre ganz kalt. Und Meara blickte zu ihm auf.

„Ich weiß, wie es sich anfühlt“, hob er an, „Ich kennen diesen Schmerz, habe ihn selbst erleben, erleiden, ertragen müssen.“ Gebannt begann sie ihn anzustarren. „Wenn es einem das Herz zerreißt, man nicht weiß, wie es weitergehen soll, weil man sich ein Leben ohne den anderen einfach nicht vorstellen kann und… auch nicht will. Ich kenne diesen Schmerz. Ich kenne ihn ganz genau.“ Er hielt einen Moment inne. „Ich habe meine Frau verloren. Ich habe sie sehr geliebt. Der Liebe wegen haben wir geheiratet.“

„Wir auch“, erwiderte sie tonlos, „Gegen den Willen seiner Familie. Er sollte eine andere heiraten. Eine bessere Partie. Aber...“ Sie zuckte mit den Schultern. „... wir liebten uns.“ Kurz holte sie Atem. „Es ging nur weil... weil... Emer war unterwegs. Wäre sie nicht gewesen, dann...“ Meara schluchzte. „Meine süße, kleine Emer...“ Ruckartig entzog sie ihm ihre Hand und wischte sich die nahenden Tränen aus den Augen.

„Ihr seid nicht allein!“, versicherte er ihr, „Und deswegen müsst Ihr das nicht allein ertragen. Ich will für Euch da sein. Euch beistehen. Euch Hilfe und Stütze sein. Ihr könnt auf mich zählen.“

„Von...“, wandte sie da ein, „Von Greifenfurt aus?“

Er dachte kurz nach, ehe er vorschlug: „Dann kommt doch mit mir. Kommt mit nach Greifenfurt. Mit nach Friedheim. Mit auf mein Gut.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Dort seid Ihr sicher und...“

„Das geht nicht“, wisperte sie leise, „Meine Familie... meine Kinder... sie sind alle hier und dort... dort ist niemand, niemand außer... außer Euch.“

Autoren: Robert O., Orknase

Die Katze bei Nacht

Goldlinden, 3. Peraine 1043

Herr von Keilholtz?“, fragte Meara leise in die Nacht hinein. Erst war da nur Stille, dann jedoch ein leises Rascheln. Da fuhr sie fort: „Wie ist das passiert?“

„Sie ist an der Gaulsfurt gefallen“, erwiderte er ihr leise, „Gemeinsam sind wir in die Schlacht hinein geritten. Ich kam heraus, sie nicht...“

Einen Moment herrschte Stille.

„Das... das... das tut mir sehr leid“, erwiderte die Rían mitfühlend, „Deswegen sagtet Ihr, dass Ihr mich versteht, weil... weil Ihr mich versteht.“ Sie hielt einen Moment inne. Dann seufzte sie. “Irgendwie ist es beruhigend zu wissen, das man selbst nicht die einzige Person ist, die so empfindet, auch wenn es den Schmerz in keinster Weise lindert...“

Wieder kehrte Ruhe ein.

„Wie ist das passiert?“, wiederholte sie ihre vorherige Frage, „Das, mit Eurem Gesicht.“

„Ich dachte schon, Ihr fragt nie.“

„Meine Tränen und mein Kummer haben mir meinen Blick verschleiert“, versuchte sie kehlig zu erklären, „Und so ist mir erst vorhin aufgefallen...“

„Ich weiß, Ihr habt mich angestarrt. Aber da seid Ihr nicht die erste...“

„Verzeiht“, bat sie reumütig, „Es liegt mir fern Euch zu kränken! Es ist nur so, dass ich... ich so etwas nicht erwartet hatte. Mitten in der Nacht habt Ihr mich aus den Fängen dieser alten Hexe befreit. Ein tugendhafter, mutiger, ja gar tollkühner Mann, der sein eigenes Wohl zurückgestellt hat um die Gattin seines Kampfgefährten aus den Händen dessen Familie zu entreißen. Ein Mann mit warmen Händen und einer markanten, aber vertrauensvollen Stimme und so voller Tatkraft und Mitgefühl. Und wenn Ihr mich nun fragt, ob ich erwartet habe, dass das die eine Seite des Gesichtes meines Retters entstellt ist, dann sage ich Euch: Nein, erwartet habe ich das nicht. Aber einem Mann, der all das für eine vollkommen Fremde getan hat, nur weil er mit ihrem Mann zusammen gekämpft hat, tut so etwas keinen Abbruch. Ich fürchte mich nicht vor Euch. Auf eine merkwürdige Art und Weise, seid Ihr mir irgendwie vertraut. Vielleicht weil Ihr meinen Gatten kanntet.“ Sie hielt einen Moment inne. „Für mich seid Ihr nicht entstellt, sondern gezeichnet. Und dieses Zeichen hat gewiss auch eine Geschichte.“

„Eine Flammenlanze, in der Schlacht der drei Kaser. Der Schmerz streckte mich sofort nieder. Ich erwachte erst sehr viel später wieder und musste leidvoll erkennen, dass wir nicht nur die Schlacht verloren hatten, sondern ich auch meinen Vater, an dessen Seite ich als Knappe in den Kampf geritten war.“

Von solchen Dingen verstand Meara recht wenig: „Das klingt... schrecklich! Fürchterlich! Die Schlacht verloren und dann noch den Vater! Unfassbar. Es klingt aber, als hättet Ihr noch wesentlich mehr verlieren können..“

„Das hätte ich wohl...“

„Dann will ich den Göttern danken, dass sie ihre schützende Hand über Euch gehalten haben und Euch Euer Leben ließen.“

Autoren: Robert O., Orknase

Die Flucht der Katze geht weiter

Burg Scharfenstein, 3. Peraine 1043

Meara schlief lange und tief. Und Unswin ließ sie schlafen. So brachen sie erst spät auf und erreichten erst gegen Abend Burg Scharfenstein, deren mächtige Schildmauer man bereits von Weitem ausmachen konnte. Zwei Wappenbanner hingen von deren Zinnen herab. Das eine zeigte das Wappen der Altjachterner, das andere das ihrer Familie: Schwarze Krähe auf silbernem Grund.

Am Tor zur Vorburg trafen sie auf zwei Gardisten. Der Ältere richtete das Wort an sie: „Den Zwölfen zum Gruße, was ist euer Begehr?”

„Die Zwölfe mit Euch“, erwiderte der Keilholtzer den Gruße, „Ich bin Unswin von Keilholtz und das ist...” Er deutete auf seine Begleiterin. „... Meara ni Rían. Wir wünschen mit Euer Hochgeboren zu sprechen.“

„Euer Hochgeboren ist heute nicht zu sprechen“, erwiderte der Jüngere entschieden. Der Ältere jedoch wollte zuerst wissen: „In welch dringender Angelegenheit wünscht ihr ihn denn zu sprechen?“

„Eine familiäre Angelegenheit“, antwortete der Greifenfurter.

„Es geht um den Tod meines Gattens Bolzer von Nadoret“, fügte Meara steif hinzu.

„Mein Beileid”, bekundete der Ältere betroffen.

„Dann handelt es sich um eine Angelegenheit...“, stellte der Jüngere fest, „... die die Familie Rían betrifft?“

Die beiden nickten.

Der Ältere erklärte: „Baron Drego von Altjachtern feiert heute mit der Reichsritterin Ailsa ni Rían Verlobung.“ Und der andere fügte hinzu: „Demzufolge ist heute keiner von beiden zu sprechen.“

„Welch freudiger Anlass“, merkte Meara mit ausdrucksloser Miene an.

„Selbstredend werden wir warten, bis Hochgeboren oder seine Verlobte Zeit für uns findet“, schloss der Keilholtzer diplomatisch.

„So lange werdet Ihr als Mitglied ihrer Familie Gastung hier erhalten. Und Ihr, Herr von Keilholtz, selbstredend als ihr Begleiter auch“, stellte der Ältere klar und wies den Jüngeren an: „Bring die Hohen Herrschaften in die Burg und sorge dafür, dass Unterkunft erhalten und ihre Pferde versorgt werden.“ Da wandte er sich wieder den beiden Reitern zu: „Wenn Ihr ihm folgen mögt.“

Und sie folgte.

Autoren: Robert O., Orknase

Die Katze und das falsche Täubchen

Burg Scharfenstein, 3. Peraine 1043

Später, da war es bereits tiefe Nacht, klopfte es an ihre Tür. Meara und Unswin hatten sich die Zeit mit einem Kartenspiel vertrieben.

„Tretet ein“, bat die Rían den Gast herein und eine hübsche Frau mit blondem wallenden Haar und grünen Augen in Begleitung einer Boron-Geweihten trat ein. Die beiden erhoben sich.

„Ich bin Yolande von Raukenfels“, stellte sich die Fremde vor, „Vögtin zu Schwarztannen. Und das ist...“ Sie deutet auf die Geweihte neben sich. „Ihro Gnaden Nurinai ni Rían.“

„Meara ni Rían“, stellte sie sich nun selbst vor und deutete dann auf ihren Begleiter: „Und das ist Unswin von Keilholtz. Er war so freundlich mich nach Scharfenstein zu begleiten.“

Sie setzten sich in die kleine Sitzecke. Auf der einen Seite Meara und Unswin und auf der anderen Yolande und Nurinai.

„Ich habe nicht erwartet, Euch noch wach anzutreffen“, stellte die Vögtin fest, „Bin aber umso erfreuter, dass ich niemanden aus dem Schlaf reißen musste...“

„Im Augenblick kann ich keinen Schlaf finden, Euer Hochgeboren“, seufzte Meara schwer, „Und der Hoher Herr von Keilholtz war so nett mir noch Gesellschaft zu leisten.“

„Ach, die Feier!“, Yolande nickte verständnisvoll, „Sie wird sich wohl noch bis in die frühen Morgenstunden ziehen.“ Wie zur Bestätigung nickte sie.

„Dann seid ihr die Schwester von Eilein und Elerea?“, wollte nun die Geweihte wissen und musterte ihre Gegenüber genau.

Sie nickte zustimmend. „Aus dem garetischen Zweig“, erklärte sie weiter, „Ich hoffte hier auf meinen Vater zu treffen.“

Fragend schaute Nurinai sie an: „Auf... Euren Vater?“

„Er ist Kammerherr am Hof der Landvögte von Rubreth. Mein Bruder ist dort Hausritter.“

„Und warum sucht Ihr sie dann hier und nicht in...“, die Geweihte hielt einen Moment inne, „... Rubreth?“

„Weil ich hörte, dass Rubreth nicht sicher sei und meine Familie Schwarztannen halte...“

Da lachte Yolande: „Ja, so kann man das nennen. In der Tat. So kann man das wirklich nennen.“

Meara blickte ausdruckslos drein. Unswin schwieg. Nurinai musterte die Rían noch immer.

„Und was wolltet Ihr denn von Eurem Vater?“, fuhr die Raukenfelserin nun fort.

„Obdach“, erwiderte die Rían direkt, „Mein Gatte, Bolzer von Nadoret, ist gefallen. Ich weiß wo, ich weiß wann, ich weiß wie. Ich weiß, dass er tot ist, auch wenn ich ihn nicht habe sehen können. Und auch wenn ich gedacht hatte, die Verbindung zwischen uns sei so stark, dass ich es gewiss gespürt hätte, so hatte ich es nicht. Er ist einfach so gestorben. Und ich habe es nicht gemerkt.“ Tränen glitzerten in ihren Augen. „Unsere gemeinsamem Kinder haben die Nadoreter zu sich genommen, dass ich ihre Mutter bin, hat sie nicht gekümmert. Ich sei nicht würdig sie zu erziehen, hieß es nur...“

„Das... das... das tut mir aufrichtig leid!“, drückte die Vögtin ihr Mitgefühl aus, „Ich habe selbst Kinder. Ich...“

„Und jetzt...“, Meara begannen dicke, heiße Tränen über ihre Wangen zu laufen, „... jetzt weiß ich einfach nicht wohin...“

Autor: Orknase


Familienzuwachs

(...)

Burg Schwarzenfels, Peraine 1043

Travinyan?“, wisperte Isleen ni Rían leise, als sie das Zimmer betrat. Noch leiser schoss sie die Tür hinter sich. Ihr Gatte stand mit dem Rücken zu ihr und blickte aus dem Fenster hinaus.

Die letzten Tage war er seltsam ruhelos, ja gar rastlos gewesen, hatte sich nachts aus dem Bett gestohlen, hatte wenig geschlafen, war umhergeirrt, einem schwer verwundeten Tier gleich, dass sich einen Platz zum Sterben suchte. Es hatte ihr Angst gemacht. Schreckliche Angst, dabei hatte sie fest geglaubt mit dem Junkertitel und den Umzug nach Schwarzenfels wäre das Bangen nun endlich vorbei. Mit Grauen erinnerte sich Isleen an die Zeit, da sie nicht gewusst hatte, ob sie Travinyan je lebendig wiedersehen würde. Schon alleine bei dem Gedanken, würgte es sie. Sie hatte die letzten Nächte eindeutig zu wenig geschlafen. Es war die Sorge, die sie umtrieb, die Sorge um ihren Gatten. Und wenn sie doch mal eingenickt war, wachte sie auf, fand ihn nicht neben sich und eine unerträgliche Übelkeit überfiel sie. Jedes einzelne Mal. So richtig bei sich behalten konnte sie daher nichts mehr. Die Situation war unerträglich, sogar noch weitaus unerträglicher als zu jener Zeit, da er in die Fehde verwickelt war. Das Problem war, dass sie nicht mehr an ihn herankam. Er entzog sich ihr einfach. Und das immer wieder.

„Travinyan?“, fragte sie erneut, trat näher an ihren Gatten heran und legte ihre zierliche Hand auf seine rechte Schulter, „Es ist etwas passiert, nicht wahr?“

Er nickte stumm.

„Geht es um...“, wollte die Rían mit kratziger Stimme wissen, „... Perainyan?“

Wieder nickte er.

„Ist er... ist er...“, hob sie mit zitternder Stimme an, „Er ist doch nicht... ich meine...“ Sie schluckte einen Moment schwer. „Er ist doch nicht... nicht etwa...“ Übelkeit stieg erneut in ihr auf. Kaum hörbar fügte sie hinzu: „... tot?“

Travinyan von Perainsgarten wurde ganz starr. Isleens Augen füllten sich mit Tränen. Es war also geschehen, das Unfassbare, das Unvorstellbare. Vorsichtig schob sie ihre Hände um ihren Liebsten und drückte ihr Gesicht zwischen seine Schulterblätter, dann begann sie stumme Tränen zu weinen, dabei hätte sie ihm Trost spenden müssen. Aber sie konnte nicht.

„Ich konnte es nicht lesen“, gestand er ihr leise. Seine Stimme zitterte. In der einen Hand hielt er das Schreiben, mit der anderen umfasste er ihre beiden Hände. „Jedes Mal, wenn ich es versuche, verschwimmen die Zeilen vor meinen Augen.“ Er holte Atem. „Aber ich weiß... ich weiß, dass es wahr ist. Ich… ich… ich habe es gespürt. Ja, ich hab es gespürt. Aber... aber ich wollte... wollte es nicht...“ Seine Stimme nur noch ein leises Wispern. „... nicht glauben. Sie haben ihn alle im Stich gelassen...“ Da begann Isleen heftig zu schluchzen. Travinyan wandte sich um, drückte sie fest an sich und raunte ihr zu: „Liebste, meine Liebste, was würde ich nur ohne dich tun? Ja, was nur, meine Liebste, was nur.“ Zärtlich hauchte er ihr einen Kuss auf das Haar, was zwar nicht ihre Tränen zum Versiegen brachte, aber ihr immerhin ein zaghaftes Lächeln auf die Lippen zauberte. „Die ganze letzte Zeit habe ich mit mir gerungen... mit mir gekämpft. Ich habe versucht zu verstehen, was diese Leere... diese Leere in mir bedeutete. Woher sie kam. Ich habe es geahnt. Es nicht zugelassen. Und irgendwie... irgendwie bin ich froh, dass...“ Seine Stimme brach. „... dass ich jetzt sicher sein kann.“ In seinen braunen Augen glitzerten Tränen, die er sich aber nicht zu weinen eingestand. In diese Augen hatte Isleen sich verliebt. Augenblicklich. Erst in die Augen, dann in den Rest.

„Vielleicht...“, hob er zaghaft an, „Können wir unser Kind nach ihm benennen?“

Fragend blickte Isleen ihn an: „Unser... ?“

Da fiel er vor ihr auf die Knie, legte seinen Kopf auf ihren Bauch und wisperte: „Perainyan oder...“ Er blickte zu seiner Gattin auf. „... Perainya?“

Isleen nickte. Ein zaghaftes Lächeln umspielte ihre Lippen.

Autoren: Perainsgarten, Orknase

(...)

Burg Schwarzenfels, Peraine 1043

Schweigend blickten die beiden jungen Frauen aus dem Fenstern in den Hof hinab. Der erste Blick offenbarte ihr annähernd gleiches Alter, der zweite eine unbestreitbare Ähnlichkeit. Unten im Hof machte sich gerade eine kleine Reisegruppe zu Pferd zum Aufbruch bereit. Unter ihnen auch der Junker, Travinyan von Perainsgarten.

„Noch könnt Ihr Euren Gatte begleiten“, hob die eine von den beiden an und bedachte die andere mit einem sorgenvollen Blick, „Soll ich hinuntereilen und Wohlgeboren bitten zu warten?“

„Schon gut, Sibéal“, winkte die Junkerin da ab, „Ich bleibe. Es ist meine Pflicht zu bleiben. Travinyan ist noch nicht lange genug Junker um Schwarzenfels ohne die seinen zurück lassen zu können. Abgesehen davon...“ Sie schluckte schwer. „... ist es da draußen einfach nicht mehr sicher.“

Der Zofe entfuhr ein kehliges Lachen: „Fürwahr. Wie recht Ihr doch habt.“

„Wenn es selbst die Ritter nach Blut dürstet, wer soll uns denn dann noch schützen?“, wollte sie wissen und blickte Sibéal dabei fragend an, „Wer soll die Menschen denn schützen, wenn selbst die Ritter ihre Tugenden – all ihre Tugenden – plötzlich vergessen zu haben scheinen? Wenn nicht mehr Recht und Gesetzt gilt und die Ehre über allem steht, sondern es nur um Blut und noch mehr Blut geht?“

Darauf wusste die Zofe natürlich keine Antwort, zuckte lediglich mit den Schulter und meinte: „Die Schlunder stehe gar nicht schlecht da.“

„Was kümmern mich die Schlunder?“, zischte Isleen leise, „Der Reichsforst blutet aus! Meine... unsere... Heimat blutet aus! Unsere Familie!“

„Wohlgeboren, die Familie Perainsgarten ist nun Eure Familie und Schwarzenfels Eure Heimat.“

Da konnte die Junkerin nur lachen: „Für die Schlunder sind wir Reichsforsterinnen und Reichsforsterinnen werden wird bleiben. Wir werden nie dazugehören. Wir werden immer Fremde bleiben.“ Sie blickte ihre Gegenüber an. „Du bist ein winziges Stück Heimat für mich hier in der Fremde. Ich bin sehr dankbar, dass du mich hier her begleitet hast. Du bist meine einzige Vertraute.“

Nachdenklich nickte Sibéal: „Ihr werdet Euch an Schwarzenfels gewöhnen. Irgendwann werdet Ihr es als Eure Heimat betrachten.“

„Der Schlund wird nie meine Heimat sein“, wisperte Isleen kopfschüttelnd, „Für unsere Kinder wird Schwarzenfels ihre Heimat sein. Sie werden Schlunder sein, so wie auch mein Gatte. Mich macht das aber nicht zu einer. Ich werde Reichsforsterin bleiben. Ich werde immer Reichsforsterin bleiben. So wie auch du.“

„Die Geburt Eures ersten Kindes, des Erben von Schwarzenfels, wird Eure Position hier sichern“, versuchte die Zofe da beruhigend auf ihre Herrin einzuwirken.

„Wenn es denn geboren wird“, meinte die Rían da nur leidvoll.

„Ihr habt Eurem Gatten noch immer nichts ges...“

„Er muss es nicht wissen“, unterbrach Isleen sie harsch, „Es genügt, wenn du es weißt. Es wird unser Geheimnis bleiben. Zum Schutze Travinyans. Ein Geheimnis unter zwei Schwestern.“

Sibéal rang sich ein Lächeln ab: „Wie Ihr wünscht, Wohlgeboren. Wie Ihr wünscht.“

Einen Moment war es still.

„Ihr fürchtet Euch, das verstehe ich gut, aber Euer Gatte wird sich stets schützend vor Euch stellen. Er liebt Euch. Ihr seid für ihn das teuerste und wichtigste, dass es geben kann. Vor allem jetzt, da sein Zwillingsbruder gefallen ist...“

Nun zuckte Isleen mit den Schultern: „Das mag sein, aber… aber wer ist Travinyan denn schon? Ein einfacher, gerade eben belehnter Junker, mehr nicht. Wie sollte er mich also schützen? Er konnte auch seinen Bruder nicht schützen.“ Betrübt schaute sie drein. „Selbst Graft Drego konnte seine Schwester Lechmin nicht schützen, wie sollte da Travinyan mich schützen können…“ Nachdenklich blickte sie aus dem Fenster hinaus. Die kleine Reisegruppe um ihren Gatten war bereits aufgebrochen. „Das Entsetzliche an der ganzen Sache ist ja, dass wir für unsere Familie, so wie auch für den restlichen Reichsforst, jetzt Schlunderinnen sind. Schlunderinnen.“ Sie lachte bitter. „Wenn man es genau betrachtet, dann sind wir nirgendwo mehr zugehörig. Vater hat mir das sehr deutlich gemacht. Für ihn sind wir jetzt Schlunderininnen. Für die Schlunder sind wir Reichsforsterin.“ Erneut lachte. Dieses Mal noch bitterer als zuvor.

„Noch liegt die Kaisermark zwischen uns und dem Reichsforst.“

„Noch“, meinte die Junkerin da, „Dass die Reichsforster gegen Hartsteen ziehen mussten, war den Kaisermärkern wohl bewusst und es scheint ihnen gar egal gewesen zu sein. Lechmins Schicksal scheint ihnen gar egal gewesen zu sein. Sie haben den Streit genutzt und sind hinterrücks eingefallen. Travinyan hat mir erzählt, wie so von uns reden. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sie von uns reden. Es sind durch und durch verderbte Menschen. Absolut verderbt. Und wie weit sind sie weg, die Kaisermärker?“ Nun blickte sie fragend ihre Zofe an.

„Nicht mal einen Tagesritt“, musste Sibéal eingestehen, „Aber mit dem Schlund haben sie keinen Hader und der Schlund mit ihnen nicht.“

Wieder lachte Isleen: „Ja. Scheint gar als haben Schlunder und Kaisermärker sich abgesprochen, nicht wahr? Als hätten sie Garetien untereinander aufgeteilt. Wir kriegen den Reichsforst und ihr Hartsteen. Göttergefällig, nicht wahr?“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Wie perfide muss man sein um das durch diesen Hartsteener ausgelöste Elend für seine Zwecke auszunutzen? Vermutlich waren diese anbahnenden Fehdehandlungen zwischen Schlund und Kaisermark pure Inszenierung um Hartsteen und Reichsforst in Sicherheit zu wiegen, um sie glauben zu machen, auch der Schlund und die Kaisermark würden demnächst in Fehde liegen.“

„Nun, dennoch glaube ich nicht, dass wir hier in Gefahr sind. Die Kaisermärker mögen gegen den Reichsforst ziehen, aber wir sind hier sicher. Wir sind im Schlund und nicht in der Kaisermark.“

„In Garetien ist niemand mehr sicher“, widersprach die Rían energisch, „Am wenigsten wir, denn wir sind Reichsforsterinnen und Reichsforsterinnen werden wir bleiben und was zählt schon das Leben von zwei Reichsforsterinnen?“

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