Geschichten:Neues aus Breitenhof - Teil 1: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 29. März 2011, 09:10 Uhr

Die schweren Hufe der Rösser donnerten dumpf über den von zahllosen braunen und roten Blättern überschwemmten Waldboden. Es hatte die letzten Tage viel geregnet; die Luft war klamm und kühl. Heiße Wolken stiegen aus den aufgeblähten Nüstern der Pferde, die sich stampfend ihren Weg durch das aufgeweichte Unterholz brachen. Keuchend sogen die Tiere die eiskalte Luft ein und stießen sie in wildem Keuchen wieder aus.

Ein niedrig hängender schmaler Ast schlug dem seinem Ziel hinterher preschenden Junker hart ins Gesicht und zog einen blutigen Kratzer über die Wange des jungen Mannes. Mit einem unterdrückten Zischen quittierte der Ritter den auflodernden Schmerz, verlor sein Ziel aber dennoch nicht aus den Augen.

"Da vorne Herr!" Die Stimme Dorians klang fern und außer Atem, obwohl der Knappe mit seinem Pferd nur wenige Schritte hinter seinem Herrn war. Geschickt lenkte der Junker sein Reittier um einen kleinen brackigen Teich und mit einem kurzen Satz über einen vor langer Zeit umgestürzten und von dunkelgrünem Moos bewachsenen Baumstumpf. Das Pferd rutschte leicht mit den Hinterläufen ab, doch Rondrigo korrigierte die Haltung des Tiers sofort mit festem Schenkeldruck.

"Bleibt stehen, Gesindel!" Die markante Stimme des Junkers gellte laut durch den von hellen Schlieren grauen Morgennebels durchzogenen Forst. Ihm war durchaus bewusst, dass die beiden Männer auf keinen Fall aufgeben würden. Zu schwer war die Strafe die sie erwartete. Flink huschten die Flüchtenden durchs Unterholz und versuchten ihren Vorsprung wieder auszubauen. Sie kannten sich offenbar in diesem Teil des Waldes nicht besonders gut aus, denn sie rannten auf eine kleine Talsenke zu, in welcher sich der Wald für einige hundert Schritte lichtete.

Rondrigo von Ahrenstedt, sein Knappe Dorian und der Wildhüter des Barons gaben ihren Pferden noch einmal die Sporen. Schnell schlossen sie zu den verzweifelt fliehenden Männern auf. In halsbrecherischem Tempo eilten sich die verängstigten Männer den Hang hinunter zur Lichtung. Kaum hatten sie die erste Schritte über das nasse, knöchelhohe Gras getan, da hatte Rondrigo den ersten Mann eingeholt.

Mit einem harten Faustschlag von oben brachte der Junker den Fliehenden zum Straucheln und schließlich zum Stürzen. Einen heiseren Schrei ausstoßend, krachte der Getroffene zu Boden und rollte einige Schritte zur Seite.

Nur wenige Herzschläge später waren Dorian und Meister Grimmwulf heran. Ohne weitere Worte sprang der ohnehin stets mürrische und schweigsame Wildhüter von seinem Pferd und fesselte den am Boden liegenden mit einem Seil, das der Knappe ihm behände reichte. Grimmwulf kniete sich hart auf den Rücken des völlig verlumpten Mannes am Boden und duldete keine Gegenwehr.

Mit einem bangen Blick über die Schulter erkannte der zweite Flüchtling, wie aussichtslos sein Lage war. Er hielt an und drehte sich dem heranjagenden Junker zu. Auf dem schmutzigen bärtigen Gesicht spiegelte sich verzweifelte Entschlossenheit. Mit einem Griff an den speckigen Gürtel brachte der zerlumpte Mann ein Messer zum Vorschein. Rondrigo zügelte sein Pferd und hielt in einem Schritt Abstand von dem nunmehr bewaffneten Flüchtling an.

"Weg mit dem Messer, Bursche!" Zögernd wich der Angesprochene einen halben Schritt zurück, dass Messer immer noch hoch erhoben. Das Schlachtross des Junkers schnaubte mürrisch und stampfte missmutig mit den Hufen, als der Ritter sich im Sattel aufrichtete. "Wen willst du mit diesem Brotmesser ängstigen?" Die Stimme des Adeligen klang herablassend und spöttisch.

Mit einem leisen Ächzen hievte er sich aus dem Sattel und stieg ab. Völlig verunsichert, wich der einfache Mann weiter zurück. Langsam war der Junker mehr als verärgert. "Her mit dem Messer, sage ich!" Mit einem beherzten Schritt trat er heran und wollte den Strauchdieb entwaffnen, doch dieser stieß hastig mit dem Messer zu. Die kurze Klinge schnitt mühelos durch den grünschwarzen Wappenrock des Edelmannes und traf dann klirrend auf den Kettenpanzer, den der Junker trug.

Scheinbar bestürzt über seinen überhasteten Zug drehte der Angreifer sich um und wollte erneut fliehen, doch die vom Zorn beflügelten Arme Rondrigos packten den Mann und rissen ihn hart zu Boden. "Wie kannst Du es wagen?", zischte der Junker aufgebracht. Wut brandete durch die Adern des jungen Edelmannes und völlig außer sich versetzte er dem Unterlegenen einige brutale Fußtritte. Die schweren Reiterstiefel gruben sich tief in den Leib des am Boden Liegenden, der sich nun winselnd am Boden wand. Das Bild eines würdelosen, dreckigen, vor Schmerzen jammernden Opfers fachte den Zorn des Adeligen noch weiter an. "Du erbärmliches Stück Abschaum!" Mit einem kräftigen Ruck packte Rondrigo sein Schwert und riss es aus der Scheide. Doch dann hielt er inne. Angsterfüllt starrte das geschundene Opfer auf die silbrig glänzende blanke Klinge.

Der Junker beruhigte sich langsam und fixierte den Unterlegenen mit eiskaltem Blick. „Dieses Schwert wurde mir verliehen um damit in ritterlichem Kampf zu streiten und um den Mantel der Ehre über meine Taten zu legen. Ein Bastard wie du ist es nicht wert, dass ich das Schwert meines Vaters gegen ihn erhebe.“

Zitternd rollte sich der Verletzte zusammen und wimmerte leise vor sich hin.

„Gnade“, kam leise ein einziges Wort über die Lippen des geschundenen Mannes. Die Stimme des Junkers verblasste zu einem gespenstischen Flüstern: „Wer in den Wäldern des Barons von Gallstein wildert hat nicht das Recht um Gnade zu bitten. Schweig und nimm dein Schicksal hin wie ein Mann. Du hast es dir selbst zugedacht.“ Rondrigo steckte das Schwert wieder weg, drehte sich um und schritt zu seinem Ross, während der Wildhüter den gefesselten Wilddieb auf sein eigenes Pferd lud.

Dorian reckte sich im Sattel und rief: „Herr, was ist mit diesem da? Schließlich hat er Euch angegriffen. Soll ich ihn binden?“ Rondrigo blickte kurz zurück und vernahm aus der Nähe das Gebell von Hunden. „Nein. Wir lassen ihn hier.“ Er schwang sich auf sein Pferd und gallopierte zum Waldrand.

Kaum hatte er die ersten Bäume passiert traf er auf die beiden Treiber mit den Bluthunden. Prächtige Tiere. Rondrigo hatte die drei Winhaller Wolfsjäger von klein auf groß gezogen und mittlerweile waren sie ausgewachsen.

Die beiden fast schon erschöpften Männer hielten die Hunde an den schweren Lederleinen. Sie verneigten sich knapp und der ältere von ihnen sprach den Junker an: „Herr, habt ihr die Wilderer gefangen?“ Rondrigo zog eine Augenbraue nach oben. „Mehr oder weniger. Lasst die Hunde los.“ Die Männer blickten sich kurz fragend an und folgten dann dem Befehl ihres Herrn.

„Jetzt wird aus den Jägern selbst die Beute.“ Der Junker richtete sich im Sattel auf und rief zu seinem Tieren: „Skar, Ulthor, Indrar! Holt euch die Beute! Los!“ Mit lautem Knurren und gebleckten Zähnen sprangen die Hunde los und stürzten sich den Hang hinunter.

Noch lange Augenblicke später hallte das tiefe bösartige Knurren der Hunde und das verzweifelte, schmerzerfüllte Geschrei eines dem Tode geweihten Opfers durch die klamme Abgeschiedenheit des immer noch in schlierigem Nebel liegenden Waldes...


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