Benutzer:Orknase/Briefspiel: Unterschied zwischen den Versionen

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Orknase (D | B)
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Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.
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= Grishelm =
[[Garetien:Esmeria_Darando_della_Tenna|Esmeria Darando della Tenna]]
Gishelm von Schwarztannen hat ein Leben mit vielen Höhen und Tiefen geführt.
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= Ein Ende und ein Anfang =
== Esenfeld ==
Die Junkerin Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels tritt vor den Schweigsamen. Ihre Familie ist bei ihr. Ihr Tod, vor allem jedoch die Botschaft die sie einem ihrer Söhne mit ihren letzten Atemzügen hinterlässt, wirft jedoch Fragen aus.


== Schwester ==
=== Fremder ===
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ZSF01: Ein Fremder kommt nach Esenfeld
Zsfg: Gerlinde von Altjachtern sucht ihren Bruder Drego in einer dringenden Angelegenheit auf.


[[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]], 13. Rahja 1046 BF
Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF


„Ah, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]“, entfuhr es mir beinahe etwas atemlos. Ganz unvermittelt blieb ich auf der großen Treppe stehen. „Hier bist du also.“ Mein Bruder stand wenige Schritte über mir, hielt seinen [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Sohn]] in den Armen. Der Knabe, der so sehr meinem Bruder glich, schaute mich aus den großen Augen seines Vaters neugierig an. Umringt waren beide von Mitgliedern seines Hofstaates, darunter seine Pagen und Knappe, einige seiner Hausritter, die Hofkaplanin [[Garetien:Lindegard Tempeltreu|Lindegard Tempeltreu]] und die Vögtin [[Garetien:Yolande von Pranteln|Yolande von Raukenfels]].
»Es ist Zeit«, hob der Fremde an und bedachte die Frau ihm gegenüber aus seinen kalten, blauen Augen voller Abscheu. Der Mann saß hoch zu Rosse. Es war ein harter Mann von kräftiger Statur, dabei ungewöhnlich groß und mit noch immer dichtem schwarzen Haar. Über einem Kettenhemd trug er einen Wappenrock in schwarz und gelb, den Farben der Baronie Schwarztannen. Ein Schwert in einer kunstvollen Scheide hing an seiner linken Seite. Seine Begleiter waren ebenfalls gerüstet und bewaffnet. Grimmig schauten sie drein. Der Bannerträger, der das Wappen der Familie Schwarztannen führte, blickte zum wolkenverhangenen Horizont hinauf. Ein einzelner Regentropfen verirrte sich auf seine Wange. Ein Sturm zog auf. Noch jedoch war es unerträglich heiß und schwül.


„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er an und zog die Stirn kraus, „Der Leuin zum Gruße.
»Einen weiteren Götterlauf«, erwiderte sie ihm und blickt ihn mit ihren weichen, braunen Augen wie ein verhuschtes Reh an. Ihr rotblondes Haare fiel sanft um ihr Gesicht. »Nur noch einen. Es wird der letzte sein. Ich bitte dich, Ardo, nur noch dieses eine Mal.«


„Die Leuin auch mit dir, Bruder“, erwiderte ich und erbrachte ihm den Kriegergruß. Daraufhin nahm der Knabe seine kleine Hand, ballte sie zur Faust und führe sie zu seinem Herz. Seine Bewegungen waren unkoordiniert, aber es war deutlich zu erkennen, dass er sich gerade ebenso an diesem Gruß versucht hatte. Alle begannen zu grinsen – auch ich. Dann schmiegte sich der Knabe ganz dicht an die Brust seines Vaters und schaute noch kecker drein wie zuvor.
»Nein«, erwiderte der Ritter barsch und ließ seine Rechte durch die Luft schnellen, »Nichts da.«


„Er ist so groß geworden“, merkte ich an, „Er wird eines Tages gewiss ein großer Krieger werden.
»Im Namen der Götter«, hob sie nun an und beugte beide Knie, ihr Haupt hielt sie dabei gesenkt, »Im Namen der Sturmherrin, ich flehe dich an. Lass mir meine Kinder. Es ist ein einziger weiterer Götterlauf um den ich dich bitte. Nur einen noch. Danach sind sie dein. Ich schwöre es.« Bei den letzten Worten blickte sie auf. Ihre Blicke trafen sich. »Vor dem Gerechten.«


Das Grinsen meines Bruders wurde breiter, wobei er zärtlich seinem Sohn über das blonde Haar strich: „Du warst schon lange nicht mehr hier, Gerlinde.
Er lachte nur: »Vorbei sind die Zeiten, da der Blick eines scheuen Rehes mich milde stimmte.«


„Du kannst mich jederzeit im Rondra-Tempel in [[Garetien:Stadt Überdiebreite|Überdiebreite]] antreffen“, erwiderte ich daraufhin nickend, „Es ist gar nicht weit von hier und du und die deinen sind mir dort jederzeit willkommen.
»Sie sind noch zu jung«, beharrte sie, »Gibt ihnen noch einen weiteren Götterlauf, Ardo.«


Ernst schaute er mich an: „Ich kann nicht vergessen, was mit den [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteinern]] damals vorgefallen ist. Noch heute träume ich in so mancher Nacht von [[Garetien:Hermine von Alka|Hermine von Alka]].“
»Wozu?«, spie er nur hervor, »Was solltest ausgerechnet du, ihnen geben können?«


Ich biss mir auf die Lippen. Daran hatte ich gar nicht gedacht. „Die Diener des [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] könnend dir gewiss dabei helfen“, schlug ich vor, „Es gibt doch auch einen [[Garetien:Tempel des Weißen Raben zu Hexenmühle|Tempel]] ihrer Diener hier?“
»Die Liebe einer Mutter«, kam ihre Antwort prompt, »Und wenn eine die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern versteht, dann gewiss die Leuin höchst selbst.«


„[[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]“, seufzte er schwer und nickte bestätigend, „Dieser Tempel untersteht den Erlenfallern und diese haben eindrücklich bewiesen wozu sie fähig sind. Nicht einmal meiner einstigen Knappin [[Garetien:Eylrun von Erlenfall|Eylrun]] oder gar Hochwürden [[Garetien:Perainidane von Erlenfall|Perainidane]] ...“ Nun wandte er sich der Hofkaplanin zu. „... genießen mein uneingeschränktes Vertrauen.“ Schwester Lindegard wich dem Blick meines Bruders aus.
»Liebe gewinnt keinen einzigen Kampf, sie macht einen nur...«, er hielt einen Moment inne und blickte sie mit seinen harten Augen an, »... weich.«


Einen Augenblick war es still. Ich war keine Frau großer Worte. Ich war eine Dienerin der Leuin. Und ich begriff, dass ich beinahe nichts über meinen Bruder und dessen Leben wusste. So fand ich keine Worte. Was hätte ich auch sagen sollen? Die Situation schien kompliziert. Zu kompliziert um sie innerhalb weniger Wimpernschläge zu erfassen.
Erste Regentropfen begannen zu fallen.


Indes riskierte der Knabe immer wieder scheue Blicke. Das ein oder andere Mal wandte er sich mir gar mehr zu, schmiegte dann jedoch wieder eilig sein Gesicht an die Brust seines Vaters. Dass meine Bruder einmal Frau, Kinder und ein Baronsreif sein eigen nennen würde ...
»Die Kinder brauchen endlich ihren Vater!«


„Du hast dich nicht angekündigt. Warum bist du gekommen, Gerlinde?“
Nun lachte sie: »Ihren Vater? Ihren VATER?« Ihre Stimme überschlug sich. Leise begann Donner über sie hinwegzugrollen. »Vor Götterläufen hätten sie dich gebraucht. Vor Götterlaufen! Meine Brüder sind mehr Vater als du...«


Nun straffte ich mich: „Drego, du musst mich begleiten. Es bleibt uns nicht viel Zeit.
Da stieß er seinem Pferd die Haken in die Flanken. Es preschte nach vorne. Und er trat ihr mit seinem Stiefel mit voller Wucht ins Gesicht. Sie kippte zur Seite. Blieb reglos liegen. Nur ihre Augen bewegten sich noch. Folgten ihm. Er wendete das Pferd, brachte es zum Stehen. Heftiger Regen setzte ein. Ergoss sich. Linderte die Hitze. Wusch das warme Blut von ihrem Gesicht. Mächtiger Donner fegte über sie hinweg. Das Banner, die goldene Hand auf rot, begann in der aufgekommenen Brise hart zu Flackern.


Er legte seinen Kopf leicht schräg: „Worum geht es?“
»Lasst sie liegen«, befahl er. Und alle gehorchten. Die beiden Knaben begriffen, dass er der gestrenge Herr sein musste, von dem ihnen ihre Mutter immer erzählt, ja sie eindringlich gewarnt hatte. Er war der Ritter zu Esenfeld. Er war ihr Vater.


„Vertraust du mir?“
=== Vater ===
ZSF02: Die beiden Knaben lernen ihren Vater kennen.


„Selbstredend!“, entfuhr es ihm ohne Zögern, „Du bist nicht nur eine Dienerin der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]], sondern auch meine Schwester.
Ardo von Schwarztannen stieg vom Pferd ab. Seine Gefolgsleute taten es ihm gleich. Knechte kamen herbeigeeilt, kümmerten sich um die Pferde, während Regen und Wind über sie hinwegpeitschten. Donner grollte markerschütternd. Wütende Blitze zuckte vom Himmel herab. Erhellten den inzwischen stockfinster gewordenen Innenhof Esenfelds. Die Männer, der Ritter zu Esenfeld allen voran, drängten in den Wehrhof hinein. Die beiden Knaben, die noch immer stocksteif unweit der Tür standen, fassten sich unbewusst an den Händen, der kleiner der Knabe drängte sich an seinen größeren Bruder. Beide hatten sie das pechschwarze Haar ihres Vaters und die weichen, tiefbraunen Augen ihrer Mutter. Hinter ihnen standen zwei junge Männer. Sie ähnelten der noch immer am Boden und im Regen liegenden Frau. Ihre Gesichter totenblass und ausdruckslos, ihre Tränen hatte der Regen verborgen. Beinahe unbemerkt, zogen sie sich zurück. Ließen ihre Hände von den Schultern der Knaben gleiten und verschwanden im Haus.


„Wir müssen nach [[Garetien:Gut Jachtern|Hause]]“, eröffnete ich ihm und nickte energisch, „Sofort. Wir haben nicht viel Zeit.
Mit festen Schritten ging der Hausherr auf die Knaben zu. Fixierte sie mit seinen harten blauen Augen. »Was steht ihr noch hier rum?«, blaffte er sie an, »Sorgt dafür, dass meine Männer etwas vernünftiges zu Essen und Trinken bekommen so lange Efferd uns zürnt.«


„Nach ...?“, echote er tonlos und seine Augen verengten sich, „... Hause?“
Ungläubig blickten die beiden noch immer dicht aneinander gedrängten Knaben, der eine mehr als einen Kopf kleiner als der andere, zu dem Fremden auf. »Rondra«, wisperte der jüngere der beiden. Die linke Augenbrauen des Ritters zuckte steil nach oben, seine Hand schnellte nach hinten und dann auf die Wange des Knaben. Der schrie entsetzt auf, drückte sich in die Arme seines großen Bruders. Tränen schossen ihm in die Augen.


Äußerst langsam, aber überdeutlich nickte ich.
»Erhebe noch ein einziges Mal das Wort gegen deinen Vater und du liegst da draußen neben deiner Schlampe von Mutter«, drohte er mit erhobener Hand. Es war jene Hand, mit der den Knaben gerade eben geschlagen habe.


„Was ...?“, seine Stimme brach.
»Ja, Hoher Herr«, erwiderte der ältere der beiden, während er noch immer seinen heftig, schluchzenden Bruder in seinen Armen hielt, »Geht doch schon einmal hinein. Wir werden Euch sogleich bewirten.«


„[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, brachte ich nur heraus.
Wieder lag der harte und kalte Blick des Mannes auf den beiden Knaben. Und ohne seine Söhne eines weiteren Blickes zu würdigen, ging der Ritter zu Esenfeld an ihnen vorbei. Seine Männer folgten.


„Sie ... sie ... sie hat meine [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] beleidigt. Sie hat ...
»Ich werde dich beschützen, Moribert«, wisperte der größerer Knabe dem noch immer weinenden kleineren zu als die Männer außer Hörweite waren, »Bleib einfach immer hinter mir, dann kann er dir nichts tun.« Er fuhr seinem Bruder über das kurze schwarze Haar. Die beiden trennten sich. Moribert tropfte noch immer Blut aus der Nase. Der Regen wusch es fort. »Grishelm«, wimmerte der jedoch nur erstickt, »Ist das wirklich unser Vater?« Sein Blick glitt zu der noch immer reglos im Regen liegenden Frau. Ihrer Mutter. Ihre Augen waren noch immer geöffnet. Hatten die beiden Knaben fixiert. Grishelm senkte den Blick.


„Das ist nicht mehr wichtig, Drego“, ich schüttelte den Kopf und fasst an seine Schulter, „Es ist nicht mehr wichtig.
=== Zwei Brüder ===
ZSF03: Der Vater hasst die Mutter der Knaben.


Mein Bruder wurde blass. Seine Augen füllten sich mit Tränen.
Der Herr zu Esenfeld blieb über Nacht, denn der Zorn Efferds - viele eher Rondras, wenn man dem leisen Wispern der Bediensteten hinter vorgehaltener Hand glaubte - verzog sich nicht so schnell. Lange grollte es bedrohlich. Der Himmel in ein giftiges dunkles Grün getaucht. Und Blitz und Blitz zuckte herab. Einer setzte sogar die große, mächtige Eiche im Innenhof Esenfels in Brand. Erst da erlaubte der Herr, die Hausherrin endlich fortzuschaffen und das auch nur, weil sie im Weg lag nicht etwa aus ... Mitleid.  
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== Vater ==
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Zsfg: Gerlinde und Drego kommen auf Gut Jachtern an und treffen auf ihren Vater.


[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], 13. Rahja 1046 BF
Und erst als die Herrschaft schlief, war einer der Brüder der Frau aufgebrochen, um einen Geweihten der Herrin Peraine aus Hexenmühle zu holen. Indes saß der andere an ihrem Bett, hielt die reglose und kalte Hand seiner Schwester in der eigenen und musterte ihr ausdrucksloses, blasses Gesicht den Tränen nahe. Moribert krabbelte dem Mann auf seinen Schoß und schmiegte sich dicht an ihn. Den noch freien Arm legte er um den Knaben und hauchte ihm anschließend einen Kuss aufs Haar. Grishelm indes trat neben seinen Onkel an das Bett seiner Mutter.


Über [[Garetien:Dorf Wegscheide|Wegscheid]] und [[Garetien:Gut Roßsprunk|Roßsprunk]] ritten wir nach Gut Jachtern. Ich schwieg. Drego schwieg. Seine Bedeckung, ein [[Garetien:Jast Helmbald von Schwippingen|Knappe]] kurz vor seinem Ritterschlag und eine [[Leudane von Leuenberg|kaisermärker Ritterin]], schwieg. Wenig nach unserem Aufbruch setzte Regen ein. Zuerst waren die Tropfen ganz fein, gleich dem feinen Nebel der am Morgen gerne entlang der Raller lag. Eine willkommene Abkühlung in der Hitze des Rahjamondes. Dann jedoch wurde der Horizont zunehmend finsterer, der Regen wurde heftiger, die Tropfen dicker.
»Ist das wirklich unser Vater?«, hob Grishelm hoffnungsvoll an, »Sag, dass er es nicht ist, Salvin. Sag es! Bitte!«


Vollkommen durchnässt kamen wir mitten in der Nacht auf Gut Jachtern an. Die Praiosscheibe war seit Stunden untergegangen. Die Sterne hatten uns den Weg gewiesen und der Regen war unser ständiger Begleiter gewesen. Eilig brachten wir die Pferde in den Stall. Während Knappe und Ritterin sich mit dem Stallknecht um die Tiere kümmerte, ging ich mit Drego in das nahezu finstere Guthaus hinein und wurden von Dunkelheit empfangen. Es war ungewöhnlich still. Totenstill. Nur das Tropfen des Wasser von unseren gänzlich durchweichten Umhängen durchbrach die Stille. Hinter uns fiel die Tür ins Schloss. Drego erschrak hörbar.
Der Mann schluckte schwer und schüttelte traurig seinen Kopf: »Er ist euer Vater.« Er nickte langsam. Gänsehaut jagte Grishelms Rücken hinab. »Ardo von Schwarztannen-Scharfenstein ist euer Vater. Und du, Grishelm, bis sein Erbe.«


Da trat jemand mit einer Kerze zu uns in den Flur. „[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]] und ... und [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]?“
»Ich will nicht, dass er mein Vater ist!«, entfuhr es dem Knaben da, »Ich will nicht sein Sohn sein. Auch nicht sein ... Erbe.«


„[[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]]?“, entfuhr es meinem Bruder leise. Unschlüssig machte er einige Schritte nach vorne.
Verständnisvoll nickte Salvin.


„Ja, Drego“, bestätigte sein Gegenüber, „Ich bin es. Dein Vater.“ Sein Gesicht lag noch immer im Dunkeln. Die Kerze spendete nur spärliches, düsteres Licht. Er machte einige Schritte auf seinen Sohn zu und schloss ihn in die Arme, ließ aber sogleich wieder los. „Ganz nass. Du bist ja ganz nass. Schreckliche Efferdnacht dort draußen.“
»Kannst du nicht unser Vater sein


Drego schluckte schwer als er unserem Vater gegenüberstand: „Es muss ernst um [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] stehen.
»Nein«, nun nickte er, »Das geht nicht. Ihr seid seine Kinder. Es gibt keine Zweifel. Ihr seid sein Fleisch und Blut.«


„Ja“, erwiderte er, „So ist es. Es geht zu Ende, Drego. Golgari ist bereits auf dem Weg.
Einige Tränen liefen dem Knaben über das Gesicht und trotzig erwiderte er: »Ich will das aber nicht. Ich will nicht, dass dieser Mann mein Vater ist. Ich will das nicht.«


Nun war es Vater, der schwer schluckte. Schemenhaft konnte man erkennen, wie er nickte. „Und Gerlinde“, fuhr er fort und nahm auch mich kurz in die Arme, ließ aber noch schneller von mir ab als von meinem Bruder, „Auch ganz nass. Allesamt seid ihr ganz nass. Alle beide. Eine wirklich grässliche Efferdnacht dort draußen.
»Ich weis, Grishelm, und ich verstehe dich. Sehr gut sogar.« Seit der Geburt der Knaben war Salvin, wie auch sein Zwillingsbruder Salentin, immerzu um sie gewesen. Hatten sie abends in den Schlaf gewiegt, ihnen Lieder vorgesungen, Geschichten erzählt, waren bei ihren ersten Schritten, ja bei ihren ersten Worten dabei gewesen. Sie hatten gemeinsam mit ihnen Esenfeld entdeckt. Waren in Bäume geklettert und hatten im Mühlbach geplantscht und im Wald getobt. Und wenn die Beine der Kinder zu schwer waren von den vielen Abenteuern, dann hatten sie sie nach Hause getragen. Sie waren immerzu für die Knaben da gewesen. Immer. Jederzeit.


„Ist [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Mori]] ... ?, wollte ich wissen.
»Hasst er uns?«, riss Grishelm seinen Onkel aus seinen Gedanken. Unruhig verlagerte der Knabe das Gewicht von einem auf das andere Bein. Einen Moment blickte der Mann auf den Knaben in seinen Armen. Der ruhige und regelmäßige Atem verriet, dass er eingeschlafen war. »Hasst er uns?«, wiederholte der ältere der Knaben.


... am Bett eurer Mutter“, vollendete er meinen Satz, „Er wacht dort zusammen mit [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]].“ Erneut nickte er. „Ihr solltet eure nassen Kleider ablegen, etwas Trockenes anziehen und sie dann ablösen. Sie wachen dort schon recht lange.
»Nein«, versicherte der Mann sanftmütig, »Nein, er hasst euch nicht. Nicht seine Söhne. Seine Erben. Nein, gewiss nicht. Ich denke sogar...« Er hielt einen Moment inne. Wirkte angespannt. »... das er euch liebt. Auf seine... hm... eigene Art.« Salvin zog seine Augenbrauen nach oben. »Sicherlich. Er liebt euch. Da bin ich sicher.«


„Sie hat mich fortgeschickt“, hob nun Drego an, „Das letzte Mal hat sie mich fortgeschickt. Ich sollte, nein, durfte ihr nicht unter die Augen treten.
Doch Grishelm beruhigte das nicht: »Hasst er ... hasst er Mutter?«


Erneut nickte Vater: „Das Rauschen Golgaris in den Ohren deiner Mutter hat sie sanftmütiger gemacht, nicht milde, aber sanftmütiger, ein Lämmchen ist aber dennoch nicht aus ihr geworden. Selbst mit mir hat sie einige vernünftige Worte gewechselt, ehe sie mich angekeift und fortgeschickt hat, ich bin aber sicher, dass sie noch einmal nach mir rufen wird. Ganz gewiss sogar.
Salvin konnte nicht anders, er konnte nur nicken. Und dann nach einem erschreckend langen Augenblick, in dem er schwieg und seine Schwester ernst betrachtete, hauchte er so leise, dass man es gerade so verstehen konnte: »Es war nicht immer so, Grishelm. Er war nicht immer so. Sie waren einander sehr zugetan. Ungleich, doch irgendwie glücklich. Doch dann ist Algerte etwas Schreckliches passiert. Etwas Entsetzliches.«


„Hm“, machte mein Bruder da noch immer zweifelnd.
Gänsehaut erfasste den gesamten Körper des Knaben. So hatte er seinen Onkel noch nie sprechen hören. So voller Schmerz. Voller Grauen. Und weil Salvin nicht mehr sagte, wusste der Knabe, dass es etwas wirklich Schreckliches gewesen sein muss.


„Sie ist und bleibt deine Mutter“, fuhr unser Vater nun fort, „Und sie liebt dich, so viel kann ich dir sagen.
=== Geweihte ===
ZSF04: Eine Geweihte der Peraine kommt (unerwartet) nach Esenfeld.


Da lachte Drego: „Ich war ihr doch nie gut genug! Ganz gleich was ich getan, wie sehr ich mich bemüht habe. Nun bin ich sogar Baron, habe [[Garetien:Ailsa ni Rian|Frau]] und [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Ki]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|nd]][[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|er]], doch gut genug bin ich ihr noch immer nicht.
Im Morgengrauen kam Salentin mit einer Geweihten der Herrin Peraine aus Salzungen wieder. Das Missfiel dem Hausherren zwar zu tiefst, aber er wusste sehr wohl, dass man einen Diener der Zwölfe nicht ohne weiteres abwies und so bat er sie herein: »Peraine mit Euch, Euer Hochwürden.« Demütig beugte er sein Haupt, trat zurück und ließ die Geweihte herein. »Habt Dank für Euer Kommen, auch wenn es nicht notwendig gewesen wäre, dass ihr persönlich erscheint.«


Er seufzte: „Ach, Drego, du kennst deine Mutter. Du kennst sie lange genug. Sie ist eine harte Frau. Hart zu sich, aber auch zu anderen. Keiner kann es ihr recht machen. Nicht einmal sie selbst kann es sich recht machen. Sie hat dir das Leben geschenkt, da kannst du ja wohl auch bei ihrem Tod dabei sein.
Die ältere Geweihte nickte sanftmütig. Eine Strähne ihres kurzen, grauen Haares fiel ihr ins Gesicht. Sie strich es sich wieder zurück. »Sorgte Euch nicht, Hochgeboren. Wie ein jeder von uns, bin auch ich nur eine Dienerin und deswegen diene ich«, erwiderte sie und fügte unnötigerweise noch hinzu: »So wie auch Ihr nur ein Diener unter dem Angesicht der Götter seid.«


Da nickte er: „Dennoch hat sie meine Frau beleidigt. Sie angefeindet. Sie beschimpft.
Ardo von Schwarztannen blickte die Geweihte schweigend und nahezu reglos an. In seinen Augen funkelte Zorn. Unangenehme Stille breitete sich aus.


„Ich weiß“, wusste auch unser Vater, „Ich habe keine rechte Erklärung dafür. Wobei ...“ Er hielt einen Moment inne. „Vielleicht verachtete sie sie so, weil dir und ihr etwas vergönnt war, was uns nie vergönnt war.“ Drego horchte auf. „Aus liebe den Bund vor der Herrin [[Travia-Kirche|Travia]] zu schließen. Unser Bund war bestimmt. Nicht durch uns.
»Seid doch so gut«, ergriff nun die Geweihte wieder das Wort, »und bringt mich zu eurer werten Gattin, damit ich sie mir ansehen kann.«


„Neid?“, raunte Drego leise, „Aber warum seid Ihr nicht so? Ihr teilt doch dasselbe Schicksal.“
Der Hausherr nickte nur mürrisch, bot der Hochgeweihten seinen Arm an und schritt mit ihr voran. Und während sie miteinander gingen, wollte sie von ihm: »Ist meine gute Freundin Algerte wieder einmal gestürzt, Hochgeboren?«


Da zuckte er nur mit den Schultern: „Vielleicht weil ich vor Götterläufen entschieden habe, der Enge dieses Heimes und dieses Seins zu entfliehen.“ Er warf einen Blick auf mich. Ich straffte mich. Flucht, dass war nichts für eine Geweihte der [[Rondra-Kirche|Sturmherrin]]. „Außerdem seid ihr meine Kinder, mein Fleisch und Blut und ich wünsche mir, dass euch nur Gutes widerfahre und liebe euch alle gleichermaßen aus der tiefe meines Herzens heraus.
»Ein bedauerlicher Unfall«, erwiderte er ihr trocken und vermied es sie anzusehen, »Wieder einmal, Hochwürden.«


„Mutter hat immer nur Gerlinde bedingungslos geliebt“, mein Bruder blickte mit gesenktem Haupt zu mir, „Du warst ihr immer das Wichtigste. Die einzige, die alles im Leben richtig gemacht hat.
»Hm«, macht die Geweihte da nur und legte die Finger ihrer freien Hand an ihr Kinn, »Meine gute Freundin ist seit damals einfach nicht mehr sie selbst.« Sie seufzte schwer und schaute betrübt drein. »Armes Kind.« Sie hielt einen Moment inne. »Phex sei Dank hat sie eure beiden Söhne an der Seite. Sie liebt sie sehr. Vor allem da...« Sie verstummte.


„Was hätte sie auch zu einer Geweihten der Herrin Rondra anderes sagen sollen?“, stellte sich unser Vater schützend vor mich, „Lass es gut sein, Drego. Das Ende ist nah. Ihr Zorn wird dich danach nie wieder treffen können. Versuche deinen Frieden mit ihr zu machen. Noch ist Zeit. Noch.“
Der Hausherr schwieg.
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== Mutter ==
<!--Zsfgh: Die alte Junkerin zu Altjachtern stirbt und ihre Kinder sind an ihrer Seite.


[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
»Vermutlich werdet Ihr nicht lang bleiben können, Hochgeboren?«, fuhr sie fort.


„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, dürr klang Mutters Stimme als ich an ihr Bett herantrat und mich auf die Bettkante setzte. Fahl war ihr Gesicht. Kraftlos ihre Augen. Seit meinem Aufbruch schien sie noch weiter gealtert zu sein.
»Ich bedauere, aber Ihr habt recht«, erwiderte er ihr, »Ich bin nur gekommen um meine Söhne zu holen.«


„[[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]]“, erwiderte ich ihr und nahm ihre Hand zwischen meine. Ein müdes Lächeln legte sich über ihre Wangen. Für einen winzigen Moment kehrte ein Leuchten in ihre Augen zurück, dann verschwand es jedoch sofort wieder.
Die Geweihte blieb abrupt stehen und schaute ihn lange, ohne ein einziges Wort zu sagen, an. Stoisch hielt er ihrem Blick stand.


„Ich habe dir jemanden mitgebracht, Mutter“, hob ich an und schaute mich kurz zu meinem Bruder um, der einen Schritt hinter mir gewartet hatte, „[[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] ist hier.
»Hochwürden«, ergriff er nun das Wort, »Ich muss mich jetzt nun wirklich empfehlen. Mein Bruder erwartet mich dringend auf Burg Scharfenstein.«


Da trat mein Bruder zu uns an das Bett heran und grüßte mit einem Nicken: „Mutter.“
»Ich verstehe«, damit löste sie sich aus seinem Arm, »Werdet Ihr beide Knaben mit Euch nehmen?«


Die Sterbende schaute ihn lange an. Sehr lange. Schwer atmete sie. „Du warst ... schon lange ... nicht mehr hier. Drego.“
»Sicherlich. Es ist Zeit, dass sie das Leben am Hofe kennenlernen.«


Er nickte, nahm sich einen Stuhl und setzte sich an das Bett. Hilfesuchend blickte er mich an. Doch da lag ja auch meine Mutter im Sterben und so zuckte ich nur mit den Schultern. Ich konnte ihm nicht helfen. Seinen Frieden musste er mit ihr schon alleine machen.
»Auch Moribert? Er scheint mir noch recht jung.«


„Ja“, erwiderte er lediglich.
»Beide«, entgegnete er ihr nur mit unnachgiebigen Blick, »Tut, was Eure Herrin von euch verlangt. Peraine mit Euch, Hochwürden.« Damit verabschiedete er sich.


„Du hättest ... vorbeikommen ... sollen.“
<!--
 
[[Garetien:Esmeria_Darando_della_Tenna|Esmeria Darando della Tenna]]
„Ich habe es versucht“, wieder suchte sein Blick meinen, „Ihr wolltet mich nicht sehen.“
 
„Als es begann ... das Rauschen der ... Schwingen, da ... da dachte ich ... es sei die ... [[Garetien:Ailsa ni Rian|Krähe]]“, sie lachte kehlig und ein schlimmer Husten begann sie augenblicklich zu schütteln. Ich nahm ihre Hand fester in meine. Sie beruhigte sich. „Doch dann ...“ Zaghaft nickte sie. „... begriff ich.“
 
Drego atmete hörbar ein und aus: „Ich bin ein weiteres Mal Vater geworden. Ein kleines, wunderschönes Mädchen hat uns die Herrin Tsa da zum Geschenk gemacht. Bereits im Phex 1045. Sie trägt den Namen [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]].“
 
„Ederlinde also“, wiederholte sie, „Was ihr nur alle ... an diesem Namen ... an diesem Namen habt.“
 
„Sie ist [[Garetien:Ederlinde von Luring|Graf Dregos Schwester]]“, erwiderte er ihr, „Und ich verehre ihn. Noch immer.“ Bitterkeit schwang bei seinen letzten Worten mit. Ich horchte auf. Schon immer hatte Drego [[Garetien:Drego von Luring|diesen Mann]] verehrte, zu ihm aufgeschaut, doch inzwischen schien da noch etwas anderes zu sein.
 
„Dass diese ... diese diebische Elster ...“, hob sie an und Dregos Miene verfinstere sich, „... das schafft, was ... dieses [[Garetien:Boriane von Altjachtern|dumme Weib]] ...“ Damit meinte sie Boriane, die sie ebenso wenig leiden konnte wie die Gattin Dregos. „... erst nach [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|mehr]][[Garetien:Jermorane von Altjachtern|facher]] ... Schande ... geschafft hat.“ Fassungslos schüttelte sie fast unmerklich ihren Kopf. „Bei den ... Zwölfen!
 
„Ihr solltet nicht so über Boriane sprechen“, wies ich sie sanftmütig zurecht, nicht nur, dass sie meine Mutter war, sondern sie lag auch im Sterben, „Die Götter haben uns dieses Schicksal auferlegt. Es war nicht Borianes Entscheidung und erst recht keine Absicht.“
 
„Und da bist ... bist du dir ... sicher?“ Schwer sog die Sterbende die Luft ein. „Und Drego ...“ Erneut wandte sie sich an meinen Bruder. „Wo ... wo sind denn ... meine [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|En]][[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|kel]]? Warum sind sie ... nicht hier?“
 
„Die Kinder kennen dich doch überhaupt nicht, Mutter“, half ich nun doch meinem Bruder, „Und sind noch viel zu klein, um zu begreifen, was hier vor sich geht. Sie sind auf [[Garetien:Burg Scharfenstein|Burg Scharfenstein]]. Dort, wo sie hingehören.“
 
„Hm“, machte sie da, ihre Augen fielen ihr langsam zu und ihr Kopf rollte zur von uns abgewandten Seite, „Hm.“
 
Der Blick Dregos suchte meinen. Ich hielt noch immer die Hand unserer Mutter.
 
„Ich kann nicht vergessen, was sie über ''Orknäschen'' gesagt hat“, wisperte er ernst, „Nicht einmal zu unserem Traviabund ist sie gekommen. Unsere Kinder hat sie nie besucht, dabei war ihr Weg genauso weit wie meiner. Sagt man nicht, dass der nahende Tod einem die eigenen Fehler vor Augen führt und man bereut?“
 
„So heißt es“, bestätigte ich, „Doch kein einziges Wort der Reue oder gar eine Entschuldigung wird je über ihre Lippen kommen. Falls du deswegen gekommen bist, Drego, dann bist du vergebens gekommen. Sie wird nicht um Verzeihung bitten. Bei keinem von uns. Bei den Unsterblichen ...“ Ich ließ meinen Blick schweifen. „... wird sie es jedoch gewiss tun. Sie ist eine göttergefällige Frau.“
 
Scharf sog er die Luft ein.
 
„Verzeih ihr“, bat ich ihn für sie, „Sie ist einfach nur ein Mensch. Ein fehlbarer Mensch. Eine Mutter, die im Sterben liegt und sich nicht mehr wünscht als, dass ihre Kinder an ihrer Seite sind, um sie bei ihrem letzten Atemzug zu begleiten.“ Ich nahm seine Hand und legte sie auf die unserer Mutter. Widerwillen stand in seinen Augen, in seiner gesamten Gestik und Mimik, doch er ließ es geschehen.
 
So verging die Nacht. Mal hielt er die Hand unserer Mutter, mal ich. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] und Boriane und auch unser [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] schauten immer wieder vorbei. Es war still. Erstaunlich still. Niemanden war so recht nach reden. Abwechselnd dösten mein Bruder und ich. An richtigen Schlaf war nicht zu denken.
 
Mutter erwacht nicht mehr. Zumindest nicht mehr richtig. Gelegentlich redete sie unverständliches, wirres Zeug. Mitten in der Nacht, draußen war es stockfinster, nur eine kleine Kerze spendete Licht, schreckte ich hoch. Ein scharfes Geräusch hatte mich geweckt. Ich blickte zu den beiden hinüber. Sah, wie meine Mutter Drego am Kragen gepackt hatte. Mit aller Kraft hielt sie ihn fest. Ihre Knöchel traten noch weißer hervor. Mit gestürzten Lippen blickte sie ihn streng an. Drego war wie erstarrt.
 
Und mit unheimlicher, nahezu körperloser Stimme sprach sie: „''Kein Kind aus deinem Blut wird je den Baronsreif tragen, ohne dass sein junges Leben nicht sinnlos verlischt.''“
 
Sie ließ ihn los. Sackte auf das Bett zurück. Und starb. Ein kalter Schauder jagte meinen Rücken hinab. Dregos und mein Blick trafen sich.
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== Bruder==
<!--Zsfg: Drego und sein älterer Bruder sprechen sich aus.
 
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
 
Der Tod unserer [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] setzte uns allen zu. Wir lagen uns weinend in den Armen und hielten uns aneinander fest. Auch [[Garetien:Elgor von Sturmfels|Vater]] war da. Selbst er weinte. Und so fühlten sich selbst meine Tränen nicht falsch an, dabei konnte ich mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint hatte.
 
Nachdem wir alle am Bett versammelt waren, bat ich den [[Boron-Kirche|Schweigsamen]] um Geleit für unsere Mutter. So wie sie es sich gewünscht hatte. Danach bracht [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] Haselnussbrand. Warm und weich rann er meine Kehle hinab und vertrieb das Gefühl der Enge in meiner Brust – vorerst zumindest. Vater öffnete die Fenster. Kühle, feuchte Luft der Efferdnacht drang zu uns hinein.
 
„Die Mädchen“, hob die neue Hausherrin an, „werden bittere Tränen um ihre Großmutter weinen.“
 
[[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] nickte bestätigend. Er war ganz blass.
 
„Sie haben sie so sehr geliebt“, fügte Boriane noch hinzu und rieb sich schniefend über die Augen. Selbst sie, für die Mutter nie auch nur ein einziges freundliches Wort übrig gehabt hatte, war von Trauer und Schmerz erfüllt. Liebevoll legte sie ihren Arm um Moribert und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. So vertraut mit meinem Bruder hatte ich sie noch nie gesehen. „Vielleicht sollten wir eine Kleinigkeit essen“, schlug die Scheupelburgerin vor, „Es war eine lange Nacht und bis zum Morgengrauen wird auch noch die ein oder andere Stunde vergehen.“ Erneut hauchte sie meinem Bruder einen Kuss auf die Wange, strich ihm nachdenklich über sein Kinn und verschwand. Die Tür ließ sie offen. Wenig darauf konnte man Geklapper und leises Summen aus der Küche hören. Sie hätte auch die Magd wecken können ...
 
„Weißt du eigentlich“, hob da Moribert an und schaute zu dem noch immer sehr blassen Drego hinüber, „wie sehr ich dich beneide, [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]]? Du hast es weiter gebracht als jeder einzelne von uns.“
 
Drego blickte nur zwischen mir und Moribert umher, dann zuckte er mit den Schultern und entgegnete: „Eine Fügung des [[Phex-Kirche|Herrn Phex]], denn mehr als mein Name war es nicht, der den [[Garetien:Drego von Luring|Grafen]] dazu veranlasst hat, mich mit [[Garetien:Baronie Schwarztannen|Schwarztannen]] zu belehnen. Vielleicht dachte auch so mancher bei Hofe, mit mir sei ein leichtes Spiel zu treiben. Gegen die [[Garetien:Grafschaft Waldstein|Waldsteiner]] stand ich alleine.“ Sein Blick schweifte zu mir. „Bis zum heutigen Tag haben sie es nicht mehr gewagt, anzugreifen.“ Er wusste genauso gut wie ich, dass die Angelegenheit nicht so einfach war, aber ich widersprach ihm nicht. „Diese Prüfung der Götter, denn etwas anderes war es nicht, habe ich bestanden.“ Langsam, aber überdeutlich nickte er. „Ich habe mich bewährt und deutlich gemacht, dass man mich ernst nehmen muss – auch wenn das noch nicht jeder wahrhaben will.“
 
Moribert nickte.
 
„Glaube mir, an vielen Tagen wünsche ich mir, ich hätte mich nie in diese Fehde gestürzt. Die Waldsteiner haben mich angegriffen und auch wenn sie sich bis jetzt ruhig verhalten, so konnte bisher einfach keine endgültige Einigung erzielt werden – auch bis zum heutigen Tag nicht. Sie verhalten sich ruhig, aber wie lange noch?“ Fragend schaute er uns an. „Nach den Waldsteinern waren da die [[Garetien:Familie Erlenfall|Erlenfaller]]. Sie trachtete nach meinem Baronsreif und dabei war es ihnen vollkommen gleichgültig, ob sie ihn mit oder ohne meinen Kopf in Händen hielten. Mein [[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]] hätte diesen Irrsinn fast mit ihrem Leben bezahlt. Und meine [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|jüngste Tochter]] ...“ Seine Stimme brach. Betreten schaute er drein. Ich sah ihm deutlich an, dass er kurz davor gestanden hatte, etwa zu offenbaren, worüber er besser geschwiegen hätte. „Oft denke ich darüber nach, wie alles gekommen wären, wenn ich mit ihr einfach in ihre Heimat gegangen wäre ...“
 
„Aber du bist dein eigener Herr“, erwiderte ihm Moribert, „Ich habe, solange ich denken kann, unter dem Zorn und der Wut unserer Mutter gelitten. Von Boriane und unseren [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Kindern]] ganz zu schweigen. Du konntest dich mit deiner Gattin in Schwarztannen verstecken, aber für uns hat es nie ein Entkommen gegeben.“ Seine Miene verfinsterte sich. „Unsere [[Garetien:Praiodane von Altjachtern|Erstgeborene]] hat Mutter ausbrennen lassen, weil sie Magie für Madas Fluch hielt. Alle habt ihr nur zugesehen, aber keiner hat unsere Mädchen beigestanden. Unsere [[Garetien:Jermorane von Altjachtern|Zweitgeborene]] wurde an den Namenlosen Tagen geboren und Mutter hat verfügt, sie in die Obhut ihres [[Garetien:Firunian von Altjachtern|Oheim]] im [[Garetien:Ritterherrschaft Gnadenthal|Hüter des Gnadenthals]] zu geben. Wieder habt ihr alle nur zugesehen, aber keiner hat etwas unternommen. Wenig vor ihrem Tod hat sie Jemorane dorthin bringen lassen, obwohl sie noch viel zu jung war, als habe sie geahnt, dass wir das nie ohne sie getan hätten. Unsere [[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Drittgeborene]] soll an den Grafenhof ...“
 
„Tu das nicht!“, entfuhr es Drego entschieden. Energisch schüttelte er den Kopf. „Das ist kein guter Ort. Glaub mir. Bei all dem, was dir von Mutter angetan wurde, das ist kein guter Ort für deine Tochter. Wirklich nicht.“
 
„Was willst du damit sagen?“, wollte ich da nun wissen, „Du bringst schwere Anschuldigungen vor! Ich hoffe, du hast dir deine Worte wohlüberlegt!“
 
„[[Garetien:Gerlinde von Altjachtern|Gerlinde]]“, hob er da an, „Mir ist klar, was ich da sage und ich habe gute Gründe, warum ich es sage. Doch kann ich nichts Genaueres sagen. Ihr müsst mir vertrauen. Bei allem, was passiert ist, ist mir doch eines klar geworden: Meine Familie ist das Wichtigste für mich. Ich würde sie in Gefahr bringen. Ich würde euch in Gefahr bringen. Jeder, der mehr weiß, ist in Gefahr. Und außerdem ...“ Er musterte mich eindringlich. „... dürftest du darüber nicht einfach hinwegsehen, Gerlinde.“
 
„Dann muss ich es erst recht erfahren“, energisch nickte ich, „Also sprich, Bruder, sprich.“
 
Doch Drego schüttelte seinen Kopf: „Nein, nein und noch einmal nein. Und ganz gleich wie sehr du mir zusetzt, ich werde nicht reden. Mehr als einen Verdacht habe ich nicht, Gerlinde. Einen begründeten Verdacht, aber ...“ Er hielt inne. Ich straffte mich und schenkte ihm einen scharfen Blick. „... das reicht nicht. Mir ist das klar. Außerdem ist das nicht deine Angelegenheit. Das ist eine Angelegenheit des Reichsforstes und nicht einer der Waldsteiner.“
 
„Ich diene der Himmlichen Leuin und ...“
 
„Ja, Gerlinde“, erwiderte er mir da, „Mutter wurde nie müde das zu betonen. Niemals.“
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== Nichte ==
<!--Zsfg: Alrike Herdane wird Pagin bei ihrem Oheim, Baron Drego.
 
[[Garetien:Gut Jachtern|Gut Jachtern]], Rahja 1046 BF
 
[[Garetien:Alrike Herdane von Altjachtern|Alrike Herdane]] und ihre kleine Schwester [[Garetien:Ederlinde von Altjachtern|Ederlinde]] weinten unablässig. Träne um Träne kullerte von den Wangen der beiden Mädchen hinab, als wir [[Garetien:Jurfinde von Altjachtern-Sturmfels|Mutter]] auf dem Boronanger beisetzte. Ich sprach den Grabsegen, so wie es ihr Wunsch gewesen war. Die Praiosscheibe stand am wolkenfreien Horizont. Dieser Tag war schön. Viel zu schön.
 
Noch am selben Tag brach ich mit meinem Bruder gen [[Garetien:Burg Scharfenstein|Scharfenstein]] auf. Die drittgeborene Tochter unseres ältesten Bruders, Alrike Herdane, ritt mit uns. Ohne eine Regung war sie auf Anweisung ihres Vaters mitgekommen. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Drego]] hatte ihm versichert, dass [[Garetien:Drego von Luring|Graf Drego]] es ihm sicher nicht übel nähme, wenn er seine Tochter erst einmal zu seinem Bruder an den Hof gäbe. Noch sei das Mädchen jung, hatte er erklärt, noch könne man gut begründen, dass es besser für sie war innerhalb der Familie Pagin zu sein. Drego war ungewöhnlich unbeugsam gewesen und von einer noch ungewöhnlicheren Entschlossenheit erfüllt. [[Garetien:Moribert von Altjachtern|Moribert]] widersprach nicht. Er war gewohnt, zu folgen. [[Garetien:Boriane von Altjachtern|Boriane]] hatte bitterlich geweint, ihre Tochter geherzt und geküsst. Alrika Herdane war teilnahmslos geblieben.
 
„Ganz sicher wird es dir in Scharfenstein gefallen“, erklärte mein Bruder unsere Nichte auf dem Weg nach Scharfenstein, „Es gibt dort viele Kinder, darunter auch meine Pagen. Außerdem natürlich meine eigenen Kinder: Du wirst [[Garetien:Drego Danos von Altjachtern|Drego]], [[Garetien:Luned Lechmin ni Rian|Lechmin]] und [[Garetien:Ederlinde Etilia von Altjachtern|Ederlinde]] kennenlernen. Und mein ''[[Garetien:Ailsa ni Rian|Orknäschen]]''.“ Er seufzte. „Meine Frau.“
 
„Die diebische Elster?“, entfuhr es dem Kind da.
 
Dregos Miene verfinsterte sich: „Das ist deine Großmutter, die da aus dir spricht.“ Er hielt inne. „Niemand, der mein ''Orknäschen'' kennt, kann so über sie reden. Gar niemand. Auch du wirst so nie wieder von ihr reden. Nie! Hast du das verstanden?“
 
Betreten blickte das Mädchen zu Boden und nickte.
 
„Anstatt die Worte einer alten Frau nachzuplappern, solltest du dir lieber selbst ein Bild machen. Irgendwann wirst du begreifen, wessen Worten zu trauen ist und wessen nicht.“ Er hielt inne. „Aufrichtige und Ehrbare sind selten.“
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= Fische im Netz =
= Fische im Netz =
== Bedenkzeit ==
== Bedenkzeit ==
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[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
[[Garetien:Leudane von Leuenberg|Sie]] bat sich Bedenkzeit aus. [[Garetien:Drego von Altjachtern|Baron Drego]] verstand. Er schien wirklich ein netter Mensch zu sein und darüber hinaus über ein gutes Herz zu verfügen und dennoch, dennoch nahm sie es ihm übel, dass er sie nicht einfach so gehen lassen wollte. Dabei verstand sie ihn. Wenn sie all die Sehnsucht nach meiner Heimat beiseite schob, dann verstand sie ihn. Er konnte sie nicht einfach gehen lassen. Nicht einfach so. Und sie konnte ihm nicht einfach Gefolgschaft schwören. Nicht einfach so.
 
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= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
= [[Albtraumgestalt — Briefspielreihe‎|Albtraumgestalt]] =
== Einhornfrau ==
== Einhornfrau ==
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*Die Krähe und ihr falsches Täubchen
*Die Krähe und ihr falsches Täubchen
*Hühnerbeinchen für Drego
*Hühnerbeinchen für Drego
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Version vom 21. Juli 2025, 13:24 Uhr

Hier entstehen meine Briefspieltexte und werden sorgsam verwahrt, bis ich weiß, wohin sie sollen.
Es ist ausdrücklich erlaubt, Rechtschreibfehler sowie Fehler der Zeichensetzung zu korrigieren, genauso wie verloren gegangene Buchstaben richtig zu ergänzen und überzählige einzusammeln - dies gilt auch für meine anderen Texte.

Grishelm

Gishelm von Schwarztannen hat ein Leben mit vielen Höhen und Tiefen geführt.

Esenfeld

Fremder

ZSF01: Ein Fremder kommt nach Esenfeld

Wehrhof Esenfeld, Rahja 904 BF

»Es ist Zeit«, hob der Fremde an und bedachte die Frau ihm gegenüber aus seinen kalten, blauen Augen voller Abscheu. Der Mann saß hoch zu Rosse. Es war ein harter Mann von kräftiger Statur, dabei ungewöhnlich groß und mit noch immer dichtem schwarzen Haar. Über einem Kettenhemd trug er einen Wappenrock in schwarz und gelb, den Farben der Baronie Schwarztannen. Ein Schwert in einer kunstvollen Scheide hing an seiner linken Seite. Seine Begleiter waren ebenfalls gerüstet und bewaffnet. Grimmig schauten sie drein. Der Bannerträger, der das Wappen der Familie Schwarztannen führte, blickte zum wolkenverhangenen Horizont hinauf. Ein einzelner Regentropfen verirrte sich auf seine Wange. Ein Sturm zog auf. Noch jedoch war es unerträglich heiß und schwül.

»Einen weiteren Götterlauf«, erwiderte sie ihm und blickt ihn mit ihren weichen, braunen Augen wie ein verhuschtes Reh an. Ihr rotblondes Haare fiel sanft um ihr Gesicht. »Nur noch einen. Es wird der letzte sein. Ich bitte dich, Ardo, nur noch dieses eine Mal.«

»Nein«, erwiderte der Ritter barsch und ließ seine Rechte durch die Luft schnellen, »Nichts da.«

»Im Namen der Götter«, hob sie nun an und beugte beide Knie, ihr Haupt hielt sie dabei gesenkt, »Im Namen der Sturmherrin, ich flehe dich an. Lass mir meine Kinder. Es ist ein einziger weiterer Götterlauf um den ich dich bitte. Nur einen noch. Danach sind sie dein. Ich schwöre es.« Bei den letzten Worten blickte sie auf. Ihre Blicke trafen sich. »Vor dem Gerechten.«

Er lachte nur: »Vorbei sind die Zeiten, da der Blick eines scheuen Rehes mich milde stimmte.«

»Sie sind noch zu jung«, beharrte sie, »Gibt ihnen noch einen weiteren Götterlauf, Ardo.«

»Wozu?«, spie er nur hervor, »Was solltest ausgerechnet du, ihnen geben können?«

»Die Liebe einer Mutter«, kam ihre Antwort prompt, »Und wenn eine die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern versteht, dann gewiss die Leuin höchst selbst.«

»Liebe gewinnt keinen einzigen Kampf, sie macht einen nur...«, er hielt einen Moment inne und blickte sie mit seinen harten Augen an, »... weich.«

Erste Regentropfen begannen zu fallen.

»Die Kinder brauchen endlich ihren Vater!«

Nun lachte sie: »Ihren Vater? Ihren VATER?« Ihre Stimme überschlug sich. Leise begann Donner über sie hinwegzugrollen. »Vor Götterläufen hätten sie dich gebraucht. Vor Götterlaufen! Meine Brüder sind mehr Vater als du...«

Da stieß er seinem Pferd die Haken in die Flanken. Es preschte nach vorne. Und er trat ihr mit seinem Stiefel mit voller Wucht ins Gesicht. Sie kippte zur Seite. Blieb reglos liegen. Nur ihre Augen bewegten sich noch. Folgten ihm. Er wendete das Pferd, brachte es zum Stehen. Heftiger Regen setzte ein. Ergoss sich. Linderte die Hitze. Wusch das warme Blut von ihrem Gesicht. Mächtiger Donner fegte über sie hinweg. Das Banner, die goldene Hand auf rot, begann in der aufgekommenen Brise hart zu Flackern.

»Lasst sie liegen«, befahl er. Und alle gehorchten. Die beiden Knaben begriffen, dass er der gestrenge Herr sein musste, von dem ihnen ihre Mutter immer erzählt, ja sie eindringlich gewarnt hatte. Er war der Ritter zu Esenfeld. Er war ihr Vater.

Vater

ZSF02: Die beiden Knaben lernen ihren Vater kennen.

Ardo von Schwarztannen stieg vom Pferd ab. Seine Gefolgsleute taten es ihm gleich. Knechte kamen herbeigeeilt, kümmerten sich um die Pferde, während Regen und Wind über sie hinwegpeitschten. Donner grollte markerschütternd. Wütende Blitze zuckte vom Himmel herab. Erhellten den inzwischen stockfinster gewordenen Innenhof Esenfelds. Die Männer, der Ritter zu Esenfeld allen voran, drängten in den Wehrhof hinein. Die beiden Knaben, die noch immer stocksteif unweit der Tür standen, fassten sich unbewusst an den Händen, der kleiner der Knabe drängte sich an seinen größeren Bruder. Beide hatten sie das pechschwarze Haar ihres Vaters und die weichen, tiefbraunen Augen ihrer Mutter. Hinter ihnen standen zwei junge Männer. Sie ähnelten der noch immer am Boden und im Regen liegenden Frau. Ihre Gesichter totenblass und ausdruckslos, ihre Tränen hatte der Regen verborgen. Beinahe unbemerkt, zogen sie sich zurück. Ließen ihre Hände von den Schultern der Knaben gleiten und verschwanden im Haus.

Mit festen Schritten ging der Hausherr auf die Knaben zu. Fixierte sie mit seinen harten blauen Augen. »Was steht ihr noch hier rum?«, blaffte er sie an, »Sorgt dafür, dass meine Männer etwas vernünftiges zu Essen und Trinken bekommen so lange Efferd uns zürnt.« 

Ungläubig blickten die beiden noch immer dicht aneinander gedrängten Knaben, der eine mehr als einen Kopf kleiner als der andere, zu dem Fremden auf. »Rondra«, wisperte der jüngere der beiden. Die linke Augenbrauen des Ritters zuckte steil nach oben, seine Hand schnellte nach hinten und dann auf die Wange des Knaben. Der schrie entsetzt auf, drückte sich in die Arme seines großen Bruders. Tränen schossen ihm in die Augen.

»Erhebe noch ein einziges Mal das Wort gegen deinen Vater und du liegst da draußen neben deiner Schlampe von Mutter«, drohte er mit erhobener Hand. Es war jene Hand, mit der den Knaben gerade eben geschlagen habe.

»Ja, Hoher Herr«, erwiderte der ältere der beiden, während er noch immer seinen heftig, schluchzenden Bruder in seinen Armen hielt, »Geht doch schon einmal hinein. Wir werden Euch sogleich bewirten.«

Wieder lag der harte und kalte Blick des Mannes auf den beiden Knaben. Und ohne seine Söhne eines weiteren Blickes zu würdigen, ging der Ritter zu Esenfeld an ihnen vorbei. Seine Männer folgten.

»Ich werde dich beschützen, Moribert«, wisperte der größerer Knabe dem noch immer weinenden kleineren zu als die Männer außer Hörweite waren, »Bleib einfach immer hinter mir, dann kann er dir nichts tun.« Er fuhr seinem Bruder über das kurze schwarze Haar. Die beiden trennten sich. Moribert tropfte noch immer Blut aus der Nase. Der Regen wusch es fort. »Grishelm«, wimmerte der jedoch nur erstickt, »Ist das wirklich unser Vater?« Sein Blick glitt zu der noch immer reglos im Regen liegenden Frau. Ihrer Mutter. Ihre Augen waren noch immer geöffnet. Hatten die beiden Knaben fixiert. Grishelm senkte den Blick.

Zwei Brüder

ZSF03: Der Vater hasst die Mutter der Knaben.

Der Herr zu Esenfeld blieb über Nacht, denn der Zorn Efferds - viele eher Rondras, wenn man dem leisen Wispern der Bediensteten hinter vorgehaltener Hand glaubte - verzog sich nicht so schnell. Lange grollte es bedrohlich. Der Himmel in ein giftiges dunkles Grün getaucht. Und Blitz und Blitz zuckte herab. Einer setzte sogar die große, mächtige Eiche im Innenhof Esenfels in Brand. Erst da erlaubte der Herr, die Hausherrin endlich fortzuschaffen und das auch nur, weil sie im Weg lag nicht etwa aus ... Mitleid.

Und erst als die Herrschaft schlief, war einer der Brüder der Frau aufgebrochen, um einen Geweihten der Herrin Peraine aus Hexenmühle zu holen. Indes saß der andere an ihrem Bett, hielt die reglose und kalte Hand seiner Schwester in der eigenen und musterte ihr ausdrucksloses, blasses Gesicht den Tränen nahe. Moribert krabbelte dem Mann auf seinen Schoß und schmiegte sich dicht an ihn. Den noch freien Arm legte er um den Knaben und hauchte ihm anschließend einen Kuss aufs Haar. Grishelm indes trat neben seinen Onkel an das Bett seiner Mutter.

»Ist das wirklich unser Vater?«, hob Grishelm hoffnungsvoll an, »Sag, dass er es nicht ist, Salvin. Sag es! Bitte!«

Der Mann schluckte schwer und schüttelte traurig seinen Kopf: »Er ist euer Vater.« Er nickte langsam. Gänsehaut jagte Grishelms Rücken hinab. »Ardo von Schwarztannen-Scharfenstein ist euer Vater. Und du, Grishelm, bis sein Erbe.«

»Ich will nicht, dass er mein Vater ist!«, entfuhr es dem Knaben da, »Ich will nicht sein Sohn sein. Auch nicht sein ... Erbe.«

Verständnisvoll nickte Salvin.

»Kannst du nicht unser Vater sein?«

»Nein«, nun nickte er, »Das geht nicht. Ihr seid seine Kinder. Es gibt keine Zweifel. Ihr seid sein Fleisch und Blut.«

Einige Tränen liefen dem Knaben über das Gesicht und trotzig erwiderte er: »Ich will das aber nicht. Ich will nicht, dass dieser Mann mein Vater ist. Ich will das nicht.«

»Ich weis, Grishelm, und ich verstehe dich. Sehr gut sogar.« Seit der Geburt der Knaben war Salvin, wie auch sein Zwillingsbruder Salentin, immerzu um sie gewesen. Hatten sie abends in den Schlaf gewiegt, ihnen Lieder vorgesungen, Geschichten erzählt, waren bei ihren ersten Schritten, ja bei ihren ersten Worten dabei gewesen. Sie hatten gemeinsam mit ihnen Esenfeld entdeckt. Waren in Bäume geklettert und hatten im Mühlbach geplantscht und im Wald getobt. Und wenn die Beine der Kinder zu schwer waren von den vielen Abenteuern, dann hatten sie sie nach Hause getragen. Sie waren immerzu für die Knaben da gewesen. Immer. Jederzeit.

»Hasst er uns?«, riss Grishelm seinen Onkel aus seinen Gedanken. Unruhig verlagerte der Knabe das Gewicht von einem auf das andere Bein. Einen Moment blickte der Mann auf den Knaben in seinen Armen. Der ruhige und regelmäßige Atem verriet, dass er eingeschlafen war. »Hasst er uns?«, wiederholte der ältere der Knaben.

»Nein«, versicherte der Mann sanftmütig, »Nein, er hasst euch nicht. Nicht seine Söhne. Seine Erben. Nein, gewiss nicht. Ich denke sogar...« Er hielt einen Moment inne. Wirkte angespannt. »... das er euch liebt. Auf seine... hm... eigene Art.« Salvin zog seine Augenbrauen nach oben. »Sicherlich. Er liebt euch. Da bin ich sicher.«

Doch Grishelm beruhigte das nicht: »Hasst er ... hasst er Mutter?«

Salvin konnte nicht anders, er konnte nur nicken. Und dann nach einem erschreckend langen Augenblick, in dem er schwieg und seine Schwester ernst betrachtete, hauchte er so leise, dass man es gerade so verstehen konnte: »Es war nicht immer so, Grishelm. Er war nicht immer so. Sie waren einander sehr zugetan. Ungleich, doch irgendwie glücklich. Doch dann ist Algerte etwas Schreckliches passiert. Etwas Entsetzliches.«

Gänsehaut erfasste den gesamten Körper des Knaben. So hatte er seinen Onkel noch nie sprechen hören. So voller Schmerz. Voller Grauen. Und weil Salvin nicht mehr sagte, wusste der Knabe, dass es etwas wirklich Schreckliches gewesen sein muss.

Geweihte

ZSF04: Eine Geweihte der Peraine kommt (unerwartet) nach Esenfeld.

Im Morgengrauen kam Salentin mit einer Geweihten der Herrin Peraine aus Salzungen wieder. Das Missfiel dem Hausherren zwar zu tiefst, aber er wusste sehr wohl, dass man einen Diener der Zwölfe nicht ohne weiteres abwies und so bat er sie herein: »Peraine mit Euch, Euer Hochwürden.« Demütig beugte er sein Haupt, trat zurück und ließ die Geweihte herein. »Habt Dank für Euer Kommen, auch wenn es nicht notwendig gewesen wäre, dass ihr persönlich erscheint.« 

Die ältere Geweihte nickte sanftmütig. Eine Strähne ihres kurzen, grauen Haares fiel ihr ins Gesicht. Sie strich es sich wieder zurück. »Sorgte Euch nicht, Hochgeboren. Wie ein jeder von uns, bin auch ich nur eine Dienerin und deswegen diene ich«, erwiderte sie und fügte unnötigerweise noch hinzu: »So wie auch Ihr nur ein Diener unter dem Angesicht der Götter seid.«

Ardo von Schwarztannen blickte die Geweihte schweigend und nahezu reglos an. In seinen Augen funkelte Zorn. Unangenehme Stille breitete sich aus.

»Seid doch so gut«, ergriff nun die Geweihte wieder das Wort, »und bringt mich zu eurer werten Gattin, damit ich sie mir ansehen kann.«

Der Hausherr nickte nur mürrisch, bot der Hochgeweihten seinen Arm an und schritt mit ihr voran. Und während sie miteinander gingen, wollte sie von ihm: »Ist meine gute Freundin Algerte wieder einmal gestürzt, Hochgeboren?«

»Ein bedauerlicher Unfall«, erwiderte er ihr trocken und vermied es sie anzusehen, »Wieder einmal, Hochwürden.«

»Hm«, macht die Geweihte da nur und legte die Finger ihrer freien Hand an ihr Kinn, »Meine gute Freundin ist seit damals einfach nicht mehr sie selbst.« Sie seufzte schwer und schaute betrübt drein. »Armes Kind.« Sie hielt einen Moment inne. »Phex sei Dank hat sie eure beiden Söhne an der Seite. Sie liebt sie sehr. Vor allem da...« Sie verstummte.

Der Hausherr schwieg.

»Vermutlich werdet Ihr nicht lang bleiben können, Hochgeboren?«, fuhr sie fort.

»Ich bedauere, aber Ihr habt recht«, erwiderte er ihr, »Ich bin nur gekommen um meine Söhne zu holen.«

Die Geweihte blieb abrupt stehen und schaute ihn lange, ohne ein einziges Wort zu sagen, an. Stoisch hielt er ihrem Blick stand.

»Hochwürden«, ergriff er nun das Wort, »Ich muss mich jetzt nun wirklich empfehlen. Mein Bruder erwartet mich dringend auf Burg Scharfenstein.«

»Ich verstehe«, damit löste sie sich aus seinem Arm, »Werdet Ihr beide Knaben mit Euch nehmen?«

»Sicherlich. Es ist Zeit, dass sie das Leben am Hofe kennenlernen.«

»Auch Moribert? Er scheint mir noch recht jung.«

»Beide«, entgegnete er ihr nur mit unnachgiebigen Blick, »Tut, was Eure Herrin von euch verlangt. Peraine mit Euch, Hochwürden.« Damit verabschiedete er sich.