Geschichten:Ein neuer Akteur betritt die Bühne: Unterschied zwischen den Versionen

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Rahjadan (D | B)
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Version vom 2. Oktober 2009, 20:05 Uhr

Junkergut Schwarzenfels. Peraine 1032 BF


Sein neuer Major Domus sass ihm mit versteinerter Mine gegenüber. Lediglich das leichte Zucken seiner Mundwinkel verriet dessen Erheiterung. Rahjadan gab ein äusserst bemitleidenswertes Bild ab. Er hatte sich während der ganzen Kutschenfahrt übergeben müssen. Schon längst hatte er seinen Mageninhalt an die örtliche Flora verteilt. Die hochkommende Galle brannte wie Feuer in seinem Rachen. Rahjadan wusste genau, was im Major Domus vor sich ging. Mit halb zugekniffenen Augen starrte er ihn an. Ja, lach du nur, dachte sich Rahjadan. Es muss ja äusserst amüsant für einen deines niederen Standes sein, einen Adligen kotzen zu sehen. Doch deine Unverschämtheit werde ich dir eines Tages aus dem Leib prügeln.

Noch etliche Stundenglässer hielt das Gerüttel der Kutsche an, bis sie endlich in der Baronie Nettersquell eintrafen. Gespannt beäugte Rahjadan aus dem kleinen Fenster heraus die Landschaft. Die goldenen Weizenfelder wogten sanft im Wind, schwarz gescheckte Milchkühe weideten auf den saftig grünen Wiesen, die pralle Blätterpracht der Obstbäume verhiess für den Herbst eine reiche Ernte. Die Menschen auf den Feldern winkten freundlich zu, und in den Weilern rannten die Kinder der Kutsche kreischend nach, in der Hoffnung, einen Blick auf den hohen Herrn erhaschen zu können. Mit einem gequälten Lächeln und mit einer kurzen Handbewegung nahm Rahjadan die Huldigungen der Bauersleute entgegen. Dies musste das Paradies sein, dachte sich Rahjadan, der die letzten Jahre die engen, stinkenden Gassen Gareths nicht mehr verlassen hatte.

«So, edle Herr, mir sind im Guet Schwarzefels iitroffe», tönte es in breitem Schlunder Dialekt vom Kutschbock herab. Endlich, dachte sich Rahjadan, nichts wie raus aus der Kutsche und wieder festen Boden unter die Füsse kriegen. Behände, die warnenden Worte des Major Domus ignorierend, riss Rahjadan die Tür auf und schwang sich ins Freie. Mit einem lauten Platschen landete Rahjadan in einer tiefen Pfütze. Schienbeintief steckte er im Morast, die eben neu gekauften, der neusten Mode aus Vinsalt entsprechenden Schnallenschuhe waren nicht mehr zu sehen. Wutentbrannt und seine Schuhe im Morast zurücklassend befreite sich Rahjadan aus der misslichen Lage, und stampfte auf seinen ehemals weissen Strümpfen dem Kutscher entgegen. «Was seid ihr für ein Trottel, dass ihr die Kutsche vor einem Drecksloch zum Halten bringt. Wollt ihr aus mir einen Narren machen?» Danach folgte eine Tirade mit den wüsteten Schimpfwörtern, die selbst einem gestanden Ferdoker Fuhrmann die Schamesröte ins Gesicht getrieben hätte.

Erst ein leises, in seinem Rücken gesprochenes: «Du, Muetter, haut jetzt de bösi Maa euis allne d’Chöpf ab?» liess Rahjadan innehalten. Ruckartig drehte er sich um und schaute in gut sechzig weit aufgerissene Münder und Augen. Artig und in ihre Praiostracht gekleidet hatten sich sämtliche Einwohnerinnen und Einwohner des Junkerguts aufgestellt, um den neuen Herrn willkommen zu heissen. Die Kinder hatten extra kleine Fähnchen gebastelt, doch nur noch eines schwenkte mit stakkatoartigen Bewegungen den Stecken, während viele andere aus Angst ihr Gesicht in den Schoss der Mutter vergraben hatten.

Sogleich straffte Rahjadan das Rückgrat und räusperte sich. «Ähm», entfuhr es ihm sichtlich peinlich berührt, «ich danke der Bevölkerung von Schwarzenfels für den Travia gefälligen Empfang. Es wird genügend Zeit geben, dass sich jede und jeder von ihnen bei mir persönlich vorstellen kann. Der Major Domus wird mit entsprechenden Aufgeboten an sie herantreten. Die Reise war lang und beschwerlich, ich bitte mich deshalb zu entschuldigen, ich ziehe mich in meine Gemächer zurück.» Mit einer kurzen Geste liess er die Anwesenden wissen, dass sie sich nun zurückziehen konnten. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Guts hatten es sichtbar eilig, den Ort des Geschehens verlassen zu können. Ein kleines Mädchen drehte sich nochmals zu Rahjadan um, wurde jedoch von seiner Mutter unsanft an der Hand mitgerissen. «Aber, Muetter, was mach’ich jetzt mit’em Bluemestruuss?» «Pscht, Hanneli, mir gönd jetzt.»

Nach kurzer Zeit standen nur noch der Major Domus mit einer Bastmatte in der Hand, der Kutscher und die Dienstmagd um Rahjadan herum. «Ich wollte euch noch warnen, edler Herr, dass hier auf der künstlich geschaffenen Insel der Untergrund sehr morastig ist.» brach der Major Domus das Schweigen. «Ich hätte doch die Matte für euch ausgelegt, damit ihr trockenen Fusses aus der Kutsche hättet aussteigen können.» Der Unterton seiner Stimme klang etwas vorwurfsvoll. Der Kutscher hatte inzwischen die Schuhe aus dem Morast ausgegraben und begann sie mit seinem Ärmel abzuwischen. «Ach lasst das», herrschte ihn Rahjadan an, «die Schuhe sind nicht mehr zu gebrauchen, nachdem sie so durchnässt wurden. Ab jetzt werde ich nur noch hohe Stiefel tragen. Der Vorfall wird mir eine Lehre sein. Bringt das Gepäck in meine Gemächer. Ausserdem möchte ich etwas essen.» Rahjadan stapfte, immer noch nur mit Strümpfen an den Füssen, Richtung künftiges Wohnhaus davon.

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