Geschichten:Auf Reshminas Spuren - Teil 12: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 15. Mai 2011, 14:59 Uhr
Zirpen, gelegentliches Schnauben der Pferde und mehr oder weniger laut vernehmliches Schnarchen war alles was an Geräuschen um die Mittagszeit im Lager zu vernehmen war. Nicht einmal im Versorgungszelt waren die üblichen Laute zu vernehmen. Müde und verschwitzt überließ Malina Hesine, der Soldatin die mit ihr geritten war, die Zügel Phejankas. Ihr Mund war völlig ausgetrocknet und die Augen brannten vom Staub und Sand, der während ihrer Erkundung die Luft geschwängert hatte. „Danke, du kannst dann auch ruhen!“ Sie wechselten einen kurzen Blick und zuckten beide ergeben mit den Schultern als sie fast gleichzeitig ein besonders lautes Geräusch aus eben jener Richtung vernahmen. In den Zelten würde das schwer möglich sein. Zum einen stand abgestandene heiße Luft darin, und die Laute, die die Männer von sich gaben ließen es kaum zu noch in den Schlaf zu finden. Zumindest ausruhen würde sie sich können. Sie lächelten sich noch kurz an, dann trennten sie sich. Die Erschöpfung war Malina von Niederried deutlich anzusehen. Ihr Haar war zerzaust und verschwitzt. Ihr Gang war schwer und ihre Miene verriet irgendeine Art von Schmerz oder Leid, dass sie plagte, jetzt wo sie sich unbeobachtet fühlte.
Die Wachen hatten ihnen schon berichtet, dass alle Männer wieder zurückgekehrt waren. Der Weibel lag im Schatten unter einem Baum und spielte mit einem seiner Männer Rote und Weiße Kamele während er an einem Tee nippte. Wie sie feststellen konnte hatte er sich seiner Rüstung entledigt und war der Temperatur angemessener gekleidet. Seine Statur war beeindruckend. Durchtrainiert und athletisch. Sie würde sich aber eher die Zunge abbeißen, um sich das ihm gegenüber irgendwie anmerken zu lassen. Er würdigte sie keines Blickes, vermutlich fürchtete er, dass sie gleich wieder eine Aufgabe für ihn finden würde. Ach herrje, warum war das alles nur so kompliziert und sie zudem so erschöpft? Fast automatisch begann sie sich die Nasenwurzel zu massieren. Sie spürte, wie hart sich ihre Muskeln im Nacken anfühlten, und ein Druck knapp oberhalb der Augen sich ausbreitete. Diese Schmerzen waren ihr vertraut, aber hier würde sie Schwierigkeiten haben sie los zu werden. Auf Burg Angareth zog sie sich meist in die Dunkelheit zurück. Ein Tee gebrüht aus einer Kräutermischung eines Perainegeweihten verhieß meist rasche Linderung. Doch den hatte sie nicht hier. So ging sie schwerfällig und missmutig mit zusammengekniffenen Augen in ihr Zelt, goß sich Wasser in die Waschschüssel und kleidete sich aus. Zuerst nahm sie einen tiefen Schluck aus dem Wasserschlauch, den sie dummer Weise hier vergessen hatte. Dann nahm sie noch ein paar Bissen von den Früchten, die man ihr ins Zelt gebracht hatte. Anschließend reinigte sie in aller Ruhe ihren Körper und befreite ihn vom Schmutz des Ausrittes. Sie legte ein nasses Tuch in ihren Nacken und ließ den Kopf auf die Brust gesunken so eine Weile hängen. Das Wasser verschaffte Linderung, jeder feinste Lufthauch brachte kühlende Frisch in der Hitze der Mittagsstunde. Der Ritt war anstrengend gewesen. Sie hatten nicht nur die bisherigen Markierungen untersucht, sondern auch nach Spuren Ausschau gehalten, die auf die Täter Hinweise geben könnten. Die Spuren waren leicht zu finden gewesen, und dank der Hilfe einer der nebachotischen Begleiter Turams, war der Sachverhalt schnell geklärt worden.
Beim Ritt durch das ausgetrocknete Bachbett wären Phejanka und sie beinahe gestürzt. Sie hatte sich zwar noch im Sattel halten können, aber vermutlich hatten sich ihre Muskeln zu sehr verkrampft auf den Schreck.
Ein Abtrocknen war überflüssig, ja geradezu widersinnig. Viel zu schnell
würde dies von selbst geschehen. Nackt wie sie war, legte sie sich frische
Kleidung zurecht, sodass sie schnell aufstehen konnte, falls Aldron ins
Lager käme. Dann legte sie sich hin bedeckte sich mit einem Tuch und hoffte,
dass die Erfrischung ausreichen würde um in den Schlaf zu finden. Der
Bericht würde warten müssen. Vielleicht kam der Landvogt ja auch erst am
Abend…? Ihre Beine waren so schwer. Der Druck in ihrer Stirn hatte
inzwischen beachtliche Ausmaße erreicht. Ihre Augenlider brannten. Erschöpft
schloss die Hauptfrau ihre Augen und ließ die Gedanken schweifen, zurück ans
Meer. Wellen brandeten an Felsen. Wind rauschte und Möwen schrien.
Bishdariel war ihr gnädig und schenkte ihr einen Traum, der sie ihre
peinigenden Kopfschmerzen vergessen ließ. Wohlig seufzend glitt sie hinab
ins Reich der Träume.
A’urel genoß die Hitze im Schatten liegend und dösend, nachdem er mehrere
Runden mit Sayid Rote und Weiße Kamele gespielt hatte. Erst wollte er die
freie Zeit nutzen und weitere Zeichnungen von Malina anfertigen. Er hatte
ein gutes Gedächtnis und es wäre ihm sicherlich auch gelungen, doch verwarf
er die Idee, als er sich an sein Versprechen erinnerte, dass niemand vom
‚Strand‘ erfahren sollte.
Voller Langeweile beobachtete er daher mit halb geschlossenen Augen das – leider ebenso langweilige – Treiben im Lager. Erst als Malina zurückkehrte, wurde er wieder wacher und aufmerksamer. Langsam erhob er sich und stahl sich aus den Fängen Turams, der ebenfalls vor sich hin döste. Über Umwegen näherte sich der junge Nebachote dem Zelt der Hauptfrau immer dabei bedacht möglichst wenig Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, so dass es ihm schließlich gelang vor ihrem Zelt zu stehen.
Gewollt lässig stand er da und rief nach ihr. „Shara, bisdt Du da?“ Der Krieger machte eine kurze Pause, damit sie - wie er dachte – sich wieder fangen konnte, um ihn in ihr Zelt zu lassen. Als jedoch alles still blieb, schaute er verdutzt, aber immer noch möglichst lässig stehend das Zelt an. „Malina?“ Als noch immer nichts zu hören war, schob A’urel die Zeltplane zur Seite und spähte ins Innere. Seine Augen mussten sich erst an die herrschenden Lichtverhältnisse gewöhnen. Die gewachsten Zeltplanen waren zwar nicht schwarz, doch von einem dunklen Braun, was im Vergleich zum glühenden Praiosauge dennoch ausreichend Schatten spendete. Allerdings wärmten sie sich auch mehr auf. Zunächst war er sich nur sicher im vorderen Bereich eine Truhe über der einen Sattel lag wahrzunehmen. Weiter hinten, ließen die Umrisse Malinas einfache Bettstatt samt einem Hocker erkennen. Da sich nach wie vor kein Laut von ihr regte schritt er weiter ins Zeltinnere. Sie hatte ein Laken im Inneren aufgehängt, dass ihr einen kleinen privaten Bereich schaffte, in dem sie sich umkleiden und waschen konnte. Ein Teil des Bettes wurde ebenfalls dadurch vor neugierigen Blicken geschützt, sodass er zunächst nur ihre Beine sah, als er leise weiter schlich. Als er ihrer so gewahr wurde und sah, dass sie im Bett lag, dachte er schon, dass sie ihn erwarten würde und ging näher. Erst als er an ihrem Lager stand, bemerkte er, dass sie den Schlaf nicht nur vortäuschte, sondern wirklich schlief. Fast schon enttäuscht ließ er sich daraufhin vor ihrem Lager nieder und musterte die Hauptfrau erneut, dabei fiel ihm auf, dass Malina unter dem Tuch nackt war, was seine Fantasie erneut beflügelte. Schließlich beugte er sich vor, um sie zu küssen, hielt dann aber – sein Mund war nur etwa zwei Finger breit von ihrem entfernt – erneut inne. Langsam erhob er seinen Kopf wieder und fuhr mit seiner Hand sanft ihren Körper nach, ohne sie dabei wirklich zu berühren. Bei anderen Frauen hätte er die Situation sicherlich ausgenutzt, bzw. noch mehr ausgenutzt, doch fühlte er instinktiv, dass er in diesem Fall bei Malina einiges kaputt machen würde. Sanft glitt er etwa fingerbreit über ihre üppigen Brüste, ihren straffen Bauch, bis hinab zu ihren festen Schenkeln und Waden. Langsam glitt er auf ihrer anderen Seite wieder zurück, bis er schließlich wieder über ihren Busen strich und an ihrem Hals inne hielt.
Eigentlich, so dachte er, konnte er nichts kaputt machen, wenn sich nicht
erst etwas entwickelte. Und eventuell tat sie ja doch nur so, als würde sie
schlafen um ihn eine Möglichkeit zu geben, sich ihr zu nähern.
Langsam näherten sich seine Lippen wieder den ihren….
Das Licht, welches sie umfing war sanft und spiegelte sich in den leisen
Wellen des Meeres. Das Spiel der Wogen fesselte ihren Blick und beruhigte
sie zusehends. Sacht spürte sie, wie der Wind ihr frische Luft ins Gesicht
wehte. Da rief jemand nach ihr: ER rief nach ihr:„Shara, bisdt Du da?“,
hatte sie deutlich seine Stimme vernommen. Doch wo war er? Suchend blickte
sie sich am einsamen Strand um. Außer ihr und Phejanka war keiner zu sehen.
Vielleicht hinter den Felsen? Sie ging durch den wunderbar weichen warmen
Sand auf die Steinformation zu. „Malina?“ Ein Lächeln glitt über ihr
Gesicht. Hatte er sie doch nicht nur aus Spaß an irgendwelchen Spielchen so
betört. Zielsicher ging sie auf die Felsen zu. Doch irgendetwas war
merkwürdig…sie bekam eine Gänsehaut auf den Armen auch auf ihrem restlichen
Körper und plötzlich hatte sie das Gefühl ihr würde der Atem genommen, und
sie bekäme keine Luft mehr…
Dann überschlugen sich die Ereignisse. Kaum hatte sich sein Mund auf den ihren gesenkt, er hatte es sehr behutsam und zärtlich getan, schlug sie die Augen schreckensgeweitet auf und öffnete den Mund zu einem Schrei. Gleichzeitig versuchte sie ihre Arme nach oben zu bekommen um den Angreifer von sich zu werfen.
A’urel hatte sich vorgestellt, dass Malina, nachdem er sie zärtlich geküsst hatte, langsam die Augen öffnen, ihn erkennen und zu einem neuerlichen Kuß zu ihren Lippen führen würde, oder zumindest verschmitzt lächeln würde. Die jetzige Reaktion von ihr, hatte er bei weitem nicht erwartet. Überrascht darüber, dass ihre Hände ihn wegstoßen wollten, stellte er fest, dass sie zum Schrei ansetzte. Unschlüssig was er tun sollte, hielt er ihr erst die Hand von dem Mund und versuchte beruhigend auf sie einzureden. „Malina, ich bin äs doch, A‘urel.“ Schmerzverzerrt riss er seine Hand weg, nachdem ihm Malina in die selbige gebissen hatte. Immer noch verwirrt fürchtete der Nebachote, dass die Hauptfrau gleich das gesamte Lager zusammenschreien würde. Binnen weniger als einen Augenschlag wog er ab, ob er durch den Zelteingang fliehen, auf sein Ross springen und in die Ferne reiten sollte, oder ob er hier und jetzt die Sache klären würde. Eigentlich hätte er – wenn er an die möglichen Folgen dachte – lieber erstere Variante gewählt, doch ging es hier nicht um irgendein Mädchen und um eventuell gehörnte Ehemänner und ihre Brüder. Hier ging es für A’urel um mehr und daher blieb er. Flink versuchte er Malina erneut ‚stillzustellen‘, indem er erneut seine Lippen auf die ihren presste. Er versuchte dabei bestimmend zu sein, so dass sie nicht schreien sollte, gleichzeitig aber auch so zärtlich, als dass es keine Qual für sie sein würde. Dabei versuchte er nach wie vor ihre Arme einzufangen, die wie er feststellte sehr kräftig waren.
Derartig gefangen schien sein Plan aufzugehen. Malina ließ in gewähren, ja sie erwiderte seinen Kuss sogar, wie er erfreut feststellte. Die Hauptfrau vom Arvepass war dabei keineswegs zart und schüchtern. Wenn er glaubte, er könnte sich einfach nehmen, was er wollte, würde sie nicht das Lämmchen spielen. Vielmehr übernahm sie bei diesem neuerlichen Kuss die Führung. Er ließ sie gewähren wähnte er sich doch am Ziel seiner Träume. Sie wandt sich unter ihm, und er spürte deutlich jedes Stück ihrer nackten Haut, wo es an seiner Kleidung rieb. Da sie ihm bei jeder Begegnung temperamentvoll erschienen war, schöpfte er keinen Verdacht, sondern nahm an, dass sich die Hauptfrau endlich ihren Gefühlen für ihn stellen würde. Doch dieses kleine Glücksgefühl währte nicht lange. Kaum, dass er ihre Hände freigegeben hatte, um sie an anderen Stellen des Körpers zu liebkosen, fand er sich nur Augenblicke später unsanft auf dem Boden wieder. Die schlängelnden Bewegungen ihres Körpers hatten es ihr nur ermöglicht ihn im rechten Moment gut von sich stoßen zu können. Zornesgerötet raffte Malina das Tuch um die Hüften und baute sich drohend vor ihm auf. Ihre Stimme zischte nun in gebändigter Wut „Was denkst du dir nur hier einfach so rein zukommen, und mich wie eine billige Magd zu behandeln? Glaubst du, du kannst dir einfach nehmen was du willst? Warum konntest du dich nicht einfach gedulden? Ich habe dich scheinbar falsch eingeschätzt, das ist wohl mein Los.“
Ihre Stimme war leise, also wollte auch sie nicht, dass die Leute im Lager den Zwischenfall bemerkten, stellte er erleichtert fest. Dennoch konnte er aus den wenigen anklagenden Fragen entnehmen, dass sie nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte nicht nur wütend, sondern auch traurig war. Ihre Augen wirkten irgendwie trübe, und sie rieb sich auch nachdem sie ein Hemd übergestreift hatte beständig den Nacken, als ob sie Schmerzen hätte. Sie setzte sich wieder auf ihre Bettstatt, und schaute ihn abwartend an.
Nachdem der junge Mann seine Überraschung überwunden hatte. Kam er schnell auf die Beine und setzte sich zu Malina, mit dem Oberkörper zu ihr gedreht, förmlich zu ihr gestreckt. Sanft ergab er sich. „Wie kuann ICH mir ätwas ne’men, wuenn ich doch ganz Dir geherä?“ Als dieser Satz nicht die gewollte Wirkung bei der Neuperricumerin erzielte. Erschlafften die Schultern A’urels. Bisher waren alle vergangenen Eroberungen deutlich leichter gewesen. Und ausgerechnet jetzt, wo es ihm wirklich wichtig war, schienen seine Bemühungen immer nur falsch aufgenommen zu werden.
„Värzeih mir!“ Bat er schließlich leise, fast flüsternd. „Ich waiß selbst nicht wieso ich mich in Deinär nähe so Willenllos fiehle. Ich wolltä Dich nicht belaiidigen, sondärn ähren.“ A’urel schien es wirklich ehrlich zu meinen. Schließlich fiel Malina auch wieder ein, mit wem sie sprach. Mit einem Sohn der in männlicher, korgefälliger und rahajnischer Weise erzogen wurde, der ein Spross einer der größten Baronien des Landes ist und gleichzeitig der Sohn des Kriegsfürsten der Nebachoten. Wieso sollte sich so jemand solche Mühen geben und vor allem so viel Gefühl einer Hauptfrau gegenüber zeigen? Hätte er es an anderen Stellen nicht leichter, wollte er nur seinen Spaß haben?
Seufzend legte die Frau den Kopf in die Hände. Ihr war inzwischen regelrecht übel durch das Hämmern, das sich in ihrem Kopf inzwischen wie das Donnersturmrennen selbst anfühlte. Mühsam drehte sie im das Gesicht zu und versuchte ihn matt anzulächeln. „Ehren?“ Echote sie seine Aussage ungläubig. „A’urel du…“ Sie stockte mitten im Satz und setzte nochmals an, während sie unwirsch den Kopf schüttelte, als müsste sie eine lästige Fliege vertreiben, die ihr die Sinne vernebelt hatte. „Hochgeboren, mir ist nicht wohl. Ihr hättet kaum einen ungünstigeren Moment wählen können um mir eure…Aufwartung zu machen.“ Langsam ging sie zu ihrer Waschschüssel, wo sie sich erneut ein Tuch feucht machte, dass sie um Nacken und Stirn schlang. Ihre Wangen wurden allmählich wieder etwas rosiger. Sie holte sich ihren Wasserschlauch, entfernte den Sattel von der Kiste und setzte sich dort hin, sodass sie sich gegenüber saßen, aber nicht mehr berührten. Vorsichtig nahm sie ein paar Schlucke während sie den Sohn des Marbans nicht aus den Augen ließ.
Schließlich hatte er etwas gewagt, seine Beweggründe schienen ihr zwar nach wie vor nicht ganz nachvollziehbar, aber er wirkte überzeugend in seinem Bedauern.
Sie wollte ihm erklären, weshalb sie sich am helllichten Tag eine Pause gönnte. Üblicherweise ruhte sie nur, zog sich aber nicht derart zurück. „Ich denke ich habe mich heute Morgen wohl etwas übernommen: Zu wenig getrunken und dann bin ich noch fast mit Phejanka gestürzt…!“
‚Aha‘ dachte A’urel enttäuscht. Jetzt sollte also die Ausrede kommen. Eigentlich hatte er immer die Männer ausgelacht, deren Geliebte eine rahjagefällige Nacht wegen ‚Kopfschmerzen‘ oder ‚Übelkeit‘ aus dem Weg gegangen waren. Er hätte nie gedacht, dass ihm mal das Selbst ereilen würde. Er mußte sich konzentrieren, um Malinas Ausführung weiter zu folgen. „Vermutlich habe ich mich dabei etwas ungeschickt bewegt, und nun habe ich einen Dumpfschädel, der seinesgleichen sucht. Wenn ich wenigstens dem Roten zu sehr zugesprochen hätte, würde ich es ja ohne Weh und Klagen einfach aushalten, aber so…?“ Sie war offensichtlich bemüht die Situation wieder etwas zu bereinigen, indem sie die Atmosphäre lockerte, aber ein Blick in das gekränkte Gesicht des jungen Mannes genügte, um zu sehen, dass er nicht im Geringsten geneigt war diesem eingeschlagenen Weg zu folgen. Er wollte Klarheit. Resignierend musste sie sich eingestehen, dass der Kuss sie nicht kalt gelassen hatte, im Gegenteil, und wenn Travia und Rahja ihre Wege nun einmal hatten kreuzen lassen, man diesen Fingerzeig wohl nicht ignorieren sollte.
Kaum hatte sie sich das eingestanden ging es ihr irgendwie besser. Sie hatte lange genug gezögert und überlegt. „Wir sollten uns heute Abend treffen. Ich denke, mir würde es gut tun, wenn das Praiosauge nicht mehr so intensiv erstrahlt und die Hitze nachgelassen hat, noch einmal etwas spazieren zu gehen.“ Ihr Blick hatte sich gewandelt, fast so schien es A’urel, als ob sie etwas verstanden hätte. Auch ihr verhaltenes Lächeln wirkte irgendwie befreit. Sie streckte ihre Hand nach der seinen aus, und als er sie ihr ohne zu zögern reichte hauchte sie in seine Handfläche einen zarten Kuss. Abwartend blickte sie ihn an, gespannt, wie er reagieren würde.
Mit einem Mal war die alte Lebensfreude wieder zurück in A’urels Körper gefahren. Hatte er wirklich richtig verstanden? Ja, hatte er…. „Oh Malina!“ Hauchte er ihr entgegen und küsste auch ihre Hände. „Ich,“ ein erneuter Kuss auf ihre Hände unterbrach ihn erneut. „Ich wärde…“ Wieder folgte ein Kuss. „..Dich..“ Wieder ein Kuss. Schließlich mußte Malina ihm seine Hände entziehen, damit er zu Ende sprechen konnte. Voller Freude versprach er ihr: „Ich wärde Dich heutä Abend abholän. Ich verspräche Dir, duas Du dän Abend nicht vergässen wirst.“ Flink und eventuell auch für Malina unerwartet hauchte er ihr nochmals einen Kuss auf die Lippen und sprang dann zum Zelteingang. „HA! Abär nicht nur spazierän, Pheijanka solltäst Du mitnähmen, äs sei dänn Du läßt mich Dich auf Koriandä mitnähmen.“
Ohne eine weitere Antwort abzuwarten sprang der junge Nebachote damit durch den Zelteingang ins Freie. Voller Glück und nicht wissend wo hin er mit seiner soeben gewonnenen Energie hin sollte sprang er tanzend durch das Lager und sang dabei aus vollem Herzen: „Bai dän Mauärn von Nää’bachot, hört wie äs war, als äs geschah, bei dän Mauärn von Nebachot…“ Dabei schien es ihm egal zu sein, ob dies jemand mitbekam oder nicht. Für ihn stand die Welt wieder offen und es gab einen Grund weiterzuleben.
Malinas erste Reaktion war es durch den Zelteingang zu linsen, wer gesehen hatte woher A’urel kam. Dabei trafen sich unversehens ihre Blicke mit denen ihres Weibels Sayid, der dem Platz gegenüber noch immer unter den Bäumen weilte. Dummerweise hatte sie einem ersten Impuls folgend sogleich einen Blick riskiert, ohne sich zuvor anzukleiden. Ihre Aufmachung nur mit dem Hemd bekleidet, würde die Phantasie des Nebachoten sicherlich Kapriolen schlagen lassen. Seine Augen waren vor Erstaunen geweitet. Schnell trat sie in den Schatten des Zeltes zurück. Blut schoß ihr in die Wangen und wütend ballte sie ihre Fäuste Ausgerechnet er musste das gesehen haben. Nun gut, daran war jetzt auch nichts mehr zu ändern. Plötzlich wurde draußen Hufschlag laut, und neben A’urels Stimme meinte sie eine andere, vertraute wahrzunehmen- der Landvogt!
Panisch suchte sie nach ihrer leichten Rüstung und begann sich unter Fluchen anzukleiden. Hoffentlich war er guter Stimmung und ihr unterliefen keine Fehler. Sayid würde sicher nur drauf lauern ihr irgendeine Nachlässigkeit zuschieben zu wollen. Wahrscheinlich brannte er darauf die erste Gelegenheit in der sie alleine waren zu nutzten, um sie auf die eine oder andere Art bloßzustellen. Doch diese Sticheleien waren ihr inzwischen so vertraut geworden wie ihre ewig nörgelnden Eltern, oder das Gehabe ihres verwöhnten älteren Bruders, sodass sie die Aussicht darauf nicht wirklich weiter beschäftigte. Auf einem Bein hüpfend sprang sie in die Hose und ließ sich dann auf die Truhe fallen, um in die Stiefel zu schlüpfen. Fertig! Sie blickte an sich herab, tadellos würde sie meinen, dann straffte sie die Schultern, setzte ein unverbindliches Lächeln auf und trat durch den Zelteingang ins Freie als sei nichts gewesen.