Geschichten:Der Buhurt: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 14. Dezember 2022, 01:29 Uhr

Bevor man zum Abschluß der Feierlichkeiten nochmals bei einem großen Bankett zusammenkommen sollte, fand der Buhurt statt.

Der nebachotische Buhurt ist insofern einzigartig, als dass die Teilnehmer hier normalerweise in etwa zwei gleichstarke Gruppen unterteilt werden und – unbewaffnet, aber beritten – versuchen den Großteil eines bestimmten Spielballs in ein vorgegebenes Ziel der Gegner zu bringen.

Aus Rücksicht auf die anwesenden Raulschen, diente dieses mal nicht – wie es die Traditionen eigentlich forderten – ein gefesselter Gefangener oder ein frischer Tierkadaver als Spielball, sondern eine mit Stroh und Sand gefüllte Lederrolle, an der mehrere feste Stricke befestigt waren. Normalerweise fanden sich die Gruppen selbst zusammen. Entweder aus familiären Gründen, aus Sippenzugehörigkeit oder aufgrund politischer Ansichten. An diesem Tage jedoch bestand der Turnierherold darauf die Gruppen selbst zusammenzustellen. So kam es denn auch, dass z.B. die Pulethaner sich auf beide Gruppen verteilten, ebenso wie die Teilnehmer der Familie Zollenstein. Wer dann die Gruppenzusammenstellungen in Gänze sah, durfte mit Recht annehmen, dass hier eine bestimmte Methode dahinter stand. Nebachoten auf der einen Seite, Raulsche auf der andern….

Zu den bekanntesten Adeligen der ersten Gruppe, zu denen Aldron von Firunslicht als eine Art „erster Krieger“ ernannt wurde, gehörten die Baroness von Vellberg, der Junker von Silberblick, der Zornesritter von Keilholtz, sowie der Junker von Isenbrunn und Marbert von Golinwarf, Lucan Emmeran von Zollenstein, sowie die junge Kriegerin Ilayda Medina Al’Zahrra.

Die zweite Gruppe wurde vom Brendiltaler Baron selbst angeführt, der sich schon die ganze Zeit auf diese Disziplin gefreut zu haben schien. Zu ihm gehörten sein Bruder Irian von Brendiltal, der Edle Acar al-Rik, sowie dessen Sohn Kian, der bereits das Bogenschießen gewonnen hatte, die beiden Amazonen aus Keshal Rondra und die beiden Zollensteiner Abdul und Amir.

„Oho Eslam,“ zog der Baron von Gallstein seinen Bundesbruder auf, als dieser gerade an der Ehrentribüne vorbei geritten kam, um sich zu seinen Leuten zu begeben. „Wenn du da mal Phex kein gutes Tauschgeschäft angeboten hast für diese Zusammenstellung Deiner Mannen….“

„Ach Yendor.“ Feixte Eslam wiederum zurück. „Du waist duoch, duass der Zufall nur bässer ge’plant wärden muß.“ Ein erheitertes Lachen war von beiden und den umstehenden Pulethanern zu hören, als sie Eslam und Cyberian, der in der Gruppe von Firunslicht streiten sollte viel Erfolg wünschten. Beide Parteien bauten sich auf dem großen Turnierplatz auf. Die Bande, die zuvor für die Tjoste genutzt worden war, hatte man nicht gänzlich abgebaut, sondern sie war nur teilweise unterbrochen worden. So galt sie als eines der Hindernisse, so wie auch mehrere zu diesem Zweck künstlich angelegte Pfützen und Matschgruben, die es während dem Buhurt zu Umreiten galt, wollte man nicht unsanft und zur Freude der Zuschauer im Matsch landen.

Besonders die nebachotischen Zuschauer jubelten natürlich, als sie sahen, wer sich hinter ihrem Al’Shuar versammelt hatten. Rufe wie ‚zaigt äs den Garäthy einmal, wos raiten bedeutet‘ oder „Marbän, dänk daran, dass sie Gästä sind. Genn ihnen auch ainen Punkt‘ oder ‚gäbt ihnen ainen Punktevorsprung!!‘ wurden laut und heizten die Stimmung zusätzlich an.

Als dann der Spielball vom Herold freigegeben wurden, preschten bereits beide Gruppen aufeinander los. Doch während die Adeligen um Aldron versuchten abzubremsen, um das Lederkneul vom Boden aufheben zu können, preschten die Nebachoten ungehemmt nach vorne. Dabei schützten die beiden Brendiltaler Eslam und Irian mit ihren Rössern Ankara von Keshal Rondra soweit, so dass diese sich unbehelligt und bei vollem Galopp aus dem Sattel lehnen und das Lederbündel aufheben konnte. Ein lautes Gejohle aus den Reihen der Zuschauer war zu hören, als sie die Reitkünste sahen. Ohne langsamer zu werden ritten die drei geradewegs durch die Reihen ihrer Gegner, die – bar jeglicher Waffen – nicht so recht zu wissen schienen, was sie tun sollten. „Tu was, schrie herrschte schließlich Geshla den Junker von Kaltengrundt an, der nur zu gerne dieser Aufforderung nachkam, und einen gezielten Schlag auf den flankierenden Nebachoten Irian sausen ließ. Doch er kam zu spät und verfehlte ihn.

Die ersten Punkte für die Nebachoten waren die Folge. Auch die nächsten Punkte folgten für die Nebachoten recht schnell. Diesmal war es der junge Kian, der sich das Lederbündel schnappte und zu seinem Vater zuwarf. Der massige Acar klemmte sich das Bündel einfach unter dem Arm und weigerte sich, es abzugeben. Wie ein donnernder Streitwagen pflügte er durch die Reihen.

„Viellaicht solltän wir abstaigen und unsäre Resser tragen, nur damit die Chancän ausgeglichenär wärden.“ Scherzte Amir laut, was ihm auf der einen Seite laute Lacher, auf der anderen Seite grimmige Blicke einbrachte.

Doch langsam schienen auch die Raulschen zu begreifen, wie die Regeln bei diesem Spiel waren. Solange nämlich keine Waffen eingesetzt wurden, gab es keine, um an das Bündel, oder an ein möglichst großes Teil davon zu gelangen.

Der Junker von Silberblick rammte geradezu Irian auf dessem Ross, während Unswin von Keilholz ihm das Bündel entriss und der Baroness von Vellberg zukommen ließ. Aldron lieferte sich derweilen ein Kräftemessen mit Abdul von Zollenstein, als das Bündel an die junge Illayda gelang. Als Ankara daraufhin der jungen Al Zahrra in die Zügel griff und somit dafür sorgte, dass das Ross von Illayda aufstieg und die junge Reiterin abwarf, lachten und jubelten nicht nur die Nebachoten rundherum, die auf der einen Seite die Amazone als Vorbild kriegerischer Tugenden ansahen, sondern auch der jungen Ilayda nichts wirklich zutrauten und sie als verweichlichte Göre abtaten.

Am lautesten lachte die Baronin Geshla von Gnitzenkuhl. „Reitet doch selbst einmal!“ Beschwerte sich die junge Kriegerin, als sie wieder in den Sattel stieg. „Aber außer Schaum habt Ihr doch nichts auf und in dem Kopf.“ Die geifernde Antwort der Baronin ging im nächsten Jubel unter, als die Nebachoten erneut punkteten.

„Jätzt haben sie äs kapiert!“ Kommentierte Eslam erfreut, als er sah wie Aldron, gemeinsam mit Quanion von Isenbrunn Kian in die Enge trieb, damit dann, der eine den Nebachoten geradewegs aus dem Sattel warf, während der andere das Bündel an sich nahm.

Die Nebachoten waren auf ihren Rössern deutlich wendiger und beherrschten den Buhurt schon seit Generationen. Die Raulschen hielten jedoch mit Stärke und Durchhaltevermögen dagegen und fingen allmählich an ihrerseits zu Punkten. Von dem eigentlichen Spielball war schon lange nichts mehr übrig und daher hatte man kurzerhand einen Teil von Irians Satteltaschen zweckentfremdet. „Was ist?“ Fragte die Baronin von Vellberg in die Runde, nachdem sie gerade für die Raulschen einen Punkt erzielt hatte. „Werden die Herren und Damen aus Nebachot schon müde?“

„Oh wartät nur!“ Kommentierte Irian von Brendiltal lachend, da ihm genauso wie allen anderen Teilnehmer diese Art von Wettkampf gefiel, bei dem man den Gegner auch stets mit einem humorvollen Spruch herausforderte, „abär ab jätzt raiten wir nicht mähr mit geschlossänen Augen.“

So ging es noch eine ganze Zeit weit. Punkte wurden erzielt und die punktende Mannschaft zog die Streiter der anderen auf. Der Buhurt wurde mit vollem Körpereinsatz abgehalten, dennoch blieben ernsthafte Verletzungen an diesem Abend aus.

Allzu sicher sollte sich jedoch niemand sein, egal ob Nebachote, der auf dem Pferderücken groß geworden ist, oder ob als Recke alter Schlachten.

So mussten nämlich auch Eslam von Brendiltal und Aldron von Firunslicht lernen, was es bedeutete den Gegner zu unterschätzen.

Beide alte Haudegen zerrten an dem Stück Satteltasche herum, dass zur Zeit den Spielballstellten, während sie im vollen Galopp über das Feld ritten. Was der Brendiltaler dem Firunslichter an Reitkunst über hatte, glich der andere wiederum durch körperliche Stärke aus. „Luaß ändlich los Aldron, sonst baumält glaich ein losär Ärmel an Deinäm Hämdt!“

„Weißt Du Eslam,“ presste Firunslicht als Antwort zwischen den Zähnen hervor, „was ich an Dir so schätze?“

„Nää.“

„Ich auch nicht.“

„VORSICHT!“ Hörten sie auf einmal aus der Richtung, in der sie gerade ritten. Erstaunt wandten sie sich von ihrem Sprücheduell ab und der Richtung zu aus der der Ruf zu vernehmen war, als sie gerade noch das Pferd sehen konnten, dass geradewegs auf sie und zwischen den beiden hindurch hielt. Den Reiter, der flach über dem Hals des Tieres hing konnten sie nicht erkennen. Sie hatten gerade noch Zeit die Arme hochzureißen und somit das Lederbündel über den angelegten Hals des Tieres zu hiefen, als sie einen heftigen Ruck spürten und dann beide, hinten rüber aus dem Sattel purzelten und in eine der künstlich angelegten, größeren Pfütze klatschten. Erstaunt setzten sie sich auf und sahen gerade noch wie Illayda Medina Al Zahrra das Lederbündel an sich nahm und Punkte für die Raulschen erzielten. Das junge Mädchen hatte als sie ihr Pferd durch die Mitte von Eslam und Aldron getrieben hatte es geschafft– sie konnten es sich zwar erklären wie – ihnen die Satteltasche aus den Händen zu reißen.

„Männer aufstehen!!“ Mit diesen Worten kam Ankara von Keshal Rondra neben den beiden in der Pfütze sitzenden Herren zum stehen und unterdrückte ein lautes Lachen nur mühevoll. „Das Klatschen eben war kein Beifall.“

Zunächst immer noch überrascht schauten Aldron und Eslam sich gegenseitig an, dann jeweils an sich selbst hinab, bevor sie selbst zu lachen anfingen und in die Jubelrufe, die Ilayda noch immer – ob dieser tollkühnen Aktionen – erntete mit einfielen.

Es war dieser Moment, den Ra’oul von Brendiltal nutzte und eine dritte Gruppe von Reitern ins Feld zu führen. Zu dieser kleinen Gruppe von Spätentschlossenen gehörten u.a. seine Gemahlin Lyn, sowie das junge Brautpaar Malina und A’urel, und auch Martus Melcher von Helburg, die sich allesamt den Spaß nicht nur von der Tribüne aus gönnen wollten, sondern nun ihrerseits ihren Beitrag zu leisten gedachten.

So ging es noch eine ganze Zeit lang hin und her. Niemand wußte am Ende, als Praios Antlitz bereits unterging und der Platz durch mehrere Feuerschalen und Fackeln erhellt wurde, wie der Endstand war, doch jedem schmerzte der Bauch vor Lachen oder der Hals vor Jubelrufen, bevor man bei einem guten Wein den Buhurt noch einmal in allen Einzelheiten durchging. Allein an diesem Tag wurden größere Freundschaften geschlossen, als zuvor in Jahren mühevoller Diplomatie….