Geschichten:Grauen am Darpat - Taktische Überlegungen: Unterschied zwischen den Versionen
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„Ich schlage vor, dass immer zwei zusammen bleiben.“ Da keine Einwände auftauchten, deutete sie nun diejenigen heraus, die ab nun miteinander agieren sollten. | „Ich schlage vor, dass immer zwei zusammen bleiben.“ Da keine Einwände auftauchten, deutete sie nun diejenigen heraus, die ab nun miteinander agieren sollten. | ||
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Mir einem dampfenden und tropfenden Stück von der Sau in der Hand saß Marnion neben Selinde, die in die Nacht hinaus schaute auf Ihrer Wache. „Euer Hochgeboren, Ihr wart doch beim Militär?“ Seine Rede wurde durch deftige, schmatzende Geräusche begleitet. Auf das Nicken der Baronesse hin fuhr er fort, nachdem er sich die Finger abgeleckt hatte. „Ich habe mal gesehen als ich mit meinem Freiwilligen Haufen beim Stabszelt vorbei kam, das die so was, wie ein Bild des Feindes gemacht haben, indem sie alle den verschiedenen Einheiten zur Verfügung stehenden Informationen zusammengetragen haben. Meint Ihr so was könnten wir auch machen? Immerhin haben wir ja fähige Damen und Herren aus den verschiedensten Fachgebieten dabei und Spuren sind auch schon einige gesammelt worden. Macht so etwas Sinn?“ | Mir einem dampfenden und tropfenden Stück von der Sau in der Hand saß Marnion neben Selinde, die in die Nacht hinaus schaute auf Ihrer Wache. „Euer Hochgeboren, Ihr wart doch beim Militär?“ Seine Rede wurde durch deftige, schmatzende Geräusche begleitet. Auf das Nicken der Baronesse hin fuhr er fort, nachdem er sich die Finger abgeleckt hatte. „Ich habe mal gesehen als ich mit meinem Freiwilligen Haufen beim Stabszelt vorbei kam, das die so was, wie ein Bild des Feindes gemacht haben, indem sie alle den verschiedenen Einheiten zur Verfügung stehenden Informationen zusammengetragen haben. Meint Ihr so was könnten wir auch machen? Immerhin haben wir ja fähige Damen und Herren aus den verschiedensten Fachgebieten dabei und Spuren sind auch schon einige gesammelt worden. Macht so etwas Sinn?“ | ||
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Version vom 6. August 2011, 14:13 Uhr
Dramatis Personae
- Marnion von Kelsenstein- Junker zu Kelsenburg
- Leomara von Isenbrunn, Ritterin zu Gnitzenkuhl
- Kor’win Beshir’a Danal han Bahr ai Danal - Großwildjäber aus Brendiltal - Alex K.
- Kain han Bahr ai Danal - Gehilfe Kor'wins – Alex K
- Unswin von Keilholtz ä.H., Edelknappe und Novize im Zornesorden
- Alexis Colon Darios, Praetor des Rondratempels zu Schwertwacht, Leutnant im Zornesorden
- Selinde von Löwenhaupt-Hauberach, Junkerin zu Allwinnen und Erb-Baronesse zu Vellberg
Kampfgefährten
„Ich schlage vor, dass immer zwei zusammen bleiben.“ Da keine Einwände auftauchten, deutete sie nun diejenigen heraus, die ab nun miteinander agieren sollten.
„Kor`win, wenn ihr mit ihro Gnaden Alexis zusammen kämpfen würdet?“ Eine schlagkräftige und erfahrene Gruppe mit genug Ruhe und Weitsicht, selbst wenn die Situation verfahren würde. Der Geweihte nickte zustimmend, der Jäger dagegen schien nicht glücklich über diese Entscheidung, da ihr Kampfstil einfach sehr unterschiedlich war, nickte aber dennoch.
„Selinde, euch würde ich gerne gemeinsam mit dem Junker von Kelsenstein und Kain in einer Gruppe sehen. Ihr seid unverletzt, aber die beiden haben ihre Blessuren. Zu dritt seid ihr sicher mehr als einsatzfähig.“ Dann drehte sie sich kurz zu Unswin, der friedlich schlummerte, vermied es aber irgendeine Regung in ihre Worte zu legen.
„Wir bilden die dritte Gruppe. Des Weiteren keine Alleingänge mehr! Ich weiß, dass ich selbst los gerannt bin, als ob ich dafür einen Schatz gewönne, aber ihr müsst verstehen, dass Arn und seine Familie mir sehr vertraut sind. Ich denke ich bin nun gewarnt.“
Sie lächelte verhalten und blickte in Richtung Kor`win, der auch etwas sagen wollte.
Alexis musste trotz der gesamten Lage lächeln. Leomara hatte deutliche Worte ausgesprochen und mit Sicherheit würde keiner dagegen Einwände gehabt haben. Mit unbewegter Miene hatte Selinde die ‚Anweisungen‘ Leomaras aufgenommen. Die Ritterin hatte Recht, hier lief im wahrsten Sinne des Wortes viel zu viel durcheinander, irgendjemand musste hier dringend das Kommando übernehmen, wofür sie Leomara am geeignetesten hielt.
„Einverstanden“, antwortete die Vellbergerin daher auch nur militärisch knapp; damit war aus ihrer Sicht alles gesagt.
Der alte Jäger hatte sich erhoben und wollte gerade in die gleiche Richtung loswettern. Leomara hatte ihm jetzt jedoch fast gänzlich den Wind aus den Segeln genommen. Mürrisch sah er erst die Ritterin an und wand sich dann aber dennoch noch mal an die Gruppe, um eins kurz und knapp klarzustellen. „Leomara hat Recht. Noch ein Alleingang und Kain und ich wärden uns von euch trännen.“
„Wachen sollte zunächst die Gruppe um die Baroness, danach so es möglich ist ihr Euer Gnaden und als letzte der Edelknappe und ich. Tjalf wird sich um Arn kümmern.“
Marnion nickte Leomara mit einem kurzen Lächeln zu. Dann erhob er sich. „Ich werde noch mal runter zum Schilf gehen und meine Armbrust holen. Die braucht dringend eine Überholung. Keine Angst ich kann schon auf mich aufpassen.“ Der Kelsensteiner sah Leomara bei seinen Worten aus den Augenwinkeln an, fast so als wolle er etwas prüfen.
Selinde beließ es bei einem kurzen Kopfnicken in Richtung Leomaras als Zeichen, dass sie mit der Wacheinteilung zufrieden war.
Dankbar lächelte die Isenbrunnerin Selinde zu. Sie machte ihr wenigstens nicht noch zusätzliche Probleme. Marnion hingegen meinte jetzt zum Schilf zu müssen. Langsam erhob sich Leomara.
„Wohlgeboren von Kelsenstein? Soeben wurde beschlossen, dass wir in Zukunft nicht mehr alleine sein sollten!“ Sie hielt seinem Blick stand, der nun folgte. „Vor allem nicht, wenn euer Weg euch zum Schilf führt.“ Sicher eine Armbrust ist eine teure Waffe grübelte sie, aber was wollte er denn jetzt mit ihr tun? Zumal sein Arm nicht einsatzfähig war. Es sah fast so aus, als ob ihm die Muskeln ihren Dienst verweigerten. Da würde nur Zeit oder ein Magus helfen können. Ein Verband konnte da kaum Linderung bringen.
„Dem pflichte ich bei, so kann die Armbrust – wenn sie es überhaupt kann – uns auch nicht helfen“, ergänzte Alexis, was auch nicht gerade untypisch für einen Geweihten der Rondra war.
Selinde erhob sich und schaute den Nebachoten auffordernd an. Schließlich waren sie ohnehin einander zugeteilt worden, da konnte sie ihn auch gleich jetzt begleiten.
„Pah“, entfuhr es Kor’win. Soviel also waren die Besprechungen der Raluschen wert. Eben noch in der Runde beschlossen, wurde es gleich wieder aufgehoben. Sollten sie runter zum Fluss gehen. Sollten sie weitere Wildschweine aufstöbern, oder gar gleich das Untier. Kor’win würde ihnen nicht zu Hilfe eilen. Sollten sie doch draufgehen. Sie waren alt genug um wenigsten mal Rahja geopfert zu haben. Was sollte es ihn kümmern. Dass Marnion eigentlich derjenige war, der sich gegen Leomara wand, ignorierte Kor’win.
,,Habt dank Euer Hochgeboren” beantwortete Marnion die stillen Schlichtungsbemühungen der Baroness mit einem ehrlichen Lächeln. Zu Leomara gewandt.
„Euer Wohlgeboren, wenn Ihr erlaubt könnte die Baronesse mich begleiten, da wir nun in einer Kampfgruppe sind. Ihr seid unsere Anführerin, wenn Ihr es anders bestimmt werde ich mich fügen.”
Es schien fast so als würde sich Marnion bei seinem Worten über etwas freuen.
Leomara senkte den Blick, niemand sollte sehen, dass sich ein Lächeln in ihre Züge schleichen wollte. Das war es also gewesen weshalb er diesen Ungehorsam dargestellt hatte? Dieser Mann war ihr einfach ein Rätsel! Dennoch richtete sie wieder ihr Wort an ihn.
„Mir wäre in der Tat wohler, wenn wir bis zum Morgengrauen nicht mehr aus anderen Gründen als zum Austreten die Gruppe verlassen würden. Auch die Patrouillengänge sollte man klein halten. Die Sicht ist gut von hier oben. Ich bin mir sicher, dass der Armbrust nichts weiter geschehen kann, als ihr ohnehin schon zugestoßen ist, und...ihr könnt sie derzeit ohnehin nicht bedienen.“
Dann warf sie einen Blick in Richtung Tjalfs. „Ich denke wir können uns nun stärken.“ Damit drehte sie sich um und weckte Unswin auf, der noch immer dösend an der Mauer gelehnt hatte. Zufrieden, aber immer noch mürrisch nickte Kor’win. Endlich schien etwas Struktur in diesen Haufen von Adeligen zu kommen.
Die rätselhafte Natur des Feindes
Mir einem dampfenden und tropfenden Stück von der Sau in der Hand saß Marnion neben Selinde, die in die Nacht hinaus schaute auf Ihrer Wache. „Euer Hochgeboren, Ihr wart doch beim Militär?“ Seine Rede wurde durch deftige, schmatzende Geräusche begleitet. Auf das Nicken der Baronesse hin fuhr er fort, nachdem er sich die Finger abgeleckt hatte. „Ich habe mal gesehen als ich mit meinem Freiwilligen Haufen beim Stabszelt vorbei kam, das die so was, wie ein Bild des Feindes gemacht haben, indem sie alle den verschiedenen Einheiten zur Verfügung stehenden Informationen zusammengetragen haben. Meint Ihr so was könnten wir auch machen? Immerhin haben wir ja fähige Damen und Herren aus den verschiedensten Fachgebieten dabei und Spuren sind auch schon einige gesammelt worden. Macht so etwas Sinn?“
„Oh durchaus“, antwortete die Angesprochene. „Zumindest bei der Reichsarmee waren solche Stabsbesprechungen, wie der korrekte Begriff lautet, recht häufig und dienten vielerlei Zwecken: Der Ausarbeitung eines Schlachtplanes, dem Zusammentragen von Informationen oder etwa Überlegungen zum weiteren Vorgehen des Feindes – also genau das, womit wir uns befassen sollten! Ihr solltet Leomara als unserer Oberkommandierenden, um bei der Armeesprache zu bleiben, dies vorschlagen, auf dass wir Kriegsrat halten, uns austauschen und das weitere Vorgehen planen können. Ebenso ist eine klare Organisationsstruktur von großem Nutzen, bei der festgelegt ist, wer für bestimmte Aufgaben – Spurensuche, Aufklärung, Wachdienst, Versorgung und dergleichen zuständig ist und dann nicht nur als zentraler Ansprechpartner für seinen Bereich fungiert, sondern in entsprechenden Situationen auch die Führung übernimmt“, die Baronesse senkte den Kopf und sprach mit belegter Stimme weiter, „damit so was wie vorhin bei unserer Ankunft nicht wieder passiert, wo wir alles andere als gut organisiert agierten – mit den daraus resultierenden Folgen. Aber ich denke, auch das weiß Leomara bereits. Dennoch könnt Ihr es ihr gegenüber noch mal ansprechen.“
Selinde hatte es bewusst vermieden, sich selbst darum zu kümmern, denn sie wollte nicht, dass Marnion den Eindruck gewann, sie wolle der Ritterin die Führung streitig oder sie gar schlecht machen, was nun auch wahrlich nicht in Selindes Absicht lag.
Die Sau mundete recht gut. Tjalf und die Jäger hatten das Fleisch gekonnt zubereitet. Vor allem Kains kleine Kräutersammlung hatte dazu beigetragen. Für manch einen mochte es eventuell ein wenig scharf gewürzt sein, doch genauso liebten es die Südländer.
Einige Zeit später, als die anderen gerade ihr Saumahl beendet hatten und etliche Knochen auf einen Haufen vom gesunden Appetit der Anwesenden zeugten, ging Marnion hinüber zum Feuer und brachte den gemeinsamen Vorschlag vor.
„Wohlgeboren Leomara, Hochgeboren Selinde und ich möchten Euch als ehemalige Soldaten einen gemeinsamen Vorschlag machen. Wir könnten heute noch einen Kriegsrat halten, in dem wir die gemeinsamen Erkenntnisse über den Feind zusammentragen, auswerten und eine Vorgehensweise beschließen. Weiterhin könnten wir unsere Organisationsstruktur noch verbessern, indem wir Verantwortungsbereiche abstecken und auch hier eine Führungsstruktur etablieren.“
Marnion stand kerzengerade, im korrekten Abstand zu Leomara bis auf seinen verletzten Arm, den er leicht angewinkelt vor sich hielt, es hätte nur gefehlt, das er salutiert hätte um den Eindruck eines Soldaten zu vervollständigen, der vor seinem vorgesetzten Offizier Meldung macht.
‚Weniger formell könnte man auch sagen, wir unterhalten uns’...fügte Leomara missmutig in Gedanken hinzu. Sie wusste genau, dass es mehrere Gründe gab, weshalb sie nicht für den Dienst in einer Einheit geeignet gewesen war. Viel Gerede um nichts.
„Das Zusammentragen der Erkenntnisse halte ich auch für sehr wichtig. Wir müssen uns endlich darüber im Klaren werden, was wir hier eigentlich verfolgen. Wenn wir dann schon soweit sind, dass wir dabei zu einem abschließenden Urteil gelangen, können wir gerne auch weitergehende Taktiken besprechen.“ Das enthusiastische Glühen in Marnions Augen gemahnte Leomara allerdings auch seinen Eifer etwas zu zügeln.
„Ich weiß nicht, in welcher Art mein Auftrag lauten wird, wenn ich Baronin Geshla von Gnitzenkuhl erst Meldung erstattet habe. Auch ist es vonnöten, dass wir der Baronin hier Meldung erstatten. Des Weiteren müssen wir uns auch darüber im Klaren sein, dass wir hier auf Menschen gestoßen sind, die nicht heute zu Tode kamen. Wenn der andere Teil unserer Truppe in Sabadonn tatsächlich Feindkontakt hatte, werden wir von ihnen vermutlich wesentlich mehr erfahren, bei Rondra.“
Dieser Nachsatz war deutlich hörbar ein Wunsch, und man merkte Leomara an, dass ihre Gedanken gerade über den Darpat davon trieben, hin zu denjenigen, die der heißen Spur gefolgt waren. Ob sie noch am Leben waren? Hatten sie das Untier endlich gesehen? Hatten sie es gar erlegt? Nicht unwahrscheinlich dank der Rotze die an Bord war, und des Beistand des Efferdtempelvorstehers Taseco. Langsam kehrte ihr Blick wieder in ihre Runde zurück und sie zwang sich weiter konzentriert zu bleiben auch wenn ihre Beine sich anfühlten, als wären sie aus Blei.
„Wenn es unsere Gruppe noch weiter in dieser Zusammensetzung geben wird, können wir uns gerne dann noch einmal weiter...spezialisieren.“
Die Worte von Leomara verfehlten ihre Wirkung nicht. Der Kelsensteiner schluckte hörbar. Er hatte sich wieder einmal mitreißen lassen, von seinem eigenen Schwung und Zielen. Seine Lehrer hatten ihn öfters gesagt, das wäre seine größte Schwäche und er würde nie ein guter Anführer werden, wenn er dies nicht in den Griff bekommen würde. Sie hatten recht behalten. Er hatte diese Schwäche nie gemeistert, zu eng schien ihm die Verbindung zu seiner Lebenskraft, wenn er es unterdrückte war er lethargisch. Im Krieg hatte er sich meist mitreißen lassen, sein Banner war immer heimgekehrt. Kor hatte seine Freude an ihnen, das wusste der Mann aus den Bergen. Doch konnte er die Gesichter und Stimmen der Sterbenden nicht mehr aus seinem Geist verdrängen, wenn er zur Ruhe kam. ´ Am Feuer war von den Selbstvorwürfen Marnions nicht viel zu bemerken. Sein Blick war seltsam leer und er schwankte fast unmerklich vor und zurück, als Leomara antwortete.
„Ich danke Euch, Wohlgeboren. Ihr habt recht, es ist für uns zunächst wichtig heimzukehren und Bericht zu erstatten.“
„Euer Gnaden...!“
Hilfesuchend schaute sie den Geweihten der Leuin an. Leomara stürzte auf den Nebachoten zu. Dieser merkwürdige Sinneswandel und der Eindruck, dass er leicht vor und zurück schwanke, ließ Leomara befürchten, dass er vielleicht ähnlich wie Kain sich übergeben müsste, oder gar die Besinnung verlöre. Daher packte sie ihn fest unter den Armen, und bugsierte ihn zunächst weg vom Feuer.
„Marnion, was ist mit euch? War es das Essen? Ist euch nicht wohl?“
Sie nahm ihren Wasserschlauch und drückte ihn dem Mann in die Rechte. Hatte sie ihm so sehr zugesetzt mit ihren Worten? Im Geiste ging sie nochmals die Dinge durch, die sie gesagt hatte. Vielleicht hatte sie unbewusst etwas Falsches erwähnt. Da er so abwesend wirkte, brachte sie ihr Gesicht ziemlich nah an das seine heran.
„Marnion so sprecht doch...!“
Der Geweihte, der sich bisher am Feuer etwas ausruhte und seine Sinne gen Schwertwacht baumeln ließ, sprang auf und wollte so schnell es ging Leomara zur Hilfe eilen.
Marnion ließ sich willenlos von Leomara umher schieben. Er bemerkte erst wieder was mit ihm geschah, als ihr Gesicht dicht vor dem seinen war. Marnion wurde erst blas und lief dann rot an. Die Lebensgeister kehrten mit Macht in ihm zurück, als er so in ihren Armen stand. Er spürte den heftigen Impuls sie zu küssen, doch wusste er dass dies ganz und gar nicht statthaft wäre. Er brachte auf ihre Frage kein Wort heraus, als er den Wasserschlauch in seiner Hand fühlte. Einer Eingebung folgend drückte er auf den Schlauch und spritzte sich ins Gesicht. Es klappte tatsächlich. Er schüttelte sich wie ein nasser Hund und beantwortet endlich ihre Frage prustend und lachend.
„Es geht mir gut, dank Euch Leomara.“
Alexis stoppte, es war wohl außer einem leichten Schwächeanfall nichts gewesen. Doch kehrte er zu einem Platz nicht zurück sondern zog es vor – zur Sicherheit – noch etwas zu warten. Vertrauensvoll legte Marnion seinen gesunden Arm, in dem er immer noch den Wasserschlauch hielt nun um ihre Taille, dabei hatte diese Geste nichts anzügliches, es kam ihm einfach natürlich vor, hielt sie ihn doch noch immer umfasst. Es sah so aus, als würden sie gleich das Tanzbein schwingen.
„Wenn wir hier schon so stehen, lasst uns tanzen, oder fürchtet Ihr Euch?“
Unswin wollte schon aufspringen, doch der Blick des Geweihten genügte, um diesen Impuls im Keime zu ersticken. Trotzdem blieb ein wütendes Funkeln in den Augen des Edelknappen zurück als er sich wieder an die Mauer lehnte. Unverholen blickte er auf Leomara und den ungehobelten Nebachoten, noch immer bereit einzuschreiten, sollte sich Marnion weitere Entgleisungen erlauben. Kor’win hatte die Szene wortlos und regungslos beobachtet. Doch nach Marnions letzter Frage, stöhnten selbst er und Kain auf.
Keineswegs hatte sie vor seine ohnehin schon eigentümliche Wandlung auch noch dem Spott der anderen auszusetzen, darum antwortete sie nur:
„Wir werden sehen...vielleicht werden wir das nach unserem Kampf noch nachholen, je nachdem wer als Gewinner daraus hervor geht versteht sich.“
Sie lächelte matt und Müdigkeit begann sich nun in ihren Zügen bemerkbar zu machen. Der wenige Schlaf von gestern, die mühsame Suche im Schilf und dann diese unmögliche Aktion hier am Turm waren auch ihr aufs Gemüt geschlagen. Ihrerseits hatte sie schon aufgehört ihn zu stützen, doch sie tat dies nicht, ohne ihn weiter wachsam zu beäugen. Erst als sie sich sicher war, dass er nicht umkippte, entzog sie sich nun auch seiner Hand.
Vielleicht würde sie ihm zu gegebener Zeit einmal raten einige Zeit in Rashia’ Hal zu verbringen. Die Geweihten der Peraine kannten sich mit vielerlei Gebrechen aus. Sie wollte auch schon längst einmal mit ihrer Frau Mutter dorthin reisen, doch ihr Dienst ließ es bislang nie zu. In Begleitung von Quanion wollte diese nicht reisen. Mutter und Sohn waren sich inzwischen so fremd geworden, dass es Leomara manchmal fast unheimlich war.
Alexis drehte sich wieder ab und ging zurück zum Feuer. Hier wurde er nicht mehr gebraucht.
„Nun, da alle wieder anwesend sind, können wir vielleicht dazu über gehen, die Fakten zu sammeln...“
„Das Wesen wurde bisher nur nachts gesehen. Es hinterließ bis heute keinerlei Spuren. Es wurde beschrieben als sieben Schritt langes, geschupptes mit drachenähnlichem Kopf bestücktes Wesen, dass Kälte verströmt...“ Hier stockte Leomaras Auflistung und sie blickte in die Runde.
„Und offenbar im Blutrausch tötet“, ergänzte Selinde. „Anders vermag ich mir diese grauenvoll zugerichteten Leichen am und im Turm nicht zu erklären. Weder, so mein Eindruck, tötete es aus Hunger, noch aus anderen verstandesmäßig zu erfassenden Gründen, etwa, um aus den armen Seelen irgendwelche Informationen herauszupressen. Davon ausgehend, dass die von Euch, Leomara, zusammengefassten Berichte und Beobachtungen stimmen, müssen wir ferner davon ausgehen, dass die von uns gejagte Kreatur irgendwie mit den unheiligen Mächten der Niederhöllen in Zusammenhang steht, denn eine große Echse, die Kälte verströmt, ist zumindest mir gänzlich unbekannt, sind die Wesen doch sonst, wenn ich mich recht entsinne, ausgesprochen kälteempfindlich. Ich vermute zudem das Wirken finsterer Magie, entweder durch das Monstrum selbst oder durch denjenigen, der es geschaffen respektive gerufen hat. Anders kann ich es mir nicht erklären, wie eine solch große Kreatur nicht nur eine so immense Kraft besitzen sondern dazu noch in der Lage sein kann, buchstäblich spurlos aufzutauchen und wieder zu verschwinden.“
Marnion hatte Leomara nur einen kurzen Moment nachgeschaut, dann war er ganz bei der Sache und ergänzte die Ausführungen von Selinde.
„Es ist schnell, darin gleicht es den Drachen. Die Opfer wurden teilweise auf der Flucht eingeholt und hatten kaum Zeit sich einem Kampf zu stellen. Ich würde auch sagen, dass es eine Kreatur der Niederhöllen sein könnte. Kälte ausströmen, das ist mir von derartigen Unwesen bekannt. Doch niemals von Drachen, davon handelt kein Lied meines Volkes und wir haben in dem Bergen seit langer Zeit Bekanntschaft mit den Drachen gemacht. Es bewegt sich wohl schwimmend und laufend fort oder schwebt knapp über den Boden. Oder sagen die Spuren etwas anderes?“
Aufmerksam verfolgte der Rondrageweihte die Sammlung aller Puzzleteile. Bisher war er sich auch nicht sicher, was dieses Unheil angerichtet hatte.
„Es könnte ein Revier haben so wie ein Drache, nur das es sich eben den Darpat ausgesucht hat. Auch die Anlage eines Horts wäre möglich, wenn auch vielleicht nicht mit Gold. Mit finsterer Magie kenne ich mich nicht aus, aber ich weiß das es falsche Gegenspieler in den Niederhöllen gibt zu allem was gute Mächte sind. Warum dann nicht auch zu den Drachen. Die Hohen Drachen wachen über Dere und Alveran, sie beherrschen die Lüfte mit Anmut und Macht. Diese Dämonenanbeter behaupten ja, dass es eine Unzahl von Unwesen gäbe. Was wäre wenn es einem von Ihnen gelungen wäre, den Gegenspieler eines Drachens hierher zu rufen. Das war jetzt sicher weit her geholt und ihr mögt zu ganz anderen Schlüssen kommen, aber ich werde, wenn wir auf das Vieh treffen, ausprobieren ob ich richtig liege. Als wir in den Finsteren Landen unterwegs waren, war es für uns eines der wichtigsten Dinge herauszufinden mit was diese Wesen zu verwunden waren. Ein Praiosgeweihter, Seine Gnaden Eberdin Aurelius, der mit uns zog, sagte zu mir ‚die reine Essenz des Guten das sie verneinen zerstört ihre unheilige Existenz’. Lange Zeit habe ich ihn nicht verstanden, aber das wäre bei einem Drachen sein Feueratem denke ich. Da wir gerade keinen Taschendrachen dabei haben würde ich es für den Anfang mit dem Feuer einer Fackel versuchen.“
Alexis erinnerte sich bei ‚Feuer’ an einen alten Freund – einem Magier – der sehr gut mit Feuer umgehen konnte. So mancher Dämon, der sich ihm in den Weg stellte, wurde meist sehr schnell mit einer Flammenlanze flambiert.
Die beiden nebachotischen Jäger hörten sich eine Weile die Überlegungen der anderen an. Bei manchen Punkten schienen sie zuzustimmen. So gänzlich waren sie jedoch nicht mit dem bisher Gehörten einverstanden.
„Vielleicht könnt ihr etwas mehr Licht in unsere Fragen bringen?“ Fast herausfordernd stellte Unswin die Frage an Kor’win und alle Augen richteten sich auf den erfahrenen Jäger. Dieser saß in der Hocke am Feuer und blickte nun abwartend in die Runde. Dann nahm er etwas aus seiner Tasche und gab es Selinde, die ihm am nächsten saß, damit sie sich das Ding anschauen und in die Runde weitergeben konnte.
„Das ist eine Kralle, die wir an der geb’borstänen Tir gefunden haben. Sie stammt von ainem Lewen.“
Kor’win wartete bis Selinde die Kralle an ihren Nachbarn hatte weitergegeben und fuhr dann fort.
„Wie ihr säht ist sie natirlich und ich vermag nichts niedärhelliches daran zu erkennän.“ „Jedoch“, nahm Kain den Faden seines Mentors auf. „Jedoch so schaint es wirklich schnell zu sain. Flucht ist bishär kaum einem gelungän. Im Wassär scheint es ebenso schnell zu sain wie an Land. Und Kraft hat äs, wie mehr als 10 Männer.“ „Doch ein natirliches Wesän tetet saubär und zwar, das was äs zur Nahrung braucht. Dazu läßt es auch meglichst wenig ibrig.“ fuhr Kor’win fort, bevor wieder Kain weiter sprach.
„Unsär Wesen dagegän scheint Tischmanierän wie ein tollwitigär Ogär zu haben.“ Kain schluckte bei diesen Worten. Er selbst war nicht seinem Mentor nach oben in den Turm hin gefolgt, nachdem die anderen diesen für sicher befunden hatten, hatte jedoch das Berichtete vernommen. „Zudäm wird äs als sehr groß beschriebän. Dann frage ich mich jedoch“, dabei stellte Kor’win ein übertrieben nachdenkliches Gesicht zur schau.
„Als ich mich dann obän den Turm nochmal näher habe angeschaut, kam ich zwar gut vorran, doch denkä ich mir, dass ein Rittär in Rüstung äs nicht so leicht gehabt haben dirfte. Wie solltä dann unser Wäsen dort hinauf kommän?“ Doch bevor Kor’win eine Antwort erwartete, fuhr er fort. „Und äs hinterläßt, nachdem wir ibär Wochen hin nichts von ihm gesähen und gefundän haben dutzende von Spuren und dazu noch zwei vollkommän identische Fußabdrücke. Was also hat dies zu bedeutän?“
Fragend blickte Kor’win in die Runde, der anscheinend sich selbst schon eine Antwort gegeben hatte.
„Es gibt keine Tiere mit zwei gleichen Füßen, egal ob es einer göttlichen Natur entspringt oder niederhöllisch wäre. Es würde einfach umfallen...!“
Leomaras Ton klang genervt. Was für eine dumme Frage. Wenn er etwas wusste sollte er damit heraus rücken.
„Wir hatten doch schon einmal überdacht, ob dieses Vieh menschliche Helfer haben könnte, die hätten ihm die Opfer zuführen können. Allerdings würde es nicht erklären, wieso die zerstückelten Körper auch im Turm aufzufinden sind. Dort drinnen hätte es ja kaum oder gar nicht fressen können. Ob sie es dennoch nach oben locken wollten?“
Inzwischen saß sie mit verschränkten Beinen auf dem Boden und stützte den Kopf unter dem Kinn mit ihren Händen ab. Ihr Verdruss ob dieses rätselhaften Verhaltens des Monsters war augenscheinlich.
„Was mir noch oben im Turm aufgefallen ist, ist der Umstand, dass keinerlei Schleifspuren zu sehen waren, so als hätte das Ungetüm – oder was auch immer – die armen Seelen im Turm, buchstäblich in der Luft zerfetzt. Übrigens handelte es sich bei den Verblichenen um eine Frau und drei Männer, die wohl auch ihre Waffen zur Verteidigung nutzten, ohne dabei anscheinend nur den geringsten Schaden anzurichten.“ Nachdenklich schwieg Selinde für einen Augenblick, bevor sie fortfuhr. „Einer der Toten hielt eine Spieluhr umklammert, ganz so, als versuchte er sie buchstäblich mit seinem Leben zu beschützen. In einem Fach der Uhr fand ich diese zwei Pergamente.“
Die Baronesse holte die Schriftstücke aus ihrer Gürteltasche und las sie nacheinander vor/beschrieb, was sie sah und reichte sie dann an Kor’win weiter, damit jeder der Versammelten einen Blick darauf werfen konnte. Auf beiden Briefen war zunächst die saubere, geschwungene Handschrift einer Frau zu erkennen, die ihrem Liebsten – Caldon, das musste einer der toten Gardisten sein – einige Zeilen geschrieben hatte. Die Briefe verrieten, dass sich Caldon und Fiana – die Verfasserin der Briefe – innig liebten und es kaum erwarten konnten, sich zu sehen. Auf der Rückseite eines der Briefe jedoch, waren ein paar, mit einem Kohlestift hingeschmierte Worte zu erkennen. Mehr erahnen, denn wirklich lesen ließen sich die von Blut verschmierten Worte wie: ‚die Niederhöllen brechen herein‘, ‚es kommt um uns alle zu hohlen‘, ‚Boron steh uns bei ich will nicht sterben, nicht so‘, ‚Tür hielt soweit Stand, als wäre sie aus Pergament‘, ‚….und Caldon bereits zerfetzt‘, ‚Schreie‘, ‚Blut, überall Blut‘, ‚Wahnsinn‘.
Marnion stutzte und sprang schließlich auf, während das Pergament herum ging. ,,Kor’win ich kenne nur einen Löwen, der so etwas vermag.”
Dabei deutete der Kelsensteiner auf seinen Dreck verkrusteten Wappenrock, genauer gesagt auf den unteren Teil seines Wappens, welches das Wappentier der Sippe Kel´zen Djer zeigte. Silbern glänzend im Schein des Feuers trotzte der Mantikor dem Schlamm mit dem der Junker bedeckt war. Der Eifer war wieder in die Augen des Kelsensteiners zurückgekehrt und ließ ahnen dass seine Familie dem Wappentier wohl mehr entsprach, als manchem lieb sein konnte.
„Bei Chor, ich bin den Heiligen Boten des Unbarmherzigen bisher nur im Geiste begegnet, als wir auf Feldzug waren. Es war immer ein Lebenstraum von mir einem wahren Mantikor gegenüber zu stehen. Was wenn der Bote die Witterung unseres Wesens aufgenommen hat, das sagen wir die Schleifspuren hier verursacht hat. Der Bote hat das Wesen des Herrn, so heißt es. Er wird unbarmherzig alles töten, was mit dem Feind in Berührung gekommen ist. Das mag durchaus auch die Besatzung eines Wachturms mit samt ihrem Gesinde und Vieh treffen, sei es weil sie in ihrer Aufgabe versagte, sei es weil sie etwas mit dem Feind zu schaffen hatte. Es heißt der Bote trage den ganzen Zorn des Herrn Chor in sich. Ihr müsst seine Spur aufnehmen Kor’win, so es den Hauch einer Chance gibt!“
Zuerst war Die Rittfrau von Isenbrunn in ihrer Denkhaltung wie erstarrt, doch diese Ruhe währte nicht lange. Sie rappelte sich vom Boden hoch, sodass sie wie der Kelsensteiner Junker zumindest stand, wenngleich sie bedeutend kleiner war.
„Ein Mantikor? Ein MANTIKOR...???“
Erschrocken blickte sie die Baroness an, und suchte in deren Gesicht was wohl ihre Ansicht dazu war. Der Geweihte blickte trotz der Situation etwas ungläubig drein, da er sich überlegte, wie ein Mantikor sich durch den Turm bewegen kann. Nein, es war kein Mantikor, dieser war zu groß für den Turm und hätte dann Spuren hinterlassen. Nein, nicht ein Bildnis Kors war hierfür verantwortlich…seine Vermutung war eher der niederhöllische Zant, Diener des Mordbrenners. Dieses tigerähnliche, aufrecht gehende Unwesen könnte…
Selinde klappte der Unterkiefer runter und sie brauchte ein paar Sekunden, bis sie ihre Gesichtszüge wieder unter Kontrolle hatte. Dann bewegte sie sich so um das Feuer herum, dass auch sie wieder Kor’win sehen konnte.
„Sagt mir dass der Junker hier auf einen Stein gefallen ist, und sich übel das Hirn gestoßen hat!“
Die Vellbergerin konnte sich ein Grinsen bei Leomaras Worten nicht verkneifen; sie hatte ja so recht! Auf was für Ideen diese Nebachoten auch kamen! Ein den Zwölfen – oder zumindest einem ihrer Kinder – heiliges Wesen, das scheinbar grundlos nicht nur tötete, sondern wahre Massaker veranstaltete! Undenkbar! Einen Moment später sprach sie diesen Gedanken auch aus, wohl wissend, dass dies bei einigen hier gelinde gesagt auf Ablehnung stoßen würde.
„Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, Marnion, dass, so eure Vermutung stimmt, ein solch mächtiges und im Dienste Kors stehendes Wesen solche Blutbäder anrichtete. Ich bin zwar keine Geweihte, aber soviel weiß ich auch, dass Rondras Sohn einen guten Kampf über alles stellt und davon kann hier wohl keine Rede sein. Und die armen Seelen im Turm, oder was von ihnen übrig ist, machten nicht gerade den Eindruck mit den dunklen Mächten im Bunde zu stehen. Im Gegenteil, ich denke eher, dass dieses Gemetzel irgendwelchen götterlosen Schergen und den von ihnen beschworenen oder geschaffenen Kreaturen zuzuschreiben ist.“
Eigentlich hatte die Baronesse noch viel mehr sagen wollen, aber wohlweislich darauf verzichtet, denn sonst wären ihr Duellforderungen seitens der Nebachoten gewiss gewesen. Dennoch wirkte sie nun ziemlich genervt.
Der alte Jäger hatte bei den Worten des Kelsensteiner eben jenen ungläubig und fast ehrfürchtig angestarrt. Und während bei Kain dieser Moment weiter anhielt, entspannte sich Kor’win wieder und winkte ab.
„Meglich, ein Mantikor kennte so ein Blutbad anrichtän. Aber auch dann müßten wir Spuren findän und zwar Spuren die wirklich da sind und nicht fir uns hinterlegt wurden.“
Die Worte von Kor’win beruhigten Marnion wieder ein wenig. Dennoch fuhr er mit der gesunden Hand unruhig über den Knauf seiner Waffe, als er den Gedankengang des Jägers weiter spann.
„Eueren Fähigkeiten als erfahrenen Jäger vertraue ich. Wenn ihr sagt die Spuren sind gefälscht, dann ist es so. Dann bliebe nur eine logische Erklärung. Ein Komplott unserer Feinde in den Dunklen Landen. Das ergibt einen Sinn. Der Darpat ist die Lebensader der ganzen Region. Die Sichtungen eines solchen Ungeheuers behindern den Handel und binden militärische Kräfte im Hinterland. Die Infiltrierer leisten wertvolle Aufklärung. Angriffe von Beschwörern zerstören scheinbar wahllos Ziele während in Wahrheit weitere Truppen und Nachschub ins Hinterland gelotst werden, Stützpunkte errichtet und für die Beschwörer wichtige Dinge gesichert werden. Zudem soll Zwietracht unter den Verteidigern gesät werden. Was liegt da näher als Nabachoten und Raulsche weiter gegeneinander aufzubringen durch einen Streit um die Religion. Wenn es gelänge den Glauben an Kor bei den Raulschen als böse und mit den Niederhöllen im Bunde darzustellen, dann wäre ein Bürgerkrieg in greifbarer Nähe.“ Die Gesichtszüge des Kelsensteiners hatten sich verfinstert. Hätte er den schwarz-roten Wappenrock mit der Dämonenkrone getragen, dann hätte er mit seinen kalten Worten genau so gut in einen Kriegsrat der Borbaradianer gepasst. Die Anwesenden konnten erahnen in welch gefährliche Nähe zum Feind in jeder Beziehung, sich der Junker mit seinen Banner aus Bauern und Freiwilligen während der Feldzüge gegen die Dunklen Lande begeben haben musste. Die Hand von Marnion ballte sich um den Griff des Kurzschwerts in der Scheide. „Diesmal haben sie es übertrieben. Ihr Anführer hat keine Erfahrung, sonst würde er nicht so viele Spuren auf einmal legen.“
Kurz hielt er inne und fuhr dann zornig fort.
„Wenn sie Deinen Namen beschmutzt haben Herr Chor dann werden sie dafür büßen. Ich schwöre hier in Anwesenheit eines Geweihten der Rondra bei meinem Blute, das ich nicht eher ruhen werde, bis alle an diesem Frevel Beteiligten in ihrem Blute liegen, so wie sie es zuvor mit ihren Opfern hielten.“
Mit diesen Worten zog Marnion sein Schwert halb aus der Scheide während er die linke Hand um die Klinge schloss. Dunkel lief sein Blut in die dafür vorgesehene Rinne in der Schwertmitte. Mit beiden Händen hielt er die Waffe quer vor der Brust ausgestreckt, als er sich vor Alexis kniete.
„Hochwürden, wenn meine Worte für Euch Sinn ergeben, dann nehmt mir den Schwur ab und segnet mich, auf dass ich den Lästerern Kors und damit auch der Herrin Rondra die gerechte Strafe bringen kann.“
Die Überlegungen des Geweihten wurden unterbrochen. Er blickte zum Junker herab. „Ihr müsst dies abwägen, Junker Marnion. Und wenn dies euer Wunsch und eure Überzeugung ist, so nehme ich euch euren Schwur ab. Jedoch… diesem seid ihr verpflichtet“, gab der Rondrageweihte noch zu bedenken.
Leomara pflichtete ihm nickend bei. Wer wusste schon, auf was genau man sich hier einließe.
Allmählich riss Selinde der Geduldsfaden. Statt irgendwelcher pathetischen Schwüre und Blutopfer sollte man sich hier und jetzt drauf konzentrieren, dass weitere Vorgehen zu planen! Sie selbst brauchte keinen Schwur, um den oder die Verantwortlichen für all das Unheil, sollte man sie stellen können, der Gerechtigkeit zu überantworten. Diese Nebachoten raubten ihr noch den letzten Verstand. Ein frustriertes Seufzen war allerdings Selindes einzige Reaktion auf Marnions Tun.
Bis gerade hatte Alexis überlegt, dass der niederhöllische Tiger Zant hier sein Unwesen verbreitet haben könnte. ‚Doch… nein’, er erinnerte sich, ‚ich habe keine derartigen niederhöllischen Kräfte bei meinem Gebet im Turm gefühlt. Es muss etwas anderes sein… dennoch nicht minder verdorben.’
Mit Mühe hielt Unswin sich verbal zurück, verdrehte jedoch übertrieben die Augen um anzuzeigen, was er von Marnions mystischen Anwandlungen hielt. Es war noch nicht einmal gesichert wer oder was für das Gemetzel und die Überfälle verantwortlich war, aber der Nebachote wollte bereits losstürmen und alles zu Klump hauen was ihm in den Weg kam. Mehr und mehr kam er zu der Überzeugung, er von den Nebachoten weniger lernen konnte, als sich seine Gnaden Alexis das vorgestellt hatte. Was auch immer er noch über dieses Volk herausfinden würde, bisher war es jedenfalls wenig Schmeichelhaftes gewesen.
Der Rondrageweihte erhob seine Stimme. „Ich habe all eure Informationen vernommen. So möchte ich euch auch meine mitteilen. Wie ich selbst gesehen habe, haben wir viele Spuren gefunden, doch noch keinen eindeutigen Hinweis. Ich vermute nicht, dass es sich um das Bildnis Kors handelt. Zunächst hatte ich eher an den niederhöllischen Tiger Zant gedacht, auch diesen Gedanken habe ich verworfen. Alle Hinweise wären dazu schlüssig gewesen, doch bei meinem Gebet im Turm habe ich keinerlei Anzeichen wahrgenommen, dass dies das Unwerk eines Dämons war oder niederhöllisches Wirken dazu beigetragen hat. Soviel kann ich euch versichern.“
Die nachdenklichen Worte des Geweihten der Kriegsgöttin, hatten Marnion innehalten lassen. Er wartete ab bis Alexis die Eingebung seines Gebets mitgeteilt hatte und blickte dabei auf einem Tropfen seines Blutes, das langsam die Klinge hinab rann. Als das Blut sich von der Klinge löste und sich im Boden mit dem der dahin geschlachteten vereinte wusste der Junker, dass es keine Rolle spielte ob es sich um Borbaradianer oder sonst irgend wen handelte, ob seine Vermutungen zutrafen oder nicht, die Art wie dieses Verbrechen inszeniert wurde, hatte ihn erst getäuscht und dann in Aufruhr gebracht. Sein Blut hatte er gegeben und fühlte in sich auch nach den Worten des Geweihten noch einen vernichtenden Zorn auf die Urheber. Sein Entschluss war gefallen.
„Habt dank Hochwürden, dass Ihr uns mit Eurer göttlichen Eingebung erhellt. Mag unser Wissen auch ungenügend sein, so bleibt doch das Verwerfliche dieser Tat bestehen und schreit nach Vergeltung.“
Mit diesen Worten zog der Kelsensteiner sein Schwert vollends aus der Scheide, legte diese neben sich und hielt Alexis abermals das Schwert entgegen.
„Die Frevler sollen das Schicksal Ihrer Opfer teilen, ich schwöre es Dir Herr Chor und Dir Herrin Rondra.“ Am Ende seines Schwurs war die Stimme Marnions deutlich weniger fest gewesen. Es erschien ihm als Frevel Ihren Namen zu gebrauchen, doch nur bei Chor zu schwören, vor Ihrem Diener das wäre ihm nicht richtig vorgekommen. Er würde es erfahren, ob er Ihren Zorn heraufbeschworen hatte oder nicht.
„So höre, Junker Marnion. Ich nehme Euch den Schwur ab“, doch bevor Marnion aufstehen konnte fügte der Geweihte hinzu, „doch nicht aus dem Grund Vergeltung und Rache auszuüben sondern sich für die Ehre und Gerechtigkeit einzusetzen. Und wenn Ihr Euch für das Schicksal der Opfer einsetzt, wiegt nicht Gleiches mit Gleichem auf. Ihr begebt Euch dann selbst in Gefahr einen Frevel zu begehen. So meine letzte Frage an Euch: Steht Ihr dafür ein?“
Marnion zuckte unter den Worten des Geweihten zusammen. Das Gesetz der Vergeltung war in seiner Heimat so selbstverständlich, das er nicht darüber nachgedacht hatte. Er verstand nicht wirklich wo darin ein Frevel liegen sollte. Doch schwor er hier vor Rondra und einem ihrer Geweihten Diener, also würde er dessen Bedenken berücksichtigen. ,,Ich stehe dafür ein, für die Opfer Gerechtigkeit zu schaffen in Ehre!” Bei diesen Worten blickte er Alexis direkt an, so sollte es sein.
„Gut, zeigt mir euer Schwert.“ Der Junker tat wie ihm gesagt wurde und der Geweihte hielt seine Hand über das blutige Metal und blickte gen Himmel. „Bei der Heiligen Herrin Rondra und Heiliger Herr Praios, ihr habt seinen Schwur gehört, so segnet diesen mit eurem Geiste. Die Worte, die er frei gesprochen hatte, sollten heilig sein, wie auch ihr Sinn und ihre Bedeutung. Er sprach und schwor sie aus freien Willen und waren euch als Hütern anempfohlen. Wer jedoch diesen Schwur tut, um seine Bedeutung zu verzerren, wer den anderen gegen seinen Willen zwingt oder wer den heiligen Eid schließlich bricht, der sei eurer Strafe anempfohlen.“
Der Geweihte blickte den Junker wieder an. „Hebt die Eidfinger und sprecht ‚So sei es, bei Rondra’.“ Der Segen und die Warnung des Geweihten hallten in Marnions Ohren wieder wie Donner. Er hob die Finger zum Schwur und sprach ,,So sei es bei Rondra und bei Chor.” Dann bedankte er sich bei Alexis und zog sich einstweilen zurück um das Gewesene in sich auf zu nehmen und der Tat die hier geschehen war Raum in sich zu geben. Alexis nickte, machte einen Schritt zurück und merkte die Kraft Rondras, die ihn gerade durchzog. ‚So soll es sein’, waren noch seine Gedanken bevor er sich wieder am Feuer niederließ.
Mit ausgesuchter Höflichkeit wandte sich der Edelknappe an den alten Jäger. Mochte er seinen Essgewohnheiten auch nichts abgewinnen, so konnte er doch dessen Sachverstand Respekt zollen. Und das war mehr als Unswin über den Kelsensteiner sagen konnte, der bestenfalls als paranoid einzustufen war.
„Meister Kor’win, Ihr geht also davon aus, dass die Spuren die wir hier gefunden haben, absichtlich gelegt wurden? Aber zu welchem Zweck? Um uns auf eine falsche Fährte zu locken? Um uns auf die richtige Fährte zu locken und dann eine Falle zu stellen? Doch warum die Besatzung eines Wachturms niedermetzeln? Ich werde aus den Spuren nicht schlau und kann keinen Sinn dahinter erkennen.“
Beide Jäger hatten sich bei der weiteren Diskussion deutlich im Hintergrund gehalten. Kor’win, weil er der Meinung war, dass er alles gesagt hatte, was es zu sagen gab und er das ‚Schwätzen‘ anderen überlassen wollte und Kain…. Ja bei Kain gab es dafür eigentlich keinen Grund für und dennoch blieb der junge Nebachote ruhig. Auf die Frage Unswins hin, schaute Kor’win auf und schüttelte den Kopf.
„Wieso, wais ich leider auch noch nicht. Doch alleine, dass wir nun wissän, dass das hier absichtlich geschähen ist, gibt uns noch einen Vortail.“ Kor’win trug seine Worte ruhig und sachlich, fast emotionslos vor. „Wir missän jetzt auch herausfindän, ob das Wäsen und das hier in Zusammenhang stähen, oder nicht.“
Geduldig hatte die Ritterin Gnitzenkuhls den Versammelten zugehört, und die Informationen dabei versucht zu sammeln. Das alles ergab keinen Sinn, doch sie hatte das Gefühl einfach noch nicht genug Wissen zu haben, sodass es wohl nichts bringen würde sich weiter irgendwelchen Spekulationen hinzugeben.
„Gut ich denke wir scheinen alle mehr oder minder daran zu zweifeln, dass das Monster, das bislang gesichtet worden war, ursächlich für dieses Blutbad verantwortlich ist. Dazu gibt es zu viele Ungereimtheiten. Vielmehr ist es so, dass die verwirrende Spurenvielfalt darauf hindeutet, dass hier irgendetwas faul ist. Seien es Probleme in der hiesigen Baronie oder groß angelegte Pläne die Sicherheit am Darpat angehend. Daher rate ich zu unbedingter Aufmerksamkeit bei unseren Wachen. Am morgen werden wir einen Marsch zum nächsten Dorfschulzen oder Büttel antreten müssen. Ich schlage vor, dass das wir Beide übernehmen, wenn es euch recht ist?“ Hier blickte Leomara den Rondrageweihten bittend an. „Dieser Fund hier und die Umstände sind so ungeheuerlich, dass ich fürchte, dass es nicht einfach werden wird, ohne einen Aufruhr zu verursachen mit der Baronin oder ihrem Stellvertreter in Kontakt zu kommen.“
„Ich werde mit euch kommen und euch zur Seite stehen“, bestätigte der Rondrageweihte, „es ist dringend notwendig dies der Baronin mitzuteilen.“
Dann wandte sie sich wieder der Allgemeinheit zu.
„Ich gehe fast davon aus, dass keiner eine nähere Bekanntschaft zur Baronin Efferdane von Eberstamm–Ehrenstein unterhält?“ Die rüstige und sympathische Herrscherin wurde von Leomara sehr geschätzt. Doch der Alters- und auch Standesunterschied kam hier so deutlich zum Tragen, dass sie bislang kaum ein Wort mit der Frau gewechselt hatte, wenn man sich einmal auf einem gesellschaftlichen Ereignis gesehen hatte. Ihr Vater hielt viel von den Fähigkeiten und Ansichten dieser Herrscherin.
„Nähere Bekanntschaft wäre vielleicht übertrieben, aber ich bin der Baronin mehrere Male begegnet und war auch einige Tage bei ihr zu Gast. Als mein Vater vor einigen Götterläufen mit der Baronie Vellberg belehnt wurde, machte er sich nicht nur die Mühe, den Herren der Nachbarlehen einen Antrittsbesuch abzustatten, sondern bestand auch darauf, dass ich als seine Erbin ihn dabei begleitete.“
Selindes Miene nahm beim letzten Halbsatz einen säuerlichen Ausdruck an, offenbar hatte sie das damals nicht wirklich interessiert.
„So lernte ich ihre Hochgeboren erstmals kennen und traf sie das letzte Mal vor einigen Monden, als ich ihr auf dem Weg nach Perricum schon allein aus Gründen der Höflichkeit einen erneuten Besuch abstattete. „Eine höchst beeindruckende Frau mit einem geradezu phänomenalen Gedächtnis – und das mit über 80 Götterläufen!“ Der letzte Satz offenbarte den großen Respekt, den die Baronesse gegenüber der Herrin zu Bergthann empfand.
Kor’win nickte zustimmend zur Baroness. Die Baronin von Bergthann hatte sich auch bei den Nebachoten einen gewissen Respekt verdient, den der alte Jäger ihr auch gerne zollte.
„Gut Selinde, dann solltet ihr uns begleiten. Mir ist nicht ganz wohl bei der Sache hier.“
„Einverstanden“, antwortete die Angesprochene, „auch mir ist diese Angelegenheit hier alles andere als geheuer.“ Mit einem feinen Lächeln fügte Selinde noch hinzu: „Außerdem ist mein Vater ohnehin der Meinung, ich müsse engere Kontakte zumindest mit den Adligen der Nachbarlehen pflegen!“
„Das Wildbret steht eigentlich allein dem hiesigen Adligen zu wie wir alle wissen, doch ich denke eine Entschädigungszahlung der Baronin von Gnitzenkuhl wird akzeptabel sein. Die anderen Schweine sollten die Jäger unter euch, vielleicht noch soweit möglich retten was das Fleisch und alles Verwertbare angeht.“
Kain rieb sich bei diesen Worten erwartungsvoll die Hände. Fragend schaute er seinen Mentor an und als dieser nickte, zog er sein Messer und schaute sie um. Als er jedoch keines der Schweine weiter sehen konnte, ließ er enttäuscht die Schultern hängen. Die Abmachungen waren klar gewesen, sie wollten zusammenbleiben. Fragend schaute er in die Runde, ob sich ihm jemand anschloss. Selinde? Marnion? Unswin?
„Da die Zustände im Turm es nicht zugelassen haben irgendetwas von dort... zu benutzen, werden wir wohl entweder im Stall schlafen müssen, oder hier draußen am Feuer. Ich bin müde! Wir alle sollten ruhen und hoffen, dass die Nacht keine weiteren Überraschungen bereit hält. Möge Bishdariel ein Einsehen mit uns haben uns einen guten Schlaf bescheren.“
Kor’win hatte sich derweilen ein wenig vor dem Stall gemütlich gemacht. Er zog es vor, wann immer es möglich war unter freiem Himmel zu nächtigen und nicht in einem engen, stickigen Raum. Zumal er mit der zweiten Wache dran war. Kain würde bis dahin mit der Baroness und Marnion wachen.
Alexis war Kor’win gefolgt. Hier draußen wurde er zunächst nicht mehr gebraucht, so dass er sich ein wenig ausruhen konnte. Er nickte Kor’win, der außerhalb des Stalls sich niedergelassen hatte, zu und betrat den Stall. Einen hohen Anspruch hatte er nicht. Eine aufgehängte Öllampe sorgte für ein wenig Licht, ausreichend um eine schöne Ecke zu finden. Er legte seine Decke (aus dem Rucksack) auf das Stroh und nahm Platz nachdem er sich Ringelpanzer und Stiefel entledigt hatte. Nach einem kleinen Gebet lehnte er sich zurück und genoss die Ruhe. Es war ein langer Tag gewesen und Bishdariel bescherte ihm ein wenig Schlaf.
Leomara lenkte ihre Schritte in den Stall. Tjalf hatte ihn ausgemistet, sodass es ausreichend Platz gab, um sich in sauberes Stroh zu legen. Die beiden Fischer schliefen bereits, worüber sie nur froh war. Vorsichtig begann sie ihre Hose auszuziehen, um nun auch einen Blick auf ihre Verletzung zu werfen. Im flackernden Schein der Laterne konnte sie dunkle Umrisse der Prellung erkennen, doch keine offene Wunde.
Mit einem herzhaften Gähnen stand Unswin auf um Leomara zu folgen. Da sie später die letzte Wache übernehmen sollten, wollte er noch so viel Schlaf bekommen wie möglich war. Durch die Ereignisse und Diskussionen war die Nacht schon kurz genug geworden. Als er den Stall betreten hatte fiel sein Blick erst auf die schlafenden Fischer. Als er zur nächsten Box ging, erkannte er plötzlich die Ritterin, die im Licht der Laternen halb entkleidet im Stroh saß.
„Oh... entschuldige...“ Verlegen wandte er sich ab und die leichte Röte die sich auf seinen Wangen ausbreitete, war zu seiner Erleichterung im Halbdunkel wohl nicht auszumachen.
„Ich werde noch einen Moment draußen warten...“ Die Ritterin musste schmunzeln. Langsam begab sich der Edelknappe wieder zur Tür. Es wäre einfach nicht schicklich, wenn einer von den anderen sie hier so zusammen sehen würde und es war mehr als unangebracht Leomaras Ehre dermaßen zu beschmutzen.
Vorsichtig tastend setzte die Isenbrunnerin ihre Untersuchung fort, nachdem der Edelknappe ihr den Rücken zugekehrt hatte. Eine ungute Beule in Höhe des Knies und weiter oben Richtung Oberschenkel waren als Spuren der Begegnung mit dem Keiler übrig geblieben. Arn war dumm gewesen. Mutig, wohl wahr, nach dem was ihr gestern am abend Tjalf kleinlaut berichtet hatte, aber töricht im Angesicht der möglichen Gefahren. Müde zog sie die Beinkleider wieder empor, und gab Unswin durch ein Räuspern zu verstehen, dass sie wieder angezogen war.
„Alles halb so schlimm...“ murmelte sie nur entschuldigend, und deutete auf ihr Bein. Der Edelknappe quittierte ihre Aussage mit einem leichten Nicken.
Dann legte sie sich einfach ins Stroh, und versuchte an ruhigere Tage und Nächte zu denken. Sie hatte damit gerechnet, dass die Aufregung sie lange wach halten würde. Doch diese Sorgen waren wohl unbegründet. Ihr Körper holte sich was er brauchte, wohingegen ihr Geist sich durch lebhafte Träume versuchte mit dem Erlebten auseinanderzusetzen.
Eine Weile lang blieb Unswin einfach stehen und wartete. Leomara war schnell eingeschlafen und auch er fühlte eine bleierne Schwere in seinen Gliedern. Trotzdem konnte er nicht anders, als sie noch geraume Zeit zu betrachten. Wie friedlich und schön ihr Gesicht im Schlaf wieder geworden war. Nichts wies auf die strengen Züge hin die sie tagsüber zeigte und die sie fast abweisend erscheinen ließen.
Mit einem leisen Seufzen nahm er eine der Decken, kniete sich neben Leomara ins Stroh und breitete sie über der Ritterin aus. Vorsichtig und in Gedanken versunken strich Unswin ihr noch eine Strähne aus dem Gesicht, bevor ihn ein Geräusch sich erschrocken umsehen ließ. Tjalf schien sich im Schlaf bewegt zu haben, doch nichts deutete darauf hin, dass jemand diese allzu vertrauliche Geste beobachtet hatte. Hastig erhob sich der Edelknappe wieder, nahm die Laterne und eine weitere Decke an sich und zog sich in die nächste Box zurück. Die Laterne hängte er an einen großen rostigen Nagel in Kopfhöhe und löschte sie, bevor er sich leise ins Stroh niederließ. Die Stimmen der anderen klangen leise durch die Tür, doch waren seine Gedanken bei Leomara, die nun, nur durch eine dünne Bretterwand von ihm getrennt, neben ihm lag. Unswin rollte sich ein wenig unter der Decke zusammen und als die anderen wenig später zur Nachtruhe in den Stall kamen, war er bereits mit einem leichten Lächeln auf den Lippen eingeschlafen.
Kain hatte dem Novizen noch eine kurze Weile nachgeschaut, bevor er sich anderen Dingen zugewendet hatte. Wieso, fragte sich der junge Nebachote, wieso sah dieser aufgeblasene Krieger so auf sie – die Nebachoten – hinab? Was war er denn noch besseres? Er war ebenso ein Schüler seiner Mentoren, wie Kain einer von Kor’win war. Er trug den Rock eines Ordens der sich dem Ideal der Mutter Kors verschrieben hatte und war damit ebenso götterfürchtig wie sie es waren, nur eben auf andere Art und Weise. Und er lief den Weibern ebenso nach, wie Kain es tat, wenn ihm eine gefiel, mit dem Unterschied, dass Kain nicht lange drum herum redete oder sich scheute die Frau auch zu erobern nur aus Angst eventuell abgelehnt zu werden. Ja, so gesehen, befand Kain, war dieser Unswin eigentlich eine arme Sau. Er wollte so gerne an die Gnitzenkuhlerin und traute sich doch nicht, da er sich selbst im Wege stand. Vielleicht sollte er morgen doch einmal mit ihm reden.
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