Geschichten:Ingerimmsglöckchen: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 29. März 2011, 09:51 Uhr
Die laue Frühlingsbrise strich sanft durch den Garten der Staatscantzley und trug das Zwitschern der Spatzen mit sich, deren Sang die untergehende Praiosscheibe verabschiedete. Im rotgoldenen Ornat wandelte Garetiens Staatsrat über die Platten aus Schlunder Schiefer, die in den wohlgestutzten Rasen eingelassen waren; an seiner Seite zur linken Burggraf Ardo vom Eberstamm von Ochsenblut, zur Rechten Halva Selissa von Hartsteen-Rothermund, ebenfalls im rotgoldenen Ornat der Praioskirche. In einigem Abstand wieselte Gsevino vom Prutzenbogen hinter den dreien her, seinen Schreibkasten und allerlei Plunder mit sich schleppend.
»Hmmm«, atmete Praiodan vernehmlich den Duft der Ingerimmsglöckchen ein, die nun am Abend den Gestank der Stadt übertrumpfen konnten, weil jene sich endlich zur Ruhe begab.
»Hmmmm«, brummte auch Ardo von Eberstamm, als er den Finger aus dem linken Nasenloch zog und ihn nach eingehender Begutachtung über seinen Wappenrock wetzte.
»Hmmm«, räusperte sich Halva Selissa, strich sich die blonde Strähne aus der Stirn und wandte sich an den Staasrat: »Pra ... Hochwürden, wolltet Ihr nicht mir Dom Ardo und mir über die Insignien des Königreichs sprechen?«
»Doch doch, Euer Gnaden«, antwortete Praiodan versonnen, »das wollte ich. Aber seit jenen Ereignissen in Puleth sehe ich manche Dinge mit anderen Augen. Plötzlich kann ich Freude daran empfinden, einfach nur zu atmen, nachdem der Fürst der Götter mir in seinem Ratschluß meine eigene Sterblichkeit vor Augen geführt hat. Seht, der Duft dieser Blumen ... die Dom Ardo gerade mit seinem Stiefel zertritt! ...« – »’tschuldigung.« – »Jedenfalls wollte ich diesen Augenblick noch ein wenig genießen.« Der Staatsrat hielt inne, seufzte leise (ein Laut, den er erst wieder hatte üben müssen) und gab sich dann einen Ruck. »Aber Ihr habt Recht, Euer Gnaden. Es gibt noch etwas zu besprechen!« Nun setzte er sich wieder in Bewegung, in eben jenem schnellen Gang, den seine Tatkraft hervorrief und den sein Umfeld von ihm gewohnt war. Er steuerte jene Gruppe von kunstvoll behauenen Steinen an, die aussahen wie zurechtgesägte Baumstümpfe, auf denen er mit ausgewählten Burggrafen zu picknicken pflegte, wenn das Wetter und die Arbeit es zuließen. Den ersten der granitenen Baumklötze passierte er – ›das ist Dom Oldebors Platz‹ –, setzte sich aber auf den zweiten. Halva Selissa und Ardo vom Eberstamm setzten sich ebenfalls. Gsevino vom Prutzenbogen näherte sich wie abgesprochen und legte dem Staasrat das große Bündel mit Plunder zu Füßen.
»Dom Ardo«, hub Praiodan geschäftsmäßig an, »Ihr seid der Herr auf Burg Rudes Schild und der Hüter der Kleinodien!«
›Er ist wirklich wunderlich geworden nach seiner Vergiftung. Natürlich bin ich das! Warum kommt er jetzt mit Plattitüden?‹ dachte der Ochsenbluter, sagte aber: »Ganz recht, Exzellenz.«
»Das heißt, Ihr kennt die Insignien des Reiches wie kaum ein anderer, und auch jene des Königreichs Garetien?«
›Was soll das? Bin ich hier in der Praiostagsschule?‹ dachte Dom Ardo, sagte aber: »Ganz recht, Exzellenz!«
»Dann werft doch bitte einen Blick auf diese Gegenstände«, forderte Praiodan, beugte sich vor und schlug das dunkle Leinen beiseite, das den Plunder bedeckte. Durcheinander lagen da die Gerbaldskrone, die Pantoffeln Eslams II., der Fuchsmantel, das Menzelsband und das Krönungsschwert Hagrondriar, das allerdings in doppelter Ausführung. Dom Ardo pfiff durch seine Zahnlücke: »Oho! Wie unverhofft! Da haben wir ja alle beisammen! ... und noch mehr!« Er bückte sich nun und griff mit beiden Händen je ein Schwert. Prüfend wog er sie gegeneinander ab, betrachtete sie eingehend und blickte dann mit gesenktem Kopf von unten her den Staatsrat an. »Das hier ist eine Kopie, Exzellenz, von einem Kundigen angefertigt, aber dennoch leicht erkennbar. Das hier hingegen« – er wippte mit dem rechten Schwert – »ist Hagrondriar. Wieso haben wir hier dieses Plagiat bei den Insignien Garetiens?« »Nun, es tauchte auf in Puleth. Jemand hat sich da einen Streich erlaubt – neben einigen anderen Streichen, die durchaus tödlich waren oder tödlich hätten sein können. Dom Ardo, ich möchte Euch bitten, höchstselbst alle Insignien zu prüfen; Ihre Gnaden Halva Selissa wird Euch dabei in der Huld des Götterfürsten unterstützen. Dann bringt Ihr Hagrondriar in eigener Person in den Rondratempel zu Alt-Gareth und den Rest auf Rudes Schild!«
»Hmmm«, brummte der Eberstammer, »Natürlich, Dom Praiodan. Was mach’ ich mit der Fälschung?« »Am liebsten wäre es mir, man würde sie dem Fälscher zurückgeben, am besten quer durch den Magen, doch fürchte ich, das wird nicht so leicht sein. Ich wird es selbst nehmen.« Er nahm das Schwert dem Burggrafen aus der Hand und reichte es weiter an seinen Sekretär, der eilig die drei Schritte herankam. »Seid nur sehr gründlich, was die anderen Insignien betrifft«, mahnte der Staatsrat. Er hatte seine Stimme noch nicht gesenkt, sondern wollte offenbar noch weitersprechen, doch ließ er sich von einer Vogelstimme unterbrechen: »Horcht! Eine Nachtigall!« Halva Selissa legte lauschend den Kopf schräg, während Dom Ardo das Bündel wieder zusammenschlug und sich vom Lied des Abendvogels nicht beeindrucken ließ. Er hob die Insignien auf seinen Schoß und betrachtete den Staatsrat, der verklärten Blicks neben ihm saß. ›Bei den Hauern des Ebers! Oldebor hatte mich zwar vorgewarnt, daß er verändert sein würde ... aber das! Fehlt nur noch, daß er ihre Hand ergreift und zu summen anfängt!‹ Er räusperte sich, packte das Bündel und erhob sich. »Exzellenz, ich werde dann gehen. Euer Gnaden, morgen früh zur Hesindestund? Dann können wir uns ans Prüfen machen?!« Er nickte dem Staasrat und der Geweihten zu und entfernte sich mit den Insignien. Offensichtlich war ihm nicht besonders wohl dabei, die Symbole des Königreichs in einem einfachen Leinenbeutel umherzutragen. Alsbald war er in den Hof abgebogen, wo seine Leute auf ihn warteten.
Auf den den Steinen hingegen saßen Praiodan und Halva Selissa und lauschten der Nachtigall. Praiodan hatte die Kopie Hagrondriars Gsevino von Prutzenbogen gegeben und diesen mit einer herablassenden Handbewegung weggescheucht. Die beiden in Gold waren unter sich.
Halva Selissa begann nun zu grinsen: »Der brave Ochsenblut! Ganz unbehaglich war ihm. Kennt er die ganze Geschichte?«
Praiodan riss sich aus seiner Abwesenheit und schaute die Geweihte an: »So wenig wie Du und die meisten. Das wird auch so bleiben. Sie ist nur wenigen bekannt: dem tapferen Ritter Alexis Colon Darios, der Haselhainerin, dem Halhofer, dem Neuen aus Sertis und dem Leihenbutter.«
Halva Selissa griff nach des Staatsrates Hand: »Wo wir gerade bei dem Leihenbutter sind: Wirst Du zu seiner Hochzeit reisen?«
Praiodan nahm auch die andere Hand der Frau: »Ja, doch, ich werde. Auch mein Vetter, Graf Danos wird hingehen; immerhin wird es wohl ein Turnier geben. Keiner der Pfortenritter wird sich den Traviabund eines der ihren entgehen lassen. Außerdem hat der alte Ungolf schon angefragt«
Sie wartete die Aufzählung der Namen ab. Zu gut wußte sie, daß Praiodan selbst in solchen Momenten noch als Staatsrat denken konnte. Dann aber sah sieh ihn verschmitzt an, fast mädchenhaft: »Darf ich mitkommen?«
»Wenn Du es willst, Liebes«
(01.09.2002)