Geschichten:Auf nach Gluckenhang!: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 6. September 2021, 18:11 Uhr

Zur mittäglichen Rondrastunde trafen sich Onkel und Neffe am zuvor vereinbarten Treffpunkt ein wenig nördlich vor der Sankta-Reshmina-Brücke, um ihren Aufbruch so unauffällig wie möglich zu gestalten.
Rukus war jedoch nicht alleine erschienen, sondern hatte zwei Begleiterinnen dabei: seine Knappin Nedime Eorcaïdos von Aimar-Gor sowie die markgräfliche Hausritterin Merva Tirane von Grenadian.

Sein Neffe musterte die beiden kurz mit einem abschätzigen Blick, bevor er sich dann dem Ritter zuwandte.
"Wie putzig. Hast Du Dir noch Unterstützung mitgebracht, weil Du mir alleine nicht gewachsen wärst? Na sei´ s drum, so hast Du immerhin gleich zwei Paar Schultern, hinter denen Du Dich verstecken kannst, wenn es ernst werden sollte. Übrigens wird unser lieber Anverwandter es sicher gerne hören, wie frei Du seinen Auftrag interpretierst."

"Deine Spitzen sind genauso berechenbar und schlecht wie Dein Kampfstil, werter Neffe. Kein Wunder, dass Du unsere letzten beiden Zweikämpfe verloren hast. Und nein, ich habe unsere Mission nicht vergessen, sondern nur besser zugehört; davon, dass ich mit Dir allein reiten soll, war nie die Rede, was freilich auch kaum jemandem zuzumuten wäre".
Nach dieser Replik stellte Rukus seinem Verwandten Nedime und Merva vor, was dieser lediglich mit einem knappen Kopfnicken in deren Richtung quittierte.

"Na fein. Vielleicht können Deine holden Damen auf unserer Reise ja noch was für die Zukunft mitnehmen. Von Dir konnten sie bisher ja nur lernen, wie man Mittelmäßigkeit mit Überheblichkeit zu überspielen vermag; kein gutes Rüstzeug für eine Ritterin, wie mir scheint. Und nun genug des höfischen Plausches - wir sollten keine weitere Zeit verlieren, sondern uns sputen!", mit dem letzten Satz gab Welferich seinem Pferd die Sporen, woraufhin es ihm Rukus gleichtat, der nicht hinter seinem Neffen zurückzubleiben gedachte. Mit ein wenig Abstand folgten Ritterin und Knappin.

"Frau Merva, ähm, wie soll ich sagen: Sind die immer so?"

Die angesprochene Ritterin schmunzelte, als sie zu einer Antwort anhub.
"Nein, heute kommen die beiden sogar ganz gut miteinander aus. Wenn sie wirklich mal über Kreuz liegen, prügeln sie sich mit Vorliebe auf einem Turnierfeld die Scheiße aus ihren Hirnen. Heute ist also einer ihrer besseren Tage. Halte Dich am besten dezent im Hintergrund, wenn sich die zwei stolzen Rittersmänner wieder in die Haare bekommen, das ist besser so. Wobei ich einem Kampf mit Welferich derzeit alles andere als abgeneigt wäre.", schloss Merva mit einem hungrigen Blick, der Nedime für einen kurzen Moment irritierte, bis sie begriff, was für eine Art von Kampf der älteren Frau vorschwebte.

Nur gut eine Stunde nach ihrem gemeinsamen Aufbruch ließ Welferich nahe des Gutes Großschönau halten. Am Wegesrand schienen zwei Reiterinnen bereits auf die Ankunft des Barons gewartet zu haben. Nach einem kurzen Wortwechsel zwischen den Dreien schlossen sich die Neuankömmlinge der Gruppe an und ritten gemeinsam weiter.

"Das sind-"

"Ich weiß. Das sind zwei Deiner Spielkameradinnen aus Deinem ganz speziellen Freundeskreis. Schon traurig, dass man erst einen kindischen Bund mit einem noch kindischeren Ziel gründen muss, um ein paar Freunde - oder solche, die man dafür hält - finden zu können."

"Das zeigt mal wieder Deine ganze Beschränktheit. Bei der 'Raulschen Liga' geht es um weit mehr, nämlich um die Zurückdrängung des ungesunden nebachotischen Einflusses auf die Markgrafschaft."

"Sagte ich doch. Und überhaupt: Welcher Einfluss? Und Deine beiden Freundinnen habe ich auch so erkannt. Salva und Samia. Die borongläubige Ritterin und die raulsche Junkerin, die raulscher ist als Raul selbst. Das gäbe Stoff für mindestens ein halbes Dutzend Hellerromane."

"Oh, höre ich da etwa Neid heraus? Mit Deiner kleinen Knappin und der liebestollen Ritterin im Schlepptau reichte es nicht einmal für auch nur eine horasische Schmonzette. Ich habe gestandene Persönlichkeiten und Kämpferinnen an meiner Seite und Du-."

"-Menschen, auf die Verlass ist und die nicht irgendwelchen dünkelhaften Ambitionen folgen."

Hinter den beiden Streithähnen machten sich derweil die vier Frauen miteinander bekannt, blieben danach aber weiter unter sich und beäugten sich zuweilen argwöhnisch.
Derweil bemerkte niemand aus der Gruppe, dass ihnen mit deutlichem Abstand einige Reiter folgten.

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Die eigentliche Reise nach Gluckenhang verlief ohne Zwischenfälle. Selbst Onkel und Neffe stellten irgendwann das Streiten ein und zogen es vor, mit mürrischem Antlitz schweigend nebeneinander her zu reiten, sehr zur heimlichen Freude ihrer vier Begleiterinnen, die jede für sich rätselten, was wohl der Zweck dieser Reise sein mochte.
Im Gasthaus "Zur Vogtei" in Traviansfurt nahm die ungleiche Gruppe Quartier und die noch ungleicheren Verwandten zogen sich zurück, um unter vier Augen die von ihrem Patriarchen ausgehändigten Dokumente zu sichten und das weitere Vorgehen zu planen.
Ebenfalls unter vier Augen hatten sich Merva und Nedime zurückgezogen, doch stand Ihnen der Sinn weit eher nach konkreten Taten denn abstrakter Planungen ...

Nach einem kurzen Frühstück ging es weiter in den Osten der Baronie. Immer wieder hielten Rukus und Welferich an, um die Einheimischen nach einer bestimmten Felsformation zu fragen, die auf einer Hügelkuppe thronen solle. Ein altes Mütterchen und ein Köhler wussten schließlich Rat und verwiesen die kleine Schar in den als verwunschen geltenden Schwarzen Wald im Grenzgebiet zur Baronie Bergthann. Der Forst wirkte in der Tat recht düster, wie die Reisenden bald feststellten, was jedoch weniger an irgendwelchen Flüchen oder Zaubern als an dem dichten Blattwerk lag, welches dafür sorgte, dass nur wenige Sonnenstrahlen den Boden erreichten.
Es war Nedime, die den gesuchten Hügel als erstes erspähte und den Weg dorthin wies. Doch einen Dank erhielt sie von den beiden Rabicumern dafür nicht, die stattdessen praktisch zeitgleich ihren Pferden die Sporen gaben, um jeweils als erster am Zielort anzukommen, dem dichten Wald und unebenem Boden zum Trotz.

"Wenn die so weiter machen, brechen sich die beiden hier noch ihre Hälse.", bemerkte Samia lakonisch.

"Bloß nicht.", erwiderte Merva trocken. "Ich möchte nicht diejenige sein, die dem alten Rabicum die Nachricht vom Tode seiner lieben Anverwandten überbringt."

"Bin gespannt, was sich dort hinten befindet, ergänzte Salva. "Hoffentlich entschädigt es für all diese Mühen und vor allem Streitereien."

"Offenkundig tut es das", meldete sich nun auch Nedime zu Wort, "zumindest legt ihr Geschrei dies nahe."

Am Hügel angekommen, erblickten die vier Frauen ihre beiden Anführer, die gerade dabei waren, aus einer kleinen Öffnung in einer Felsgruppe ein längliches Bündel hinauszuziehen, dabei ungewöhnlich vorsichtig und vor allem ruhig vorgehend. Beinahe sanft legten Onkel und Neffe ihren Fund auf den Boden ab und wickelten ihn behutsam aus seiner brüchigen ledernen Umhüllung. Hervor kamen mehrere Metallteile sowie ein separat verpacktes kostbar besticktes Stück Brokat, alles offenbar sehr alt.
Sie brauchten allesamt eine kurze Weile, bis sie erkannten, was dort vor ihnen lag: Ein uraltes aber dennoch sehr gut erhaltenes bosparanisches Feldzeichen samt Banner, auch Standarte genannt. Kurz lag eine fast schon ehrfürchtige Stille über den Fundort, die jedoch von einem jäh aufflammenden Streit der Rabicumer darüber, wer ihren Fund auf den Weg zurück an sich nehmen sollte, unterbrochen wurde.
Es war die sonst so ruhig wirkende Salva, die den Streit - ohne dabei auch nur ein Wort zu verlieren - dadurch beendete, indem sie die wieder verpackten Fundsachen kurzerhand an sich nahm und der überraschten Samia in die Hand drückte, dabei die verblüfften Streithähne dermaßen böse anfunkelnd, dass diese auf einen Protest verzichteten.

Ungewohnt schweigsam ritten sie zurück zum Waldrand, wo sie von ihren Verfolgern - die nun auf jede Heimlichkeit verzichteten - bereits erwartet wurden.

"Wer sind die, Welferich?"

Der angesprochene kniff die Augen zusammen, um das Wappen des am nächsten stehenden Mannes zu erkennen.
"Na die haben uns gerade noch gefehlt."

"Danke für die ungemein hilfreiche Antwort."

"Das sind Reshminianer, wie es scheint.", entgegnete Welferich mit einem genervten Unterton. "Offenbar haben die irgendwie Wind von unserer Suche bekommen und warten jetzt hier gemütlich auf unsere Rückkehr aus dem Wald, um uns freundlicherweise von unserer zusätzlichen Last zu befreien.

"Ich habe sechs gezählt, also genauso viele wir. Wenn wir entschlossen vorgehen, können wir sie überraschen und den Kampf für uns entscheiden, Neffe."

"Ich sag´s ja nur ungern, aber das scheint mir eine gute Idee."

"Mit Verlaub, ich hätte da vielleicht eine bessere.", meldete sich plötzlich Nedime zu Wort. "Wir könnten sie womöglich überlisten. Wenn ich mich alleine innerhalb des Waldes etwa eine Meile weiter nach Süden durchschlage und diesen dort ungesehen verlasse, sollte ich soviel Vorsprung auf diese Reshminianer herausholen können, dass ich vor ihnen in Traviansfurt ankomme. Dort, und später auf der Reichsstraße, dürften wir dann wohl sicher vor ihnen sein, da dort zuviele Leute unterwegs sein dürften, als dass unsere Gegner offen gegen uns vorgehen könnten." Erwartungsvoll blickte die junge Frau die beiden Ritter an.

Diese ließen sich den Plan kurz durch den Kopf gehen und stimmten ihm dann in seltener Eintracht zu.