Geschichten:Gedankengift Teil 16: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 31. Juli 2011, 21:25 Uhr
Kaiserstadt Gareth, 5. Travia, 35 Hal:
Es war für den Baron nicht leicht gewesen, die Kaiserstadt lebend zu erreichen. Nicht nur, dass die Reichsstraße in einem erbärmlichen Zustand war und es von Söldnerpack und Wegelagerern nur so wimmelte, nein, auch der Wald selbst schien sich gegen die galottanischen Zerstörungen auflehnen zu wollen. Der Reichsforst wuchs und dehnte sich mit unnatürlicher Geschwindigkeit aus. Ein großes Stück der R2 südlich von Wehrheim war bereits vom wuchernden Wald verschlungen worden, und auch die Abtei St. Praiodan war kaum noch aufzufinden. In der Pulether Pfalz hatte Nimmgalf auf Hilfe gehofft, musste aber erkennen, dass der Reichsvogt Horbald von Schroeckh mit dem Feind kollaborierte. Wenn er gekonnt hätte, hätte er ihn an Ort und Stelle dafür gerichtet, so aber begnügte sich Nimmgalf damit, ihn bei den Behörden in Gareth zu melden, in der Hoffnung, dass der Verräter in Kürze Dingfest gemacht werden könnte. Südlich der Kaiserpfalz waren Nimmgalf und sein verbliebener Soldat in einen Hinterhalt transysilischer Söldner geraten, aus dem sich der Baron nur mit größter Mühe retten konnte – alleine.
Nimmgalf fühlte tiefe Bitterkeit. Noch vor wenigen Monden hätte man solchem Pack binnen kürzester Zeit den Garaus machen können, aber jetzt konnten sie nahezu ungehindert in diesen Landen ihr Unwesen treiben. Es war allerhöchste Zeit, dass wieder ein starker Herrscher die Zügel übernahm und wieder für Ordnung sorgte. Schon einige Male hatte er darüber nachgedacht, ob Answin die hohen Erwartungen erfüllen könnte, die viele jetzt an ihn stellten. Seine Erfolge sprachen bisher für ihn – er hatte bei Greifenfurt, bei Burg Rabenmund und zuletzt bei Wehrheim gekämpft und jedes mal den Sieg davon getragen. Würde es ihm auch gelingen, die gesamte Wildermark wieder zu befreien? Würde er dort Erfolg haben, wo der Nordmärker nur zögernd und zaudernd zusehen konnte? Nimmgalf war fest entschlossen, das Erbe seines Onkels Radulf anzutreten und den alten Bund mit dem Rabenmunder weiterzuführen, doch dafür brauchte er Zeit. Zeit und Truppen, doch beides war sehr rar gesät.
Als Nimmgalf Gareths Vorort Rosskuppel passierte, vernahm er immer wieder Hochrufe und Jubilieren im Volke. Ein Name wurde immer wieder genannt, und es war der Name Rohajas von Gareth.
Könnte dies möglich sein? War die Königin nun doch zurückgekehrt? Von den Toten wiederauferstanden? Nimmgalf musste sich Gewissheit verschaffen und so ritt er so schnell er konnte durchs Wehrheimer Tor nach Alt-Gareth und dort zur Alten Residenz, da er wusste, dass die Neue nicht mehr existierte. Schon von weitem sah er das Banner derer von Gareth auf den Zinnen wehen. Es war also wahr – die Königin lebte!
Aufgeregt lief Nimmgalf die Treppen zum Eingangsportal empor. Von den Wachen wurde er aufgehalten. „Ich bin der Baron von Hirschfurten und verlange zur Königin vorgelassen zu werden. Ich bringe wichtige Kunde aus Wehrheim.“
Die Wachen hielten ihn zurück. „Bedaure, aber ihre königliche Majestät befindet sich derzeit nicht in Gareth. Sie zog nach Darpatien gen Rommilys.“
Nimmgalf überlegte kurz. „Wohlan, dann führe er mich zu ihrem Statthalter. Ich werde dann ihm meine Nachricht überbringen.“
„Zu Graf Rondrigan? Das kann ich veranlassen, jedoch muss ich zuvor darauf bestehen, eure Legitimation zu sehen.“
Nimmgalf funkelte die Wache erst wütend an. Was bildete dieser Kerl sich ein? Doch dann beruhigte er sich wieder, da ihm klar wurde, dass die harten Zeiten wohl keinen Platz für Vertrauensvorschübe gestatteten – selbst nicht gegenüber einem Baron. Nachdem er seinen Siegelring vorgezeigt hatte, ließ man ihn passieren. Ein Bediensteter geleitete ihn zum Offizium Graf Rondrigans, der Gareth für Rohaja stellvertretend regieren sollte. Nach einem kurzen „Herein!“ betrat Nimmgalf das Amtszimmer.
Er kannte den jungen Perricumer Grafen nur flüchtig von dem ein oder anderen Adelsconvent. Er wusste vor allem, dass er sich in Elenvina beim Reichskongress sehr für das mögliche Überleben der Königin ausgesprochen hatte, was letztendlich ausschlaggebend dafür war, dass sie nicht für tot, sondern für verschollen erklärt wurde, auch wenn damals niemand noch Hoffnung hatte, dass sie wirklich überlebt haben könnte. Mit diesen Gedanken betrat der Baron das Regierungszimmer. „Seid gegrüßt, euer Hochwohlgeboren. Ich bin Nimmgalf von Hirschfurten, Baron zu Leihenbutt und bringe wichtige Nachricht aus Wehrheim.“
„Auch ich grüße Euch, Hochgeboren. So nehmt doch Platz. Meine Diener werden sich um euer leibliches Wohl kümmern. Kann ich Euch einen Tee anbieten?“
„Danke, aber ich brauche derzeit nichts.“
„Nun denn, was habt Ihr mir zu berichten?“ Der junge Graf blickte ihn mit aufgeweckten Augen an.
Nimmgalf holte weit aus. Er berichtete vom Aufruf der Markgräfin in Hartsteen sich Answins Heer anzuschließen, von der Rückeroberung Rankaraliretenas durch die Adligen, und schließlich der Befreiung Burg Rabenmunds und auch Wehrheims mit dem Heer des zurückgekehrten Answin von Rabenmund.
Rondrigan hörte ihm höchst interessiert zu und stellte viele Fragen. „Was glaubt ihr, wohin er sich nach der Befreiung Wehrheims wenden wird?“ Ein besorgter Unterton war in seiner Stimme zu vernehmen.
„Das kann ich nicht mit Sicherheit sagen, Graf!“ Er bemerkte, dass Rondrigan etwas besorgt den Blick senkte. „Doch wenn ich seine Absichten richtig einschätze, ist er nicht gekommen um sich zum neuen Kaiser ausrufen zu lassen, sondern um das Reich zu retten. Seine größte Sorge bei den strategischen Planungen galt stets Rommilys und der Traviakirche. Ich bin davon überzeugt, dass er nicht eher nach Gareth kommen wird, bis Rommilys gesichert ist.“
Rondrigans Gesicht hellte sich merklich auf. „Ich wusste, dass Answin nicht noch eine weitere schlimme Bedrohung für das Reich darstellt – wir haben momentan schon wahrlich genug Sorgen. Und ich bin heilfroh, dass sich seine Absichten mit denen der Königin scheinbar so gut in Einklang zu bringen sind. Vielleicht gelingt es uns ja tatsächlich gemeinsam das Reich von den schwarzen Schergen zu befreien.“
Nimmgalf blickte Rondrigan freundlich an: „Das lässt in der Tat auf eine bessere Zukunft hoffen. Doch die beste Nachricht, die ich am heutigen Tage vernommen konnte, ist die, dass unsere Königin wieder zurückgekehrt ist. Mit Verlaub, ich würde gerne aus eurem Mund erfahren, wie es sich mit Rohaja von Gareths Rückkehr zugetragen hat.“ Und Rondrigan begann zu erzählen.
Nebenschauplatz Elfentod