Geschichten:Schöner Fremder – Der Morgen danach: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 22. März 2011, 18:34 Uhr

Dramatis Personae:


Anshelm rieb sich verschlafen die Augen und merkte augenblicklich, dass er nicht in seiner gewohnten Umgebung in Perricum war. Die Wände der Pension in der er üblicherweise nächtigte waren dunkel und der Raum winzig, ganz anders als hier. Noch dazu merkte er jetzt, wie etwas quer über seinem Rücken lag, seine Atmung beschleunigte sich kurz, und er versuchte sich mit aufgerissenen Augen im Halbdunkel zu orientieren. Ein sehr annehmliches Zimmer konnte er aus seiner Lage aus machen, Vorhänge verhinderten den Blick nach draußen. Als er endlich zwei Kleiderhaufen auf dem Boden wahr nahm, entspannte er sich fast augenblicklich wieder, und die Erinnerung an die vergangene Nacht sickerte in sein Hirn zurück.

Vorsichtig versuchte er sich unter dem Arm des Mannes hindurch herum zu drehen, damit er Edorian ansehen konnte. Wie alt er wohl war? Er strich ihm eine Strähne aus dem Gesicht um ihn besser einschätzen zu können. Die markanten Gesichtszüge, die Anshelm schon beim ersten Aufeinandertreffen der beiden bewundert hatte, entzogen sich einer genaueren Altersbestimmung. Schlussendlich schätzte er ihn auf Anfang 30.

Während der Mistelsteiner Edorian noch verträumt anschaute, riss dieser wie aus dem Nichts die Augen auf. Er wirkte etwas orientierungslos, beruhigte sich aber als er Anshelm sah. „Guten Morgen schöner Mann, gut geschlafen?“ begrüßte Anshelm ihn lächelnd. „Guten Morgen....ich...ich denke ich habe wohl einen Alptraum gehabt...“ Fragend legte sich Anshelms Stirn in Falten. Meinte er mit dem Albtraum etwa das Geschehene zwischen den beiden Männern? Edorian registrierte Anshelms Verwunderung und beschwichtigte, „Ich meine natürlich nicht unser Zusammentreffen, das war wunderschön!“ Er lächelte den Ritter liebevoll an und Anshelms Gesichtszüge entspannten sich wieder. „Mich plagen zur Zeit recht häufig Alpträume...aber lass uns von etwas schönerem reden! Ich habe einen riesigen Hunger“ Edorian sprang voller Tatendrang aus dem Bett und suchte seine Sachen zusammen. „Ich kenne ein sehr schönes Gasthaus mit Blick auf den Darpat, wäre dir das genehm?“ Edorian nickte eifrig. Anshelm reckte sich noch einmal genüsslich, bevor auch er, deutlich bedächtiger als sein Gefährte, aus dem Bett kam. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte man hier noch in aller Ruhe den Rest des Mittags verbringen können, aber der schlechte Traum schien Edorian förmlich aus dem Zimmer zu treiben. Vielleicht würde sich am Nachmittag ja noch einmal eine Gelegenheit ergeben?!

Die beiden Männer zogen sich an und verließen das Hotel „Kaiser Reto“, in dem Edorian ein Zimmer gebucht hatte, in Richtung Darpat. Die Sonne stand schon hoch am Himmel und es war angenehm warm.

Anshelm führte die beiden vorbei am Rahja Tempel, entlang einer für hiesigen Verhältnisse sehr sauberen und feinen Straße, bis sie am Kontor des Hauses Stoerrebrand angelangten, dort bogen sie direkt in Richtung Gewässer ab, folgten einigen Pilgern in Richtung des Tempel des Stadtgottes Efferd, bevor sie schließlich durch die Korallengärten am Hafen angelangten, wo Anshelm eine Treppe erklomm, die auf ein Dach einer Behausung führte. Dass es sich hier um ein Gasthaus handelte war so nicht zu erkennen gewesen, doch der Mistelsteiner schien sich auszukennen. Er streckte den Kopf in eine Tür hinein, und rief „Kundschaft…!“ Töpfe klirren und ein mürrisches Gebrummel zeigten, dass man sie gehört hatte. Anshelm ließ sich nicht beirren und lehnte sich an die Ballustrade an, während er wartete. Er hatte Edorian nicht bedrängt zu sprechen, schließlich kannte er ihn kaum, und welches Recht hatte er schon diesen Mann zu bedrängen ihm zu erzählen was ihn bedrückte. Statt dessen begnügte er sich damit den Tag zu genießen und sich in Geduld zu üben.

Ein Wirt, der eher wie ein Seemann, als ein Koch aussah trat schließlich schnaufend zu ihnen hinzu, nachdem er sich die Treppen hoch gequält hatte. Er rang sich jedoch ein Grinsen ab, als er die beiden hohen Herrschaften sah. „Seid gegrüßt Wohlgeboren, was darf ich euch bringen? Steht euch der Sinn eher nach etwas Herzhaftem oder etwas Süßem? Und was möchtet ihr trinken?“ Derweil hatte er eilfertig schon den Tisch abgewischt und selbst einen Blick auf die Schiffe im Hafen geworfen. Das Blau seinen Augen schien kurz zu blitzen als er dies tat.

Die beiden jungen Männer setzen sich, Edorian bestellte etwas Herzhaftes, Anshelm etwas Süßes. Dem Waldsteiner gefiel die maritime Atmosphäre, erinnerte ihn dies doch an seine Zeit in Brabak, er kannte dort auch ein Gasthaus mit Blick aufs Meer, dort war er oft mit IHM gewesen..... Edorian fragte sich, ob er seinem Gegenüber sein komisches Verhalten vom heutigen Morgen erklären sollte, einerseits kannte er Anshelm noch nicht sehr lange, aber andererseits war er ihm schon seltsam vertraut.

Das Essen verlief recht kurzweilig, Edorian bat Anshelm mehr über sein Leben auf dem heimischen Gut zu erzählen und von seiner Familie, was dieser bereitwillig tat.

So erfuhr er, dass Anshelm als Drittgeborener kaum damit gerechnet hatte in die Verlegenheit zu kommen das Rittergut einst übernehmen zu dürfen, und sich daher nie ernsthaft mit ihm auseinandergesetzt hatte. Edorian reagierte seltsam verschlossen darauf, als er davon berichtete, dass seine beiden Geschwister unerwartet früh gestorben seien. Schnell änderte der Mistelsteiner wieder das Thema, konnte er die Bekümmertheit in Edorians Zügen doch deutlich wahr nehmen. Daher berichtete er davon wie er sich stattdessen nach der Pagen und Knappenzeit den schönen Künsten gewidmet hatte. Mit Schilderungen zu seinem Vater geizte er nicht, konnte er ihn doch gut nachmachen, und entlockte so dem Adligen wieder ein Lächeln als er den tobenden Olblodor von Mistelstein imitierte.

Er erzählte ihm, dass dieser mit seinem Sohn am Hadern sei, da dieser die Dinge eben anders anpackte als der Vater und seine älteren Geschwister zuvor.

Nach dem Essen, die beiden schlenderten durch die Korallengärten am Hafen entlang, fasste sich Edorian ein Herz. „Ich muss mich für meine Hastigkeit heute Morgen bei dir entschuldigen“, fing er etwas kleinlaut an, „es ist nur so... ich träume nahezu jede Nacht den selben Traum und danach hält mich nichts mehr im Bett.“ Anshelm hörte geduldig zu und war innerlich froh dass sich Edorian ihm nun anvertrauen würde. Edorian fing an zu erzählen: „Ich stehe im Reichsforst, an meiner Seite befinden sich meine verstorbene Gemahlin Liriella und mein Gefährte Lasandriel und wir sind auf dem Weg nach Hause. Wir lachen und scherzen, waren wir doch auf der Jagd und Firun ist uns hold gewesen. Auf einmal verzerren sich die Gesichter der beiden zu schrecklichen Fratzen“, sein heiterer Blick verkam augenblicklich zu einem leeren starren, „sie lachen hämisch und ich merke...dass sie untot sind und verfaulen.... wir gehen weiter, nach und nach kommen alle meine Familienmitglieder, meine Mutter, meiner Großmutter, ja selbst meine Kinder nach und nach aus dem Wald, sie alle sind wandelnde Tote, als ich mit der Untotenschar im heimatlichen Dorf angekommen bin, ist es nicht mehr da.... es wurde vom Wald verschluckt. Als ich dann zu mir herabblicke.... sehe ich, dass auch ich nur noch eine wandelnde Leiche bin....“ Edorian blickte nun wieder zu Anshelm. „Ich träume diesen Traum schon seit mehreren Monden... fast jede Nacht. Ich habe Angst das er in Erfüllung gehen wird, meine Gemahlin starb von 7 Götterläufen.... aber nun ist auch mein Gefährte Lasandriel kurzlich zu Boron gefahren, und nicht zu vergessen mein Großvater. Ich war 12 Götterläufe nicht mehr in Waldstein, ich muss zurück und die Dinge ordnen....irgendetwas stimmt mit dem Wald nicht.... daher habe ich meine Stellung in Brabak aufgegeben.“

„Bei den Zwölfen…!“ Anshelm konnte nicht umhin ein Schutzzeichen zu machen bevor er Edorian in eine Nische in der Hecke zog, in der eine kleine Laube war. Derzeit zwar nur spärlich belaubt, aber immerhin abseits der Wege. Er fasste ihn fest bei den Schultern und blickte ihm in die Augen.

„Warst du schon bei den Boronis? Sie können derartige Träume deuten. Ich meine deine Gemahlin und auch dein…Gefährte sie sind doch ordentlich beerdigt worden, oder? In geweihter Erde! Da kannst du unbesorgt sein, kein Zauber vermag derart Göttliches zu brechen, sei ganz beruhigt.“

„Sie wurden beide mit allen Segen beerdigt und ich habe darüber auch mit einigen Boronis gespochen.....“

Anshelms Sorge galt in erster Linie seinem Gegenüber die momentane Angst zu nehmen, bevor er weiter in ihn dringen wollte und mehr in Erfahrung bringen musste.

„Was deine Heimat angeht, kann ich deine Sorge verstehen. Wo sind sie denn gestorben? An deiner Seite oder in der Heimat fern von dir? Vielleicht ist es auch nur dein Kummer, dass du die deinen schutzlos zurück ließest…?“

„Meine Gemahlin ist im Kindbett gestorben und ich war in der Tat nicht bei ihr, mein Gefährte starb auf einer Expedition in den Regenwald in meinen Armen... kurz danach fingen die Träume an... Ich denke in meinem Traum geht es nicht so sehr um die Angst, meine mir Lieben würden als Untote wiederkehren... sondern vielmehr um die Vernichtung meiner Familie. Und all das scheint mit dem Reichsforst zusammen zuhängen. So meinte das jedenfalls ein Boroni aus Al´Anfa....“Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Meine Großmutter hat mir mehrere Briefe geschickt indem sie mir berichtete wie sich der Wald verändert, er hört nicht auf zu wachsen. Mein Lehnsherr gilt bereits als verschollen... Ich muss dem auf den Grund gehen, allein um den Schutz meiner Lieben Willen.“ Edorians Stimme klang nun voller Tatendrang.

Beruhigt ließ Anshelm ihn wieder los und wischte sich eine Locke aus der Stirn. „Gut, das sehe ich ganz genau so.“ Er nickte ihm verstehend zu, begann allerdings unruhig auf und ab zu laufen.

„…allerdings solltest du dich zuvor wappnen, kundig machen und dich der Hilfe deiner Nachbarn versichern! Ich kenne sehr zu meinem Leidwesen die Region aus der du stammst nicht, doch es hört sich so an, als ob man dem, was aus dem Wald kommt nicht allein und vor allem nicht mit dem Schwert bekommen könnte. Bei uns gibt es auch ein Holz, das Trollholz, dem man besser fern bleiben sollte. Unversehens hub Anshelm eine Weise an, und trug sie leise vor.

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(Sie handelte von einem Forst, mit verborgenem Leben, dass fehlgeleitete Wanderer nur verwirrt wieder hinaus ließ, wenn überhaupt.)

Edorian genoss die Anshelms Vortrag sichtlich: „Du hast wahrlich Talent mein Lieber!“ Er schaute den Mistelsteiner tief in die Augen: „ Und ja, ich werde gewappnet sein, ich kenne mich in den heimischen Wäldern aus, sie waren nicht immer bedrohlich, sondern friedlich und lebensspendend. Und das ist wohl der Unterschied zum Trollholz... Aber lass uns nicht um Sachen unsere Gedanken vergeuden, an denen wir in diesem Moment nichts ändern können, lass uns unsere gemeinsame Zeit genießen!“ Edorian zog Anshelm aus der Heckennische. „Wonach ist dir jetzt? Du versprachst mir eine Kostprobe eures Weines.“ Edorian grinste.

Überrascht über diesen abrupten Sinneswandel ließ Anshelm sich mit ziehen. „Gut, dann holen wir eben einen Schlauch davon und suchen uns einen schönen Ort den Tropfen zu genießen. Ich bin ja der Meinung, dass das Kaiser Reto ein geeigneter Platz wäre…so viel Luxus bin ich nicht gewohnt.“

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