Geschichten:Albernische Gäste - Teil 11: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 22. März 2011, 18:16 Uhr

Wieder schloss sich eine eiskalte Hand um Lyns Herz. Solange Ra´oul die Augen geöffnet hatte konnte sie daran glauben, dass er diese Verletzung überleben würde. Doch nun? Sie spürte wie Tränen in ihr aufstiegen und sich ihren Weg über ihr Gesicht bahnten. In diesem Moment wusste sie, dass ihr Leben ohne Ra´oul keinen Sinn mehr hatte. Sie wagte kaum daran zu denken, doch schloss sie in ihren Gedanken mit sich selbst einen Pakt ab. Sollte Ra´oul diesen Tag nicht überleben, würde sie zurück nach Otterntal gehen und ohne Widerworte die zu erwartende Strafe ihres Vaters akzeptieren. Sollte er aber überleben würde sie wahrscheinlich nur noch als Gast das Haus ihres Vaters aufsuchen. Ihr Herz wurde noch schwerer als sie an ihren Vater dachte. Sie hoffte wider jede Vernunft, dass er ihr ihr Glück gönnen würde. Doch kannte sie Bedwyr zu gut, um zu wissen was ihr in Elenvina bevorstand. Sie verdrängte die Gedanken und legte sanft ihre Hand in Ra´ouls. Sie sah, wie sich seine Brust ganz schwach im Schlaf hob und senkte. Er müsste und würde es schaffen. Rondrigo sah, wie ein Lächeln einen Weg auf das tränenüberströmte Gesicht der Albernierin fand.

Die Dunkelheit war zunächst schleichend und dann zügig über das Land gekommen. Rondrigo hatte sich zu Lyn und Ra’oul gesetzt, nachdem er mühsam den Junker von Firunshöh an einen Baum gefesselt hatte. Man hatte entschieden, dass er mit nach Breitenhof kommen würde, und dort würde man sehen, was weiter mit ihm geschehen soll.

Lyn hatte ein Feuer entfachen müssen, denn Rondrigo hatte sich mit nur noch einem brauchbaren Arm etwas ungeschickt angestellt.

“Wo bleiben sie nur?” flüsterte Lyn traurig. Ra’oul hatte das Bewusstsein nicht wieder erlangt, aber noch hatte Tsas Hauch ihn nicht verlassen.

“Sie werden schon kommen,” flüsterte Rondrigo. “Ich weiß nicht ob es klug war ein Feuer zu machen. Linea und Cyberian werden uns sicher so schneller finden, aber in dieser Gegend Greifenfurts lockt man mitunter auch Gesindel oder Schlimmeres an.”

Rondrigo war in das nahe gelegene Dorf geritten, doch auch dort hatte man keinen rechten Medicus vor Ort. Immerhin hatte er frische Verbände und einige Kräuter bekommen.

“Wie kommt es eigentlich, dass dieser Junker so von Hass erfüllt war?”

Der Junker von Breitenhof lächelte gequält. “Wir liegen seit einiger Zeit im Streit mit seinem Dienstherrn. Die Pulethaner glauben, dass er für das Attentat von Breitenhof vor eineinhalb Götterläufen verantwortlich ist. Das war damals ganz schön knapp gewesen. Ein Haufen Mietlinge hatte uns auf der Jagd einen Hinterhalt gelegt und dann überfallen.”

“Und werdet ihr den Pfalzgrafen zur Strecke bringen?” Lyn rieb sich die Hände und zog ihren Mantel enger um ihren Leib.

“Ich glaube schon.” Bei diesen Worten klang er wenig begeistert.

“Diese Aussicht scheint Euch nicht zu erfreuen,” bohrte Lyn nach, während sie wiederum einen kurzen Blick auf den schlafenden Ra’oul warf, um sicher zu sein, dass sich sein Zustand nicht verschlechtert hatte.

“Meine Bundesbrüder sind sicher den Schuldigen in Graf Bernhelm von Wetterfels gefunden zu haben, aber ich bin mir nicht so sicher. Wie dem auch sein. Er hat eine Grenze überschritten und nun gibt es kein Zurück mehr.

Er überfiel vor einem Mond Eslams Familie auf der Reise. Im Zweikampf erschlug er einen Sohn Eslams und im Laufe des Gefechts kam auch die Mutter des Barons von Brendiltal ums Leben. Jetzt ist es beinahe bedeutungslos geworden, ob er wirklich an dem Attentat Schuld trägt.”

Lyn hört aufmerksam zu. Sie hatte nicht gewusst, dass Ra’ouls Großmutter und einer seiner Brüder erst kürzlich zu Tode gekommen waren. “Es sind in der Tat stürmische Zeiten,” gab die Albernierin zu bedenken.

“Allerdings,” lachte Rondrigo etwas aufgeheitert. “Hätte man mir von einem Mond erzählt ich würde mein Leben riskieren, um einer Alberniern den Hals zu retten, dann hätte ich den Überbringer dieser Botschaft in hohem Bogen aus meinem Haus geworfen!”

Sein Blick fiel auf den Schild, der das Wappen von Breitenhof trug, zwei weiße Tannen, getrennt von einem weißen Fluss auf blauem Grund. Das Loch, wo der Spieß hindurch gedrungen war, hatte den Schild nutzlos gemacht.

“Glaubt mir, hätte mir jemand nach dem Reichskongress im letzten Götterlauf erzählt, dass ich einmal mit einem Pulethaner am Feuer sitze und hoffe, dass Eslams Sohn die Nacht übersteht, auch ich hätte dem keinen Glauben geschenkt. Und doch sitze ich heute hier. Es ist schon seltsam. Vor lauter Politik und Machtgerangel erkennt man heute oft die inneren Werte der Menschen nicht mehr”

Wieder schaute Lyn sorgenvoll zu Ra´oul. Hoffentlich schaffte Linea es rechtzeitig zurück zukommen. “Noch einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass ihr mich so traviagefällig in Eurem Heim aufgenommen habt. Nicht nur so, wie es die Gebote der Göttin gebieten, zudem auch noch so herzlich. Und das ist nun einmal bei den doch arg gespanntem Verhältnis, was für gewöhnlich zwischen Alberniern und Pulethanern herscht, keine Selbstverständlichkeit Doch fürchte ich, das meine albernischen Landsmänner, insbesondere mein Vater nicht sehr erbaut darüber sein werden, wenn sie erfahren, wo ich die letzten Monde gesteckt habe. Ihr wisst wie es ist, die Heimat zu vermissen, vielleicht könnt ihr mich verstehen. Ich vermisse Albernia sehr, doch glaube ich kaum das ich mit offenen Armen zu Hause empfangen werde. Ihr kennt meinen Vater ja. Ich liebe ihn sehr, doch habe ich ihn bitter enttäuscht. Ich glaube kaum, dass er mir je verzeihen wird. Und die schwerste Entscheidung liegt noch vor mir.” Bei den letzten Worten klang ihre Stimme traurig. Sie hielt immer noch Ra´ouls Hand in der ihren und strich ihm abwesend übers Haar. Rondrigo sah Wehmut in ihrem Gesichtzügen, aber auch eine feste Entschlossenheit.

“Ach Rondrigo, ich hoffe so sehr, dass er die Verletzungen übersteht. Und doch kenne ich ihn kaum. Ich hoffe doch, dass wir noch eine Chance bekommen, dies zu ändern ... “

Wieder sah Lyn in die Richtung aus der Linea und Cyberian kommen mussten. Angestregt lauschte sie nach dem Klang von Pferdehufen, doch sie hörte nichts außer dem Wind, der sich in den Bäumen fing.


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