Geschichten:Bündnistreue – Familienbande II: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 25. Dezember 2021, 10:17 Uhr
Burg Aldengrund, Baronie Aldenried, Praios 1044:
Die zwei Hüter am Tor in den grünen Wämsern mit dem goldenen Luchs und gekreuzten Hellebarden auf der Brust machten sich bereit den Gast zu begrüßen der sich zu Pferde der Burg näherte. Drinnen herrschte das übliche geschäftige Treiben, wobei man eben vor allem mit einer Lieferung Futterheu für den Pferdestall beschäftigt war: zwei Knechte schaufelten die Ware vom Wagen, um sie im Stall unterzubringen, während die Hauptfrau der Luchsgarde, die derzeit auch das Pech hatte das vakante Amt der Burgvögtin ausfüllen zu dürfen, mit dem Bauern über den Preis verhandelte.
"Frau Leomara? Besuch kommt!", rief sie einer der zwei vom Tore her und einen Fluch unterdrückend drehte sich die schlanke Ritterin, die etwa um die vierzig Sommer gesehen haben mochte, um und marschierte eilends zum Tor, nachdem sie die Verhandlung schnell abgekürzt hatte. Dem zufrieden Gesicht des Bauern nach wohl nicht zu ihrem Vorteil. "Wieso hat uns denn der Türmer nicht gewarnt? Na dem werde ich was husten, wenn der schon wieder eingeschlafen ist!", drohte sie grollend, aber glättete ihre Gesichtszüge bemüht. Sie winkte einen der Stallburschen heran. "Travert, lauf zum Herrn Baron und gib Bescheid, dass Besuch eintrifft. Beeil dich." Noch während der Junge davon flitzte, war der Gast schon an der Zugbrücke angekommen. Kein Banner kündete des Besuchers Herkunft, doch Kleidung, Ausrüstung, Roß und Haltung zeigten eine hohe Geburt an. Die Hauptfrau entspannte sich leicht, denn das waren wohl zumindest keine Feinde, die so offen herankommen mochten, schon gar nicht ein einzelner Reiter.
"Frau Travia und ihre zwölfgöttlichen Geschwister zum Gruße!", begrüßte sie gastfreundlich den Gast mit erhobener freier Hand. "Ich bin Leomara von Schallenberg-Zoltheim und ihrer Hochgeboren Hauptfrau und Vögtin in Kommission und heiße euch willkommen auf Burg Aldengrund! Wen darf ich denn der hochgeborenen Familie ankündigen?" Sie fragte das mit einer bemüht freundlichen Miene, denn ihr war bewusst, dass man ihr nachsagte, manchmal etwas abweisend zu wirken.
"Der Herrin Travia und ihrer zwölfgöttlichen Geschwister zum Dank für euer Willkommen, Frau Leomara! Ich bin Falk von Streitzig und Bruder der guten Herrin Jalga und Schwager des Herrn Baron. Ich bin zu Besuch hergekommen, denn ich habe meine liebe Schwester zu lange schon nicht mehr gesehen und hoffe ich komme nicht ungelegen? Verzeiht, dass ich nur so privatim erscheine, aber es war ein kurzer Entschluss eine Gelegenheit beim Schopfe zu packen, wo ich ohnehin in der Nähe war."
"Ich bin sicher, dass wird die Herrschaften gewiss freuen euch begrüßen zu dürfen. Kommt nur herein und lasst uns euer Tier versorgen.", sagte sie und winkte schon einen Burschen heran das Pferd des Herren über die Brücke zu führen und in Richtung Stall während sie nebenher ging. "Ihre Hochgeboren sind schon informiert und werden sicher gleich persönlich erscheinen."
Gerade als sie den Satz ausgesprochen hatte trat die Baronin mit ihrem Gatten an der Seite durch das Tor des Palas auf die Treppe zum Hof. Als der Gast sie erblickte sprang er vom Pferd, klopfte dem Stallburschen auf die Schulter und steckte diesem noch eine Münze zu, ehe er schon in Richtung von Hausherrin und Hausherrn eilte.
"Falk! Was tust Du denn hier!" , rief Jalga mehr überrascht als fragend, denn sie schien sich durchaus zu freuen, ihn zu sehen. "Nur eine Gelegenheit nutzend einmal der täglichen Arbeit zu entkommen und freundliche Gesichter zu sehen!", entgegnete er, als er seine Schwester umarmte. "Willkommen, lieber Schwanger.", grüßte ihn auch Felan von Schallenberg. Er sah dabei weder abweisend noch besonders freundlich aus, eher müde. Wie jemand der zu sehr mit seinen Sorgen beschäftigt ist, um sich davon frei zu machen und sei es nur für den Moment. "Es freut mich dich einmal wieder zu sehen. Sei unser Gast so lange es dir beliebt, an Platz hier mangelt es nicht, auch wenn du hoffentlich einfache Kost mit uns zu teilen bereit bist. Die letzten Monde waren nicht sehr freundlich mit dem Land, seinen Einwohnern und unseren Vorräten." Er klang dabei ein klein wenig verbittert aber auch, als wolle er dafür tatsächlich um Verzeihung bitte.
"Bitte, nur meinetwegen keine Umstände! Eure liebe Gesellschaft ist Freude genug." Felan schnaubte leicht, nun doch belustigt, aber Jalga stieß ihm den Ellenbogen in die Seite, was nur davon abgemildert wurde, dass ein kleines Mädchen an ihrem Rockzipfel ihre Bewegung einschränkte. "Dann komm nur herein, wir können dir auf jeden Fall bequeme Sessel und Ruhe bieten.", meinte Jalga wesentlich aufgeräumter. "Und hoffentlich kannst du auch von zu Hause erzählen? Ich höre von dort so wenig." "Sicherlich kann ich das, liebe Schwester.", sagte er während sie nach drinnen und von Jalga in Richtung große Halle dirigiert wurden, die dabei das kleine Mädchen, dass sich als Falks Nichte Perainia Alrike von Schallenberg entpuppte, auf den Arm nahm.
Falk ließ sich entspannt in dem ihm dargebotenen Sessel fallen. Nach einem langen Ritt was dies eine wahr Wohltat für sein Gesäß. „Meine Lieben, lange ist es her, seit dem wir uns das letzte Mal gesehen haben und so viel hat sich ereignet. Vater hat so seine Zipperlein, sein Augenlicht schwindet, was ihn grämt, aber er versucht es sich nicht anmerken zu lassen, was zu aberwitzigen Situationen führt, wenn er gegen einen Tisch läuft und lautstark zetert, wer denn auf einmal dieses Ungetüm dort hingestellt habe.“ Falk schmunzelte in sich hinein und blickte zu seiner Schwester. „Er redet viel von dir … seine neuste Ballade 'Die Schöne vom schallenden Berge' hat er dir gewidmet. Unser Vater vermisst dich, Schwester!“
„Ansonsten, unsere Heimat ist im Wandel, die guten alten Zeiten unseres Vetters Wulf sind Geschichte und mit ihm dahin. Sein Sohn ist ungestüm und noch nicht fest im Sattel. Aber, wie ich hörte, hat er vor die Teichgrund-Frage zu lösen. Wie du weißt, hält unsere Base Tabea das Erbe ihres Vaters, doch als Geweihte der Rahja kann sie den Junkertitel nicht führen, weswegen dieser ruht. An ihrer statt vogtet ihr Bruder Garwin. Da beide noch unvermählt sind, will der Baron Teichgrund neu belehnen. Die Winde in Uslenried flüstern, er wolle dich zur Erbin erklären, Schwester!“
Jalga hob die linke Augenbraue. Eine Angewohnheit, die sie sich wohl im Laufe der letzten Jahre zugelegt hat und die ihr gegenüber der eigenen Kinderschar schon manchen Dienst erwiesen hatte und auch ohne etwas zu sagen zu durchaus erfreulichen Ergebnissen geführt hatte. Doch Ihr Bruder wusste sie sicher nicht so zu deuten wie ihr eigener Nachwuchs, weswegen sie nachsetzte. „Da kann es sich wirklich nur um ein Gerücht handeln. Jedenfalls wäre ich scheinbar die letzte, die davon erfährt. Zumal ich hier auch mehr als genug zu tun habe und nicht vor habe hin und her zu reisen oder meine Kinder alleine zu lassen.“ Womit sie durchaus andeutete, dass sie Felan nicht allein lassen könnte. Wegen der Kinder oder anderem, wobei sie offenbar davon ausging, dass Falk durchaus wusste, was in der hiesigen Gegend zuletzt passiert war. „Nicht dass ich nicht geehrt wäre oder ich nicht durchaus die daraus wachsenden Möglichkeiten zu nutzen wüsste oder ein weiteres Erbe für meine Kinder nicht vorteilhaft wären…aber manchmal ist ungeteilte Aufmerksamkeit für eine Sache besser genauso wie nicht plötzlich geteilte Loyalitäten zu haben, die das durchaus nach sich ziehen könnte.“
„Unterschätze nicht den Waldsteiner Blätterwald, liebste Schwester, er flüstert es immer lauter.“ Falk lächelte mild. „Sollte es so kommen, wie der Wald es wispert, müsstest du dort ja nicht leben, aber du hättest ein einträgliches Erbe für deine, eure Tochter.“ Der Blick des Streitzigs streifte kurz nickend Felan, um dann wieder bei Jalga zu landen. „Du könnest einen Vogt ernennen!“
Jalgas Blick ging auch zu Felan, der dem Gespräch mehr schweigend gefolgt war. Doch heute schien dieser nicht geneigt etwas zu diesem Teil der Unterhaltung beizutragen. Vielleicht hatte er etwas dazugelernt und das war Teil seiner neuen Bescheidenheit. Oder er war dem Haus Streitzig gram dafür, dass diese nicht in der Fehde zu Gunsten von Jalgas Familie, also seiner, eingegriffen hatten. Oder er hatte einfach nichts zu sagen. Doch am wahrscheinlichsten war, dass er in dieser Sache Jalga nicht dreinreden wollte, da sie in der Tat besser einschätzen könnte, was dies zu bedeuten haben mochte. So nutzte er eher die Gelegenheit ihre Becher aus einem Krug selbst neu zu füllen, damit es nicht heißen möge auf Aldengrund bekäme man trockene Kehlen. So schweifte ihr Blick zurück zu Falk.
„Wenn das so wäre würde sich doch in Teichgrund aber wenig ändern. Ein Vogt würde nur durch einen anderen ersetzt. Außerdem neige ich nicht über Bärenfelle zu spekulieren, deren Träger weder erlegt noch zu deren Jagd überhaupt eingeladen wurde. Ich bin sicher, dass der Herr Baron durchaus in der Lage wäre mich persönlich anzusprechen, wenn es ihm ernst wäre. Abgesehen davon, dass ich sowohl Tabea als auch Garwin mag. Sie ihres Vaters Lehen so zu entsetzen kommt mir nicht ganz gerecht vor, zumal ich nicht hörte, dass sich Garwin da etwas hat zuschulden kommen lassen, oder?“ An dieser Stelle kam ein zustimmendes Brummen von Felan. Die Neigung allein aus machtpolitischen Gründen Leuten ihr Lehen zu entziehen, selbst wenn es das Recht im Königreich gestattete, war schon immer etwas gewesen, was der Hartsteener abgelehnt hatte. Allein charakterliche Nichteignung oder fehlende Fähigkeiten wären ein zumindest ansatzweise rechtfertigender Anlass in den Augen des Alriksritters, der ritterliche Moral und Belohnung für Loyalität über Gewinn stellte. “So wäre Garwin doch eher eine Wahl ihn als Junker einzusetzen. Und was die fehlende Heirat angeht ist das Hausoberhaupt doch sicher in der Lage eine gute Partie auszumachen?“, spielte sie den Ball lächelnd an Falk zurück, was schon fast ungewöhnlich taktierend und abtastend wirkte.
Falk hatte seine Schwester die ganze Zeit mit einem Lächeln bedacht und ab und an verständnisvoll genickt. „Du machst dir Gedanken, Schwesterherz, das ist gut. Aber lass mich versuchen dir deine Bedenken zu nehmen. Etwas würde sich in Teichgrund schon ändern und zwar das Vorhandensein einer Erblinie. Tabea und Garwin sind beide kinderlos. Auch wenn die von Rahja gesegnete Tabea deutlich jünger aussieht, so wird sie in ein paar Götterläufen die 50 Sommer erreichen. Aktuell ruht der Junkertitel, da Tabea den Titel nicht tragen darf. Garwin ist Ritter durch und durch und hat keine Ambitionen den Junkertitel zu führen, wie ich hörte. Er ist der Bannerträger unseres Hauses, er möchte kämpfen und nicht seine besten Jahre als Vogt versauern. Jetzt, in diesen unsicheren Zeit will er seinem Haus mit dem Schwert dienen und nicht mit der Schreibfeder. Du siehst, du würdest unserer Base und unserem Vetter nichts wegnehmen, sondern in Garwins Fall sogar befreien. Glaub mir, wir müssen es nicht überstürzen, aber ich kann beim jungen Baron dein Interesse signalisieren und dann wird er darauf reagieren. In diesen Zeiten sind Verbündete rar gesäht. Was sagst du?“ Falk blickte seine Schwester neugierig an.
„Nun wenn Garwin es sagt…“, meinte sie tatsächlich nachdenklich. Doch dann setzte sie nach. „Interesse ist da, denn natürlich mache ich mir Gedanken, auch um die Zukunft meiner Kinder und ihrer künftigen Familien. Aber… sind wir nicht bereits Verbündete? Bin ich nicht mehr Familie genug aufgrund dessen man natürlicher Verbündeter ist oder reicht Wulfs Wort nicht mehr aus, weil er nicht mehr da ist?“ Die letzte Frage wurde beinahe lauernd gestellt, erinnernd an die Bündnisversprechen, die zu Felans und ihrer Hochzeit ausgetauscht wurden. „Zumindest sind in den letzten Jahren leider tatsächlich wenige Anfragen in diese Richtung hier angekommen.“
„Lass mich deine Frage mit einer Gegenfrage beantworten: Gab es denn im Gegenzug Anfragen aus Aldenried? Bündnisse sind etwas die gepflegt werden müssen, sie sind keine Selbstverständlichkeit und sie sind maßgeblich abhängig von den Personen die sie geschlossen haben. Wulf war einer der bemerkenswertesten Streitzigs die ich kenne, er hatte das gesamte Haus hinter sich – sogar den Seneschall. Doch Wulf ist Geschichte, sein Sohn und Nachfolger jung und unerfahren. Hast du ihn seit seiner Ernennung besucht, oder auch nur geschrieben? Dann ist da noch der Seneschall, weit einflussreicher als Corian zur Zeit. Unser Haus steht schwierigen Zeiten entgegen. Da ist es nur gut sich an alte Bündnisse zu erinnern.“ Falk atmete tief durch. „Wir machen das so, ich werde bei Corian vorsprechen und dann werden wir ein Treffen zwischen euch anberaumen. So ließe sich alles am einfachsten klären. Was denkst du?“
„Vielleicht möchtest Du dich erinnern, was hier in letzter Zeit los war? Und ich sage Dir, dass wir bereits einmal in der Vergangenheit Wulf um etwas baten, was uns nicht gewährt worden ist. Und man bittet nicht zweimal, denn wir sind keine Bettler. Dass der Vetter Felans nun mit einer Zweifelfels verheiratet ist hat einen Grund. Mich wundert nicht, dass Wulf das nicht an die große Tempelglocke gehangen hat. Nein, ich habe Corian nicht angeschrieben und meine Korrespondenz hat sich vor allem auf Vater beschränkt.“ Ihr Blick ging hinüber zu Felan der ihr ein schiefes Lächeln schenkte. Es schien ein Austausch unter Eheleuten zu sein, in dem sich die eine fragte, ob sie diese ein wenig störrische Haltung durch das Zusammenleben mit ihrem Gatten übernommen habe. „Deinen Vorschlag finde ich aber richtig. Persönlich lässt sich vieles sicherlich besser aus dem Weg räumen als durch Boten oder schriftliche Diskussionen.“ Auch Felan nickte dazu still zustimmend, als es an der Tür klopfte und ein Diener verkündete, dass das Abendessen eingenommen werden könne. Zusammen erhoben sie sich, um das Ergebnis dieser Besprechung gebührend zu feiern.
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