Geschichten:Familienbande 1: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 10. Januar 2009, 09:44 Uhr
Burg Keilholtz
Es war ungewöhnlich still auf Burg Keilholtz an diesem kalten Firunsmorgen. Die meisten Familienmitglieder schliefen noch oder ließen sich zumindest noch nicht in den Gängen der Burg blicken. Selbst die halbwilden Jagdhunde auf dem Hof blieben in ihren Hütten und rasselten nicht wie sonst an ihren Ketten. Nur hin und wieder wurde die bedrückende Stille von einem schmerzerfüllten Schrei durchbrochen, der aus einem Fenster im Seitenflügel des düsteren Gemäuers erscholl.
In dem zu dem Fenster gehörigen Zimmer lag Berna von Keilholtz auf einem großen Bett, die Finger fest in das Laken gekrallt. Der Schweiß lief ihr über das Gesicht, ließ ihr strähniges Haar an ihrem Kopf und in ihrem vor Schmerz schiefen Gesicht kleben. Neben ihrem Bett standen zwei Mägde, die alte Olwine und ihre jüngste Tochter Hansine. Sie waren bemüht, sich ihre Panik nicht anmerken zu lassen, doch inzwischen ließ sich nicht mehr verhehlen, dass hier etwas nicht stimmte.
Längst hatten sich die Laken zwischen Bernas Beinen rot gefärbt. Doch trotzdem sie schon die ganze Nacht hindurch in den Wehen gelegen hatte, wollte das Kind einfach nicht geboren werden. Nervös sah Olwine zu dem Vorhang hinüber, der den Bereich neben der Tür in dunklen Schatten hüllte. Dort saß seit etwa einer Stunde eine Gestalt lässig in einem breiten Lehnsessel. Seine einzige Regung war ein gelegentliches Nippen am Weinglas. Langsam streckte der Mann nun seinen Arm aus und hielt Olwine ein kleines Döschen entgegen.
„Es wird Zeit, die Angelegenheit zu beschleunigen, sonst verlieren wir Beide. So lange sie lebt und er etwas zum Spielen hat, ist Quendan wenigstens beschäftigt und quält mich nicht mit seinen einfältigen Fragen.“ Unterwürfig und ängstlich griff die alte Magd nach der Schachtel, entnahm ihr ein kleines schwarzes Kügelchen und ließ dieses in einen Becher fallen. Dort hinein goss Olwine noch etwas von dem verdünnten Wein, den sie der edlen Dame bisher alle Stunde eingeflößt hatte. Mit zitternden Händen brachte sie zwischen zwei Wehen den Becher an Bernas Lippen. Diese war zu erschöpft, um noch zu verstehen, was um sie herum vorging, oder das kleine Kügelchen in dem Wein zu bemerken. Kaum hatte sie den Becher geleert, als auch schon die Wehen erneut einsetzten. Doch waren diese jetzt heftiger und schmerzvoller als zuvor.
Hansine beeilte sich, Arme und Beine ihrer Herrin an den Bettpfosten festzubinden, damit sie sich in ihren Krämpfen nicht aus dem Bett warf. Fast eine ganze weitere Stunde lang schrie Berna sich heiser, bis sie schließlich nach einem letzten Aufbäumen vom Schmerz übermannt in eine tiefe Ohnmacht fiel. Vorsichtig näherte sich Olwine wieder dem Bett. Zwischen den erschlafften Beinen Bernas lag nun ein kleines, blutverschmiertes Bündel, doch keine Bewegung war zu sehen und kein Laut war zu hören.
Auch Hansine warf einen kurzen Blick auf den totgeborenen Säugling, wich jedoch sogleich mit einem entsetzten Aufschrei an die Wand zurück. Die Alte zeichnete hingegen das Praioszeichen vor sich in die Luft, bevor sie sich ein Herz nahm, den toten Säugling notdürftig in ein Tuch wickelte und vorerst in die bereitgestellte Wiege legte. Dann ging sie zurück zu Berna von Keilholtz und löste ihre Fesseln. Erleichtert stellte sie fest, dass die junge Edle noch am Leben war, auch wenn ihr Atem in der Ohnmacht sehr flach ging.
„Euer Wohlgeboren, die edle Dame hat es überlebt.“