Geschichten:Vom König einer Turney, dem Buhurt: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 20. Juli 2008, 16:42 Uhr
Ob als ein Gast oder ein Einheimischer, viele Bürger, Landleute oder Adelige durften die letzten Praiosläufe der Turney als unglaublich erbaulich erleben. Ungewöhnlich ausgelassen feierten die Greifenfurter, zu lange war es her, daß man sich so gelöst und sicher geben konnte.
Eilenden Schrittes näherte sich der unbestrittene Höhepunkt jeglicher Wettkämpfe unter den Ritter und Adeligen der Mark, das große Gestampfe oder auch in diesen Gefilden Buhurt genannt. Noch nie war jedoch ein Wettstreit in der Geschichte eben dieser Turney so unklar in seinem Ausgang wie das diesjährige Spektakel.
Bisher waren schon einige Favoriten vorschnell in einer Disziplin ausgeschieden, ein jugendlicher Heißsporn mit etwas Unverfrorenheit und Glück zum Liebling der Zuschauer avanciert oder ein Ritter aufgrund einer schweren Verletzung zum ehrenhaften Rückzug gezwungen worden.
Viele Ritter aus Greifenfurt wußten sehr wohl, wie der Buhurt hier abzulaufen hatte, dennoch waren nicht allein der Erwerb von Ruhm und Ehre entscheidend für die Wahl einer der Kampfparteien. Vielmehr flossen hier bei der Wahl auch alte Feindschaften, Animositäten oder politischen Differenzen mit ein. Wenig verwunderlich war es also, daß die Gemeinschaften der Pulethaner und Pfortenritter sich einander auf dem Kampfplatz gegenüber standen. Und so kam es auch, daß sich viele der märkischen Ritter auf die Seite der Pulethaner schlugen, nachdem die Koscher unter dem Banner ihres Herrn, Prinz Edelbrecht, Position neben den Pfortenritter bezogen hatten.
Ein unheimliches Schweigen, nur unterbrochen von dem leisen Scharren metallener Rüstungsteile oder der Hufe der Streitrosse, hielt sich in der Luft und mit verächtlichen Blicken begegneten die zwei Parteien einander.
Der Prinz schaute sichtlich aufgewühlt an der Schlachtreihe seiner blauen Partei entlang. Schnell hatten sich die Mitstreiter darauf geeinigt, daß ihm die Ehre gebühren solle, die eigene Partei als Anführer zu vertreten. Unwohl war ihm jedoch, daß ausgerechnet der Greifenfurter Baron Argaen von Orkenwall zu seinem Widerpart erhoben wurde. Einer seiner wenigen Befürworter in der Mark eröffnete ihm schon vor geraumer Zeit, daß einige Adelige lieber einen märkischen Edlen an der Seite von Markgräfin Irmenella sehen würden. Der alte Recke schien da eine gute Wahl seiner Gegner zu sein.
Doch Edelbrecht war fest entschlossen, um die Hand der Markgräfin zu werben und auch ein Konkurrent sollte ihn da wenig schrecken. Er war ein Mann der Tat und nicht der schönen Worte. Mit einem stolzen Lächeln blickte er nochmals auf seine treuen Ritter aus dem Kosch. Wacker, treu und fröhlich. Damit wollte er seine Herzdame für sich gewinnen.
Seine Gegner in diesem Wettstreit konnten leider ebenfalls auf eine Schar sehr erfahrener Fechter herabblicken. Mindestens ein Auge sollte man auf diese richten, denn schnell vermochten es solche Ritter das Schlachtenglück zu wenden.
Niemand unter den Kontrahenten wußte noch recht, wieviel Zeit vergangen war, als ein Herold hoch zu Roß im Wappenrock der Markgräfin neben dem Turniermarschall Bodar von Reifenberg und dem Ehrenritter Adran Bredenhag von Ahrenstein auf den Kampfplatz ritt.
Das Banner Greifenfurts wehte hoch über seinem Kopf am hölzernen Schaft der Bannerstange. Mit ungezügelter Kraft riss der rauer gewordener Wind an dem bestickten Tuch. Wo lärmendes Gegröle und Rufe bisher auf den Tribünen geherrscht hatten, war es nun fast schon totenstill. Gebannt schauten viele der Zuschauer auf den Platz des Geschehens.
„Werte Recken, ein jeder hat sich einer Seite zugesellt und nun gilt es, die fähigsten Streiter in der eigentlichen Königsdisziplin einer Turney zu ermitteln, dem Buhurt. Kämpft nach den Gesetzen der Herrin Rondra und möge die bessere Partei den Sieg davontragen...“, hob der Geweihte der Leuin an zu sprechen und erklärte im folgenden Vortrag die Regeln des märkischen Buhurt:
Anders als im garetischen Buhurt ging es hier zu Lande nicht darum die Helmzier eines Ritter abzuschlagen, vielmehr sollte dieser aus dem Sattel gefegt werden. In einer fest geschlossenen Schlachtlinie zu kämpfen galt hier mehr als ein vorschneller Sturmangriff auf den Gegner. Denn nur durch solcherart Taktik konnte man sich gegen die sehr kriegerischen Schwarzpelze durchsetzen, wenn jeder Ritter genau wusste, welcher Platz der Seinige war.
Stets gab es Zeiten, in denen Adelige ihre Zwistigkeiten untereinander auf dem Feld einer Turney austrugen und warum sollte es in diesem Götterlauf anders sein. Da waren Pulethaner und Pfortenritter, welche um den rechten Weg eines göttergefälligen Ritters stritten, die albernische Delegation und die wenigen Weidener Ritter hielten sich recht unbeteiligt aus jedem Streit heraus; auf der anderen Seite rangen Koscher und Greifenfurter Ritter miteinander, welcher Mann würdig genug sei, sich mit der Markgräfin Irmenella zu vermählen. Alles in allem eine sehr verfahrene Situation und so würde zweifelsohne der Buhurt eine schmerzhafte Erfahrung für jeden der Teilnehmer werden.
Unruhig schnaubten die Streitrösser unter ihren Schabracken, kleine Schwaden heißen Dampfes stiegen aus den geweiteten Nüstern auf. Ein leises Scharren von Eisenplatten mischte sich unter die Geräusche der Pferde. Im Wind flatternden die zahlreichen Banner von Grafen, Baronen, Edelleuten und Rittern an hohen Holzstangen neben den Tribünen, ein wahrhaft farbenfrohes Spektakel für den Betrachter. Die beiden Parteien hatten nun ihre Plätze eingenommen und etwas vor den Schlachtlinien standen sich die Anführer gegenüber.
Der roten Partei gehörten neben dem praiosgefälligen Bund zu Puleth und dreier Kämpen aus den Nordmarken noch die Ritter aus der Markgrafschaft Greifenfurt an, die mit nur wenigen Gegenstimmen aus den Greifenfurter Reihen den Baron Argaen von Orkenwall zu ihrem Anführer gekürt hatten.
Währenddessen wählten die Ritter aus dem Fürstentum Kosch, die Weidener Recken und die Pfortenritter den Prinzen Edelbrecht zum Anführer der blauen Partei. Jubel brach unter den Koschern und Falkenrittern aus, mit grimmen Blick durch so manchen Märker beäugt. Oft schwang unverhohlen auch ein Hauch von Ablehnung mit hinein.
Gemächlich lenkte der Herold sein Pferd zwischen den zwei Schlachtlinien heraus, das Banner flatterte noch immer hoch erhoben über seinem roten Haarschopf. Jedem Ritter war klar, dass der Wettstreit beim Senken des Banners beginnen sollte und bei drei Hornstößen jegliche Kampfhandlung einzustellen war.
Nervös nestelte Gernot von Rothenborn an seinen Zügeln. Unter den ledernen Handschuhen waren seine Hände feucht und warm. Ihm war sichtlich unwohl bei dem Gedanken im Buhurt gegen die Ritter aus dem Kosch und deren Prinzen fechten zu müssen, denn er hatte sie in den kalten Wintertagen auf Burg Pilzhain, wo Brautwerber und Prinz ein Quartier für den Winter gefunden hatten, doch recht gut kennen gelernt. Es waren aufrechte Frauen und Männer, die Koscher, dazu galten bei ihnen Treue und das Wort noch etwas. Das war so recht nach seinem Geschmack, er verabscheute Hinterlist, Bosheit und Intrigen, auch wenn man als Adeliger nicht gänzlich darum kam sich notgedrungen damit zu beschäftigen. Er wusste nicht so recht, was er tun sollte, wenn ihm ein Ritter von der anderen Seite vor die Klinge lief. Aber da mochte es vielleicht Abhilfe schaffen, dass er sich den Weidenern gegenüberstellte.
Mit einen Blick zur linken und rechten Seite verschaffte er sich Gewissheit, wer seine Nachbarn im Buhurt waren und verdutzt stellte er fest, dass ausgerechnet der Baron von Dunkelsfarn und die Baronin von Dergelstein, beides entschiedene Gegner von Edelbrecht, sich zu seiner Rechten aufgestellt hatten. Ein grimmiges Lächeln schenkte ihm der Dunkelsfarner, wusste der doch sehr gut Bescheid, wo der Prinz sein Winterquartier aufgeschlagen hatte. Zudem war Gernot ja kein gebürtiger Greifenfurter, sondern nach den Schlachten in Tobrien mit dem damaligen Baron in die Markgrafschaft gekommen. War er in seiner neuen Heimat somit ebenso ein Fremder wie der Prinz aus dem Kosch? So fragte er sich unwillkürlich. Doch jetzt war nicht die Zeit der Philosophie, sondern der Tat.
Noch bevor das Banner ganz zu Boden geschwenkt war, galoppierten die Kontrahenten schon aufeinander zu und laut krachend verkeilten sich gerüstete Menschen, Pferdeleiber und Schilde miteinander. Zäh war das Ringen um den Sieg, denn keine der Parteien wollte auch nur einen Finger breit nachgeben, galt es doch nicht nur ritterlichen Heldenmut zu beweisen. Vielmehr sollten hier alte Rechnungen beglichen werden wie zwischen Pulethanern und Pfortenrittern und den Parteigängern um den politischen Einfluss auf die Brautwerbung des Prinzen Edelbrecht, war diese doch vielen der alteingesessenen Greifenfurtern ein Dorn im Auge.
Gleichwohl verhinderten Fechtkunst und Verbissenheit keinerlei Opfer unter den Kombattanten, so brach sich zum Beispiel Rittfrau Alvide von Krähenklamm das Bein und zwei Rippen, nachdem sie von zwei Gegner umzingelt worden und vom eigenen Pferd gestürzt war. Ein Missgeschick, welches leicht in so einem heftigen Kampf passieren kann.
Kein Missgeschick war allerdings das Ausscheiden von Junker Globerich von Bockzwingel und Ritter Lucrann von Auersbrück, die dem von fünf Greifenfurtern bedrängten Prinzen Edelbrecht vom Eberstamm, seinem Vetter Angbart und dem Baron Kordan von Blaublüten-Sighelms Halm zu Hilfe kamen.
Gleichsam als hehres Beispiel mag es dem geneigten Leser dienen, dass sich die beiden jungen Ritter aus Treue zu ihrem Prinzen in die Bresche warfen. Leider wurde ihre Kühnheit nicht belohnt, denn sie fielen in den Staub, konnten sich jedoch erhobenen Kopfes, ob ihres Mutes, vom Kampfplatz begeben.
Beide kannten sich schon seit der gemeinsamen Wolfshatz in Wengenholmschen vor wenigen Götterläufen und vermochten sich darob die Zeit zu vertreiben bis zum Ende des Buhurt. Aber erst ihr Opfer ermöglichte es dem Grafen Jallik von Wengenholm zusammen mit Hernobert von Falkenhag, Hartger von Mönchbach und Wulfhelm Rondrian Burkherdall ihren Herrn aus der gefährlichen Situation herauszuhauen.
Lange wogte der Kampf zwischen den blauen und roten Streitern hin und her, viele Ritter wurden aus den Sätteln gestoßen oder mussten verletzt aufgeben. Zum Schluss allerdings trug die blaue Partei unter Prinz Edelbrecht den Sieg davon, dennoch waren ihm nur wenige Ritter geblieben. Von ehedem fünfzig Männern und Frauen standen nur noch zehn, die einen engen Ring um den Baron von Orkenwall und zwei Pulethaner, den Baron von Dunkelsfarn und den Junker von Boronshof, gezogen hatten. Dennoch mussten sich die verbliebenen Greifenfurter und Garetier den Koschern und ihren Verbündeten geschlagen geben. Lauter Jubel brandete von den Tribünen her auf und die Fanfaren verkündeten das Ende des viertägigen Wettstreites. Endlich hatten nun die zahlreichen Medici mit ihren Helfern die Möglichkeit sich um die Verwundeten zu kümmern und sie mit Tragen in ein großes Zelt zu bringen.
Unterdessen feierte die Menschenmenge die Sieger, am lautesten war da das Koscher Gefolge, welches auch gleich zwei große Eichenfässer besten Ferdoker Gerstenbräus in tönernen Bierkrügen verteilte, sowohl unter den Rittern als auch dem gemeinen Volk. Ausgelassen wurde noch auf dem Turnierplatz gefeiert, die eigentliche Ehrung aller Sieger sollte jedoch auf dem markgräflichen Ehrenbankett am frühen Abend stattfinden.
Viele Praiosläufe noch würde in den Gassen der Stadt Greifenfurt oder an den wärmenden Kaminfeuern in der Mark von den außergewöhnlichen Ereignissen dieser Turney erzählt werden, fast schon so, als wäre ein jeder in einer silbrig schimmernden Rüstung selbst unter den Teilnehmern gewesen.