Geschichten:In geheimer Mission Teil 5: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 25. Juli 2008, 23:18 Uhr
Die Unterredung im Rauchzimmer
Das Rauchzimmer Burg Oberhartsteens war schon vor Jahrhunderten mit dem schwerem Holz aus dem Raschtulswall getäfelt worden. Dunkel und warm stand es zu einem harmonischen Widerspruch zu dem hellen Parkettfußboden, der mit Teppichen und Ornamenten verziert war. Es stach nicht durch besondere Größe hervor, vielmehr durch seine Einrichtung. Eine Gruppe von Canapees und schweren Polstersesseln stand um einen niedrigen Ebenholztisch, auf dem höchst kunstfertige Einlegearbeiten glänzten. Felan mochte das Alter des Tischchens auf etwa 200 Jahre oder mehr einschätzen, so wie vieles andere mit dem ehrwürdigen Nimbus des Alters umgeben war. Hell brannten die Kerzen im Kronleuchter und einige Laternen warfen flackernde Muster an die Decke. Die Vorhänge des Fensters waren zugezogen mit schweren grünen Samtvorhängen, dahinter war schon die Nacht und das silberne Madamal aufgezogen.
Mit einer knappen einladenden Geste lud der Graf seinem ehemaligen Knappen in einem der Sessel Platz zu nehmen. Felan folgte der Aufforderung ohne großes Nachdenken, während Luidor zu einem Sekretär am Fenster ging und einige Schriftstücke herausholte. Mit diesen in der Hand kehrte er zu den Sesseln zurück und setzte sich neben den erwartungsvollen Schallenberger. „Ich möchte Euch bitten, einen kurzen Blick auf folgende Briefe zu werfen und mir Eure Einschätzung mitzuteilen“, Luidor reichte den Stoß Blätter an Felan. „Was haltet Ihr von diesem Angebot?“
Felan nimmt die Briefe entgegen und vertieft sich in schnellem Studium der Zeilen. Dann lehnt er sich zurück, überlegt einen kurzen Augenblick und antwortet dann. „Man sollte auf jeden Fall darauf eingehen. Doch muß ich zwiegeteilt antworten. Als jemand der seinen Sitz in der Baronie Rabensbrück hat müßte ich dem ablehnend gegenüberstehen, da es mir und unserer Baronie sicher nicht zum Vorteil gereichen würde, wenn südlich von uns diese Verbindung zustande käme und wir derenthalben ins Hintertreffen gerieten. Doch als neutral Befragter, der ich Euch sein will, müßte ich dringend dazu raten dies mit Zielstrebigkeit voranzutreiben. Es hat nicht nur den Vorteil des besseren Handelsaufkommens, sondern auch einer weiteren Unabhängigkeit aus nördlichen Gefilden von jenseits der Natter, was dem Krämer in Feidewald sicher nicht gefällt. Bedenken muß man natürlich, daß eventuelle Einfälle von Osten her somit erleichtert würden, war man militärisch gesehen von dieser Seite eher sicher, auch wenn in nicht allzu weiter Ferne dunkles Gelichter sein Zuhause hat. Dem Herrn Grafen zu Wandleth sollte wenig dagegensprechen so es doch auch ihm Ansehen und Gold verspricht und Ihr daran die Arbeit und die anfallenden Kosten hättet. Doch man kennt seit jeher das Nichtvergessen von altem Groll, den ein Zwerg pflegt. Darf ich erfahren woher der Streit und das Verbot der alten Zeit ihren Ursprung hat?“
Luidor nickte ernst. „Ich teile Eure Auffassung. Ihr sprecht die beiden interessanten Punkte an, von denen ich hoffte, sie würden Eure Aufmerksamkeit finden. Ich werde gleich darauf zu sprechen kommen. Was den Zwerg in Wandleth angeht, so wird es sicherlich von der Darstellung des Unterfangens abhängen, wie er sich verhält. Zum einen ist es natürlich eine gute Möglichkeit, den Handel innerhalb des Schlundes zu beleben. Fahrende Händler, die sonst die in dieser Zeit recht unsichere Reichsstraße III befahren, kämen von Hausen über Wandleth und Erlenstamm schneller nach Gareth, als über Rommilys und Hartsteen. Es steht zu erwarten, dass sie einiges an Gold in den Städten lassen werden, etwa zur Übernachtung oder des Wegezolls, der sich kaum von dem der Reichstraße unterscheiden würde. Andererseits steht dieses Projekt, wenn es aktiv und zielstrebig durchgeführt würde, in einiger Konkurrenz zu den jüngsten Bemühungen der GGGISG, der Garetisch-Gräfliche Graf-Ingramms-Steg Gesellschaft, an den der Graf ebenfalls einige Anteile hält. Die Eröffnung dieser Strecke würde zusätzliche Kosten verursachen, etwa beim Grenzzoll in Hausen, die Pflasterung weiter Teile der Straße von Hausen nach Wandleth, die die Baronie alleine nicht tragen kann. Ihr seht, eine leichte Veränderung der Nuance, und der Graf wird wahrscheinlicher zu der einen oder anderen Meinung neigen.“
Aufmerksam lauschte Felan Luidor und betrachtete dabei eine Karte des Landstriches zwischen Gareth, Rommilys und Perricum, um des Grafen Ausführungen zu folgen. Dabei runzelte er leicht die Stirn, als er die diffizilen Gedankengänge nachvollzog. Er nickte anerkennend, denn in so großen Bahnen hatte er zuvor nicht gedacht. Er deutete zugleich mit seinem Nicken Zustimmung zu den Erklärungen an.
Luidor fuhr fort: „Der historische Kontext der Angelegenheit und die bisherige ablehnende Haltung der Wandlether Grafen gegen diese Fähre würde ich nicht überbewerten wollen. Die Einwände stammten meist aus der Zeit, als man im Hause Hartsteen noch offen revanchistisch gegen den Schlund eingestellt war. Die Barone von Hartsteen waren zugleich sehr häufig ebenfalls Grafen von Hartsteen, und die Befürchtungen der Schlunder war zurecht, dass ein Erstarken der östlichsten Baronie die Integrität der Grafschaft bedrohen könnte. Wie Ihr ja genau wißt, liegen in der heutigen Zeit die Dinge, zu meinem Leidwesen, etwas anders. Eine stärkere Baronie Hartsteen wäre für das Machtgefüge im Schlund keine große Bedrohung, es wäre eher im Gegenteil eine Beruhigung gegen die Gefahren aus den östlichen Marken.“
„Nun ich denke zwar, wenn eure und damit die meine Sache Erfolg hatte sähe dies anders aus. Aber diese Aussicht mag dem Herrn zu Wandleth wiederum anders scheinen. Und dies kann man so herunterspielen, daß es unwichtig sein kann. Doch möchte ich bedenken, daß der Graf, um das selbige zu erreichen eher auf den Gedanken verfallen könnte bei Madramund in der Baronie Viehwiesen eine Fähre anzulegen und damit eine große Kreuzung von Straße und Wasser nach Rahja, Praios und Efferd hin zu schaffen.“, gab Felan mit einem Fingerzeig auf der Karte zu bedenken. „Damit hätten Händler aus dem Süden nach Gareth auch einen geringeren Umweg getan.“ Felan lehnte sich etwas zurück. „Und ohne respektlos erscheinen zu wollen, wäre dies Unterfangen, wie ihr es angedeutet habt, doch pekuniär sehr umfangreich und der Lohn möchte sich erst nach längerem einstellen. Wenn ausreichend Händler darauf eingehen. Deshalb kann ich nicht ganz glauben, daß ihr nur auf neue Handelswege für die Baronie Hartsteen und die Grafschaft Schlund aus seid. Denn dazu ist das Ganze etwas sehr aufwendig.“
„Ihr habt Recht, darauf will ich natürlich nicht hinaus.“ Luidor setzte sich in seinem Sessel auf. „Ruft Euch den ersten Punkt erneut ins Gedächtnis, als Ihr aus der Sicht Rabensbrück dies Unterfangen beurteiltet. Und nun überlegt, welche wirtschaftliche Bedrohung dadurch für die Baronie anfiele. Die Händler aus Perricum, dem einzigen freien Hafen im Osten, würden die Reichstraße meiden. Ebenfalls besteht die Gefahr, dass selbst Händler aus der Stadt Rommilys die Gefahren des südlichen Hartsteen mieden und einen Umweg in Kauf nähmen. Der Grenzzoll zu Hartsteen würde einbrechen, ebenfalls der Zoll über die Rabenbrücke entfiele. Von den Folgen für die aufblühende Stadt Hartsteen will ich gar nicht erst anfangen, auch wenn diese natürlich von dem fahrenden Söldnervolk abgefedert würde. Nur bringen Söldner kaum Zoll. Für Baron Alrik von Gareth stellt diese Fähre also eine nicht zu unterschätzende Gefahr dar. Wie Ihr viel besser wißt als ich, weil Ihr beinahe ein Nachbar von Baron Alriks Feste seid, verhält er sich in der Fehde mit dem Krämer neutral. Es ist dies ihm auch nicht schlecht anzurechnen, denn als Träger des Namens der Kaiserin wäre eine Stellungnahme Alriks nahezu eine Stellungnahme der Krone selbst. Obwohl das zwar zu wünschen wäre, ist die Politik des Hauses Gareth eine andere. Warum die Kaiserin sich nicht entscheiden kann, der Familie Hartsteen endlich ihre Würde zurückzugeben entzieht sich mir zwar, auch wenn ich über die Abläufe des Hofes bestens unterrichtet bin und von vielerlei Zwängen der Krone weiß.“
Felan schaut zuerst verständnislos, doch nur einen Augenblick später weiten sich seine Augen, bis er seine Mimik wieder unter Kontrolle bringt und das gehörte in seinem verstand faßbar verarbeitet. Was er vermutet zeigt ein ungeheueres Ausmaß an Planung und Voraussicht.
Der Graf neigte sich ein wenig zum Schallenberger hinüber und sprach mit leiserer Stimme: „Folgendes ist mein Plan. Baron Alrik zu Rabensrück wird niemals offen für eine der beiden Fehdeparteien eintreten, das verbietet ihm seine Nähe zum Kaiserhaus. Aber damit ist nichts darüber gesagt, ob er nicht unausgesprochen eine Seite als die Richtige wählen würde. Bedenkt, dass es eine enorme Sicherung unserer östlichen Flanke wäre, wenn Rabensbrück zum Hause Hartsteen hielte. Wir könnten all unser Augenmerk auf Hutt und Feidewald legen, auch könnten wir im Westen Hartsteens mehr Männer und Frauen unterstützen.“ Er hielt für einen Moment inne und fuhr fort: „Ich möchte Euch damit beauftragen, dass Ihr den Baron zu Rabensbrück mit einem Angebot auf unsere Seite holt. Wir verzichten auf dieses lukrative Angebot, welches ihn durchaus in Schwierigkeiten bringen könnte, wenn er dafür zu uns hält, ohne öffentlich für uns eintreten zu müssen. Ihr sollt mit Eurem Lehnsherr diesen Geheimvertrag für die Einheit von Hartsteen schließen.“
Noch einen Augenblick stumm muß der junge Ritter das Gehörte verdauen. Dann richtet er den Blick auf seinen Grafen. „Hochwohlgeboren, ihr könnt euch völlig auf mich verlassen. Es ist mir nicht nur eine Freude, sondern ein ganz besonderes Vergnügen dies für Euch in die Wege leiten zu dürfen.“ Ein geradezu begeistertes Leuchten hat seine Augen erfaßt, als er dem Grafen die Hand reicht wie zum Schwure auf sein Wort. „Doch möchte ich bedenken, daß er es auch übel als Erpressung auslegen könnte, was Praios verhindern möge. Wie weit reichen meine Befugnisse? Darf ich auch angemessene Begleichung etwaiger Ausgaben des Barons Alrik in einem gewissen Rahmen anbieten? Damit er unsere Offerte nicht allzu schmerzhaft empfindet und auch seinen direkten Vorteil sehen mag.“ Felan gedachte nicht ohne Grund sich damit mehr als nur die Rolle des einfachen Boten des Vertrages zuzuweisen. Das würde seiner Person und seinem Ansehen mehr Gewicht verleihen und später von größerem Nutzen sein.
Luidor nickte sehr ernst. „Natürlich müsst Ihr über die entsprechenden Befugnisse verfügen. Wenn Baron Alrik Geldforderungen stellt, was ich allerdings nicht erwarten würde, dann könnt Ihr ihm bis zu einem gewissen Grad nachkommen. Allerdings gibt es noch einen anderen Punkt, den Ihr ihm anbieten könnt.“ Der Graf zu der Karte von Hartsteen, die neben ihm auf dem Tischchen bereitlag. „Schaut hier. Dort ist Hausen, ziemlich genau an der Stelle, wo der Darpat unsere liebliche Natter aufnimmt. An dieser Stelle schlägt der Vogt von Neufelden die Fährverbindung vor. Und nun schaut etwas weiter nordwestlich. Dort liegt die Feste Hohenstein, die nach dem Verlassen von Ucurian von Rabenmund verwaist ist und nur von einer Rumpfbesatzung der Kaiserlichen gehalten wird. Genau im Schatten der Feste, seht Ihr diesen feinen Strich? Das ist die Rabenbrücke, die auf dem Gebiet der Traviamark liegt. Noch. Niemand hat die Grenzen der Lehen auf ewig festgezogen, die Hartsteener wissen das aus ihrer eigenen schmerzhaften Geschichte. Die Rabenbrücke war einst der Hauptverkehrsknotenpunkt im östlichen Garetien, die meisten Waren, die innerhalb des Königreiches bleiben sollten, wurden darüber transportiert. Das änderte sich mit den Reformen des schmeichelnden Randolphs, der die Rabenbrücke Darpatia einverleibte. Die Brücke ist heute in leidlichem Zustand, wir haben sie nur mit großer Not gegen Asmodeus von Andergast halten können, aber wir haben sie gehalten.“ Luidor schaute seinen ehemaligen Knappen an und versuchte herauszufinden, ob dieser seinen Gedankengang nachvollziehen konnte. Er konnte es hinter der Stirn Felans arbeiten sehen, scheinbar wagte er nicht zu denken, was Luidor im Gegenzug zur Fährverbindung einzusetzen bereit war. Mit leiser Stimme führte Luidor seinen Gedanken zu Ende: „Bietet ihm an, dass Hartsteen bei der Grenzsicherung der alten Hartsteener Grenzen von 792 BF zur Seite stehen wird, und dass Ihr als sein treuer Vasall persönlich die Sicherung der Brücke übernehmen werdet.“
Blitzschnell überschlug Felan die Möglichkeiten und Gefahren die aus diesem Schachzug ersprießen würden. Wenn er die Sicherung der Brücke übernähme wäre er mit dem Großteil seiner Kräfte dort gebunden. Anderweitige bewaffnete Aktionen müßten dann längere zeit warten. Allerdings war er so auch weiterhin in abwartender Position und weitab vom allgemeinen Geplänkel. Das war ihm nicht Unrecht, denn so konnte er seine Truppen schonen. Gleichzeitig wäre dies ein weitere Übergang außerhalb der Reichweite des Krämers von Feidewald, die die Baronie Hartsteen mit der Grafschaft Hartsteen verbinden würde, eine auch für ihn wichtige Verbindung mit seinem Rittervater und wahrem Grafen. Er nickte entschlossen. „Ich bin einverstanden. Dieses Angebot wird seine Hochgeboren Alrik von Gareth kaum ausschlagen. Überlasst es mir und meinem Verhandlungsgeschick den Baron zu überzeugen.“ Luidor antwortete mit dem leichten Anflug eines Lächelns, während seine Rechte den linken Arm des Schallenbergers ergriff. „Ich bin überzeugt das werdet ihr.
Bereits in den frühen Morgenstunde des nächsten Tages erfolgte die Abreise Felan Rondrik von Schallenbergs um den Plänen so bald wie möglich den Weg zu bereiten. Graf Luidor überließ ihm vorab vorbereitete Schriftstücke, um einen Vertrag mit dem Baron Alrik zu einem erfolgreichen Abschluß zu bringen. Voller Zuversicht im Blick ritt der Ritter samt seinem Gefolge aus dem Tore der Burg Oberhartsteen, verfolgt von dem Blick des Grafen aus einem der Fenster.
Autor: Hartsteen, S. Willamowski